Urteil des OLG Frankfurt vom 13.05.2008
OLG Frankfurt: unternehmen, neues vorbringen, angemessene frist, zugang, markt, funktechnik, rabatt, geschäftsführer, rechtfertigung, unterzeichnung
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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 51/07 (Kart)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 20 Abs 1 GWB, § 33 GWB, §
147 Abs 2 BGB, § 150 Abs 1
BGB
(Kartellrecht: Sachliche Rechtfertigung der Ablehnung der
verspäteten Annahme eines Angebots zum Abschluss eines
Vertriebspartnervertrages durch ein marktbeherrschendes
Unternehmen)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main – 12. Kammer für Handelssachen – vom
11.05.2007abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Belieferung der
Klägerin mit analoger Funktechnik.
Die Klägerin vertreibt u. a. analoge Funktechnik sowohl als Großhändlerin wie an
Endkunden. Dabei erzielt sie den wesentlichen Teil ihres Umsatzes im Bereich des
sogenannten "BOS-Geschäftes", d. h. mit Behörden und Organisationen mit
Sicherheitsaufgaben (Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr). Die Klägerin arbeitete seit
1994 auf der Grundlage eines sogenannten "Allgemeinen Distributorenvertrages"
mit der Beklagten zusammen, die zum A-Konzern gehört und sich mit der
Herstellung von Kommunikationseinheiten, u. a. mobilen Sprechfunkeinheiten für
den professionellen Gebrauch in Analog- und Digitaltechnik, befasst. Gegenstand
des Distributorenvertrages war u. a. eine Anlage A, in der jährlich neu die den
Distributoren eingeräumten Rabatte festgelegt wurden (K 2).
Mit Schreiben vom Dezember 2004 (Info-Brief Nr. 20) legte die Beklagte eine
Jahresvereinbarung 2005 vor, die als "Interims-Vereinbarung" für das erste Quartal
2005 gelten sollte, und kündigte "Neuerungen" an (GA 32 f.). Mit Schreiben vom
05.04.2005 teilte die Beklagte mit, dass der "Interims-Zeitraum" bis 30.04.2005
ausgedehnt und ab Mai das "neue Partnerkonzept live gehen" werde (GA 37).
Dieses Konzept stellte eine Neustrukturierung des Rabatt-Systems der Beklagten
dar, wegen dessen Einzelheiten auf die Feststellungen in dem angefochtenen
Urteil verwiesen wird. Mit Schreiben vom Juni 2005 (K 13 = GA 67) übersandte die
Beklagte einen "Partnervertrag" als "Basis für die künftige Zusammenarbeit" und
bat die Klägerin, beide Ausfertigungen zu unterschreiben und anschließend die
gesamten Unterlagen zurück zu senden. Wegen der Einzelheiten wird auf das
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gesamten Unterlagen zurück zu senden. Wegen der Einzelheiten wird auf das
Schreiben in Anlage K 13, GA. 67 Bezug genommen. Mit Schreiben vom
05.07.2005 (K 14 = GA 68) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie bedaure, keinen
unterschriebenen Überleitungs- bzw. Partnervertrag innerhalb der Frist zum
30.06.2005 erhalten zu haben. Somit fehle leider die Voraussetzung für die
Gewährung des Produkt- und Funktionsrabattes "plus X".
Die Beklagte bot der Klägerin an, unter dem fortlaufenden Distributorenvertrag
weiterhin Bestellungen zu tätigen, nach Ablauf der geltenden befristeten Interims-
Jahresvereinbarung könne sie der Klägerin jedoch keinen Rabatt mehr einräumen.
Weiter heißt es in dem Schreiben:
"Wir bedauern Ihre in einem Gespräch mit unserem Mitarbeiter B
geäußerte Ablehnung des Abschlusses des neuen Partnervertrags."
