Urteil des OLG Frankfurt vom 05.06.2007

OLG Frankfurt: firma, culpa in contrahendo, gleichheit im unrecht, vergabeverfahren, ausschreibung, leistungsfähigkeit, anforderung, unternehmen, verfügung, rechtshängigkeit

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Gericht:
OLG Frankfurt 11.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 74/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 97 Abs 2 GWB, § 21 Nr 1 Abs
1 VOB A, § 25 Nr 1 Abs 1
Buchst b VOB A, § 25 Nr 3
VOB A
(Schadensersatzanspruch des übergangenen Bieters im
Vergabeverfahren: Voraussetzungen eines Anspruchs auf
Ersatz des positiven Interesses)
Leitsatz
Ein Bieter, dessen Angebot bei der Zuschlagsentscheidung nicht berücksichtigt worden
ist, hat einen Schadensersatzanspruch auf Ersatz des positiven Interesses nur, wenn
dem Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag
hätte erteilt werden müssen. Demgegenüber besteht ein Anspruch auf das positive
Interesse nicht, wenn das Angebot des schadenersatzbegehrenden Bieters von der
Vergabe zwingend auszuschließen war.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 28.11.2006 – Az.: 2/23 O 9/05 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des
beklagten Landes gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen
Nichtberücksichtigung in einem Vergabeverfahren.
Das Land schrieb im Zuge der Baumaßnahme "A " in O1 u. a. das Gewerk
Tischlerarbeiten 2.1 (Innenbekleidung Mehrzweckhalle) aus. Die Ausschreibung
erfolgte im offenen Verfahren im Sinne der VOB/A. Innerhalb der bis zum
21.01.2003 laufenden Angebotsfrist gab die Klägerin am 17.01.2003 ein Angebot
ab. Die dem Angebot beigefügten Formulare EFB-Preis 1a, 1b und 2 füllte die
Klägerin nicht aus, sondern vermerkte "wird im Auftragsfall nachgereicht" bzw.
"dito" (Bl. 33-35 d. A.). Das Formular "Technische Ausrüstung/Geräteliste gem.
VOB/A § 8 Nr. 3 d" versah sie mit dem Vermerk "wird im Auftragsfall nachgereicht "
komplette Ausrüstung vorhanden" (Bl. 102 d. A.). Wegen der weiteren Einzelheiten
des Angebots wird auf Bl. 15-109 d. A. Bezug genommen. Innerhalb der
Angebotsfrist gingen neben dem Angebot der Klägerin vier weitere Angebote ein,
wovon eines lediglich ein Teilangebot war. Günstigste Bieterin war die B GmbH (im
Folgenden: Fa B) mit einer Angebotssumme von 146.553,24 €, zweitgünstigste
Bieterin war die Klägerin mit 179.731,56 €. Wegen der weiteren Angebotssummen
wird auf die Zusammenstellung Bl. 9 d. A. verwiesen.
Das Land informierte die Klägerin mit Schreiben vom 20.03.2003 darüber, dass ihr
Angebot nicht berücksichtigt werden solle, sondern beabsichtigt sei, den Zuschlag
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Angebot nicht berücksichtigt werden solle, sondern beabsichtigt sei, den Zuschlag
auf das Angebot der Firma B zu erteilen (Bl. 10/11 d. A.). Der Zuschlag wurde
schließlich der Firma B erteilt.
Die Klägerin hat gemeint, bei Einhaltung der anzuwendenden vergaberechtlichen
Vorschriften hätte sie den Zuschlag erhalten müssen. Das Angebot der Firma B
habe dem Leistungsverzeichnis nicht entsprochen und weiche von den
Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erheblich und ersichtlich ab. Dazu hat
die Klägerin behauptet, das von der Firma B angebotene Prallwandsystem habe
nicht Pos. 1.1.1 des Leistungsverzeichnisses entsprochen, weil bei der
Schraublattung ein Achsabstand von 365 mm gefordert gewesen sei, während das
von der Firma B angebotene System einen Achsabstand von 600 mm habe.
