Urteil des OLG Frankfurt vom 03.03.2006

OLG Frankfurt: schutz der persönlichkeit, in den verkehr bringen, recht am eigenen bild, schwerer eingriff, persönlichkeitsrecht, kunstfreiheit, vorrang, vorführung, straftat, geschichte

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Gericht:
OLG Frankfurt 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 W 10/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs
1 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2
Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG
(Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch Verfilmung einer
Lebensgeschichte)
Leitsatz
Ein Spielfilm kann die Persönlichkeitsrechte einer relativen Person der Zeitgeschichte
verletzen, wenn der Film ohne ausreichende Verfremdung Privatleben und mutmaßliche
Straftaten dieser Person wiedergibt und ein durch die Darstellungsweise des Horrorfilms
geprägtes Persönlichkeitsbild von ihr der Öffentlichkeit preisgibt.
Gründe
Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte, eine in Kalifornien ansässige
Filmproduktionsgesellschaft, im Wege der einstweiligen Verfügung in Anspruch.
Der Verfügungsbeklagten soll verboten werden, den im Urteilsausspruch näher
bezeichneten Film mit dem deutschen Titel "R“ zu vervielfältigen, vorzuführen, zu
bewerben oder auf andere Weise in den Verkehr bringen bzw. vorgenannte
Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen.
Die Antragsgegnerin ist Produzentin des vorgenannten Films. Der Filmverleih in
Deutschland wird von der X-AG betrieben. Der Kinostart ist für den 09.03.2006
vorgesehen. Der Filmverleih hat den Film entsprechend dem Internetauszug (Bl.
36 d. A.) wie folgt vorangekündigt:
„Inspiriert von wahren Ereignissen drehte Videoclip-Spezialist M W in seinem
Spielfilmdebüt einen an Intensität kaum zu überbietenden Real-Horrorfilm, der im
wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht.“
Der Inhalt wird folgendermaßen beschrieben:
„Seit Jahren lebt die junge Amerikanerin Katie Armstrong in Deutschland, wo sie
unter dem geachteten Professor Zeck Kriminalpsychologie studiert. Längst hat
Katie die Hoffnung aufgegeben, sich jemals wieder verlieben zu können – all ihre
vergangenen Beziehungen sind kläglich gescheitert. Umso mehr konzentriert sie
sich auf ihr Studium. Für ihre Abschlussarbeit hat sich Katie ein eigenwilliges
Thema ausgesucht: den homosexuellen Kannibalenkiller Oliver Hagen. Er hat
traurige Berühmtheit erlangt, weil er im Internet nach einem Liebhaber gesucht
hatte, der sich bereit erklärt, sich ermorden und verspeisen zu lassen – als
ultimativen Liebesakt, als Selbstopfer, wie es noch keines gab. Schnell entwickelt
die junge Studentin eine regelrechte Obsession für das perverse Leben Olivers. Sie
forscht in seiner Kindheit und der Kindheit seines Opfers, um herauszufinden, was
ihn zu dem werden ließ, was er heute ist. Systematisch folgt sie den Spuren der
beiden Männer: ihre Herkunft, ihre Berufe, ihre Beziehungen, von ihrer Kindheit bis
ins Hier und Jetzt. Mehr und mehr verliert sich Katie in deren Leben. Mit jeder
neuen Entdeckung taucht sie tiefer ein in eine Welt, die bestimmt wird von
unnatürlichen Gelüsten, krankhaften Bedürfnissen und der Lust an Schmerz. Katie
lässt sich fallen ... und entdeckt einen Lebensentwurf, der weit entfernt ist von
allem, was sie jemals gekannt hat – und sie auf bizarre Weise immer mehr
fasziniert. Schließlich findet sie ein Videotape, das Oliver gedreht hat und die
letzten Momente im Leben seines Opfers dokumentiert. Für Katie ist es ein Blick in
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letzten Momente im Leben seines Opfers dokumentiert. Für Katie ist es ein Blick in
die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele: Sie droht den Verstand zu verlieren
... und muss nun die Kraft finden, sich selbst aus dem schlimmsten Horror zu
befreien, der seine Klauen bereits nach ihr ausgestreckt hat ...“
Der Verfügungskläger, der in den Medien wiederholt als „der Kannibale von
Rotenburg“ bezeichnet worden ist, befindet sich in Untersuchungshaft. Er ist
wegen Mordes, begangen an X, angeklagt. Die Strafverhandlung findet derzeit vor
dem Landgericht Frankfurt statt.
