Urteil des OLG Frankfurt vom 25.04.2008
OLG Frankfurt: bindungswirkung, bestimmbarkeit, handelsregister, abweisung, kapitalerhöhung, bestimmtheit, stammeinlage, abberufung, widerruf, geschäftsführer
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Gericht:
OLG Frankfurt 10.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 U 80/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 15 GmbHG, § 538 Abs 1
ZPO, § 256 ZPO
Bestimmbarkeit bei der Übertragung von
Geschäftsanteilen an einer GmbH
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die jeweilige Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand der Klage sind ein Feststellungsbegehren der Klägerin dahin, dass
sie Gesellschafterin der Beklagten zu 3. ist, klägerische Begehren auf Feststellung
der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit verschiedener Gesellschafterbeschlüsse der
Beklagten zu 3. (Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen, Bestellungen von
Geschäftsführern, Abberufung des Geschäftsführers B), sowie Begehren auf
Widerruf von Anmeldungen von Abtretungen. Hintergrund des Streits ist, dass die
Klägerin an der Beklagten zu 3. gehaltene Geschäftsanteile an die Fa. A veräußert
hat, wesbezüglich sie inzwischen davon ausgeht, dass diese Veräußerung
unwirksam war, sie also die entsprechenden Gesellschaftsanteile noch hält.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens und insbesondere hinsichtlich
der Entwicklung der Geschäftsanteile der Klägerin wird auf den Tatbestand der
angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung (Bl. 528-534 d. A.) Bezug
genommen.
Problematisch sind diesbezüglich insbesondere zwei Vorgänge:
- Am 14.06.2002 wurde vom Geschäftsführer B an die Klägerin eine Stammeinlage
in Höhe von 15.000,-- DM übertragen, wobei es sich in Wirklichkeit um zwei
Stammeinlagen zu je 7.500,-- DM handelte; in gleicher Weise übertrug die C-
GmbH an die Klägerin eine Stammeinlage in Höhe von 25.000,-- DM, wobei es sich
insofern um zwei Stammeinlagen zu je 12.500,-- DM handelte. Ein Teil des
angeblichen Geschäftsanteils von 15.000,-- DM, der der Klägerin von ihrem
Geschäftsführer B übertragen worden war, sind die 3.000,-- DM, die die Klägerin
am 03.12.2002 weiter an die A veräußert hat.
- Am 03.12.2002 veräußerte die Klägerin an die A einen Geschäftsanteil von
60.000,-- DM, wobei es sich in Wirklichkeit um zwei Geschäftsanteile von je
30.000,-- DM handelte.
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Die Parteien streiten darum, ob die Geschäftsanteile bei den beiden
Veräußerungen hinreichend konkret bestimmt worden sind. Von der Beantwortung
dieser Frage hängt es ab, ob die Klägerin noch Gesellschafterin der Beklagten zu
3. ist, und ob die zwischenzeitlich ohne ihre Mitwirkung gefassten Beschlüsse
wirksam sind.
Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die seitens der Klägerin erhobene
Klage auf Feststellung der Gesellschaftereigenschaft der Klägerin an der Beklagten
zu 3., Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit von
Gesellschafterbeschlüssen und Widerruf von Anmeldungen abgewiesen.
Hinsichtlich der diesbezüglichen Begründung wird auf die angefochtene
Entscheidung (Bl. 517-527 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und
das Rechtsmittel ebenso fristgerecht begründet.
