Urteil des OLG Frankfurt vom 20.11.2009

OLG Frankfurt: öffentliche urkunde, beweiskraft, beurkundung, schreibfehler, unrichtigkeit, käufer, datum, rückzahlung, grundbuch, vertreter

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 500/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 164 Abs 1 ZPO, § 44a Abs 2
S 1 BeurkG
(Notarielles Beurkundungsverfahren: Rechtsmittel gegen
die Berichtigung einer Urkunde durch Nachtragsvermerk)
Leitsatz
Gegen die Berichtigung einer notariellen Urkunde durch den Notar gemäß § 44 a Abs. 2
BeurkG ist in entsprechender Anwendung des § 164 ZPO kein Rechtsmittel gegeben.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Vor dem amtlich bestellten Notariatsverwalter des Notars A, Rechtsanwalt Dr. RA1,
beurkundeten die Beteiligten am 20.08.2002 einen Kaufvertrag über Wohnungs-
und Teileigentum nebst Auflassung (Bauträgervertrag, Bl. 10 ff. d. A.).
In der Folgezeit kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien,
die letztlich darin mündeten, dass die Beteiligten zu 1) und 2) klageweise die
Rückzahlung des bereits gezahlten Teilkaufpreises in Höhe von 532.452 EUR Zug
um Zug gegen Erteilung einer Löschungsbewilligung wegen der zu ihren Gunsten
im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung geltend machten.
Sie vertraten in diesem Rechtsstreit die Auffassung, dass der Bauträgervertrag
nichtig sei.
Mit Datum vom 14.08.2005 errichtete Rechtsanwalt Dr. RA1 als Notariatsvertreter
für Notar A einen Nachtragsvermerk gemäß § 44a Abs. BeurkG (Bl. 56 d. A.), der
auszugsweise wie folgt lautet:
„In meiner Urkunde vom 20.08.2002 – Urkundennummer …/2002 – ist ein
offensichtlicher Schreibfehler enthalten, der hiermit wie folgt berichtigt wird: Die
Beteiligten haben während der Verhandlung nachstehendes erklärt, was
versehentlich nicht in der Urkunde niedergelegt wurde: „Die Beteiligten erklären
die als Anlagen beigefügten Unterlagen (Wohnflächenzusammenstellung,
Schreiben des Verkäufers an den Käufer vom 16.08.2002, Raumbuch, drei Pläne
aus der Abgeschlossenheitsbescheinigung) zum Gegenstand der Beurkundung.
Hierauf wird verwiesen.“
Begründung: Die Parteien haben übereinstimmend eine entsprechende
Erklärung abgegeben, die versehentlich nicht in die Niederschrift übernommen
wurde.
Die vorstehende Erklärung wurde von den Beteiligten abgegeben, es sei ihr
ausdrücklich erklärter Wille, dass die der Urkunde beigefügten und einzeln
verlesenen, bzw. zur Durchsicht vorgelegten Anlagen Gegenstand der
Beurkundung werden sollen.“
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Mit ihrer Beschwerde machten die Beteiligten zu 1) und 2) geltend, dass entgegen
der Auffassung des Notars eine offensichtliche Unrichtigkeit der notariellen
Urkunde nicht vorliege und beantragten demgemäß den Nachtragsvermerk des
Rechtsanwalts Dr. RA1 als amtlich bestelltem Vertreter des Notars A aufzuheben.
Mit Beschluss vom 21.09.2005 wies das Landgericht die Beschwerde als unzulässig
zurück.
Gegen die Berichtigung der notariellen Urkunde gemäß § 44 a BeurkG im Wege
des Nachtragsvermerks sei ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Berichtigung der
notariellen Urkunde käme der Berichtigung eines gerichtlichen Protokolls näher als
der Berichtigung eines Urteils gemäß § 319 ZPO, so dass die Vorschriften über die
Protokollberichtigung gemäß § 164 ZPO zur Anwendung kämen, die eine
Beschwerdemöglichkeit gegen die Vornahme der Berichtigung nicht vorsehen.
Mit ihrer weiteren Beschwerde vertiefen die Beteiligten zu 1) und 2) ihr Vorbringen
und weisen insbesondere darauf hin, dass die ZPO eine Protokollberichtigung nicht
vorsehe, weil das Protokoll im weiteren Verlaufe des Zivilverfahrens eine geringere
Bedeutung habe. In seiner Beweiswirkung bleibe das Protokoll hinter den
Wirkungen eines Urteils und auch einer notariellen Niederschrift zurück. § 319 Abs.