Der Verfügungskläger trägt vor, der Film halte sich sehr eng an seine
Lebensgeschichte und seine Persönlichkeitsmerkmale. Die von dem Schauspieler
Kretschmann gespielte Hauptfigur des Films weise schon in Maske und Garderobe
eine große Ähnlichkeit zu seinem Erscheinungsbild auf. Die Schilderung der
Stationen in der Lebensgeschichte der Hauptfigur des Films, der dort geschilderte
Tathergang von der Internetbekanntschaft an bis zu den körperlichen Exzessen
entspreche in wesentlichen Sequenzen des Films nahezu detailgetreu seiner Vita
und seiner Tat. Es könne deswegen keinem Zweifel unterliegen, dass die
Verfügungsbeklagte sein Leben und seine Tat verfilmt habe, wobei dies in zum Teil
reißerischer, verzerrter und ihn bloßstellender Weise geschehen sei. Daran
änderten auch nichts die anders lautenden Namen der Personen des Films und die
dort gewählte Erzählperspektive einer Studentin. Darin sieht er einen unerlaubten
Eingriff in seine durch Artikel 2 Absatz 1, Artikel 1 Absatz 1 GG geschützten
Persönlichkeitsrechte.
Das Landgericht Kassel hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
mit Beschluss vom 12.01.2006 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt,
es könne dahinstehen, ob der Verfügungskläger einen Verfügungsanspruch
schlüssig dargelegt habe. Jedenfalls habe er einen rechtswidrigen Eingriff in seine
Persönlichkeitsrechte nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Verfügungskläger
habe zu der Darlegung, wer er sei, was er und das Opfer X getan hätten und vor
welchen Hintergründen dies geschehen sei, sich im Wesentlichen zur
Glaubhaftmachung nur auf eidesstattliche Versicherung dritter Personen bezogen,
was nicht ausreiche.
Gegen diese ihm am 17.01.2006 zugestellte Entscheidung hat der
Verfügungskläger am 20.01.2006 Beschwerde eingelegt. Der Verfügungskläger
wiederholt und ergänzt sein bisheriges Vorbringen. Außerdem legt er eine eigene
eidesstattliche Versicherung sowie weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung vor.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 30.01.2006 nebst
Anlagen (Bl. 54 a – 139 d. A.) verwiesen.
Er beantragt, den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom
13.01.2006 aufzuheben und der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines
Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu Euro 250.000 oder einer ersatzweise zu
verhängenden Haftstrafe bis zur Dauer von 6 Monaten für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu verbieten, den auf Grundlage wesentlicher Lebensbilder und
Persönlichkeitsmerkmale von Herrn ... mit den Hauptdarstellern Thomas
Kretschmann, Thomas Huber, Keri Russell und in Regie von Martin Weisz
hergestellten Film „R“ (englischer Titel: Butterfly – a Grimm Lovestory) zu
vervielfältigen, vorzuführen, zu bewerben oder auf andere Weise in den Verkehr zu
bringen bzw. vervielfältigen, vorführen, bewerben oder auf andere Weise in den
Verkehr bringen zu lassen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung zufolge fehlt es bereits an der Dringlichkeit, weil dem
Verfügungskläger das Drehbuch bereits seit März 2005 vorgelegen und er das
Angebot der Verfügungsbeklagten vom 27.09.2005, den Film im Rohschnitt zu
besichtigen, erst 2 Monate später angenommen habe.
In der Sache, so meint die Verfügungsbeklagte, seien die zur Begründung des
Verfügungsanspruchs vorgetragenen Tatsachen nicht hinreichend glaubhaft
gemacht. Sowohl das Vorbringen als auch die beigefügten eidesstattlichen
Versicherungen enthielten überwiegend subjektive Eindrücke. Zudem sei zu
beachten, dass viele Teile des in Bezug genommenen Drehbuchs keine
Verwendung in dem Film gefunden hätten. Eine Verletzung des
Persönlichkeitsrechts des Klägers liege nicht vor, weil es sich nur um einen von den
tatsächlichen Ereignissen inspirierten Film handele, der sich sachlich und
analytisch mit der Thematik des Kannibalismus auseinandersetze und nicht mit
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analytisch mit der Thematik des Kannibalismus auseinandersetze und nicht mit
den für Horror und Thriller genretypischen dramaturgischen Mitteln arbeite. Es
handele sich um eine fiktive Geschichte, die sich nicht nur mit dem Leben und der
Tat des Täters befasse und dem Schutzbereich des Artikel 5 Abs. 3 GG unterfalle.
Soweit der Verfügungskläger erkennbar sei, seien seine Wesenszüge und sein
Persönlichkeitsbild, wie er selbst einräume, zutreffend wiedergegeben. Da der
Kläger in Anbetracht der von ihm selbst eingeräumten Straftat jedenfalls als
relative Person der Zeitgeschichte angesehen werden müsse und zudem die
Rechte zur Vermarktung seiner Lebensgeschichte bereits „verkauft“ habe, könne
keinesfalls von einer schweren Persönlichkeitsverletzung ausgegangen werden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 24.02.2006 nebst Anlagen
(Bl. 213 – 265 d. A.) Bezug genommen.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Bei dem Rechtsmittel handelt es sich
um eine nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, die auch
ansonsten zulässig ist.