Sie beanstandet Verfahrensfehler und meint, dem Urteil des Landgerichts
Hamburg komme für das hiesige Verfahren Bindungswirkung zu; zudem seien die
Abtretungen mangels Bestimmtheit ohnehin unwirksam.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 23.02.2006,
Aktenzeichen: 13 O 101/05,
1. gegenüber den Beklagten zu 1. bis 3. festzustellen, dass alleinige
Gesellschafterin der Beklagten zu 3. die Klägerin und nicht die Beklagten zu 1. und
2. sind;
2. gegenüber den Beklagten zu 1. bis 3. festzustellen, dass folgende Beschlüsse
der Beklagten zu 3. unwirksam sind;
a) Bestellung des Geschäftsführers D vom 4. Dezember 2003, eingetragen im
Handelsregister am 15. Dezember 2003;
b) Bestellung des Geschäftsführers E vom 13. April 2004, eingetragen am 4. Mai
2004;
c) Satzungsänderung vom 4. Dezember 2003, eingetragen am 15. Dezember
2003;
d) Kapitalerhöhung und Umstellung auf 60.000,-- € vom 4. Dezember 2003,
eingetragen am 15. Dezember 2003;
e) Satzungsänderung vom 7. Mai 2004, eingetragen am 25. Mai 2004;
f) Kapitalerhöhung auf 360.000,-- € vom 7. Mai 2004, eingetragen am 25. Mai
2004;
g) Abberufung des Geschäftsführers B vom 19. Januar 2004, eingetragen am 29.
Januar 2004;
h) Beschluss über die bei dem Handelsregister des Amtsgerichts Wiesbaden zu
HRB ... angemeldete, aber noch nicht in das Handelsregister eingetragene
Verschmelzung der Beklagten zu 3. mit der Beklagten zu 2.; 3) für den Fall der
Abweisung des Antrags zu 1. gegenüber den Beklagten zu 1. und zu 3.
festzustellen, dass die Klägerin Inhaberin der Geschäftsanteile an der Beklagten zu
3. im Nennbetrag von 7.500,-- DM, 7.500,-- DM, 12.500,-- DM, 12.500,-- DM,
30.000,-- DM und 30.000,-- DM ist;
4.die Beklagten zu 1. und zu 4. zu verurteilen, gegenüber der Beklagten zu 3. die
Anmeldung der Abtretung von Geschäftsanteilen an der Beklagten zu 3. im
Nennbetrag von 60.000,-- € von der Beklagten zu 4. an die Beklagte zu 1. im Jahr
2004 zu widerrufen;
5. die Beklagte zu 4. zu verurteilen, gegenüber der Beklagten zu 3. die Anmeldung
der Abtretung von drei Geschäftsanteilen an der Beklagten zu 3. im Nennbetrag
von 47.500,-- DM, 15.500,-- DM und 3.000,-- DM von der F-AG (damals: G) an die
Beklagte zu 4. vom 16. September 2003 zu widerrufen; 6. für den Fall der
Abweisung des Antrags zu 2. gegenüber der Beklagten zu 3. festzustellen, dass
die im Antrag zu 2. unter lit. a. bis h. genannten Beschlüsse richtig sind.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil, verneinen eine Bindungswirkung des
Hamburger Urteils und halten die Abtretungen unter den Gesichtspunkten der
Bestimmbarkeit und (faktischen) Zusammenlegung von Geschäftsanteilen für
wirksam.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
sowie auf die im Senatstermin am 18.04.2008 abgegebenen Erklärungen der
Parteien Bezug genommen.
Die Akten 330 O 288/03 LG Hamburg und 13 O 90/04 LG Wiesbaden = 10 U
184/04 OLG Frankfurt am Main waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II. Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden; sie hat jedoch keinen Erfolg.
Im Einzelnen weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Das angefochtene Urteil ist durch Verfahrensfehler gekennzeichnet. Insoweit
macht die Klägerin zunächst geltend, dass es sich um eine
Überraschungsentscheidung handele, was von den Beklagten zwar bestritten wird,
aber in Übereinstimmung mit dem Protokoll der mündlichen Verhandlung steht.
Sodann hat das Landgericht eine inhaltliche Begründung durch Bezugnahme auf
den Inhalt eines Urteils in einem anderen Verfahren ersetzt, in dem zwar die
Klägerin und die Beklagte zu 3., nicht aber die anderen drei Beklagten, beteiligt
waren. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar über alle von der Klägerin
gestellten Anträge entschieden.
Letztlich mag dies aber dahinstehen, weil der Senat es für angezeigt hält, in der
Sache selbst zu entscheiden (§ 538 I ZPO).
