Urteil des OLG Frankfurt vom 25.05.2000

OLG Frankfurt: unerlaubte handlung, reisevertrag, rechtspflicht, unterlassen, schmerzensgeld, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, zustand, quelle, verwaltungsrecht

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 227/99
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 651a BGB, § 651e Abs 4 S 1
BGB, § 651j Abs 1 BGB, § 651j
Abs 2 S 1 BGB, § 823 Abs 1
BGB
(Reisevertrag: Handlungspflichten des Reiseveranstalters
bei herannahendem Hurrikan; Vertragskündigung;
Schmerzensgeldanspruch des Reisenden wegen erlittener
Angstzustände)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 5. November 1999 - 221 0 6199 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer: DM 4.000,-.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
I.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält einer
Überprüfung stand. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung
kann weitgehend Bezug genommen werden. Ihnen ist nur wenig hinzuzusetzen.
Dem Kläger steht weder aus eigenem Recht für sich noch aus abgetretenem Recht
für seine Ehefrau ein Schmerzensgeld wegen Angstzuständen, die er und seine
Ehefrau anlässlich eines Hurrikans auf Antigua erlitten haben wollen, zu.
1. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob diese subjektiven Angstzustände
überhaupt eine Gesundheitsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB darstellen, also
einen pathologischen Zustand im Sinne einer medizinisch erheblichen Störung der
körperlichen oder seelischen Lebensvorgänge in einem Menschen, der aus
ärztlicher Sicht behandlungsbedürftig ist, andernfalls eine dauernde
gesundheitliche Beeinträchtigung zurückbleiben werde, jedoch über eine bloße
Stimmungsbeeinträchtigung hinausgeht (Mertens in MünchKomm-BGB, § 823 RN
74, 75; Staudinger/Hager, BGB, § 823 RN B20, B27; OLG München - 9.2.1995 - NJW
1995, 2422[2423]).
2. In jedem Fall fehlt es an einer unerlaubten Verletzungshandlung der Beklagten.
2.1. Da der Kläger der Beklagten vorwirft, aus Anlass des hereinbrechenden
Hurrikans nichts getan zu haben, müsste ihr also ein - rechtswidriges und
schuldhaftes - Unterlassen zur Last fallen. Eine unerlaubte Handlung durch
Unterlassen liegt aber nur vor, wenn der Schädiger gegen eine Rechtspflicht zum
Handeln verstoßen hat und die Vornahme der gebotenen Handlung den Schaden
verhindert hätte (Palandt/ Heinrichs, BGB, Vorbem v § 249 RN 84; Palandt/Thomas,
§ 823 RN 35).
Eine solche Rechtspflicht der Beklagten zum Handeln ist nicht ersichtlich.
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Insbesondere ergibt sich eine Rechtspflicht zum Handeln nicht als "ungeschriebene
Nebenpflicht" aus dem Reisevertrag, der zwischen den Parteien bestand. Eine
Pflicht des Reiseveranstalters, dem Reisenden das allgemeine Lebensrisiko
abzunehmen und ihn vor allen Gefahren des Lebens zu bewahren, besteht nicht.
Das Auftreten eines Hurrikans gehört aber zum allgemeinen Lebensrisiko. Das gilt
umso mehr, wenn der Reisende sich eine Gegend zum Reiseziel aussucht, in der
solche Naturkatastrophen - wie allgemein bekannt - öfter auftreten, wie das
hinsichtlich der Karibik der Fall ist.
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wurde über den herannahenden Hurrikan
auch schon Tage vor dessen Eintreffen auf der Insel gesprochen. Der Kläger kann
also nicht geltend machen, er und seine Ehefrau seien mangels Information von
dessen Hereinbrechen überrascht worden, ohne sich darauf vorbereiten zu
können.
2.2. Der Kläger und seine Ehefrau waren der herannahenden Naturkatastrophe
rechtlich auch nicht schutzlos ausgeliefert, sie hätten vielmehr nach § 651j Abs. 1
BGB den Reisevertrag ohne Weiteres kündigen können, wenn ihnen das Verbleiben
auf Antigua als zu gefährlich erschien. Alsdann wäre die Beklagte gemäß § 651j
Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 651e Abs. 4 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen,
den Kläger und seine Ehefrau nach Deutschland zurückzubefördern.
Der Kläger hat den Reisevertrag vor dem abzusehenden Eintreffen des Hurrikans
jedoch nicht gekündigt. Das behauptet er auch nicht. Soweit er vorträgt, ihm sei
diese Kündigungsmöglichkeit nicht bekannt gewesen, kann das nicht zu Lasten der
Beklagten gehen. Diese schuldete keine Rechtsberatung.
Soweit der Kläger behauptet, nach dem Hurrikan verlangt zu haben, von dem
zerstörten Hotel weggebracht und gegebenenfalls in einer intakten Anlage
untergebracht zu werden, berührt das nur die vertraglichen Ansprüche des Klägers
wegen mangelhafter Reiseleistungen. Dafür ist er jedoch durch das angefochtene
Urteil, soweit es die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, ausreichend entschädigt
worden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckungsschutz
ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen.
Für eine Zulassung der Revision (vgl. § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bestand kein
Anlass.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.