Ferner habe die unter Pos. 1.1.5 des Leistungsverzeichnisses verlangte drehbare
Trennwand mit einer Breite von 16 m und einer Höhe von 3 m nichts mit der von
der Firma B ausgeführten handelsüblichen Faltwand zu tun.
Die Klägerin hat behauptet, für das Land sei erkennbar gewesen, dass die Firma B
ein unangemessen niedriges Angebot im Sinne von § 25 Nr. 3 VOB/A abgegeben
habe.
Die Klägerin hat ferner gemeint, sie sei nicht von dem Vergabeverfahren
auszuschließen gewesen, weil sie die Formblätter EFB-Preis1a, 1b und 2 nicht
vorgelegt habe. Dazu hat die Klägerin behauptet, Formblätter würden in der Praxis
stets erst auf Anforderung ausgefüllt, wenn einem Unternehmen der Zuschlag
erteilt werden solle. Von vornherein würden die bekanntlich mit einem großen
Arbeitsaufwand verbundenen Formblätter von Bietern regelmäßig nicht
abgegeben. Aufgrund dieser Praxis bei Vergabeverfahren sei davon auszugehen,
dass auch die anderen Bieter die genannten Formblätter nicht oder nicht
vollständig vorgelegt hätten. Das Land habe deren Angebote jedoch zugelassen
und in die Wertung einbezogen. Es könne ihr daher auch unter dem Gesichtspunkt
der Gleichbehandlung nun nicht entgegenhalten, die Formblätter seien nicht
ausgefüllt gewesen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Anforderung von
Eignungsnachweisen habe auch nicht dem Informationsbedürfnis des Landes
entsprochen, da das Land aus den im Vorfeld mit ihr geführten Gesprächen über
die drehbare Trennwand gewusst habe, dass sie ein in Sachen Sporthallen-
Innenausbau erfahrenes Unternehmen sei, und dass bei ihr eine vollständige
technische Ausrüstung vorhanden sei (Bl. 170 d. A.).
Auch die Firma B habe diese Formblätter nicht mit dem Angebot eingereicht,
sondern erst später nachgereicht (Bl. 380 d. A.). Das beklagte Land könne nicht
einen anderen Bieter beauftragen, der die Formblätter ebenfalls nicht ausgefüllt
habe, und sich ihr gegenüber darauf berufen, dass ihr Angebot nicht vollständig
gewesen sei.
Die Klägerin hat gemeint, sie habe Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses.
Sie hat behauptet, unter Berücksichtigung ihrer Jahresabschlüsse für die Jahre
1999 bis 2001 habe ihr tatsächlich ermittelter durchschnittlicher Gewinn 3 % des
Umsatzes und der Gemeinkostenanteil 27 % des Umsatzes betragen. Ihr Schaden
belaufe sich dabei auf 30 % des Netto-Angebotspreises, mithin auf 46.482,30 €.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 46.482,30 € nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
(23.02.2004) zu zahlen.
Das Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Land hat die Ansicht vertreten, die Klägerin hätte wegen Vorbefasstheit (§ 7
Nr. 1 S. 2, Nr. 1a VOB/A) nicht an der Ausschreibung teilnehmen dürfen und
deshalb den Zuschlag auch nicht erhalten können. Die Klägerin habe die
Ausschreibungsbedingungen nämlich mit gestaltet, wie sich aus dem
Schriftverkehr zwischen der Klägerin und den vom ihm (dem Land)
eingeschalteten Architekten ergebe (Bl. 181-225 d. A.). Es sei offensichtlich, dass
im Leistungsverzeichnis ganze Textpassagen der von der Klägerin zur Verfügung
gestellten Textbausteine übernommen worden seien.
Ferner hat das Land gemeint, die Klägerin sei zwingend vom Vergabeverfahren
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Ferner hat das Land gemeint, die Klägerin sei zwingend vom Vergabeverfahren
auszuschließen gewesen, da sie die oben genannten Formblätter nicht ausgefüllt
habe.