2. Das Urteil des Landgerichts Hamburg in dem Verfahren 330 O 288/03 entfaltet
für den hiesigen Rechtsstreit keine Bindungswirkung.
a) Allerdings ist die Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil, diesem
Urteil komme deshalb keine Bindungswirkung zu, weil es nach ihm noch ein
Nachverfahren gebe, unzutreffend. Ein Urkundenprozess kann drei denkbare
Ausgänge nehmen: Entweder ist der Urkundenprozess unstatthaft, weil in ihm
unzulässige Beweismittel eingesetzt werden, dann erfolgt die Abweisung der Klage
als in der gewählten Prozessart unstatthaft (§ 597 II ZPO); oder der Anspruch ist
unbegründet, dann wird die Klage abgewiesen (§ 597 I ZPO), und die Rechtskraft
dieser Entscheidung ergreift den Anspruch selbst, der also daher nicht mehr in
einem Nachverfahren geltend gemacht werden kann; oder aber es erfolgt eine
Verurteilung des Beklagten unter Vorbehalt (§ 599 ZPO), wobei der Rechtsstreit im
Nachverfahren anhängig bleibt.
Das Landgericht Hamburg hat demgegenüber die Klage als unbegründet
abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klage im
Urkundenprozess zulässig, aber nicht begründet sei, dennoch hat es seine
Entscheidung aber unter dem Vorbehalt der Ausführung der Rechte der Klägerin
im Nachverfahren getroffen. Dies war inhaltlich verfehlt, weil es bei einer
Entscheidung nach § 597 I ZPO kein Nachverfahren gibt. Der Ausspruch eines
Vorbehalts der Ausführung der Rechte im Nachverfahren war daher
gegenstandslos, er konnte ein derartiges Nachverfahren nicht eröffnen. Entgegen
der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil vermag daran auch der
sog. „Meistbegünstigungsgrundsatz“ nichts zu ändern. Dieser betrifft die
Zulässigkeit von Rechtsmitteln, worum es bei der Frage einer verbleibenden
Anhängigkeit eines Rechtsstreits im Nachverfahren nicht geht. Durch eine
„Zulassung“ eines Nachverfahrens durch ein Gericht kann ein solches nicht
zulässig werden – anders als etwa bei der Zulassung einer Revision (§ 543 I ZPO)
gibt es eine Zulassung einer Anhängigkeit im Nachverfahren nicht.
b) Dem Urteil des Landgerichts Hamburg kommt aber für das hiesige Verfahren
aus inhaltlichen Gründen eine Bindungswirkung nicht zu. Streitgegenstand des
damaligen Verfahrens war ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung, tragendes
Urteilselement (also der Gegenstand der Richtigkeit der Entscheidung i. S. v. § 68
ZPO) war daher die Frage der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts
(Kaufvertrag), nicht demgegenüber aber die Frage der Wirksamkeit des
Verfügungsgeschäfts (Wirksamkeit der Übertragung der Geschäftsanteile). Soweit
das Landgericht sich unter der Kategorie der Unmöglichkeit mit Fragen der
Inhaberschaft an Geschäftsanteilen befasst hat, handelt es sich um
überschießende Feststellungen, die an der Interventionswirkung des § 68 ZPO
nicht teilnehmen.
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3. Die umstrittenen Übertragungen sind wirksam. Nach der Rechtsprechung ist für
die Frage der Bestimmbarkeit entscheidend, ob ernstliche Zweifel an dem
Gegenstand der Veräußerung hervorgerufen werden können (BGH NJW-RR 1987,
807 f.; KG Berlin NJW-RR 1997, 1259 ff.; OLG Brandenburg NZG 1998, 951, 952).
Bei den Übertragungen an die Klägerin war es aber völlig klar, was gemeint war,
und die bei der Weiterveräußerung durch die Klägerin gewählte Vorgehensweise
(vgl. S. 3, 5 des notariellen Vertrages vom 03.12.2002, Bl. 41, 43 d. A.) ist für die
Bestimmtheit ausreichend.
4. Da die Klägerin ihre Geschäftsanteile wirksam weiterveräußert hat, sind
sämtliche von ihr verfolgte Anträge einschließlich der Hilfsanträge unbegründet.
Insgesamt war somit die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 I ZPO
zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den
§§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die
diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.