Urteil des OLG Frankfurt vom 24.08.2009

OLG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, bedürftige partei, stammeinlage, gesellschafter, verfügung, stammkapital, unrichtigkeit, erbrecht, baurecht, vertretung

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Gericht:
OLG Frankfurt 13.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 137/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 117 ZPO, § 119 ZPO, § 520
Abs 3 ZPO
Prüfungsumfang bei fehlender Begründung des PKH-
Antrags für die Berufung
Leitsatz
Wird um Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens
nachgesucht und nicht begründet, weshalb das anzufechtende Urteil unrichtig sein soll,
so beschränkt sich die Prüfung der Erfolgsaussichten darauf, ob aus dem Urteil selbst in
Verbindung mit dem Antragsvorbringen sich Hinweise auf eine mögliche Unrichtigkeit
der anzufechtenden Entscheidung ergeben.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die
Durchführung eines Berufungsverfahrens gegen das am 4. Mai 2009 verkündete
Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird
zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet
Gründe
Mit der Behauptung, der Beklagte habe den zweiten Teil seiner übernommenen
Stammeinlage in Höhe von € 6.250,00 noch nicht gezahlt, hat der Kläger in seiner
Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft, deren
Gesellschafter der Beklagte ist, Klage erhoben. Nach Durchführung einer
Beweisaufnahme hat der Einzelrichter der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Darmstadt mit am 4. Mai 2009 verkündetem Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen
wird, unter Aufhebung des am 28.04.2008 verkündeten Versäumnisurteils die
Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils führt
der Erstrichter aus, der Beklagte habe nachgewiesen, dass seine gesamte
Stammeinlage erbracht worden sei.
Gegen das vorstehende und ihm am 18.05.2009 zugestellten Urteil hat der Kläger
mit bei Gericht am 15.06.2009 eingegangenem Schriftsatz um Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für die seinerseits beabsichtigte Berufung nachgesucht und
vorgetragen, er sei nicht in der Lage, die Kosten für die Durchführung des
Berufungsverfahrens aus den Mitteln der Insolvenzmasse aufzubringen. Die
beabsichtigte Berufung habe hinreichend Aussicht auf Erfolg und sei nicht
mutwillig. Im Hinblick auf die BGH Entscheidung vom 06.05.2008 zu Az. IV ZB
16/07 verweise er auf sein erstinstanzliches Vorbringen und auf den Inhalt des
angefochtenen Urteils.
Der Vorsitzende hat den Verfahrensbeteiligten am 20.Juli 2009 einen rechtlichen
Hinweis am Telefon erteilt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen.
In Rechtsprechung und Rechtslehre ist umstritten, ob das Gesuch auf Bewilligung
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In Rechtsprechung und Rechtslehre ist umstritten, ob das Gesuch auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens eine
Begründung enthalten muss und gegebenenfalls welchen Anforderungen diese zu
entsprechen hat.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat bereits in seinem Beschluss vom
11.11.1992 (NJW 1993, 732 ff) ausgeführt, eine sachliche Begründung in Bezug auf
das beabsichtigte Rechtsmittel sei zwar zweckmäßig und erwünscht, aber ein
Zwang hierzu bestehe nicht, weil ein solcher mit dem verfassungsrechtlichen
Gebot der prozessualen Chancengleichheit von bemittelten und mittellosen
Parteien nicht zu vereinbaren sei. Der XII. Zivilsenat hat in diesem
Zusammenhang wörtlich ausgeführt: „Da eine bedürftige Partei nicht über die
Mittel verfügt, um einen Rechtsanwalt zu konsultieren, würde sie gegenüber einer
bemittelten Partei benachteiligt, wenn der Erfolg ihres Prozesskostenhilfegesuchs
von einer Stellungnahme zu Fragen abhängig gemacht würde, deren sachgerechte
Beantwortung juristische Sachkunde erfordert, wie es in Bezug auf Rechtsmittel
regelmäßig der Fall ist“(In diesem Sinne und mit weiteren nachweisen auch Zöller-
Philippi, ZPO. 27.Aufl.2009, Rn. 54 zu § 119). Der VI. Zivilsenat des BGH hat in dem
klägerseits zitierten Beschluss vom 06.05.2008 zu Az. VI ZB 16/07 diese
Rechtsprechung fortgeführt und gemeint, der um Prozesskostenhilfe
nachsuchenden Partei sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
versagen, wenn ihr Prozessbevollmächtigter die vollständige –wenn auch als
vorläufig bezeichnete – Berufungsbegründung noch vor Ablauf der
Berufungsbegründungsfrist zu den Gerichtsakten gereicht habe.
Demgegenüber haben mehrere Oberlandesgerichte die gegenteilige Auffassung
vertreten und gefordert, das Prozesskostenhilfegesuch einer anwaltlich
vertretenen Partei für das Berufungsverfahren müsse eine Begründung enthalten,
welche aber nicht den Erfordernissen des § 520 Abs.3 ZPO genügen müsse (so
u.a. auch das OLG Celle in seinem Beschluss vom 22.01.2003 zu Az. 3 U 278/02
(MDR 2003, 470; zum Streitstand auch allgemein Beschluss des LG Fulda vom
03.04.2009 zu Az. 1 S 29/09).
