Urteil des OLG Frankfurt vom 30.03.2010

OLG Frankfurt: wichtiger grund, fristlose kündigung, abmahnung, interessenabwägung, kündigungsfrist, test, werkstatt, beendigung, widerklage, servicevertrag

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 8/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 314 Abs 1 BGB
Servicevertrag: Außerordentliche Kündigung wegen
Schlechtleistung bei einem Werkstatttest
Tenor
In dem Rechtsstreit … beabsichtigt der Senat, die Berufung gem. § 522 Abs. 2
ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Berufungsgerichts (§ 522 Nr. 2 und 3 ZPO).
Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg, so dass gem. § 522 Abs. 2 ZPO
zu verfahren ist.
Gründe
1. Das Landgericht hat die außerordentliche Kündigung der Serviceverträge zu
Recht und mit zutreffender Begründung für unwirksam gehalten.
a) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem
kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses
bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht
zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 BGB).
Diese Voraussetzung hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Dabei
geht der Senat ebenso wie das Landgericht davon aus, dass die Mängel und
Beanstandungen in dem Werkstatttestbericht der Zeitschrift „…“ zutreffend
wiedergegeben sind. Damit handelt es sich zwar um eine gravierende
Schlechtleistung eines Mitarbeiters des Klägers, die umso schwerer wiegt, als die
nicht behobenen Mängel sicherheitsrelevant waren, und zugleich um eine
erhebliche Vertragsverletzung, nämlich einen Verstoß gegen die Pflicht des
Klägers (IV 13.1 der Serviceverträge), nach Maßgabe der vertraglichen
Servicestandards
(a) den Kunden hochwertige Serviceleistungen zu erbringen und ein positives Bild
der A/B PKW, der Vertragsersatzteile, des Herstellers und des A/B Vertriebs- und
Servicesystems in der Öffentlichkeit zu gewährleisten und soweit wie möglich den
höchstmöglichen Marktanteil für diese Serviceaktivitäten zu erzielen,
(b) eine Serviceorganisation von hoher fachlicher Qualität zu entwickeln, aufrecht
zu erhalten und zu betreiben (einschließlich geschulter Mitarbeiter, um höchsten
Maßstäben entsprechende Serviceleistungen zu erbringen)…
Die schwerwiegende Verletzung nicht ganz unbedeutender vertraglicher Haupt-
und Nebenpflichten kann je nach dem Inhalt des Vertragsverhältnisses einen
wichtigen Kündigungsgrund abgeben (Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
HGB, 2. Aufl. § 89 a, Rn. 41). Dabei muss der Kündigungsgrund nicht
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HGB, 2. Aufl. § 89 a, Rn. 41). Dabei muss der Kündigungsgrund nicht
notwendigerweise vom Gekündigten zu vertreten sein. Allerdings bedarf es bei
nicht von ihm verschuldeten, jedoch seiner Risikosphäre zuzuordnenden
Gründen/Pflichtverletzungen einer besonders sorgfältigen Interessenabwägung
und strengen Zumutbarkeitsprüfung (Löwisch a.a.O.).
b) Vor diesem Hintergrund ist die Interessenabwägung des Landgerichts nicht zu
beanstanden. Entscheidend ist auch nach Auffassung des Senats, dass es sich –
soweit nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil ersichtlich – um die –
wenngleich erhebliche – Schlechtleistung eines einzelnen Mitarbeiters handelt, die
keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die sonstigen Leistungen dieses und
anderer Mitarbeiter erlaubt. Zutreffend hat das Landgericht daher angenommen,
dass aus diesem einmaligen Vorfall noch kein wichtiger Grund für eine fristlose
Kündigung hergeleitet werden kann, sondern eine andere Beurteilung nur greifen
würde, wenn Beanstandungen dieser Art bereits früher im Betrieb des Klägers
festgestellt worden wären und derartige Nachlässigkeiten für den Betrieb jedenfalls
nicht untypisch wären. Insoweit enthält das angefochtene Urteil keine
Feststellungen. Im Gegenteil schnitt der Betrieb des Klägers bei einem im Jahr
2008 durchgeführten C – Werkstatttest recht gut ab.
c) Soweit die Berufung behauptet, es habe schon zuvor Probleme mit der
Vertragstreue des Klägers gegeben und hierzu auf ein Schreiben vom 29.6.2009
(Anlage K 6, GA 242 ) Bezug nimmt, sind die dortigen Beanstandungen nicht
einschlägig. sondern betreffen u.a. das Erscheinungsbild der Werkstatt und
unterbliebene Teilnahme an Schulung im EDV –Gewährleistungssystem. Dass
derart gravierende Werkstattmängel wie im Testbericht der „…“ schon früher
aufgefallen und beanstandet worden sind, ergibt sich dagegen weder aus diesem
Schreiben noch den sonstigen Feststellungen des Landgerichts. Vielmehr hat der
Kläger bei einem C – Test im Jahr 2008 im Bereich Inspektionsdurchführung
(Mangelerkennung) mit 100% abgeschnitten. Schließlich hat das Landgericht bei
der Interessenabwägung zu Recht auch die bisherige Vertragsdauer zugunsten
des Klägers berücksichtigt (Löwisch a.a.O. Rn. 27 <14>).