Ist gegen eine Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt worden, hat das
Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, ein Abhilfeverfahren
durchzuführen, § 572 Abs. 1 ZPO. Das Landgericht hat in dem vorliegenden Fall
von einem Abhilfeverfahren abgesehen. Die dafür gegebene Begründung mag
nach Auffassung des Senats zweifelhaft sein, kann jedoch dahinstehen. Ist das
Abhilfeverfahren unter Verstoß gegen das Verfahrensrecht unterblieben, ändert
das nichts an der Befugnis des Beschwerdegerichts, in der Sache selbst zu
entscheiden (Zöller-Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 572, Rdnr. 4), wobei die
Entscheidung infolge der durch den Senat angeordneten mündlichen Verhandlung
durch ein Urteil zu erfolgen hat (Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 922, Rdnr. 14 m. w.
N.).
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig. Entgegen der
Auffassung der Verfügungsbeklagten fehlt ihm nicht die erforderliche inhaltliche
Bestimmtheit. Der Antrag ist darauf gerichtet, der Verfügungsbeklagten die
Vervielfältigung, Vorführung, Bewerbung oder ein anderweitiges Inverkehrbringen
des Films durch eigene Handlung oder durch Handlung Dritter zu untersagen.
Soweit in dem Antrag die Begriffe „wesentliche Lebensbilder und
Persönlichkeitsmerkmale“ verwendet werden, dienen sie lediglich dazu, den
beanstandeten Film zu konkretisieren. Das Untersagungsverlangen ist auf den
gesamten Film und nicht etwa nur auf einzelne Szenen gerichtet.
Der Antrag ist auch begründet. Der Verfügungskläger kann gemäß den §§ 823
Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB von der Verfügungsbeklagten verlangen, es zu
unterlassen, den Film „R“ vorzuführen oder sonst einem Publikum zugänglich zu
machen, weil der Verfügungskläger hierdurch in seinem Persönlichkeitsrecht aus
Artikel 2 Abs. 1, Artikel 1 Abs. 1 GG verletzt wird. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht ist ein nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut, das
allen natürlichen Personen als eigenes Recht zusteht. Es hat ein umfassendes
Recht auf Achtung und freie Entfaltung der Persönlichkeit zum Inhalt, das sich in
vielfältigen Bereichen konkretisiert. Es sichert jedem Einzelnen einen autonomen
Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und
wahren kann. Dazu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich“ zu sein,
„sich selbst zu gehören“ und ein Eindringen oder einen Einblick durch andere
auszuschließen. Es umfasst das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen
Wort, erst recht aber das Verfügungsrecht über die Darstellung der Person.
Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und inwieweit
andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben
öffentlich darstellen dürfen (BVerfG Urteil vom 05.06.1973 – BVerfGE 35, 202 ff. –
Lebach I -).
Der Verfügungskläger hat durch eidesstattliche Versicherung gemäß § 920 Abs. 2
ZPO glaubhaft gemacht, dass der Film „R“ eine detailgetreue Wiedergabe sowohl
der ihm vorgeworfenen Straftat als auch von Einzelheiten seines Lebenslaufs und
seiner örtlichen Umgebung enthält. Er hat dazu anhand des Drehbuchs 88
Filmszenen aufgelistet (Bl. 99 ff. d. A.), die eine Übereinstimmung mit seiner
Person, seiner Tat und seinen Verhältnissen aufweisen. Damit ist er in der Filmfigur
Oliver Hagen erkennbar. Eine Erkennbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die
Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Leser- oder
Adressatenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar
wird (BGH Urteil vom 21.06.2005 – NJW 2005, 2844 – Esra - ). So liegt es hier.
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Der Titel des Films weist praktisch unverhüllt auf den Verfügungskläger hin, der in
den Medien wiederholt ausgehend von seinem Wohn- und Tatort als „Kannibale
von Rotenburg“ bezeichnet worden ist. Die lediglich in einem Buchstaben
veränderte Schreibweise des Ortes, die sich in der Aussprache des Wortes ohnehin
nicht niederschlägt, räumt diesen Bezug nicht aus. Der Verfügungskläger hat in
seiner Gegenüberstellung des Drehbuchinhalts mit dem tatsächlichen Geschehen
die weiteren Gemeinsamkeiten dargelegt. Insoweit sind folgende
Übereinstimmungen glaubhaft gemacht:
1. Der Ort der Handlung, die Region Nordhessen, das Wohnhaus, nämlich das
Fachwerkhaus in einer Kleinstadt,
2. die Hauptfiguren des Films in ihren Bezügen zueinander, Täter, Opfer mit
masochistischer Neigung, die Mutter von Hagen,
3. die zeitliche Schiene des Films, Handlung in die Gegenwart reichend, Kindheit in
den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts,
4. Auffälligkeiten in der Kindheit (das Kind muss im Alter von 12 Jahren kurze
Lederhosen tragen, obwohl Altersgenossen in langen Hosen herumlaufen),
5. der Schulfreund Franky ...,
6. traumatisches Erlebnis in der Kindheit (das Kind sieht mit an, wie der Vater
wegfährt und die Familie verlässt),
7. berufliche Situation der Hauptfigur (Wartung von Computeranlagen),
8. kompliziertes Verhältnis der Mutter zu anderen Männern,
9. Miterleben von Hausschlachtungen,
10. Modellieren einer Marzipanfigur, Zerlegen einer Puppe,
11. Umgestaltung eines Kellerraumes zum Schlachtraum,
12. Bekanntschaft Hagens mit anderen Männern, abartige sexuelle Phantasien,
Ansehen von Gewaltvideos,
13. Kontaktaufnahme zwischen Täter und Opfer über das Internet,
14. in seinen wesentlichen Zügen identischer Tatablauf nebst Videoaufzeichnung.