Das Land hat ferner behauptet, anstelle des Zuschlags an die Klägerin wäre das
Vergabeverfahren aufzuheben gewesen. Aufgrund der Kostenermittlung für die
Haushaltsunterlage-Bau seien lediglich Mittel in Höhe von 95.640,-- € angesetzt
gewesen. Mehr als die bezuschlagten 146.553,24 € seien nicht in Betracht
gekommen. Die Firma B habe außerdem eine mit dem Leistungsverzeichnis
konforme Prallwand angeboten, auf den im Leistungsverzeichnis geforderten
Achsabstand der Prallwandlattung von ca. 365 mm sei es nicht angekommen. Es
habe sich um eine unbeachtliche fabrikatsbezügliche Angabe der Klägerin selbst
gehandelt. Bei der Trennwand habe sich erst nachträglich eine Änderung ergeben.
Zum Zeitpunkt der Lieferung habe keine Möglichkeit mehr bestanden, die
Faltschiebewand in die Mehrzweckhalle zu transportieren. Die Fassade habe relativ
schnell geschlossen werden müssen, um mit dem Innenausbau/Trockenbau
beginnen zu können. Der Firma B sei ein Transport der Faltwand in die Halle bei
geschlossener Fassade wegen der Rahmenkonstruktion nicht mehr möglich
gewesen. Aufgrund dessen sei der Nachtrag Nr. 2 über die tatsächlich eingebaute
kleinteilige Trennwand erforderlich geworden.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Dipl.-Ing. SV1 vom 19.04.2006.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass Ansprüche der Klägerin aus culpa in
contrahendo nicht in Betracht kämen. Zwar habe die Beweisaufnahme ergeben,
dass das Angebot der Firma B dem Leistungsverzeichnis nicht entsprochen habe.
Der Sachverständige habe festgestellt, dass das von der Firma B angebotene
Prallwandsystem nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses
entsprochen habe. Ferner habe der Sachverständige festgestellt, dass die von der
Firma B angebotene Faltwand nicht der wesentlich aufwändigeren, im
Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen mobilen Trennwand entsprochen habe.
Dies führe indes nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin. Allerdings
greife der Einwand des Landes zur Vorbefasstheit der Klägerin nicht durch. Die
Klägerin habe nachweislich zwar Textbausteine zur Verfügung gestellt, die teilweise
nahezu ohne Änderung in das Leistungsverzeichnis übernommen worden seien.
Nach § 7 Nr. 1 S. 2, Nr. 1a VOB/A dürften Sachverständige, die mitgewirkt hätten,
die Vergabe, insbesondere die Verdingungsunterlagen vorzubereiten, weder
unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein. Die Klägerin
sei jedoch keine Sachverständige und vorliegend auch nicht als Sachverständige
tätig geworden. Sie sei im Vorfeld von dem beklagten Land nicht beauftragt und
auch nicht entgeltlich tätig geworden, es habe sich lediglich um einen informellen,
nicht rechtsgeschäftlichen Kontakt gehandelt. Es sei Aufgabe des öffentlichen
Bauherrn, etwa erhaltene Textbausteine gegebenenfalls umzuformulieren und die
Ausschreibung trotz eingeholter Vorinformationen so zu gestalten, dass sie nicht
auf das kontaktierte Unternehmen zugeschnitten seien, sondern anderen Bietern
auch die Möglichkeit offen hielten, die Anforderungen zu erfüllen. Sollten
Textbausteine übernommen werden, so seien diese so neutral zu gestalten, dass
jeder Anbieter in der Lage sei, die Leistung anzubieten. Die Klägerin habe jedoch
keinen Schadensersatzanspruch, da ihr nicht zwingend der Zuschlag hätte erteilt
werden müssen. Die Klägerin habe ein unvollständiges Angebot eingereicht.
Entgegen Ziff. 10.6 der Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB 214 (Bl.