Mit E-Mail vom 07.07.2005 (K 15 = GA 69) antwortete die Klägerin, sie habe die
Beklagte über die Gründe, aus denen sie den vorgelegten Überleitungsvertrag
bisher noch nicht unterschrieben habe, "nicht im Unklaren gelassen". Das neue
Gesamtwerk, das alle bisherigen umfangreichen Verträge und Anlagen aus der
Vergangenheit ablösen solle, könne nicht innerhalb von zwei bis drei Wochen
geprüft werden. Das für diese Abwicklung angedachte Zeitfenster sei aus Sicht der
Klägerin eindeutig zu eng. In der Vergangenheit sei keiner der nun abzulösenden
Verträge innerhalb einer so kurzen Zeitspanne abgeschlossen worden. Der
Vertrag liege zur Prüfung und Kommentierung bei einem Rechtsanwalt. Der in
Auftrag gegebene Bericht zum Vertrag sei frühestens in der KW 28/05 zu erwarten.
Mit Schreiben vom 13.07.2005 übersandte die Klägerin den unterzeichneten
"Partnervertrag" an die Beklagte (K 16, K 17 = GA 71 ff.).
Mit Schreiben vom 27.07.2005 (K 18 = GA 101) bestätigte die Beklagte den
Eingang und wiederholte ihre Auffassung, dass die Frist zur Unterzeichnung des
Partnerschaftsvertrages bereits mit dem 30.06.2005 abgelaufen sei. Gleichzeitig
bestätigte sie den Fortbestand des bisherigen Distributorenvertrages, wonach die
Klägerin mit einem Rabatt von 20 % auf den Listenpreis Bestellungen tätigen
könne.
Mit der Klage hat die Klägerin zunächst beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit allen
von ihr angebotenen analogen Funksprechgeräten zu denjenigen Preisen,
Konditionen und Rabatten zu beliefern, die sie allen anderen vergleichbaren
Händlern bei vergleichbaren Mengen und Umsätzen gewährt.
Nachdem die Kammer in der mündlichen Verhandlung auf Bedenken gegen die
Zulässigkeit dieses Antrags hingewiesen hat, hat die Klägerin hilfsweise beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin den Partnervertrag gemäß
Anlage K 17 zur Klageschrift mit allen Anlagen in der jeweils geltenden Fassung mit
Wirkung zum 01.07.2005 abzuschließen und die Klägerin auf der Grundlage dieses
Vertrages zu beliefern.
Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hilfsantrag verurteilt. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Hauptantrag der Klägerin auf Feststellung sei wegen des Vorrangs der
Leistungsklage unzulässig. Die Beklagte sei zum Abschluss des Partnervertrages
gemäß Anlage K 70 aus §§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1, Abs. 3 GWB verpflichtet. Die
Beklagte sei marktbeherrschendes Unternehmen auf dem sachlich und räumlich
relevanten Markt des Handels mit analogen Funksprechgeräten in Deutschland. Es
handele sich um einen eigenständigen Markt, da analoge Funksprechgeräte nicht
kompatibel mit der digitalen Infrastruktur und Systemtechnik seien. Die
marktbeherrschende Stellung der Beklagten sei zu vermuten, weil sie einen
Marktanteil von mindestens 1/3 habe. Insofern hätten auch die PR-Äußerungen der
Beklagten indizielle Bedeutung. Im Verhältnis zu den Unternehmen, bei denen die
Beklagte auf das neue Partnerkonzept umgestellt habe, werde die Klägerin
unterschiedlich behandelt. Diese Unternehmen könnten nach dem Rabattsystem
"plus X" deutlich günstigere Konditionen in Anspruch nehmen. Daraus ergäben sich
wesentliche Wettbewerbsnachteile für die Klägerin. Die Beklagte könne sich nicht
darauf berufen, dass die Klägerin eine Annahmefrist bis 30.06.2005 nicht
eingehalten habe, weil eine solche Frist nicht gesetzt worden sei. Selbst wenn die
Beklagte eine solche Frist gesetzt hätte, sei sie nicht berechtigt, sich auf die
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Beklagte eine solche Frist gesetzt hätte, sei sie nicht berechtigt, sich auf die
Überschreitung der Frist zu berufen und die Gegenzeichnung des Partnervertrags
abzulehnen.
