Urteil des OLG Frankfurt vom 12.09.2005

OLG Frankfurt: erstellung, gewerbesteuer, verjährungsfrist, steuerberater, vollstreckung, behandlung, vollstreckbarkeit, sicherheitsleistung, anpassung, haftpflichtversicherer

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Gericht:
OLG Frankfurt 15.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 U 269/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 68 StBerG
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts
Kassel vom 22.10.2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des insgesamt für die Beklagte vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, die seit 1992 insbesondere Maßnahmen der beruflichen Bildung im
Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchführte und sich seit Oktober 1993 von
der Beklagten steuerlich umfassend betreuen ließ, begehrt von dieser
Schadensersatz, weil die Mitarbeiter der Beklagten bei Erstellung der
Gewerbesteuererklärungen für die Klägerin betreffend die Jahre 1993 bis 1996 und
bei Überprüfung des Steuerbescheids für das Jahr 1992 übersehen haben, dass
die von der Klägerin als berufsbildende Einrichtung durchgeführten und unmittelbar
dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen gemäß § 3 Nr. 13 GewStG in
Verbindung mit § 4 Nr. 21 b UStG von der Gewerbesteuer befreit waren. Deshalb
zahlte die Klägerin aufgrund der entsprechenden, zunächst gemäß § 164 Abs. 1
Satz 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen
Gewerbesteuersbescheide des zuständigen Finanzamtes für die Jahre 1992 bis
einschließlich 1998 (letztlich) insgesamt 124.094,81 € nicht geschuldete
Gewerbesteuer. Nachdem das zuständige Finanzamt aufgrund der
Prüfungsanordnung vom 10. Dezember 1997 in der Zeit vom 23.12.1997 bis
26.3.1998 (die Schlussbesprechung fand am 20.4.1998 statt) bei der von den
Mitarbeitern der Beklagten auch bei dieser Prüfung steuerlich betreuten Klägerin
eine Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 1992 bis 1996 unter anderem mit
dem Prüfungsumfang Gewerbesteuer durchgeführt hatte, wurden alle Bescheide
für die Jahre 1992 bis 1996 nach § 164 Abs. 2 AO in Anpassung an die nunmehr
festgestellten Besteuerungsgrundlagen abgeändert und der Vorbehalt der
Nachprüfung aufgehoben. Auch den Prüfern fiel nicht auf, dass zu Gunsten der
Klägerin § 3 Nr. 13 GewStG in Verbindung mit § 4 Nr. 21 b UStG zur Anwendung
hätte kommen müssen. Die aufgrund der Außenprüfung erstellten Bescheide
wurden von der Beklagten geprüft und jedenfalls bezüglich der veranlagten
Gewerbesteuer nicht beanstandet. Nachdem die Klägerin im November 2002 von
der dargestellten Gewerbesteuerbefreiung erfahren hatte, teilte sie diesen
Sachverhalt am 25.11.2002 der Beklagten mit, die mit Schreiben vom 2.12.2002
ihren Haftpflichtversicherer einschaltete. Seit dieser Zeit führten die Parteien
Vergleichsverhandlungen, die jedoch ergebnislos verliefen.
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Mit der am 19.5.2003 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 26.6.2003
zugestellten Klage hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 124.094,81 €
nebst Zinsen in Höhe von 6 % aus 1906,77 € seit 1.4.1994, aus 21.579,49 € seit
1.4.1995, aus 28.059,25 € seit 1.4.1996, aus 20.464,08 € seit 1.4.1997 und aus
52.085,22 € seit 1.4.1998 begehrt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Einrede der Verjährung
erhoben und bezüglich der Schadenshöhe die Notwendigkeit eines
Vorteilsausgleichs im Hinblick auf anderweitig ersparte Steuer eingewandt.
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß §
540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage
abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend
gemachte Schadenersatzanspruch sei gemäß § 68 StBerG verjährt. Der Lauf der
Verjährungsfrist von drei Jahren sei unter Berücksichtigung der Bekanntgabefiktion
des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Bekanntgabe des Bescheides für 1993 am
13.7.1995, des Bescheides für 1994 am 22.2.1996, des Bescheides für 1995 am
3.3.1997 und des Bescheides für 1996 am 25.1.1998 in Gang gesetzt worden.
Selbst bei dem zuletzt bekannt gegebenen Bescheid für 1996 sei somit die
Verjährung mit Ablauf des 25.1.2001 eingetreten. Eine neue Verjährungsfrist sei
nicht in Lauf gesetzt worden. Für die Beklagte habe sich bei der weiteren
Wahrnehmung des Mandats der Klägerin kein begründeter Anlass ergeben, zu
prüfen, ob die von ihr einmal erstellten Steuererklärungen fehlerhaft waren. Auch
die Voraussetzungen eines so genannten Sekundäranspruchs gegen die Beklagte
seien nicht gegeben.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.11.2003 zugestellte Urteil hat
die Klägerin am 11.12.2003 Berufung eingelegt, die sie nach entsprechenden
Fristverlängerungen am 15.3.2004 begründet hat.
Die Klägerin meint, die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs gegen die
Beklagte seien entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung gegeben.
Die Beklagte habe nicht nur aus Anlass der Betriebsprüfung, sondern auch
deswegen, weil sie auch (wie unstreitig ist) für die Steuerjahre 1997 bis 1999 die
Steuererklärungen für sie gefertigt habe, Anlass genug gehabt, die Richtigkeit ihrer
Beratungsleistungen in den sich immer wiederholenden gleichen Sachverhalten
noch während des Laufs der Primärverjährung zur überprüfen, und sie hätte ihren
Pflichtverstoß der Klägerin offenbaren können und müssen. Es könne nicht sein,
dass die Perpetuierung der Rechtsunkenntnis des Beraters dazu führe, ihn von der
Haftung zu befreien.