3 ZP0 habe für das Verfahrensrecht Leitbildcharakter. Es sei nicht ersichtlich,
warum dies auch nicht für das notarielle Beurkundungsverfahren gelten solle, denn
das Beschwerdegericht könne anhand der Urkunde überprüfen, ob die
Berichtigungsvoraussetzungen vorgelegen haben, da die Berichtigung gemäß § 44
a Abs. 1 Satz 1 BeurkG gesetzlich begrenzt sei auf die Fälle offensichtlicher
Unrichtigkeiten. Die sinngemäße Anwendung der Bestimmung des § 319 Abs. 3
ZPO sei erforderlich, um die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Grenze
gerichtlich überprüfen lassen zu können.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ist zwar zulässig,
insbesondere formgerecht erhoben, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Erstbeschwerde der Beteiligten gegen die
Berichtigung der notariellen Urkunde durch Nachtragsvermerk als unzulässig
verworfen.
Ein Rechtsmittel gegen die Berichtigung einer notariellen Urkunde gemäß § 44 a
BeurkG ist nicht gegeben.
Die Vorschrift des § 44 a BeurkG wurde durch Gesetz vom 08.09.1998 in das
Gesetz eingefügt und übernimmt die früher in §§ 30 Abs. 3 und 4 DONot
enthaltenen Bestimmungen. In Absatz 2 Satz 2 und 3 dieser Vorschrift hat der
Gesetzgeber geregelt, wann und in welcher Art und Weise nach Abschluss der
Niederschrift einer notariellen Urkunde Änderungen vorgenommen werden
können.
Während sich bereits vor Einführung des § 44 a BeurkG gewohnheitsrechtlich
herausgebildet hatte, dass „offensichtliche Schreibfehler“ berichtigt werden
können (vgl. Senat FGPrax 1996, 160; Keidel, BeurkG, 16. Aufl., § 44 a Rn. 17,
jeweils m. w. N.) regelt § 44 a BeurkG nunmehr, dass offensichtliche
Unrichtigkeiten beseitigt werden können. Eine Regelung, ob die erfolgte
Berichtigung mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, enthält § 44 a
BeurkG nicht.
Bereits vor Einfügung des § 44 a BeurkG war streitig, ob auf diese Fälle die
Regelung des § 319 ZPO für die Berichtigung von offensichtlichen Unrichtigkeiten
in Urteilen (in diesem Sinne früher: Huhn/von Schuckmann, BeurkG, § 8 Rn. 15;
Weingärtner, DONot, 5. Aufl., 1991, § 30 Rn. 470, 472;) Anwendung findet.
Limmer (Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, § 44 a, Rn. 18) stellt fest, dass man im
Fall der erfolgten Berichtigung ähnlich wie bei § 319 ZPO gegen die Berichtigung
des Urteils die Beschwerde nach § 15 BNotO wird zulassen müssen, ohne dies zu
konkret zu begründen Offen gelassen wurde die Frage vom Kammergericht sowie
vom Senat (KG Berlin ZNotP 2004, 74 ff., Senat FGPrax 1996, 160).
Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, dass nicht § 319 ZPO anzuwenden sei,
sondern vielmehr § 164 ZPO, da die notarielle Urkunde dem gerichtlichen Protokoll
ähnlicher sei, als das in § 319 ZPO geregelte Urteil (Kanzleiter, DNotZ 1990,
478/482; Reithmann, DNotZ 1999, 27/32 ff.; Kanzleiter, DNotZ 1999, 293/303 ff.;
20
21
22
23
24
25
26
27
478/482; Reithmann, DNotZ 1999, 27/32 ff.; Kanzleiter, DNotZ 1999, 293/303 ff.;
Winkler, BeurkG, § 44 a Rn. 26 ff.; Huhn/von Schuckmann-Preuß BeurkG, 4. Aufl., §
44 a Rn. 6; Armbrüster u.a.-Preuß, BeurkG, 5. Aufl., 2009, Rn. 10).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Wie Kanzleiter zutreffend darlegt, (Kanzleiter, DNotZ 1990, 478, 483) beinhaltet
das Urteil eine Entscheidung und trifft Anordnungen. Während die im Urteil
dargelegten tatsächlichen Feststellungen anhand des Akteninhaltes überprüfbar
sind, gestaltet sich der Inhalt von notariellen Urkunden hiervon abweichend. In
einer notariellen Urkunde wird niedergelegt, was die Vertragsparteien erklärt
haben bzw. welche Willenserklärungen von ihnen geäußert wurden. Die notarielle
Urkunde gibt hierüber Bericht. Ähnlich gestaltet sich dies beim gerichtlichen
Sitzungsprotokoll, denn hier handelt es sich um einen Bericht über den Ablauf der
mündlichen Verhandlung in Form einer öffentlichen Urkunde. Das
Sitzungsprotokoll entspricht daher vom Prinzip her dem Inhalt einer notariellen
Urkunde, es kann ihm – wie etwa bei der Beurkundung bzw. Protokollierung eines
Vergleichs – bis in die Einzelheiten vollständig entsprechen. Sowohl mit dem
Protokoll als auch mit der Urkunde sollen bestimmte Tatsachen und Erklärungen
besonders zuverlässig nachgewiesen werden.