Auf dem Hintergrund der langjährigen Geschäftsbeziehung sei von der Beklagten
zu verlangen, dass sie die Klägerin auf die Folgen einer etwaigen Fristversäumnis
hingewiesen und auf die möglichst kurzfristige Rücksendung der unterzeichneten
Verträge hingewirkt hätte. Der Gesichtspunkt eines einheitlichen "roll-out" für alle
neuen Partnerverträge müsse hinter diesem Gesichtspunkt zurücktreten. Selbst
wenn der Geschäftsführer der Klägerin Anfang Juni 2005 geäußert haben sollte,
dass ein Partnervertrag für ihn nicht in Frage käme, könne die Beklagte dieses
Argument auf dem Hintergrund der langjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit
nicht gegen die Klägerin verwenden, wenn sie sich dies letztlich anders überlege.
Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten stünden der Klägerin nicht
offen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf
Klageabweisung weiter verfolgt.
Sie rügt, das Landgericht habe die sachliche Marktabgrenzung fehlerhaft getroffen.
Es sei vorschnell und fehlerhaft zu einer unzutreffenden Abgrenzung des sachlich
relevanten Marktes gelangt, weil es Alternativprodukte – digitale Funkprodukte
oder gänzlich andere Telekommunikationsprodukte – nicht in seine Erwägungen
einbezogen habe.
Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils gehe überdies zu weit, weil der gewährte
Anspruch auf Vertragsabschluss über den angenommenen Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung im Bereich der analogen Funktechnik weit
hinausgehe. Gegenstand des Partnervertrages seien jedoch neben Endgeräten
auch Zubehörprodukte, wie Stecker, Kabel, Batterien, Mikrofone, Ladegeräte,
Basisstationen, die keine Funkendgeräte seien, darüber hinaus seien von den in
Bezug genommenen Anlagen auch digitale Bündelfunkgeräte umfasst.
Die Fassung des Tenors würde diese Anlagen zum Gegenstand der Verurteilung
machen, obwohl sich die Klägerin nur auf eine Marktbeherrschung im Bereich der
analogen Endgeräte berufen habe. Auch habe das Landgericht die Marktanteile
fehlerhaft bemessen. Darüber hinaus fehle es an der Voraussetzung eines
gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs. Soweit
das Landgericht auf die Unternehmen … und ... abstelle, übersehe es, dass sich
diese Unternehmen dem neuen Konzept der Beklagten geöffnet hätten und
unbeschränkt ausschließlich bzw. zu wesentlichen Teilen von der Beklagten neben
den ohnehin zurückgehenden analogen Funkendgeräten vor allem digitale
Funktechnikprodukte mit Zubehör und Ausrüstung etc. bezögen. Demgegenüber
begehre die Klägerin lediglich die Lieferung analoger Funkendgeräte und habe sich
im Übrigen von der Beklagten abgewandt. Die Umsatz- und Akquiseleistung eines
"Vollsortimentes" habe aber unmittelbare Auswirkungen auf die Rabattleistungen,
die von einem Lieferanten erwartet werden könnten. Schließlich habe das
Landgericht den angebotenen Beweis zu der Behauptung übergangen, der
Geschäftsführer der Klägerin habe den neuen Vertragspartnervertrag abgelehnt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.Mai 2007, Az. 3 – 12
O 103/07 , abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und
Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Darüber hinaus bestreitet sie, dass sich der
Vertragspartner-Vertrag (Anlage K 17) nebst Anlagen auch auf den Vertrieb von
digitalen Funkgeräten beziehe. Im Übrigen handele es sich insoweit um neues
Vorbringen, mit dem die Beklagte gemäß § 531 Abs. 2 ZPO auszuschließen sei.
Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die in der
Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1.)
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Abschluss eines Partnervertrages gemäß
Anlage K 17 und auf Belieferung auf der Grundlage eines solchen Vertrages weder
unter kartellrechtlichen noch sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten zu.
a) Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass sich im
Fall einer unberechtigten, gegen § 20 Abs. 1 GWB verstoßenden
Lieferverweigerung aus § 33 GWB im Wege der Naturalrestitution ein auf Abschluss
eines Belieferungsvertrags gerichteter Schadensersatzanspruch ergeben kann
(Bechtold, GWB, 4. Aufl. § 20 Rn. 63 m.w.N.). Vorliegend macht die Klägerin indes
keine Lieferverweigerung geltend. Nach den tatsächlichen Feststellungen im
erstinstanzlichen Urteil hat die Beklagte der Klägerin grundsätzlich angeboten, sie
mit einem Rabatt von 20% weiterhin zu beliefern. Die Klägerin hat diese
Feststellung weder angegriffen, noch vorgetragen, dass sich an der
Lieferbereitschaft der Beklagten etwas geändert hätte. Vielmehr hat die Beklagte
mit der Berufungsbegründung – unwidersprochen – vorgetragen, die Klägerin habe
ebenso wie mindestens 270 weitere Händler Zugang zu den Produkten der
Beklagten, lediglich 30 von rund 300 bis 320 Funkfachhändlern seien im Rahmen
des Vertragspartnerkonzepts unmittelbar mit der Beklagten vertraglich verbunden
(Berufungsbegr. v. 04.10.2007, S. 6 = Bl. 282 d.A.). Die Klägerin macht mithin
keine kartellrechtswidrige Lieferverweigerung geltend, sondern beansprucht die
Belieferung zu denselben Konditionen, wie sie die Vertragspartner der Beklagten
im Rahmen der bestehenden Partnerverträge eingeräumt erhalten.
b) Ein derartiger Anspruch, insbesondere ein Anspruch auf Abschluss eines
Partnervertrags, steht der Klägerin nicht zu. Zwar folgt im Rahmen bestehender
Lieferverhältnisse aus dem Diskriminierungsverbot die Verpflichtung von
Unternehmen, die Normadressaten des § 20 GWB sind, an Unternehmen zu
gleichen Preisen zu verkaufen. Unterschiedliche Preise oder Bedingungen stellen
jedoch nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB dar, soweit sie
nicht willkürlich oder durch unternehmerisch nicht nachvollziehbare Gründe bedingt
sind ( Bechtold, a.a.O. § 20, Rn. 58). So liegt der Fall auch hier.
aa) Zu Recht hat das Landgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte
Normadressatin des § 20 GWB ist, weil sie auf dem sachlich relevanten Markt über
eine marktbeherrschende Stellung verfügt.
Zu bestimmen ist der relevante Markt aus der Sicht des Abnehmers, hier also der
Klägerin. Aus ihrer Sicht ist deshalb zu entscheiden, ob bestimmte Waren unter
sich austauschbar sind. Zwar mag – wie die Beklagte behauptet -, insbesondere
bei Ausschreibungen, an denen sich die Klägerin beteiligt, die analoge Technik
"nicht mehr gefragt" sein. Andererseits tätigt die Klägerin unstreitig einen Teil ihrer
Umsätze mit analoger Technik und ist deshalb auf die Belieferung mit dieser
Technik angewiesen, um die Anforderungen und Wünsche derjenigen Kunden
erfüllen zu können, die ihrerseits an der analogen Technik festhalten. Vor diesem
Hintergrund kommt es letztlich auf die Behauptung der Beklagten, Analog- und
Digitaltechnik seien weitgehend substituierbar, nicht an. Dass der Kreis der an der
Analogtechnik festhaltenden Kunden (derzeit noch) nicht so unbedeutend sein
kann, ergibt sich aus Äußerungen der Beklagten selbst, die sich als Marktführer
bezeichnet und von einem klaren Bekenntnis zum "Segment analoger Funk"
spricht (Infobrief Nr. 20 = GA 32). Die Versuche der Beklagten, diese Aussagen
nachträglich als Äußerungen eines noch unerfahrenen Mitarbeiters
herunterzuspielen, erscheinen wenig überzeugend, wogegen auch die Äußerung
des Vertriebsdirektors der Beklagten im "Behördenspiegel" (Ausgabe Mai 2007,
Anl. K 23 = GA 223) sprechen, wo er den Marktanteil der Beklagten bei
Analoggeräten mit 72% – 74% eingeschätzt hat. Auch das spricht für einen
eigenen Markt analoger Funktechnik.
bb) Auch bei der Gewichtung der Marktanteile hat das Landgericht zu Recht unter
anderem auf diese Aussage abgestellt. Konkreten Vortrag, der diesen Marktanteil
widerlegen und ernsthafte Anhaltspunkte für einen deutlich darunter liegenden
Marktanteil bieten könnte, hat die Beklagte nicht gebracht. Dass sie einen
Marktanteil von weniger als 1/3 hat, ist nach allem nicht ersichtlich. Auf die
zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil kann deshalb Bezug
genommen werden.
