Urteil des OLG Frankfurt vom 13.02.2003

OLG Frankfurt: missverhältnis, wucher, sittenwidrigkeit, kaufvertrag, handschriftlich, verkäuferin, geschäft, einheit, klagebegehren, gebrauchtwagen

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Gericht:
OLG Frankfurt 25.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
25 W 6/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 138 Abs 1 BGB, § 138 Abs 2
BGB
Wucher: Anforderungen an die Bestimmung eines
auffälligen Missverhältnisses bei einem rechtlich und
wirtschaftlich mit einem Lkw-Kaufvertrag verbundenen
Ölbezugsvertrag
Leitsatz
Zur Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne von § 138 II BGB bei
rechtlich und wirtschaftlich verbundenen Verträgen (hier Ölbezugs- und Lkw-
Kaufvertrag).
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer -
Einzelrichter - des Landgerichts Kassel vom 12.11.2002, durch welchen das
Gesuch der Beklagten um Prozesskostenhilfe abgewiesen worden ist, wird
zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens
zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die eingelegte "Beschwerde" ist als sofortige Beschwerde statthaft (§ 127 Abs. 2
Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Das
Landgericht hat den Prozesskostenhilfe-Antrag der Beklagten zu Recht mangels
Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung abgelehnt (§ 114 ZPO), da
die von der Beklagten vorgetragenen Behauptungen ihre Ansicht, das dem
Klagebegehren zugrunde liegende Vertragsverhältnis sei wegen Wuchers
sittenwidrig und daher nach § 138 BGB nichtig, nicht rechtfertigen. Die von der
Beklagten angenommene Sittenwidrigkeit der aufeinander verweisenden
streitgegenständlichen Verträge vom 15.08.2000/07.06.1999 setzt sowohl nach §
138 Abs. 2 BGB wie nach § 138 Abs. 1 BGB zunächst einmal voraus, dass
Leistungen und Gegenleistungen der Parteien objektiv in einem auffälligen
Missverhältnis zum Nachteil der Beklagten stehen. Für die Beurteilung dieses
Missverhältnisses ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH
NJW 1989, 1276, 1277). Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie die Beklagte mit
Schriftsatz vom 29.11.2002 vorträgt - die Beklagte "seit letztem Jahr" nicht mehr
T.-Direkthändlerin ist und eine allgemein rückläufige Entwicklung in der
Autoindustrie zu beobachten ist und ob deswegen die Gewinnmargen und
Ölumsätze der Beklagten geringer geworden sind. Was die im Rahmen der
streitgegenständlichen Verträge von beiden Parteien zu erbringenden Leistungen
und Gegenleistungen angeht, so darf nicht allein auf den für die Öllieferungen von
der Beklagten zu zahlenden Preise abgestellt werden, welche nach dem Vortrag
der Beklagten um mehr als 500 % überteuert sind. Es ist vielmehr auf den
Gesamtcharakter der Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien abzustellen
(Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Rdn. 66 zu § 138), insbesondere auch auf das
im Zusammenhang mit dem Ölkauf stehende Autokauf-Geschäft, bei dem nicht
die Beklagte, sondern die Klägerin Käuferin war und die Beklagte ihrerseits
Verkäuferin. Ausweislich einer handschriftlich eingetragenen Klausel auf dem
Vertragsformular vom 07.06.1999 ist mit diesem Vertrag "der Vertrag vom
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Vertragsformular vom 07.06.1999 ist mit diesem Vertrag "der Vertrag vom
21.12.1998 ungültig. Im Gegengeschäft kauft die (unleserlich; sc.: Klägerin) ...