132, 233 d. A.) habe die Klägerin den der Ausschreibung beiliegenden Nachweis
der Leistungsfähigkeit nicht ausgefüllt. Ebenso habe sie die der Ausschreibung
beigefügten Formblätter EFB-Preis 1a, 1b und 2 nicht ausgefüllt. Damit habe sie
gegen die Vorgaben der § 25 Nr. 1 Abs. 1b i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A
verstoßen. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A würden Angebote von der Wertung
ausgeschlossen, die § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen. Entgegen
der Ansicht der Klägerin habe das Land Erklärungen zu den Formblättern EFB-Preis
auch gefordert, da jeweils in der rechten oberen Ecke der Formblätter ausdrücklich
darauf hingewiesen sei, dass das Formblatt mit dem Angebot abzugeben sei und
die Nichtangabe zur Nichtberücksichtigung führen könne. Ebenso enthalte die
Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter Nr. 3 den Hinweis, dass mit dem
Angebot ein Nachweis der Leistungsfähigkeit vorzulegen sei (Bl. 172/173 d. A.).
Zum Nachweis der Leistungsfähigkeit gehörten auch Angaben über die dem
Unternehmer für die Ausführung der zu vergebenden Leistung zur Verfügung
stehende technische Ausrüstung. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, es
verstoße gegen das Prinzip der Gleichbehandlung aller Bieter, wenn das Land das
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verstoße gegen das Prinzip der Gleichbehandlung aller Bieter, wenn das Land das
Angebot der Firma B, welche gleichfalls die Formblätter nicht ausgefüllt habe,
berücksichtige. § 97 Abs. 2 GWB, der die Gleichbehandlung aller Bieter vorsehe, sei
nicht anwendbar, da vorliegend der Schwellenwert nicht erreicht sei. Im Übrigen sei
nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass die Firma B die gleichen
Formblätter wie die Klägerin unausgefüllt gelassen habe. Überdies habe die
Klägerin nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass ihr ein Schaden in
Höhe von 46.482,30 € entstanden sei. Wegen der Tatsachenfeststellungen und der
Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil
verwiesen (Bl. 463-478 d. A.).
Gegen das am 29.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.12.2006
Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 28.02.2007 verlängerten Frist
begründet.
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, aufgrund des vergaberechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatzes sei das Land gehalten gewesen, ihr (Klägerin)
gegenüber ebenso zu verfahren wie hinsichtlich der Bieterin B, der der Zuschlag
erteilt worden sei. Sie behauptet hierzu, dass zwischen sämtlichen Bietern und
dem Land bzw. dem die Ausschreibung vornehmenden Architektenbüro
Einvernehmen bestanden habe, dass bei Übermittlung der Angebote die
Nachweise EFB-Preis mit den Angebotsunterlagen noch nicht vorgelegt werden
sollten, sondern diese im Hinblick auf den erheblichen Aufwand für die Erstellung
dieser Angebotsunterlagen erst im Submissionsverfahren auf konkrete
Anforderung durch den Architekten, der dann definieren sollte, welche EFB-Preis 1a
oder 1b vorgelegt werden sollte, diese hätte nachreichen sollen. Demzufolge habe
die Mitarbeiterin C des Architektenbüros telefonisch bei der Bieterin B die
Nachweise EFB-Preis 1a und 2 angefordert und erstmals mit Schreiben vom
18.02.2003 erhalten. Bei dem beklagten Land habe hinsichtlich der angeforderten
Nachweise EFB-Preis keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend
vorgelegen, dass unvollständige Nachweise nicht hätten nachgefordert werden
dürfen. Das Land habe im Hinblick auf das ihr zuzurechnende Verhalten der
Architekten vielmehr die Nachweise der EFB-Preis nicht zwingend mit der
Angebotsabgabe gefordert, sondern sich insoweit wirksam ein
Ausschlussermessen vorbehalten. Die Ausschreibungsstelle habe nicht eindeutig
bestimmt, welche Erklärungen sie für die Wertung zwingend angefordert habe. Die
Verdingungsunterlagen seien auszulegen. Es ergebe sich ein Widerspruch von
Seite 1 des Angebots (Bl. 16 d. A.) zu den nicht ausgefüllten Formblättern EFB-
Preis 1a und 1b, die alternativ die Ausfüllung ermöglichten. Sie (Klägerin) und alle
anderen Bieter hätten sich daher nach den im Allgemeinen üblichen und an der
hier abgestimmten Vorgehensweise orientiert, dass die Formblätter im Auftragsfall
bzw. auf Aufforderung vorzulegen gewesen seien. Sämtliche Mitbieter hätten die
Formblätter EFB-Preis 1a, 1b und 2 bei Angebotsabgabe nicht vorgelegt (Bl.