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Ob die vermeintliche Behinderung und Diskriminierung auch in einem gleichartigen
Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr stattfindet, was
zwischen den Parteien streitig ist, weil die Beklagte nur ausgewählte
Vertragspartner zu den Konditionen des Vertragspartnerkonzepts beliefert, kann
dahinstehen.
Jedenfalls liegt weder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung noch
eine unbillige Behinderung seitens der Beklagten vor.
c) Grundsätzlich ist das Streben nach günstigeren Konditionen sowohl auf
Abnehmer – wie Anbieterseite wettbewerbskonform und stellt – auch wenn es im
Einzelfall zu unterschiedlichen Preisen und Bedingungen führt – nicht ohne
weiteres einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB dar.
Da die Verpflichtung zur Belieferung zu gleichen Preisen nur im Rahmen
vergleichbarer Lieferverhältnisse besteht, kann sich die Beklagte darauf berufen,
dass die Klägerin nicht Vertragspartner ist und die von ihr begehrten Rabattstaffeln
nur unmittelbaren Vertragspartnern angeboten werden. Voraussetzung für den
Abschluss eines Partnervertrags im Rahmen des neuen Vertriebskonzepts der
Beklagten war das erfolgreiche Durchlaufen eines Audit –Prozesses. Gegen die
Umstrukturierung des Vertriebssystems und die Einführung des neuen
Vertragspartnerkonzepts im Wege eines solchen Ausleseverfahrens hat die
Klägerin im vorliegenden Verfahren keine Bedenken erhoben. Die Ausgestaltung
ihres Vertriebssystems im Einzelnen unterfällt der unternehmerischen Freiheit der
Beklagten und ist grundsätzlich hinzunehmen. Auch die Entscheidung,
Partnerverträge mit solchen Händlern abzuschließen, die das Audit – Verfahren
erfolgreich bestanden haben, und diesen Unternehmen andere Rabattkonditionen
einzuräumen als sonstigen Abnehmern, erscheint nachvollziehbar und nicht
willkürlich, zumal die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, für die
Rabattauditierung sei Grundlage gewesen, in welchem Umfang die Händler ihren
Bedarf bei ihr eindecken, also neben analogen Funkendgeräten auch digitale und
sonstige Produkte wie Pager und Zubehör von ihr beziehen.
d) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe den Audit – Prozess ebenfalls
erfolgreich bestanden und die Beklagte habe mit anderen vergleichbaren
Unternehmen einen Partnervertrag abgeschlossen, scheidet eine sachlich nicht
gerechtfertigte ungleiche Behandlung der Klägerin bereits deshalb aus, weil die
Beklagte der Klägerin ebenfalls ein Angebot zum Vertragsabschluss unterbreitet
hat, das die Klägerin indes nicht (rechtzeitig) angenommen hat.
aa) Das Schreiben der Beklagten aus dem Juni 2005 – welches der Klägerin
ausweislich des Eingangsstempels am 6. Juni 2005 zugegangen ist – stellt eine
verbindliche Vertragsofferte der Beklagten dar (GA 67). Die Beklagte weist darauf
hin, dass die Klägerin den Audit-Prozess erfolgreich durchgeführt hat, und sie, die
Beklagte, sich freue, ihr heute den Partnervertrag in zweifacher Ausfertigung
vorzulegen. Weiter wird die Klägerin aufgefordert, die beiden Ausfertigungen zu
unterschreiben und anschließend die gesamten Unterlagen an die Beklagte zurück
zu senden. Gleichzeitig wird bestätigt, dass die bisherige Kundennummer
unverändert weitergeführt wird und die Teilnahme am Abbuchungsverfahren von
der Vertragsumstellung unberührt bleibe. Damit hat die Beklagte ihren Willen zu
einer rechtlichen Bindung bekundet und nur noch von der Unterschriftsleistung der
Klägerin abhängig gemacht. Das Angebot war durch die Beifügung des
vollständigen Vertrags auch hinreichend bestimmt, so dass nach dem objektiven
Erklärungswert nicht von einer bloßen invitatio auszugehen ist. Es sind keinerlei
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Beklagte nach Rücklauf der von den
Distributoren unterzeichneten Vertragsunterlagen die Vertragsannahme noch
vorbehalten wollte. Die von ihr noch zu leistende Unterschrift hatte danach
lediglich deklaratorische Bedeutung.