(unleserlich) ... F. ...". Unstreitig kaufte die Klägerin in der Tat von der Beklagten
am 08.06.1999 einen LKW F. für 10.900 DM. Damit handelte es sich - wie sich das
ebenso z. B. bei den früheren Ölbezugsverträgen vom 16.09.1992, 02.06.1993,
30.05.1996 aus entsprechenden handschriftlichen Vermerken auch ergibt - bei
dem Ölbezugs- und dem LKW-Kauf-Vertrag um rechtlich und wirtschaftlich
verbundene Geschäfte, die im Rahmen von § 138 BGB als Einheit zu würdigen
sind. Die Beklagte betont selbst, sie habe sich seit 1992 immer nur dann auf neue
Ölbezugsverträge eingelassen, weil und wenn die Klägerin ihr Gebrauchtwagen
abnahm. Diese Gegengeschäfte waren für die Beklagte ersichtlich von so großer
wirtschaftlicher Wichtigkeit, dass sie sich im Einzelfall - so beim Verkauf eines B. im
Jahr 1992 - auch auf den Verkauf eines PKW an die Klägerin einließ, dessen
Verkaufspreis ihren eigenen Einkaufspreis um 2.865 DM unterschritt, und dass sie
im Jahre 1999 beim Verkauf des LKW F. ebenfalls einen rechnerischen Verlust
gegenüber dem Einkaufspreis in Höhe von 100 DM hinnahm. Ersichtlich hatten
diese Autoverkäufe bei denen die Beklagte im Regelfall freilich mehr als nur ihren
Einkaufspreis erlöste, eine so zentrale wirtschaftliche Bedeutung, dass sie die
jeweils langfristigen Ölbezugsverträge mit der Klägerin entsprechend sogar dann
verlängerte, wenn sie noch größere unverkaufte Mengen aus früheren
Lieferperioden auf Lager hatte. In diese wirtschaftliche Gesamtbetrachtung muss
auch der vom Landgericht bereits zu Recht hervorgehobene Umstand einbezogen
werden, dass die Beklagte ungeachtet ihres gegenüber dem Händler-Marktpreis
weit überhöhten Einkaufspreises für das Öl dieses an ihre Kunden (Endabnehmer)
mit einer eigenen Gewinnmarge von nicht weniger als 60 % veräußern konnte, wie
die Beklagte mit ihrer Beschwerdebegründung selbst vorträgt. Betrachtet man
zusammenfassend die Gesamtheit der von der Beklagten einerseits, der Klägerin
andererseits versprochenen Leistungen und Gegenleistungen aus den Verträgen
über den Ölbezug einerseits, den Autoverkauf andererseits und kombiniert die sich
aus diesen Verträgen vom 07.06.1999/15.08.2000 sowie vom 08.06.1999
ergebenden Vor- und Nachteile für jede der Parteien, so lässt sich per Saldo
jedenfalls gegenwärtig kein auffälliges Missverhältnis der Leistungen und
Gegenleistungen zum Nachteil der Beklagten feststellen. Bei dieser
Gesamtbetrachtung kommt es unter anderem darauf an, ob der Verkauf des LKW
F., den die Beklagte gerade erst am 03.05.1999 von einem Herrn K. für 11.000 DM
eingekauft hatte und am 08.06.1999 an die Klägerin für 10.900 DM weiter
verkaufte, nicht im Zusammenhang mit einem für die Beklagte so
gewinnträchtigen Gegengeschäft mit Herrn K. stand, dass selbst bei Weiterverkauf
mit einem rechnerischen Verlust im Verhältnis zur Klägerin in Höhe von 100 DM
immer noch ein erheblicher wirtschaftlicher Überschuss für die Beklagte verblieb.
In diese Richtung deutet der Umstand, dass das Fahrzeug bereits nach einem
Monat Standzeit weiterverkauft wurde - also offensichtlich ohne vorherige
nachhaltige Bemühung der Beklagten um einen noch günstigeren Verkaufspreis).
Bei der wirtschaftliche Gesamtbetrachtung fällt weiter ins Gewicht, dass die
Beklagt das eigentlich sittenwidrige Moment der Ölbezugsverträge nicht in der
Langfristigkeit der Bindung oder der Höhe der vereinbarten Bezugsmengen sieht
(diese hatten si bei damals besseren Absatzbedingungen ersichtlich nicht weiter
gestört), sonder in der Höhe der vereinbarten Lieferpreise, die ihr selbst beim
Verkauf an ihre Kunde "lediglich einen Gewinn von 60 %" erlaubten (so die
Beschwerdebegründung), - wa darauf hinausläuft, dass die Beklagte der Klägerin
vorwirft, dass sie - die Beklagte gegenüber ihren Kunden nur 60 %, statt über 800
% Gewinn erzielen konnte (legt man die in der Beschwerdebegründung genannten
Einkaufspreise von 1,15 Euro und Verkaufspreise von 9,46 Euro zugrunde) - ohne
sich insoweit ihrerseits die Frage eines sich dann zu Lasten ihrer Kunden
ergebenden Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu stellen. Da die
Beklagte die im Sinne von §§ 138 Abs. 1 und 138 Abs. 2 erforderliche
Gesamtbetrachtung weder selbst anstellt noch sich die sich aus ihrem Vortrag
ergebenden Tatsachenbehauptungen bei zusammenfassender Betrachtung im
Sinn eines auffälligen Missverhältnisses der Leistungen und Gegenleistungen der
Parteien zu Lasten der Beklagten interpretieren lassen, bietet der bisher von der
Beklagten gelieferte Vortrag zur Sittenwidrigkeit keine hinreichende Erfolgsaussicht
für die Rechtsverteidigung gegen die Klage.
Da die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt, hat sie dessen Kosten
zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO, Nr. 1953 des Kostenverzeichnisses zu § 11 GKG).
Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren auch in der
Beschwerdeinstanz nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.