Urteil des OLG Frankfurt vom 21.02.2005

OLG Frankfurt: internationale zuständigkeit, msa, bad, verordnung, niederlande, erlass, scheidungsverfahren, anfang, hauptsache, izpr

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 UF 218/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 1 Abs 1 Buchst b EGV
1347/2000, Art 1 MSA, Art 5
Abs 1 MSA, § 261 Abs 3 Nr 2
ZPO
(Selbstständiges Sorgerechtsverfahren: Internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte)
Tenor
Der Beschluss wird abgeändert. Auch der Antrag der Antragstellerin auf
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Antragsgegners auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird
zurückgewiesen.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.
Ihr wird insoweit Rechtsanwalt RA 1, O1, beigeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im übrigen werden die Kosten
des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt und für das einstweilige
Anordnungsverfahren auf 500,00 EUR.
Gründe
Die Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, soweit der Antragsgegner die Aufhebung
des Beschlusses vom 19. Juli 2004 begehrt. Soweit der Antragsgegner die
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn begehrt, ist die
Beschwerde erfolglos.
Aus der Ehe der Parteien sind die Kinder A, geboren am …1992, B, geboren am …
1995, und C, geboren am …1998, hervorgegangen. Die Parteien leben seit März
2003 getrennt. Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 hat die Antragstellerin beantragt,
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf sie zu übertragen. Im Termin
am 30. Juli 2003 begehrten die Parteien wechselseitig sowohl in der Hauptsache
als auch im Wege einer einstweiligen Anordnung, die Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Mit Beschluss vom 4. August 2003
übertrug das Amtsgericht Bad Schwalbach im Wege der einstweiligen Anordnung
der Antragstellerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Anfang
September 2003 verzog die Antragstellerin mit den Kindern in die Niederlande. In
der Folgezeit wurde in den Niederlanden ein Scheidungsverfahren anhängig
gemacht. Mit Beschluss vom 19. Juli 2004 hat das Amtsgericht Bad Schwalbach
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf die Antragstellerin übertragen
und damit auch den Antrag des Antragsgegners, das
Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ihn zu übertragen, zurückgewiesen.
Gegen diesen, dem Antragsgegner am 20. Juli 2004 zugestellten Beschluss hat er
mit Schreiben vom 20. Juli 2004, eingegangen am gleichen Tag, Beschwerde
eingelegt. Er beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 19.
Juli 2004 -AZ: 12 F 535/03 SO- abzuändern und dem Antragsgegner und
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Juli 2004 -AZ: 12 F 535/03 SO- abzuändern und dem Antragsgegner und
Beschwerdeführer das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder
der Parteien A, B und C zu übertragen. Er beantragt ferner, ihm im Wege der
einstweiligen Anordnung das Aufenthaltbestimmungsrecht vorläufig zu übertragen.
Die Antragstellerin rügt die Zuständigkeit.
Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 19. Juli 2004 war dahin
gehend abzuändern, dass nicht nur der Sorgerechtsantrag des Antragsgegners
sondern auch der der Antragstellerin als unzulässig abzuweisen ist.
Am 19. Juli 2004 fehlte es an der internationalen Zuständigkeit. Dies ist auch noch
in der Beschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. Geimer in: Zöller,
Kommentar zur ZPO, IZPR Rndr. 94), so dass der Senat nicht darüber entscheiden
konnte, auf wen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen
ist.
Nach Art. 1 MSA war bereits am 19. Juli 2004 für die begehrte
Sorgerechtsentscheidung die internationalen Zuständigkeit der Gerichte in den
Niederlanden begründet. Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte oder
Verwaltungsbehörden des Staates dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der
Person und des Vermögens eines Minderjährigen zu treffen, in dem der
Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die gemeinsamen Kinder der Parteien haben spätestens seit März 2004 ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden. Im September 2003 zog die
Antragstellerin mit den Kindern in die Niederlande und nach 6 Monaten ist davon
auszugehen, dass die Kinder ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt in den
Niederlanden begründeten. Der Aufenthaltswechsel erfolgte auch nicht
rechtswidrig. Der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bad
Schwalbach vom 4. August 2003 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die
gemeinsamen Kinder im Wege der einstweiligen Anordnung übertragen. Dieser
Beschluss wurde vom Antragsgegner auch nie angefochten. Nach Art. 5 Abs. 1
MSA gilt diese Übertragung auch solange bis die nunmehr zuständigen Gerichte in
den Niederlanden eine anderweitige Entscheidung treffen. Da eine derartige nicht
bekannt ist, ist die Antragstellerin nach wie vor berechtigt, den Aufenthalt der
Kinder allein zu bestimmen.
Die Entscheidung über den hier im Streit stehenden Teil der elterlichen Sorge
gehört auch zu den Schutzmaßnahmen im Sinne des Art. 1 MSA (vgl. BGH in:
FamRZ 2002, S. 1182).
Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts Bad Schwalbach im Beschluss vom
19. Juli 2004 ergibt sich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht
nicht aus der EG-Verordnung 1347/2000. Nach Art. 1 Abs. 1 b) gilt diese
Verordnung nur für Sorgerechtsverfahren die gemeinsam mit einer Ehesache
betrieben werden. Für selbstständige Sorgerechtsverfahren – wie dem
vorliegenden- gilt die Verordnung nicht, so dass es bei der durch Art. 1 MSA
begründeten ausschließlichen Zuständigkeit des Staates verbleibt, in dem der
Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich auch nicht
aus dem Umstand, dass die Antragstellerin mit den Kindern bei Einleitung des
Sorgerechtsverfahrens im Juli 2003 noch in Deutschland lebte. § 261 Abs. 3 Nr. 2
ZPO ist auf die internationale Zuständigkeit für Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit weder direkt noch entsprechend anwendbar (vgl. BGH in: FamRZ
2002, S. 1182 (1184)).
Eine Verweisung des Verfahrens kam auch nicht in Betracht, da dies zumindest
zur Zeit nur innerhalb von Deutschland möglich ist.
Da es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehlt, war der
Antrag des Antragsgegner auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 13a Abs. 1 S. 2 FGG, 131 Abs. 3 KostO.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 12 Abs. 2 S. 3, 14 GKG, 8 Abs. 3 BRAGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.