Die Verfügungsbeklagte bestreitet dieses inhaltliche Vorbringen auch gar nicht. Sie
rügt lediglich, der Verfügungskläger habe den Film nicht gesehen und der Zeuge Z
habe sich bei der Aufführung im Dezember 2005 lediglich die zweite Hälfte
angeschaut; es handele sich bei der Behauptung der Übereinstimmung um bloße
Wertungen. Insoweit übergeht die Verfügungsbeklagte das detaillierte tatsächliche
Vorbringen zu dem Inhalt des Films. Ihre Behauptung, dass die Drehbuchfassung
„in wesentlichen Teilen von der tatsächlichen Umsetzung des Films“ abweiche, ist
demgegenüber unerheblich. In Anbetracht des detaillierten Vorbringens des
Verfügungsklägers hätte die Verfügungsbeklagte angeben müssen, worin die
Unterschiede bestehen sollen, insbesondere welche der aufgelisteten Szenen
nicht oder mit einem anderen Inhalt in dem Film vorhanden seien.
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ist der
Verfügungsbeklagten zuzurechnen. Schädiger ist in einem solchen Fall jedenfalls
auch der Hersteller des Films. Insoweit bedarf es keiner Vertiefung der Frage, ob
bereits der Vorgang der Filmproduktion einen deliktsrechtlich relevanten Eingriff
bedeutet. Sieht man lediglich in der Verbreitung des Filmes den Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht (vgl. dazu OLG München OLGR 2001, 171), hat auch der
Hersteller hierzu einen Ursachenbeitrag geleistet, wobei eine mittelbare
Beeinträchtigung ausreicht (BGH NJW 1973, 1460). Da die Herstellung des Filmes
gerade dazu dient, ihn gegen Entgelt dem Publikum zugänglich zu machen, wirkt
der Hersteller an der von ihm regelmäßig vertraglich gestatteten Verbreitung
durch den Filmverleih maßgeblich mit.
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ist auch
rechtswidrig. Ob tatbestandsmäßig eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts vorliegt, oder ob der Eingriff von dem Betroffenen geduldet
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Persönlichkeitsrechts vorliegt, oder ob der Eingriff von dem Betroffenen geduldet
werden muss, ist aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung
des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen (BGH Urteil vom 21.06.2005 – NJW
2005, 2844 ff – Esra; KG Urteil vom 15.04.2004 – NJW-RR 2004, 1415 ff; BVerfG
Urteil vom 24.02.1971 – BVerfGE 30, 173 ff – Mephisto -; BVerfG Urteil vom
05.06.1973 – BVerfGE 35, 202 ff – Lebach I -). Vorliegend steht das gemäß Artikel
2 Abs. 1, Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Verfügungsklägers,
grundsätzlich selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein
Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich
darstellen dürfen, im Spannungsverhältnis zu der in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG
garantierten Filmfreiheit und der in Artikel 5 Abs. 3 GG garantierten Kunstfreiheit,
wobei keines dieser Rechte allgemeinen Vorrang beanspruchen kann.
Der beanstandete Film kann in den Schutzbereich des auch ein individuelles
Freiheitsrecht gewährenden Grundrechts der Kunstfreiheit fallen. Das
Bundesverfassungsgericht hat in der so genannten „Mephisto“-Entscheidung
(BVerfGE 30, 173) ausgeführt, der Lebensbereich Kunst sei durch die vom Wesen
der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Das
Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist danach die freie schöpferische
Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das
Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht
werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und
unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Bei künstlerischem
Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist nicht
primär die Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der
individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft in
gleicher Weise „den Wertbereich“ und den „Wirkbereich“ des künstlerischen
Schaffens. Wie weit die Verfassungsgarantie der Kunstfreiheit reicht, hat das
Bundesverfassungsgericht angesichts der Vielfältigkeit der in Betracht
kommenden Sachverhalte nicht in einer für alle Kunstgattungen gültigen Weise
umschrieben. Jedenfalls soll nur ein „weiter Kunstbegriff“ zu angemessenen
Lösungen führen können (BVerfG Beschluss vom 17.7.1984 - NJW 1985, 261 –
anachronistischer Zug -). Der Bundesgerichtshof hat einen Spielfilm als
künstlerisch gestaltetes Werk eingeordnet, in dem in eine Rahmenhandlung
eingebettet im Wesentlichen Markenartikel (Milka, Chiquita, Paulaner) präsentiert
worden sind (BGH Urteil vom 6.7.1995 - NJW 1995, 3182 – Feuer, Eis und Dynamit -
). Ob dem hier in Frage stehenden Spielfilm angesichts des Umstandes, dass er
nach der glaubhaft gemachten Darlegung des Verfügungsklägers im Wesentlichen
dessen Tat und Ausschnitte aus seinem Leben als Vorgänge des realen Lebens
nacherzählt, die zusätzlich in einen äußeren Rahmen, nämlich die
Ermittlungstätigkeit einer Psychologiestudentin, „eingebettet“ worden sind, der
Schutz des Artikel 5 Abs. 3 GG zugebilligt werden muss, kann dahinstehen, weil die
Abwägung der widerstreitenden Belange im konkreten Fall zu dem Ergebnis führt,
dass die Kunstfreiheit hinter dem Schutz der Persönlichkeit des Verfügungsklägers
zurückzutreten hat.