Es ist daher näherliegend, die Regelungen über die Berichtigung des Protokolls
entsprechend auf die Berichtigung der notariellen Urkunde anzuwenden, als es die
entsprechende Anwendung der Berichtigung des Urteils wäre.
Soweit die Beschwerdeführer dagegen einwenden, dass es möglich sein müsste
die Berichtigung der notariellen Urkunde mit einem Rechtsmittel zu überprüfen,
weil sich durch die Berichtigung – wie im hier zu entscheidenden Fall – die
Beweislast umkehren könnte, wodurch in erheblicher Weise in die Rechtsstellung
der betroffenen Personen eingegriffen werde, kann dem nicht gefolgt werden. Auch
durch die Berichtigung eines Sitzungsprotokolls kann in gleicher Weise in den
Rechtskreis des Betroffenen eingegriffen werden, denn auch das Sitzungsprotokoll
stellt wie die notarielle Urkunde eine öffentliche Urkunde mit den Beweiswirkungen
der §§ 415, 418 ZPO dar (vgl. BGHZ 142, 84ff.). Die Ähnlichkeit von gerichtlichem
Protokoll und notarieller Urkunde lässt sich auch an der Regelung des § 127 a BGB
ersehen, in dem bestimmt ist, dass die notarielle Beurkundung durch ein nach den
Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll über einen gerichtlichen
Vergleich ersetzt werden kann.
Auch soweit die Beteiligten zu 1) und 2) einwenden, dass das gerichtliche Protokoll
gemäß § 165 ZPO lediglich eine sehr eingeschränkte Beweiskraft habe, ist dies
nicht durchschlagend. Über die besondere Regelung des § 165 ZPO hinaus, der die
besondere Beweiskraft des Protokolls in bestimmten Fällen postuliert, die nur
durch den Nachweis der Fälschung des Protokolls widerlegt werden kann, hat das
gerichtliche Protokoll in den übrigen Fällen die Beweiskraft einer öffentlichen
Urkunde und tritt damit in seiner Beweiswirkung nicht hinter der notariellen
Urkunde zurück. § 165 ZPO erhöht die Beweiskraft des gerichtlichen Protokolls für
die bestimmten dort genannten Fälle über die Beweiskraft einer öffentlichen
Urkunde hinaus. Im Übrigen entfaltet das gerichtliche Protokoll genau wie die
notarielle Urkunde die Beweiskraft gemäß §§ 415, 418 ZP0, die jeweils durch
Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen widerlegt werden kann
(Baumbach/Lauterbach, 67. Aufl., ZPO, § 418 Rn. 5; § 163 Rn. 2; BGH NJW-RR
2007, 1451 f), worauf bereits das Landgericht zu Recht hingewiesen hat.
Es ist zusammenfassend daher festzustellen, dass sich die Berichtigung einer
notariellen Urkunde gemäß § 44 a BeurkG hinsichtlich ihrer Rechtsmittelfähigkeit
wegen der größeren Ähnlichkeit zum Protokoll an einer entsprechenden
Anwendung des § 164 ZPO auszurichten hat, so dass gegen die erfolgte
Berichtigung der Urkunde durch den Notar wie gegen die erfolgte Berichtigung des
Protokolls durch das Gericht (vgl. BGH NJW-RR 2005, 214 f) ein Rechtsmittel nicht
gegeben ist.
Zutreffenderweise hat das Landgericht daher die Beschwerde der Beteiligten zu 1)
als unzulässig verworfen, so dass die weitere Beschwerde keinen Erfolg haben
kann und mit der Kostenfolge des § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO zurückzuweisen war.
Eines Ausspruchs zur Erstattung außergerichtlicher Auslagen bedarf es nicht, da
die Beteiligte zu 3) sich am Verfahren der weiteren Beschwerde nicht beteiligt hat
und ihr somit außergerichtlichen Auslagen nicht entstanden sind.
28 Bei der Gegenstandswertfestsetzung hat der Senat sich an der nicht angegriffenen
Gegenstandswertfestsetzung durch das Landgericht orientiert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.