Urteil des OLG Frankfurt vom 31.10.2003

OLG Frankfurt: beweisverfahren, verwertung, auflage, aussetzung, zivilverfahren, beendigung, quelle, zivilprozessrecht, prozesshandlung, immaterialgüterrecht

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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 W 56/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 493 ZPO
(Beweisaufnahme im Zivilverfahren: Verwertung des
Ergebnisses eines noch nicht beendeten selbstständigen
Beweisverfahrens)
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am
Main - 23. Zivilkammer - vom 31.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Der Beschwerdewert wird auf 1.763,45 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern eine restliche
Zahlung von € 8.817,23 nebst 11 % Zinsen seit 18.4.00 aus einem
Immobilienkaufvertrag. Wegen Mängeln machen die Käufer bzw. die
Eigentümergemeinschaft, zu der die Beklagten gehören, Zurückbehaltungsrechte,
Minderung oder Schadensersatz geltend. Die Beklagten wollen in erster Linie
mindern, halten aber wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum jedenfalls ein
Zurückbehaltungsrecht mindestens entsprechend ihres Miteigentumsanteils für
gegeben. Hilfsweise rechnen sie mit einem Schadensersatzanspruch aus § 635
BGB a.F. auf. Insoweit wird auf die Schriftsätze vom 22.5.2003 und 3.7.2003
verwiesen.
Die Parteien haben sich in der mündlichen Verhandlung vom 20.9.2001 damit
einverstanden erklärt, "dass die Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens
vor dem Landgericht Frankfurt am Main, 2/25 OH 10/00, im hiesigen Verfahren
verwertet werden, soweit sie für das hiesige Verfahren erheblich sind."
In der letzten mündlichen Verhandlung am 26.6.2003 vor der Einzelrichterin des
Landgerichts ist die Sach- und Rechtslage erörtert worden, insbesondere der
Stand des oben genannten selbstständigen Beweisverfahrens zwischen der
Klägerin und der Eigentümergemeinschaft. Das Landgericht hat am 31.7.2003
beschlossen, dem vorliegenden Verfahren nach Beendigung des selbstständigen
Beweisverfahrens von Amts wegen Fortgang zu geben. Es führt aus, dass die
Beklagten des hiesigen Verfahrens auch Partei des selbstständigen
Beweisverfahren seien, weil die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft der als
solcher nicht rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft in das
Beweisverfahren einbezogen seien. Das selbstständige Beweisverfahren stehe der
Beweisaufnahme vor dem hiesigen Prozessgericht gleich, auch wenn § 493 ZPO
vom Wortlaut her ein bereits abgeschlossenes Beweisverfahren zum Gegenstand
habe. Die Beklagten beriefen sich jedoch im vorliegenden Verfahren auf
Ansprüche, die Gegenstand der Beweiserhebung im selbstständigen
Beweisverfahrens seien. Die Berufung auf diese Mängel sei auch nicht deswegen
rechtlich unerheblich, weil die Ansprüche der Beklagten nicht im eigenen Namen
geltend gemacht werden könnten. Wegen weiterer Einzelheiten des Beschlusses
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geltend gemacht werden könnten. Wegen weiterer Einzelheiten des Beschlusses
vom 31.7.2003 wird auf Blatt 489, 490 d.A. Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen diesen Beschluss am 13.8.2003 Beschwerde eingelegt. Sie
ist der Auffassung, der Beschluss beinhalte unter anderem eine Aussetzung der
Verhandlung gemäß §148 ZPO, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen.
Sie verweist auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
3.6.2003 (23 W 24/03) und beantragt, den Rechtsstreit nunmehr kurzfristig
weiterzuführen.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 8.9.2003 nicht
abgeholfen. Wegen des Inhalts des Beschlusses wird auf Bl. 505 - 508 d.A. Bezug
genommen.
Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch aus den zutreffenden Gründen des
angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses keinen Erfolg.