Die Kunstfreiheit wird nicht schrankenlos gewährt. Sie steht zwar nicht unter dem
Gesetzesvorbehalt des Artikel 5 Abs. 2 GG. Daraus folgt aber nur, dass die
Grenzen der Kunstfreiheit allein durch die Verfassung gezogen werden (BVerfGE,
30, 173 – Mephisto -). Nach dieser Entscheidung ist ein im Rahmen der
Kunstfreiheitsgarantie zu berücksichtigender Konflikt nach Maßgabe der
grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses
grundlegenden Wertsystems durch Verfassungsauslegung zu lösen. Als Teil des
Wertsystems ist die Kunstfreiheit insbesondere der in Artikel 1 Abs. 1 GG
garantierten Würde des Menschen zugeordnet, dem das ganze grundrechtliche
Wertesystem beherrschenden obersten Wert. Trotz dieser Zuordnung kann ein
Konflikt mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich
entstehen, weil ein Kunstwerk neben dem eigenständigen Bereich der Kunst auf
anderen Ebenen, wie der sozialen Ebene, Wirkungen entfalten und damit den
Persönlichkeitsbereich berühren kann. Insoweit gilt, dass der soziale Wert- und
Achtungsanspruch des Einzelnen eben so wenig der Kunstfreiheit übergeordnet ist
wie sich die Kunst ohne Weiteres über den verfassungsrechtlich geschützten
Persönlichkeitsbereich des Menschen hinwegsetzen darf.
Die Abwägung kann daher nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im
außerkünstlerischen Sozialbereich abstellen, sondern muss auch
kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung tragen, d. h. unter Berücksichtigung
des Charakters des Kunstwerks vorgenommen werden, so dass regelmäßig nur ein
schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch Art. 5 Abs. 3 GG nicht mehr
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schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch Art. 5 Abs. 3 GG nicht mehr
gerechtfertigt ist (BGH Urteil vom 21.06.2005, a.a.O., – Esra -; BVerfG vom
24.02.1971, a.a.O., – Mephisto -). Ob ein der Veröffentlichung des Kunstwerks
entgegen stehender schwerer Eingriff in den schutzwürdigen
Persönlichkeitsbereich des Dargestellten zu befürchten ist, kann nur unter
Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Dabei ist zu beachten,
ob und inwieweit das „Abbild“ gegenüber dem „Urbild“ durch künstlerische
Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus
des Kunstwerks so verselbständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-
Intime, zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der „Figur“ objektiviert ist.
Wenn sich jedoch ergibt, dass der Künstler ein „Porträt“ des „Urbildes“ gezeichnet
hat oder gar zeichnen wollte, kommt es auf das Ausmaß der künstlerischen
Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der „Verfälschung“ für den Ruf
des Betroffenen an. Die Kunstfreiheit wird um so eher Vorrang beanspruchen
können, je mehr die Darstellungen des Urbildes künstlerisch gestaltet und in die
Gesamtkonzeption des Kunstwerks eingebettet sind.
Der Film schafft nach den glaubhaft gemachten Tatsachen keine verselbständigte
Kunstfigur, sondern stellt die Tat des Verfügungsklägers sowie dessen
Lebenssituationen im Wesentlichen detailgetreu ohne Verfremdung nach und gibt
damit den Anspruch auf jegliche Fiktion auf. Der Umstand, dass dem Täter und
dem Opfer im Film andere Namen gegeben worden sind, vermag hieran nichts zu
ändern. Vielmehr wird der Realitätsbezug und damit der Bezug zu der
Persönlichkeit des Verfügungsklägers noch dadurch verstärkt, dass der Filmtitel
auf den ehemaligen Wohn- und Tatort des Verfügungsklägers hinweist und der Film
in der Vorankündigung des Filmverleihs ausdrücklich als „Real-Horrorfilm“, der von
wahren Ereignissen inspiriert sei, angekündigt wird.