508/509 d. A.). Im Übrigen trägt die Klägerin nochmals zur Höhe ihres
Schadensersatzanspruchs vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8.11.2006, Geschäfts-Nr.:
2/23 O 9/05, aufzuheben und wie folgt neu zu fassen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46.482,30 € nebst 8 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Land verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen.
Ein Bieter, dessen Angebot bei der Zuschlagsentscheidung nicht berücksichtigt
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Ein Bieter, dessen Angebot bei der Zuschlagsentscheidung nicht berücksichtigt
worden ist, hat einen Schadensersatzanspruch auf Ersatz des positiven Interesses
nur, wenn dem Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens
der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (z. B. BGH ZfBR 2002, 612, 613; 2004,
404, 405). Demgegenüber besteht ein Anspruch auf das positive Interesse nicht,
wenn das Angebot des schadenersatzbegehrenden Bieters von der Vergabe
zwingend auszuschließen war (BGH NZBau 2005, 709, 710). Das Landgericht hat
zutreffend entschieden, dass ein solcher Fall hier vorliegt.
Das Angebot der Klägerin war gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1
Abs. 1 VOB/A auszuschließen gewesen, da die Klägerin die Formblätter EFB-Preis
1a oder 1b (je nach Kalkulationsmethode) und Preis 2 nicht ausgefüllt hatte (vgl.
BGH NZBau a. a. O.). Die Vorlage dieser Formulare mit dem Angebot war von der
Vergabestelle verlangt worden. Dies folgt einerseits aus der Aufzählung der
Anlagen zum Angebot (Bl. 16 d. A.), die nicht anders zu verstehen ist, als dass die
gekennzeichneten Anlagen ausgefüllt einzureichen sind, da sie ansonsten
überflüssig wären. Daneben ergibt sich dies erst recht aus dem ausdrücklichen
und unmissverständlichen Vermerk am oberen rechten Rand der Formulare.
Insoweit ist der Vortrag der Klägerin, das beklagte Land habe die Ausfüllung der
Formulare nicht gefordert, unzutreffend. Ohne Erfolg behauptet die Klägerin mit
der Berufung, zwischen sämtlichen Bietern und dem beklagten Land bzw. dem die
Ausschreibung vornehmenden Architektenbüro habe Einvernehmen bestanden,
dass bei Übermittlung der Angebote die Nachweise EFB-Preis mit den
Angebotsunterlagen noch nicht vorgelegt werden sollten. Dieser Vortrag ist gemäß
§ 531 ZPO nicht zu berücksichtigen. Er ist in der Berufungsinstanz neu und wird
von dem beklagten Land bestritten (Bl. 531 d. A.). Die Voraussetzungen des § 531
Abs. 2 ZPO, unter denen allein der Vortrag zugelassen werden könnte, liegen nicht
vor. Der Vortrag steht zudem in Widerspruch zu dem Vorbringen der Klägerin in
erster Instanz, wonach sie die Ausfüllung aufgrund einer angeblichen Praxis,
Formblätter erst auf Anforderung auszufüllen, wenn einem Unternehmen der
Zuschlag erteilt werden soll, unterlassen habe. Während nämlich die Klägerin in
zweiter Instanz ein "Einvernehmen", also eine zumindest stillschweigend getroffene
Übereinkunft aller Beteiligten behauptet, hat sie sich in der ersten Instanz lediglich
auf eine "Praxis" berufen, die der Grund dafür gewesen sein soll, dass alle Bieter
die Formblätter nicht oder nicht vollständig vorgelegt hätten. Dass das Land die
Ausfüllung der Formulare nicht gefordert habe, lässt sich jedoch auch nicht
aufgrund des erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin bejahen. Die von ihr dort
behauptete, jedoch nicht näher dargelegte Praxis widerspräche den
Angebotsunterlagen, insbesondere den eindeutigen Vermerken auf den
Formblättern, die gegenüber solchen Gepflogenheiten Vorrang hätten. Selbst
wenn die Vergabestelle aus der Unvollständigkeit der Angebote von Bietern nicht