Wenn auch vor dem Hintergrund der Regelung in § 117 ZPO, wonach die bedürftige
Partei gehalten ist, das Streitverhältnis darzustellen, der Senat dazu neigt,
zumindest von einer anwaltlich vertretenen Partei – hier ist der Kläger sogar selbst
rechtskundig (!) - zu verlangen, wenigstens in Grundzügen aufzuzeigen, warum sie
die angefochtene Entscheidung für unrichtig hält, zumal bei anwaltlicher
Vertretung im Prozesskostenhilfeantragsverfahren zum einen ein Rechtsanwalt
ohnehin gehalten ist, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittelverfahrens zu prüfen
und zum anderen von einer mittellosen und nicht rechtskundigen Partei auch
außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Beratungshilfe in Anspruch genommen
werden kann, um die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels überprüfen zu lassen,
so folgt der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit dem BGH im vorliegenden
Fall zumindest insoweit, als er das Gesuch für zulässig erachtet. Eine
Rechtsbeschwerde war daher auch nicht zuzulassen.
Wird um Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne
weitere sachliche Begründung nachgesucht, so ist das angerufene
Berufungsgericht nach Auffassung des Senats nur gehalten, anhand der von der
antragstellenden Partei überreichten Unterlagen zu prüfen, ob sich aus dem Urteil
s e l b s t in Verbindung mit dem Antragsvorbringen Hinweise auf eine mögliche
Unrichtigkeit der anzufechtenden Entscheidung ergeben. Hierauf ist die
antragstellende Partei ausdrücklich hingewiesen worden, die aber keinen weiteren
Sachvortrag halten wollte. In dem hier interessierenden Zusammenhang kommt
der Regelung in § 119 Abs.1 Satz 2 ZPO für die sog. notwendige
Prozesskostenhilfe eine besondere Bedeutung zu. Wenn nämlich gesetzlicherseits
davon ausgegangen wird, dass das Urteil der Vorinstanz eine Vermutung dafür
begründet, dass die Verteidigung gegen ein Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat,
so bedeutet dies in der Sache eine Vermutung für die sachliche Richtigkeit der
Entscheidung der Vorinstanz. Diese im Gesetz selbst angelegte Vermutung muss
als widerlegt anzusehen sein, wenn dem Rechtsmittelführer Prozesskostenhilfe
bewilligt wird. Während im Parallelverfahren 13 U 12/09 – dort verklagt der Kläger
den Bruder des hiesigen Beklagten auf Zahlung der zweiten Hälfte der
Stammeinlage – sich solche Indizien ergaben, sind vorliegend solche nicht
auszumachen.
Das Gericht des ersten Rechtszuges hat sich hier aufgrund einer Beweisaufnahme
die tatrichterliche Überzeugung gebildet, dass die Stammeinlage bezahlt wurde,
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die tatrichterliche Überzeugung gebildet, dass die Stammeinlage bezahlt wurde,
weil es die Zeugenbekundungen des Bruders und Mitgesellschafters des Beklagten
für glaubhaft erachtet hat. Was daran letztlich „falsch“ sein soll, erschließt sich
dem Senat nicht. Bekundungen von Zeugen sind nicht schon allein des
Umstandes willen unglaubhaft, weil sie interessierte Zeugen sind und / oder in
einem besonderen Näheverhältnis zu einer Prozesspartei stehen. Vorliegend
kommt hinzu, dass der weitere Zeuge, Steuerberater der Gesellschaft, keinen
Sachverhalt bekundet hat, der Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenbekundungen
des Bruders des Beklagten begründen oder gar rechtfertigen könnte. Dass bei
dem entscheidungsrelevanten und in der Sache selbst unstreitigen
Zahlungsvorgang am 29.09.2009 kein Verwendungszweck verlautbart wurde, ist
nach dem bisherigen Erkenntnisstand in der Rechtsprechung genauso unschädlich
wie die Tatsache, dass der der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Betrag höher
als die offene Einlagenschuld war (vgl. Urteil des OLG München vom 27.04.2006 zu
Az. 23 U 5655/05, zitiert nach JURIS = OLGR München 2006, 700). Für die
Richtigkeit der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht des
ersten Rechtszuges mag auch die Tatsache sprechen, dass der Gesellschaft durch
ihre Gesellschafter Gelder in einer Höhe zur Verfügung gestellt wurden, die bei
weitem das Stammkapital überstiegen und nach § 4 der Satzung das
Stammkapital (€ 25.000,00) in bar einzubringen war und in Hinblick auf die
Regelung in § 7 II GmbHG die Fälligkeit auch nicht teilweise herausgeschoben war.
Als die hier relevante Zahlung erfolgte, war nach Aktenstand auch keine weitere
Zahlungsverpflichtung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 I 4 ZPO i.V.m. dem GKG, welches keinen
Kostentatbestand für die Entscheidung vorliegender Art kennt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.