Auch die Gesamtdramaturgie des Films und die Einordnung der Tat des
Verfügungsklägers sowie seines Lebensbildes in diese sind nicht geeignet, die
Figur des Täters als gegenüber derjenigen des Verfügungsklägers verselbständigte
Kunstfigur erscheinen zu lassen. Die Figur und die Geschichte der Studentin Katie
Armstrong stehen selbständig neben derjenigen des Täters, des Opfers und der
Tat. Durch sie wird lediglich die „Erzählperspektive“ aus der Sicht einer Ermittlerin
und Zuschauerin geschaffen, die die Tat und ihre Vorgeschichte als
Außenstehende untersucht und in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang mit der
bereits abgeschlossenen Tat und den Persönlichkeiten von Täter und Opfer steht.
Damit bezieht sich der wesentliche Handlungsstrang des Films, der nach der
eigenen Darlegung der Verfügungsbeklagten insgesamt 56,37 Minuten einnimmt,
auf die Darstellung des Lebensbildes von Täter und Opfer einschließlich der Tat,
wovon 41,25 Minuten auf das Lebensbild des Täters und die Tat verwendet werden.
Ein erzählendes Kunstwerk, das allein oder neben einem anderen Handlungsstrang
und für die Öffentlichkeit ohne Weiteres erkennbar die Nacherzählung des
Lebensbildes einer real existierenden Person oder eines Ausschnitts hiervon zum
Gegenstand hat, kann gegenüber dem Persönlichkeitsrecht dieser Person
grundsätzlich keinen Vorrang beanspruchen, selbst wenn die Darstellung den
tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen sollte. Grundsätzlich muss niemand
dulden, dass seine persönlichen Belange ohne (ausreichende) Verfremdung der
Öffentlichkeit präsentiert werden.
Eine andere Beurteilung ist vorliegend auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der
Verfügungskläger aufgrund seiner Tat als so genannte „relative Person der
Zeitgeschichte“ anzusehen ist und seine Identität sowie die Tat- und seine
Lebensumstände der Öffentlichkeit bereits durch die intensive
Medienberichterstattung ohnehin in weiten Teilen bekannt sind. Die Art der Tat, die
in der deutschen Kriminalgeschichte wohl einzigartig ist, mag eine intensive
aktuelle Berichterstattung auch der bildgebenden Medien unter Nennung des
Namens und Abbildung des Verfügungsklägers rechtfertigen, weil ein erhebliches
berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit besteht, die Umstände der Tat und deren
Hintergründe, für die auch die Persönlichkeit des Verfügungsklägers maßgeblich
ist, zu erfahren. Wer den Rechtsfrieden bricht, muss grundsätzlich auch dulden,
dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der
Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden
Gesellschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird, wobei der Umfang und
die Intensität der erlaubten Berichterstattung von den Umständen des Einzelfalls,
wie beispielsweise der Bedeutung der Tat für die Öffentlichkeit abhängt (BVerfG
Urteil vom 05.06.1973, a. a. O., - Lebach I -). Die Umstände, die es rechtfertigen,
aus dem Gesichtspunkt des Informationsinteresses der Freiheit der
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aus dem Gesichtspunkt des Informationsinteresses der Freiheit der
Berichterstattung durch Presse, Rundfunk und Film nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG
Vorrang vor dem Schutz der Persönlichkeit des Verfügungsklägers einzuräumen,
führen jedoch nicht dazu, dass seine Person ohne Weiteres zum Gegenstand eines
als Real – Horrorfilm angekündigten Spielfilms gemacht werden kann.
Diese Kunst- bzw. Darstellungsform unterscheidet sich in ihrer Wirkung von einer
sonstigen Berichtsform erheblich, indem sie das Geschehen in seiner Entwicklung
und seinem Ablauf nachspielt und dem Zuschauer ein unmittelbares Mit- bzw.
Nacherleben ermöglicht, welches regelmäßig stärkere und nachhaltigere
emotionale Reaktionen auslöst als eine reine Wort-Bild-Berichterstattung. Auch bei
enger Anlehnung an die tatsächlichen Vorgänge kommt die Wiedergabe nicht
ohne Interpretation, etwa der psychologischen Vorgänge aus, wobei die erzeugte
Wirkung von weiteren Umständen wie Gesichtsausdruck, Tonfall der Darsteller und
dramaturgischer Schwerpunktsetzung durch den Regisseur abhängt. Da die
Schwerpunktsetzung auf der Tat und ihrer Entwicklung liegt, entsteht zwangsläufig
ein hierauf verkürztes Persönlichkeitsbild des Täters. Der hier zu beurteilende Film
ist nicht um eine sachliche Information oder ausgewogene Darstellung der
Geschehnisse und des Persönlichkeitsbildes des Verfügungsklägers bemüht,
sondern stellt, wie sich aus der Internetinformation der Verleiherin ergibt, einen an
„Intensität kaum zu überbietenden „Real-Horrorfilm“ dar, „der im wahrsten Sinne
des Wortes unter die Haut geht“. Auch aus der Beschreibung des Inhalts lässt sich
entnehmen, dass es darum geht, dem Zuschauer die typische Unterhaltung eines
Horrorfilms zu bieten, also Grauen und Entsetzen hervorzurufen, indem
beschrieben wird, dass die ermittelnde Studentin Einblick in das „perverse Leben
Olivers“, „in eine Welt, die bestimmt wird von unnatürlichen Gelüsten, krankhaften
Bedürfnissen und der Lust am Schmerz“, in die „tiefsten Abgründe der
menschlichen Seele“ nimmt und droht, „den Verstand zu verlieren“. Aus dieser
Beschreibung ergibt sich zweifelsfrei, dass der Film als reiner Unterhaltungsfilm in
die Rubrik des Horrorfilms einzuordnen ist. Hieran vermag der Umstand, dass
nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten weder mit einem
unvorhersehbaren Ende, mit Überraschungseffekten oder mit einem intendierten
Schock des Zuschauers gearbeitet wird, nichts zu ändern. Ebenso wenig kommt
es darauf an, dass es sich um eine Beschreibung der Verleiherin und nicht der
Verfügungsbeklagten handelt, denn die Verfügungsbeklagte macht nicht geltend,
dass sie mit dieser Ankündigung des Films als „Real-Horrorfilm“ nicht
einverstanden sei.