die von § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A vorgesehene Folge zog, war daraus nicht etwa zu
entnehmen, dass die Formulare nicht auszufüllen waren.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin ferner auf eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 2 GWB), der allerdings entgegen der
Ansicht des Landgerichts auch im Unterschwellenbereich gilt (vgl. §§ 2 Nr. 2 und 8
Nr. 1 VOB/A; Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß, juris-Praxiskommentar
Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 44). Es kommt nicht darauf an " wie die Klägerin
behauptet (Bl. 380, 507 d. A.) ", dass die Firma B die Formblätter EFB-Preis 1a, 1b
und 2 ebenfalls nicht mit dem Angebot eingereicht habe. Dies ist aus zwei
Gründen unerheblich: Zum einen haftet der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich
dann nicht auf Ersatz des positiven Interesses, wenn der ausgeschlossene Bieter
selbst ein unvollständiges Angebot vorgelegt hat. Die Haftung auf Schadensersatz
beruht auf dem Schutz des Vertrauens, das der Bieter in die Einhaltung der
Vergabebestimmungen setzt (BGH ZfBR 2002, 612, 614). Die Haftung entfällt
demgemäß, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen nicht gebildet werden kann (BGH
NJW 1998, 3640, 3641). Das ist gerade dann der Fall, wenn der Bieter
unvollständige Unterlagen einreicht (BGH NZBau 2005, 709, 710). So liegt der Fall
auch hier. Die Klägerin hat es bewusst unterlassen, die Formulare EFB-Preis 1a
bzw. 1b und 2 auszufüllen. Selbst wenn sie darauf spekuliert hat, dass das
beklagte Land im Vergabeverfahren hieraus keine Nachteile ableiten werde, ist
dieses Vertrauen jedenfalls nicht gerechtfertigt und nicht schutzwürdig. Vielmehr
ging die Klägerin bewusst das Risiko ein, wegen dieser Unvollständigkeit des
Angebots den Zuschlag nicht zu erhalten. Schon aus diesem Grunde wäre es ohne
Belang, wenn auch die Ausschreibungsgewinnerin die Formblätter nicht
ordnungsgemäß eingereicht hat.
Zum anderen hätte dies lediglich zur Folge, dass möglicherweise nicht nur das
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Zum anderen hätte dies lediglich zur Folge, dass möglicherweise nicht nur das
Angebot der Klägerin, sondern auch das Angebot der Firma B aus der Wertung zu
nehmen gewesen wäre. Liegen nämlich die Voraussetzungen des § 25 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A vor, so hat der öffentliche Auftraggeber keine Befugnis zu einer wie auch
immer gearteten großzügigen Handhabung, sondern ist gezwungen, das
betreffende unvollständige Angebot aus der Wertung zu nehmen (BGH NZBau
2003, 293, 295; OLG Hamburg ZfBR 2004, 502). Etwas anderes ergibt sich auch
nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26.09.2006 (ZfBR 2007,
86, 90 f.). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung in einem
Nachprüfungsverfahren ausgesprochen, dass die Unvollständigkeit der Angebote
mehrerer Bieter dazu führt, dass alle diese Bieter vom Vergabeverfahren
auszuschließen seien. Ein Bieter, der ein unvollständiges Angebot vorlegt, könne
nicht unter Hinweis auf ein gleichfalls fehlerhaftes, aber nicht ausgeschlossenes
Angebot eines anderen Bewerbers verlangen, dass bei dem eigenen Angebot der
Ausschlusstatbestand ebenfalls unberücksichtigt bleibe ("Keine Gleichheit im
Unrecht"). Dagegen könne er mit dieser Begründung eine Aufhebung der
Ausschreibung erreichen. Hätte aber bei vergaberechtskonformem Vorgehen das
Vergabeverfahren aufgehoben werden müssen, steht nicht fest, dass dem Kläger
der Zuschlag zu erteilen war. Die Klägerin war mit ihrem Angebot ferner
auszuschließen, weil sie das Formblatt "Technische Ausrüstung/Geräte"
unausgefüllt eingereicht hat. Das Land hatte die Vorlage des ausgefüllten