Der Senat schließt sich der Auffassung des Landgerichts an, dass das
selbstständige Beweisverfahren zwischen denselben Parteien stattfindet wie der
vorliegende Rechtsstreit, weil die Klägerin Antragsgegnerin des selbstständigen
Beweisverfahrens ist und die Beklagten Mitglieder der Eigentümergemeinschaft
sind, die das Beweisverfahren beantragt hat. Da sich die Beklagten auf Tatsachen
berufen, die Gegenstand der Beweiserhebung sind, ist § 493 ZPO jedenfalls
entsprechend anzuwenden und das Ende der Beweiserhebung ebenso
abzuwarten, wie wenn der Beweisbeschluss vom Prozessgericht selbst erlassen
worden wäre (vgl. OLG Frankfurt am Main, 16. Zivilsenat, Beschlüsse vom
16.1.2003, 16 W 1/03, und 25.8.2003, 16 W 15/03; im Ergebnis ebenso
Kammergericht, KG-Report 2000, 266 f.; OLG München, NJW-RR 1998, 576, die
jeweils eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO
befürworten; anderer Ansicht OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.6.2003, 23
W 24/03; OLG Dresden, MDR 1998, 493).
Das ist auch im Hinblick auf die Regelung des § 485 ZPO geboten, nach dessen
Absatz 1 während oder außerhalb eines Streitverfahrens die Begutachtung durch
einen Sachverständigen angeordnet werden kann und, soweit bereits eine
gerichtliche Begutachtung angeordnet worden ist, gemäß § 485 Abs. 3 ZPO eine
neue Begutachtung nur stattfindet, wenn die Voraussetzungen des § 412 ZPO
erfüllt sind.
Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO ist mit dem Beschluss des
Landgerichts - auch der Sache nach - nicht verbunden. Die Vorschrift des § 148
ZPO kann schon deshalb nicht angewendet werden, weil in dem selbstständigen
Beweisverfahren keine Entscheidungen getroffen werden (vgl. OLG Frankfurt am
Main, 23. Zivilsenat, 23 W 24/03).
Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 493 ZPO nicht in Betracht
käme, hat das Landgericht zu Recht den Erlass eines eigenen Beweisbeschlusses
abgelehnt und beschlossen, die Beendigung des selbstständigen
Beweisverfahrens abzuwarten, denn die Parteien haben sich mit der Verwertung
der Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens einverstanden erklärt.
Durch die Verwertung kann eine erneute Beweisaufnahme über dieselben Mängel
verhindert werden. Diese Einverständniserklärung der Parteien ist als
Prozesshandlung grundsätzlich nicht widerruflich (vgl. OLG Frankfurt am Main, 16.
Senat a.a.O.; a.A. OLG Frankfurt am Main, 23. Senat a.a.O.). Es gilt insoweit
dasselbe wie im Falle des § 485 Abs. 1 ZPO, wenn die Beweisaufnahme auf Antrag
einer Partei mit Zustimmung des Gegners angeordnet wird (vgl.
Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Auflage, § 485, Rdn. 5; Zöller/Herget,
ZPO, 23. Auflage, § 485 Rdn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Auflage, § 485, Rdn. 2).
Die Klägerin ist an ihr Einverständnis gebunden. Eine besondere Sachlage, die
ausnahmsweise das Festhalten der Klägerin an ihrer Einverständniserklärung als
unzumutbar erscheinen ließe, ist nicht eingetreten.
Im Hinblick auf die im Ergebnis abweichenden Entscheidungen des 23. Senats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und des Oberlandesgerichts Dresden
(a.a.O.) lässt der Senat gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO die
Rechtsbeschwerde zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und
sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Vereinheitlichung der
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich
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Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich
erscheint.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.
Der Beschwerdewert wurde gemäß §§ 25 Absatz 2 GKG, 3 ZPO mit 1/5 des mit der
Klage verfolgten Zahlungsanspruchs bewertet (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR
1994, 957 f).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.