Mit Zugang des Schreibens bei der Klägerin nebst den Vertragsunterlagen lag der
Klägerin mithin ein verbindliches Angebot vor, das sie innerhalb einer bestimmten
oder jedenfalls innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB annehmen musste.
In dem Anschreiben der Beklagten vom Juni 2005 war eine bestimmte
Annahmefrist – insbesondere zum 30.06.2005 – allerdings nicht bestimmt. Soweit
das Landgericht (LGU 11 oben) ausführt, dass auch sonstige Umstände nicht für
eine hinreichend erkennbare Fristbestimmung ersichtlich seien, greift die Berufung
dies nicht an. Somit fehlt es in beiden Instanzen an konkretem Vortrag, woraus
sich eine verbindlich gesetzte Annahmefrist zum 30.06.2005 ergeben soll.
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bb) Vielmehr konnte die Klägerin den Vertrag innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2
BGB annehmen. Die Annahme des der Klägerin am 06.06.2005 zugegangenen
Angebots mit Schreiben vom 13.07.2005 war indes nicht mehr rechtzeitig.
Zwischen Zugang des Angebots bei der Klägerin und Zugang der
Annahmeerklärung bei der Beklagten lag eine Zeitspanne von nahezu sechs
Wochen.
Bei der Bestimmung der Frist, innerhalb derer unter regelmäßigen Umständen der
Eingang der Antwort erwartet werden darf, sind alle maßgeblichen Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen. So ist der Klägerin einerseits eine ausreichende
Überlegungsfrist einschließlich einer etwaigen anwaltlichen Überprüfung des neuen
Partnervertrags zuzubilligen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass generell im
kaufmännischen Verkehr mit einer schnelleren Reaktion gerechnet werden kann.
Soweit das Landgericht im Zusammenhang mit dem Zugang des
unterschriebenen Vertrags von einer "zeitnahen Übersendung" spricht, kann der
Senat dem nicht folgen. Im geschäftlichen Verkehr sind Annahmefristen von mehr
als einem Monat nicht üblich, besondere Umstände, die hier eine längere Frist
rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Geht man davon aus, dass die Frage
des neuen Partnervertrags zwischen der Beklagten und den Händlern schon seit
längerem im Raum stand, erscheint eine Frist von etwa einem Monat zur
Annahme des Vertragsangebots deshalb angemessen und ausreichend. Zwar hat
die Beklagte die Klägerin – zu Unrecht – bereits mit Schreiben vom 05.07.2005 auf
eine Fristüberschreitung hingewiesen, worauf die Klägerin ihrerseits mitgeteilt
hatte, sie lasse den Partnervertrag überprüfen und erwarte einen entsprechenden
Bericht frühestens Mitte Juli 2005. Dadurch konnte sie die angemessene Frist aber
nicht einseitig bis zum 15. Juli 2005 verlängern, zumal ihr Geschäftsführer der
Klägerin nach Behauptung der Beklagten schon Anfang Juni 2005 gegenüber
Mitarbeitern der Beklagten geäußert haben soll, dass die Unterzeichnung eines
Partnervertrages für ihn nicht in Betracht komme. Eine solche mehr oder weniger
deutliche Festlegung gegen einen Vertrag muss zwar noch nicht als endgültige
Absage gewertet werden, lässt aber andererseits eine eher kürzere Frist für die
Annahme angemessen erscheinen. Die Klägerin hat die Behauptung, ihr
Geschäftsführer habe gegenüber dem zuständigen Vertriebsmitarbeiter der
Beklagten den neuen Vertragspartnervertrag abgelehnt (GA 293), jedenfalls nicht
substantiiert bestritten (GA 342).