Die Klägerin hat während des Berufungsverfahrens ein Gutachten zur Berechnung
des ihr entstandenen Schadens vorgelegt, das sie mit Schriftsatz vom 19.5.2005
vorgetragen hat.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Begutachtung gemäß schriftlichem
Gutachten der Steuerkanzlei A in O1 vom 16.5.2005 beantragt die Klägerin
nunmehr,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 82.976,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % -Punkten aus 3998 DM =
1993,02 € seit 1.4.1994, aus 43.868 DM = 22.429,35 € seit 1.4.1995, aus 54.879
DM = 28.059,19 € seit 1.4.1996, aus 40.024 DM = 20.463,95 € seit 1.4.1997 und
aus 104.709 DM = 53.536,86 € seit 1.4.1998 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wozu sie ihr erstinstanzliches Vorbringen
wiederholt und ergänzt.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen
Erfolg, weil das angefochtene Urteil richtig ist.
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Die Klage ist unbegründet, denn gegenüber den Ansprüchen der Klägerin auf
Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung des Steuerberatervertrages
wegen der unstreitig der Beklagten anzulastenden Fehler bei Erstellung der
Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1996 sowie bei der ihr
übertragenen Überprüfung des Steuerbescheides betreffend die nicht von der
Beklagten, sondern vom vorherigen Steuerberater der Klägerin erstellten
Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1992, steht der Beklagten aufgrund der von
ihr erhobenen Einrede der Verjährung gemäß § 222 BGB a. F. = § 214 BGB n. F.
ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht zu.
Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat,
weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, trat
auf der Grundlage des § 68 StBerG (Primär-) Verjährung der
Schadensersatzansprüche wegen der Fehler der Beklagten bei der Erstellung der
Steuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1996 am 13.7.1995 (Bescheid 1993), am
22.2.1996 (Bescheid 1994), am 3.3.1997 (Bescheid 1995) und am 24.1.1998
(Bescheid 1996) ein. Ein der Klägerin wegen des Fehlers der Beklagten bei der
Überprüfung des Steuerbescheids für das Jahr 1992 zustehender
Schadenersatzanspruch verjährte bei Überprüfung des Bescheides im Jahr 1995
ebenfalls im Jahr 1998. Verjährung war also bereits eingetreten, noch bevor die
Klägerin im Jahr 2002 überhaupt Kenntnis davon erlangte, dass der Beklagten die
hier in Rede stehenden Fehler unterlaufen waren.
Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der Klägerin kein so genannter
Sekundäranspruch gegen die Beklagte zusteht, auf Grund dessen die Beklagte
verpflichtet wäre, die Klägerin so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die
Beklagte sie noch vor Ablauf der Primärverjährung darüber belehrt hätte, dass die
Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches wegen der Behandlung der
Gewerbesteuerfrage gegen sie bestand und die Verjährungsfrist gemäß § 68
StBerG lief (vgl. BGH VersR 1984, 663; 162). Wie das Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, weshalb auch
insoweit darauf verwiesen werden kann, setzt der Sekundäranspruch gegen den
Steuerberater eine neue schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Das Entstehen
dieses sekundären Schadensersatzanspruchs ist also davon abhängig, dass
während der Verjährungsfrist für den Primäranspruch (und vor Auftragsende)
begründeter Anlass zur Belehrung über den Fehler in der eigenen Arbeit und die
Verjährungsvorschrift bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind dann erfüllt,
wenn es sich einem sorgfältig arbeitenden Berater aufdrängen muss, einen zur
Schadensentstehung führenden Fehler gemacht zu haben (vgl. BGH NJW
1985,1151). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, dass für die Beklagte zu irgend einem
Zeitpunkt vor Eintritt der Primärverjährung begründeter Anlass bestand,
anzunehmen, sie habe bei Erstellung der Gewerbesteuererklärungen für die
Klägerin einen Fehler gemacht. Ein solcher Anlass kann sich etwa aus einem
entsprechenden Hinweis in einem Steuerbescheid, in einer Anfrage des
Finanzamtes oder in einer Anfrage des Mandanten ergeben. Für solche Umstände
ist indes nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Im Gegenteil hatte die Beklagte
vorliegend bis zum Hinweis der Klägerin auf die wirkliche Rechtslage im Jahr 20002
keinerlei Anlass anzunehmen, bei den Gewerbesteuererklärungen den hier in Rede
stehenden Fehler gemacht zu haben; denn nicht nur der vor ihr tätige
Steuerberater hatte die Vorschrift des § 3 Nr. 13 GewStG in Verbindung mit § 4 Nr.
21 b UStG nicht gesehen, der gleiche Fehler war vielmehr durchgehend auch den
Mitarbeitern des zuständigen Finanzamts bei Erstellung der Bescheide für die Jahre
1992 bis einschließlich 1996 unterlaufen und nicht einmal die in den Jahren 1997
und 1998 durchgeführte Betriebsprüfung hatte diesen Fehler aufgedeckt. Allein die
Tatsache, dass die Beklagte den Fehler im Zuge der weiteren Betreuung des ihr
von der Klägerin erteilten Mandats hätte bemerken können begründet einen
Sekundäranspruch nicht.
Da die Berufung erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711,
709 ZPO. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, denn die Voraussetzungen
des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.