Verzeichnisses gefordert, was sich nicht nur daraus ergab, dass es den
Ausschreibungsunterlagen beigefügt war. Vielmehr war auch in Nr. 10.6 der
Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB bestimmt, dass der beiliegende
Nachweis der Leistungsfähigkeit, zu dem das Formblatt gehörte, auszufüllen war
(Bl. 26/27 d. A.). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der ausschreibenden Stelle
die Leistungsfähigkeit und die bei der Klägerin vorhandene technische Ausrüstung
bereits bekannt waren. Abgesehen davon, dass sich schon aus dem Vortrag der
Klägerin nicht ergibt, welche Kenntnisse die Vergabestelle im Einzelnen darüber
hatte, soll davon unabhängig der Bieter in dem Formblatt festlegen, welche
technische Ausrüstung er zum Einsatz bringen wird. Dies geht über die
Berücksichtigung der bei dem Bieter vorhandenen Ausrüstung hinaus: Er kann
einerseits auch Ausrüstungsgegenstände angeben, die er bis zur
Auftragsausführung erst noch anschaffen wird, darf aber andererseits kein
vorhandenes Ausrüstungsmaterial anführen, das er für diesen Auftrag nicht
einsetzen kann (etwa wegen eines gleichzeitig auszuführenden anderweitigen
Auftrages). Die Klägerin hat den Nachweis der Leistungsfähigkeit indes nur
teilweise ausgefüllt und lediglich Referenzobjekte angegeben (Bl. 100-102 d. A.).
Auch dieser Angebotsmangel würde nicht durch das Gleichbehandlungsgebot mit
der Folge geheilt, dass der Klägerin ungeachtet der Unvollständigkeit ihres
Angebots ein Schadensersatzanspruch zuzuerkennen ist. Die Klägerin hat in erster
Instanz nur vage vorgebracht, es sei davon auszugehen, dass auch die anderen
Bieter die genannten Formblätter nicht oder nicht vollständig vorgelegt hätten (Bl.
170 d. A.). In der Berufungsinstanz kommt sie darauf nicht mehr zurück. Sie
behauptet weder, dass die Firma B, noch dass alle anderen Bieter das Formular
"Technische Ausrüstung/Geräteliste gemäß VOB/A § 8 Nr. 3 d" nicht oder nur
unvollständig ausgefüllt eingereicht hätten. Aber auch wenn man annehmen
wollte, dass die Firma B wegen fehlender oder unvollständiger Ausfüllung dieses
Nachweises oder wegen eines vergleichbaren Angebotsfehlers bei den EFB-Preis-
Formularen auszuschließen gewesen wäre, hätte allenfalls die Firma B neben der
Klägerin ausgeschlossen werden müssen; in jedem Fall wäre aber der Klägerin
nicht zwingend der Zuschlag zu erteilen gewesen.
Im Übrigen ist bezüglich dieses Ausschlussgrundes ein berechtigtes Vertrauen der
Klägerin in die Zuschlagserteilung gleichfalls zu verneinen, da sie auch insoweit ein
unvollständiges, nicht zuschlagsfähiges Angebot abgegeben hat.
Die angeführten Mängel des Angebots der Klägerin sind ferner nicht deshalb
unberücksichtigt zu lassen, weil das beklagte Land die Klägerin nicht aus diesen
Gründen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen hat. Hätte ein Bieter mit
seinem Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen werden müssen,
besteht ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch selbst
dann nicht, wenn der beklagte Auftraggeber die Nichtberücksichtigung des
Angebots nicht auf diesen Ausschlusstatbestand gestützt hat (BGH ZfBR 2002,
612; für das Nachprüfungsverfahren z. B. BGH NZBau 2003, 293, 296;
Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05.07.2006 " 1 Verg 1/06, S. 8).
Da die Berufung erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tragen (§ 97 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufig Vollstreckbarkeit ergibt sich
tragen (§ 97 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufig Vollstreckbarkeit ergibt sich
aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen,
da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung
des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.