Im Hinblick darauf, dass es sich nach den zugrunde zu legenden Feststellungen
des Landgerichts um das erstmalige Versagen eines einzelnen Mitarbeiters
gehandelt hat und die Werkstatt des Klägers bei einem früheren Test keineswegs
schlecht abgeschnitten hat, hat das Landgericht aufgrund der Gesamtabwägung
aller Umstände zutreffend angenommen, dass eine Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist nicht
unzumutbar ist.
2. Selbst wenn man einen wichtigen Grund zur Kündigung bejahen würde, hätte es
entgegen der Auffassung der Beklagten einer Abmahnung bedurft.
Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die
Kündigung erst nach erfolgloser Abmahnung zulässig (§ 314 Abs. 2 BGB).
a) Besondere Umstände, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen
ausnahmsweise die sofortige Kündigung rechtfertigten, liegen nicht vor. Die in §§
314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgestellten Kriterien für die
Entbehrlichkeit der Abmahnung sind bei einer Kündigung nach § 89 a HGB im
Einzelfall entsprechend heranzuziehen (Löwisch a.a.O. Rn. 21). Um einen solchen
Ausnahmefall, an den strenge Anforderungen zu stellen sind, handelt es sich hier
nicht. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger auf eine Abmahnung hin das
beanstandete Verhalten nicht abstellen oder darauf keinen Einfluss hätte nehmen
können. Gerade wenn es sich um das Fehlverhalten eines einzelnen Mitarbeiters
handelte, kommt zunächst eine Reaktion des Klägers unmittelbar gegenüber
diesem Mitarbeiter – von einer Abmahnung bis ggfs. hin zu einer Beendigung des
Anstellungsverhältnisses im Falle wiederholter Schlechtleistung – in Betracht.
Weiter kann der Kläger den Werkstattleiter zu intensiveren Kontrollen anhalten und
– sofern erforderlich – auf eine intensivere Schulung und Fortbildung der
Mitarbeiter drängen. Im Hinblick darauf, dass zu entsprechenden Beanstandungen
in der Vergangenheit nichts vorgetragen worden ist, spricht auch nichts dagegen,
dass hierdurch in Zukunft wieder eine ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen
Pflichten erwartet werden könnte.
b) Der Senat vermag auch nicht die Auffassung des OLG Düsseldorf in dem von
der Beklagten vorgelegten Beschluss vom 24.2.2010 (Anlage 8, GA 332) zu teilen,
wonach in einem ähnlich gelagerten Fall das Vertrauensverhältnis durch die
schwerwiegenden Verfehlungen des Vertragspartners so gestört sei, dass eine
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schwerwiegenden Verfehlungen des Vertragspartners so gestört sei, dass eine
weitere Fortsetzung des Vertrages schlechthin unzumutbar wäre. Gerade an
diesen Tatbestand sind besonders strenge Anforderungen zu stellen. Eine
irreparable Störung der Vertrauensbasis kann insbesondere bei strafbaren
Handlungen anzunehmen sein. Soweit auf das künftige Verhalten des
Abzumahnen abzustellen ist, bedarf es einer entsprechenden negativen Prognose,
die dem Senat, wie dargelegt, nicht gerechtfertigt erscheint. In diesem Fall ist auch
bei Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung erforderlich (Löwisch a.a.O.
Rn. 21), was hier umso mehr gilt, weil es sich zumindest in erster Linie um eine
Störung im Leistungs- und nicht im Vertrauensbereich handelt.
3. Auf die Erfolgsaussicht der mit der Berufung hilfsweise erhobenen Widerklage
kommt es nicht an. Mit der Berufung im Wege der Klageänderung, Widerklage oder
Aufrechnung neu geltend gemachte Ansprüche und Hilfsanträge bleiben bei der
Prüfung der Erfolgsaussicht außer Betracht. Erweist sich der Versuch einer
Beseitigung der in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer als erfolglos, so
verlieren die neuen Ansprüche ihre Wirkung, ohne dass es einer Entscheidung
hierüber bedarf (OLG Rostock, MDR 2003, 1195; OLG Köln, OLGR 2005, 730, OLG
Nürnberg, MDR 2007, 171; OLG Düsseldorf, OLGR 2007, 465).Das erscheint gerade
für Hilfsanträge ohne Weiteres einsichtig, weil es der Berufungsführer andernfalls in
der Hand hätte, durch Ankündigung eines Hilfsantrags die mündliche Verhandlung
über eine Berufung entgegen § 522 Abs. 2 zu erzwingen, obwohl diese
unbegründet ist.
4. Die Beklagte hat Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen bis spätestens
23.04.2010
Rücknahme der Berufung an.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.