Auch die anwaltliche Überprüfung muss in solchen Fällen zeitnah abgeschlossen
werden und rechtfertigt keine Verlängerung der Annahmefrist um mehrere
Wochen.
cc) Vor diesem Hintergrund erfolgte der Zugang der Annahmeerklärung bei der
Beklagten nicht mehr rechtzeitig innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB, ohne
dass die Beklagte – entgegen der Annahme des Landgerichts – verpflichtet
gewesen wäre, auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen ( BGH DB, 1971, 232).
e) Ein anderer Gesichtspunkt, der die Beklagte hindern könnte, sich auf die
verspätete Annahme des Angebots zu berufen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das
gilt insbesondere im Hinblick auf die langjährigen Geschäftsbeziehungen. Die
Dauer der Geschäftsbeziehungen steht in keinem Verhältnis zur Dauer der
angemessenen Annahmefrist. Auch die geschäftlichen Gepflogenheiten kann die
Klägerin nicht zu ihren Gunsten anführen. Der Distributorenvertrag vom November
1994 wurde innerhalb von 6 Tagen angenommen ( GA 24 ).
f) Dass die Klägerin nicht Vertragspartner der Beklagten geworden ist und nicht die
mit dieser Stellung verbundenen Rabattkonditionen eingeräumt erhält, beruht
infolge dessen nicht auf einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung
durch die Beklagte, sondern auf dem von der Klägerin zu vertretenden Umstand
der verspäteten Vertragsannahme.
2.)
Die verspätete Annahme gilt zwar als neuer Antrag ( § 150 Abs. 1 BGB). Die
Beklagte, die die Annahme unverzüglich mit Schreiben vom 27.07.2007 abgelehnt
hat, ist aber zur Annahme des Vertrags auch nicht gem.§ § 20 Abs. 1, 33 GWB
verpflichtet.
a) Die Beklagte macht Umstände geltend, die zumindest jetzt eine
unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber solchen Unternehmen, mit
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unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber solchen Unternehmen, mit
denen ein Partnervertrag besteht, sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen.
Die Beklagte hat – unbestritten – vorgetragen, die durchgeführten Audits seien nur
solchen Distributoren angeboten worden, die bis dahin als "Vollsortimenter" für die
Beklagte tätig gewesen seien, also ihren gesamten Bedarf an analogen und
digitalen Produkten bei ihr bezogen hätten. Die Klägerin beziehe seit 2005 ihren
Bedarf an digitalen Produkten von der Firma C, einer der Hauptkonkurrenten der
Beklagten. Die Beklagte habe damit ihre Stellung von einem Großdistributor zu
einem Nischenanbieter verändert. Die durchgeführten Audits seien aber nur
solchen Distributoren angeboten worden, die bis dahin als "Vollsortimenter" für die
Beklagte tätig gewesen seien ( Berufungserw. S. 17 = Bl. 293 d.A.). Die Umsatz-
und Akquiseleistung eines Vollsortimenters habe unmittelbaren Einfluss auf die
Rabattleistungen.
Während die Vertragspartner zu wesentlichen Teilen ihren Bedarf von der
Beklagten bezögen, begehre die Klägerin nur noch Belieferung auf einem stark
eingeschränkten Geschäftsfeld, auf dem sie im Jahr 2005 gerade noch 5,3 % ihres
Umsatzes getätigt habe.
b) Dieser Vortrag rechtfertigt die behauptete Konditionendifferenzierung. Die
Abnahme größerer Mengen ist allgemein als ein den Preis verbilligender Faktor
anzusehen (Bechtold a.a.O. m.w.N.). Hat die Beklagte – wie sie unbestritten
vorgetragen hat – Partnerverträge nur mit sog. "Vollsortimentern" abgeschlossen,
während die Klägerin Produkte nur noch zu einem geringen Teil aus dem
Gesamtsortiment der Beklagten bezieht, so kann ihr die Beklagte aus sachlichen
Gründen die Konditionen verweigern, die sie ausschließlich ihren Vertragspartnern
einräumt.
Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Abschluss eines Partnervertrags.
Ob sie im Einzelfall eine Belieferung zu den (günstigeren) Konditionen der
Vertragspartner verlangen könnte, kann dahin stehen, weil der darauf gerichtete
Feststellungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist.
3.)
Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs.
1 ZPO zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die
Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter
Heranziehung anerkannter Rechtsgrundsätze.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.