Auch unter Berücksichtigung der von dem Verfügungskläger eingeräumten Tat, die
aus sich heraus geeignet ist, Grauen und Abscheu hervorzurufen, geht das Recht
der Kunstfreiheit nicht so weit, dass seine Person und seine Tat zum Gegenstand
eines Horrorfilm gemacht werden dürften. Das Recht, Thema und Gestaltung eines
Kunstwerks frei zu wählen, findet auch gegenüber so genannten relativen
Personen der Zeitgeschichte, die ein verabscheuungswürdiges Verbrechen
begangen haben, seine Grenze dort, wo es um eine einseitige Horrordarstellung
der Tat und der Persönlichkeit des Täters geht. Die Übernahme einer Straftat
sowie des Persönlichkeitsbildes des Täters in einem Horrorfilm stellt eine
schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung dar.
Die schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des
Verfügungsklägers wird auch nicht dadurch relativiert, dass dieser in der
Vergangenheit selbst in die Öffentlichkeit getreten ist, indem er Interviews
gegeben hat, und darüber hinaus einen Vertrag über die mediale Vermarktung
seiner Lebensgeschichte mit einem Medienproduktionsunternehmen geschlossen
hat. Hieraus ist lediglich abzuleiten, dass es dem Verfügungskläger nicht
grundsätzlich daran gelegen ist, seine persönliche Geschichte einschließlich der
Tatumstände „für sich“ zu behalten. Dies wäre ihm in Anbetracht des Vorrangs
des berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit auch kaum möglich.
Aus der grundsätzlichen Bereitschaft des Verfügungsklägers, seine
Lebensgeschichte öffentlich zugänglich zu machen, folgt jedoch nicht, dass sein
Persönlichkeitsrecht in Bezug auf seine Tat und die hiermit in Verbindung
stehenden privaten Lebensumstände derart gering einzustufen wäre, dass eine
schwerwiegende Verletzung durch jedwede mediale Darstellung grundsätzlich nicht
mehr in Betracht komme. Die ungenehmigte Verwendung seiner
Lebensgeschichte ohne ausreichende Verfremdung und unter Aufgabe der Fiktion
in einem Horrorfilm stellt auch gegenüber einen Straftäter, der allgemein zur
öffentlichen Darstellung bereit ist, einen schweren Eingriff in sein
Persönlichkeitsrecht dar.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um eine
aufsehenerregende Einzeltat handelt, die bei jeder literarischen oder filmischen
Beschäftigung mit diesem Thema voraussichtlich Assoziationen an den
Verfügungskläger und seine Tat weckt. Gerade im Rahmen eines
Unterhaltungszwecken dienenden Horrorfilms können Hinweise auf den realen
Hintergrund vermieden und Verfremdungen gewählt werden, indem Schauplätze
ausgetauscht, Handlung und Personen so dargestellt werden, dass es sich um
einen Film handelt, der – für den Zuschauer zwar erkennbar- eine reale Tat zum
Ausgangspunkt haben mag, nicht aber die Persönlichkeit des realen Täters
wiedergibt.
Ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist auch nicht im Hinblick auf
die Freiheit der Berichterstattung durch Film zu verneinen, Artikel 5 Abs. 1 Satz 2
GG. Fraglich ist bereits, ob dem Schutz des Artikel 5 Abs. 1 GG die Vorführung von
Filmen jeder Art, also auch ausschließlich unterhaltender Spielfilme, unterstellt
werden kann oder ob in Anknüpfung an den Wortlaut der Film nur als Medium der
Berichterstattung geschützt wird (vgl. Reupert, Die Filmfreiheit – Der
verfassungsrechtliche Schutz des Films, NVwZ 1994, 1155 ff.). Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 05.06.1973 (a. a. O. – Lebach
I) zur ebenfalls in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährten Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk ausgeführt, die Rundfunkfreiheit unterscheide
sich trotz des engeren Wortlauts nicht wesensmäßig von der Pressefreiheit.
Entsprechend decke die Rundfunkfreiheit nicht allein die Auswahl des gebotenen
Stoffes, sondern auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung
einschließlich der Bestimmung darüber, welche der verschiedenen Formen von
Sendungen (Hörspiel, kabarettistisches Programm, andere Unterhaltssendung)
hierfür gewählt werde. Geht man von diesen Grundsätzen auch bei der Filmfreiheit
aus, ist aber bei dem Konflikt mit anderen grundrechtlich geschützten
Rechtsgütern das mit dem Film verfolgte Interesse, die Art der Gestaltung und die
erzielte oder voraussehbare Wirkung zu beachten. Das Bundesverfassungsgericht
hat in der oben genannten Entscheidung eine Abwägung zwischen der Freiheit des
Dokumentarspiels gegenüber dem Persönlichkeitsinteresse des Betroffenen
vorgenommen und mit Blick auf die Resozialisierung eines Straftäters eine zeitlich
unbegrenzte Befassung mit dessen Person als maßgeblichen Eingriff in den
verfassungsrechtlichen Schutz der Persönlichkeit angesehen. Der vorliegende Fall
liegt anders. Der beanstandete Film dient nicht vorrangig einem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern der Unterhaltung eines an
solchen Filmen interessierten Publikums. Die Darstellung der Lebensgeschichte
einer Person, die eine in der Öffentlichkeit stark beachtete Straftat begangen hat,
in einem als solchem beworbenen Horrorfilm kann gegenüber dem
Persönlichkeitsrecht des Dargestellten keinen Vorrang beanspruchen. Wenn auch
gerade bei schweren Gewaltverbrechen ein Informationsinteresse daran bestehen
mag, Einzelheiten über den Täter, seine Tat und deren Hintergründe zu erfahren,
tritt jedenfalls dieses Informationsinteresse bei der vorliegenden Art der filmischen
Darstellung in einem Horrorfilm zurück. Insoweit kann auf das oben Gesagte
verwiesen werden.
Angesichts dessen bedarf es keiner Vertiefung, ob vorliegend eine Einschränkung
der Filmfreiheit auch aus den §§ 22, 23 KUG, die zu den allgemeinen Gesetzen im
Sinne des Artikel 5 Abs. 2 GG zählen, hergeleitet werden kann.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist auch ein Verfügungsgrund
zu bejahen. Es besteht die Besorgnis, dass durch eine Veränderung des
gegenwärtigen Zustandes die Rechte des Verfügungsklägers wesentlich
beeinträchtigt werden. Die Verfügungsbeklagte tritt dem Anspruch entgegen. Der
Kinostart des Films soll unstreitig am 09.03.2006 stattfinden. Der Eilbedürftigkeit
steht nicht entgegen, dass der Verfügungskläger bereits mit Anwaltsschreiben
vom 15.03.2005 unter Hinweis darauf, dass ihm das Drehbuch vorliege, gegenüber
der Verfügungsbeklagten eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch die
geplante Verfilmung geltend gemacht hat. Die von der Verfügungsbeklagten
hierzu vertretene Auffassung, bereits die Zeitspanne bis zur Einleitung des
einstweiligen Verfügungsverfahrens stehe der Dringlichkeit entgegen, teilt der
Senat nicht. Die von ihr herangezogene Rechtsprechung betrifft anders gelagerte
Sachverhalte der Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung im Wettbewerbsrecht
(§ 12 Abs. 2 UWG). Darum geht es im Streitfall nicht. Im Übrigen ist auch dort die
Dringlichkeit erst ab dem Zeitpunkt widerlegt, ab dem der Gläubiger positive
Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß und von der Person des Verletzers hatte
(OLG Celle MDR 2005, 911 ff.). Die bloße Kenntnis von dem Drehbuch und der
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(OLG Celle MDR 2005, 911 ff.). Die bloße Kenntnis von dem Drehbuch und der
Absicht, einen Film zu drehen, reicht insoweit nicht aus. Der Verstoß gegen das
Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers steht erst mit der Fertigstellung des
Films und dessen Weitergabe an Filmverleiher unmittelbar bevor, so dass der
Verfügungskläger frühestens nach Mitteilung der Fertigstellung des Films Ende
September 2005 Anlass hatte, sich über den Inhalt des Films in Kenntnis zu
setzen, was mit der Vorführung der Rohfassung des Filmes am 13.12.2005, bei der
seine Bevollmächtigten anwesend waren, geschehen ist.
Die einstweilige Unterlassungsverfügung ist mithin zur Abwendung wesentlicher
Nachteile für den Verfügungskläger erforderlich, weil ein Hauptsacheverfahren erst
einige Zeit nach dem in Aussicht genommenen Kinostart abgeschlossen werden
könnte, was das mit der Verwirklichung seines Unterlassungsanspruchs verfolgte
Ziel, eine Vorführung des Film zu verhindern, praktisch vereiteln würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eines Ausspruches zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es auch in Ansehung einer möglichen
Vollstreckung im Ausland nicht, weil das Urteil des Senats mit seiner Verkündung
rechtskräftig wird.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.