Urteil des OLG Düsseldorf vom 31.07.2008
OLG Düsseldorf: treu und glauben, charakteristische leistung, ohne aussicht auf erfolg, rechnungslegung, unternehmen, geschäftsführer, konzern, daten, auskunftserteilung, fürsorgepflicht
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 W 59/06
Datum:
31.07.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-2 W 59/06
Tenor:
I. Die sofortigen Beschwerden der Schuldner zu 1), 2) und 4) gegen die
sie betreffenden Zwangsmittelbeschlüsse der 4a. Zivilkammer des
Landge-richts Düsseldorf vom 16. Oktober 2006 werden mit der
Maßgabe zu-rückgewiesen, dass die Frist zum Nachweis einer
gerichtlichen Inan-spruchnahme der P. H. I. AG drei Wochen nach
Zustellung dieses Be-schlusses beträgt.
II. Auf die sofortigen Beschwerden der Gläubigerin werden die die
Schuld-ner zu 1), 3) und 5) betreffenden Zwangsmittelbeschlüsse der 4a.
Zivil-kammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 2006 in dem
die Schuldner zu 3) und 5) betreffenden Kostenausspruch sowie
dahinge-hend abgeändert,
1. dass die Schuldner zu 3) und 5) ebenfalls durch ein Zwangsgeld von
jeweils 15.000,- Euro, ersatzweise ein Tag Zwangshaft je 1.000,- Euro,
dazu angehalten werden, der Gläubigerin entspre-chend dem Urteil der
4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2003
Rechnung zu legen, wobei die Schuldner zu 3) und 5) die Beitreibung
des Zwangsgeldes abwenden können, wenn sie innerhalb von drei
Wochen nach Zustellung dieses Be-schlusses nachweisen, dass sie die
sch. P. H. I. AG gerichtlich auf Erteilung derjenigen Auskünfte in
Anspruch genommen haben, die sie zur Erfüllung ihrer
Rechnungslegungspflicht benötigen;
2. dass die Zwangshaft hinsichtlich der Schuldnerin zu 1) an ihrer Ge-
schäftsführerin I. E. zu vollstrecken ist.
III. Die Kosten der die Schuldner zu 1), 2) und 4) betreffenden
Beschwerde-verfahren tragen die jeweiligen Beschwerdeführer. Die
Kosten der die Schuldner zu 3) und 5) betreffenden
Zwangsvollstreckungsverfahren ein-schließlich der Kosten der
Beschwerdeverfahren tragen die Gläubigerin zu 20 % und die Schuldner
zu 3) und 5) zu 80 %.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
V. Der Gegenstandswert für die Beschwerdeverfahren der Schuldner zu
1), 2) und 4) wird auf jeweils 15.000,- Euro festgesetzt, derjenige für das
Be-schwerdeverfahren der Gläubigerin gegen die Schuldner zu 1), 2)
und 4) auf jeweils 7.000,- Euro. Der Gegenstandswert für die
Beschwerdever-fahren der Gläubigerin gegen die Schuldner zu 3) und
5) beträgt jeweils 35.000,- Euro.
I.
1
Seit 1997 waren zwischen der Gläubigerin und insbesondere der Schuldnerin zu 1)
wiederholt gerichtliche Auseinandersetzungen um die widerrechtliche Benutzung von
Patenten und Gebrauchsmustern anhängig. Mit Urteil vom 28. Oktober 2003 (Anlage HE
1) sind die Schuldner wegen Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters 297 13 911
betreffend eine Tintenpatrone und einen diese Patrone verwendenden Drucker von der
4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf verurteilt worden, der Gläubigerin u.a.
darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1. des Tenors
näher bezeichneten Benutzungshandlungen seit dem 1. März 1998 begangen haben,
und zwar unter Angabe nachfolgender Einzeldaten:
2
a) Der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten
Preise,
3
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -
preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
4
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -
preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der
Angebotsempfänger,
5
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
6
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns.
7
Die Berufung der Schuldner gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg (Anlage HE 2), die
gegen die Entscheidung des Senats eingelegte Revision ist vom Bundesgerichtshof
durch Urteil vom 20. Mai 2008 (Az.: X ZR 180/05) zurückgewiesen worden.
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Die Schuldnerin zu 1) ist als Handelsvertreterin der in der Sch. ansässigen P. H. I. AG
für das Vertriebsgebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig. Sie übernimmt für die P.
H. I. AG die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen im Vertriebsgebiet und den weiteren
"Vertriebssupport". Beide Firmen gehören zum P.-Konzern und werden über die P. H. E.
Ltd. und jeweils eine weitere zwischengeschaltete Gesellschaft von der ebenfalls in der
Sch. ansässigen P. H. H. AG beherrscht. Die P. H. I. AG ist die Vertriebsgesellschaft der
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Sch. ansässigen P. H. H. AG beherrscht. Die P. H. I. AG ist die Vertriebsgesellschaft der
P.gruppe. Die Schuldner zu 2) und 3) waren während des Erkenntnisverfahrens
Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1). Der Schuldner zu 3) ist zum 1. Juni 2004 von
seiner Geschäftsführerposition entbunden worden und zum 7. Oktober 2005 aus dem P.
H. Konzern ausgeschieden. Der Schuldner zu 2) hat sein Anstellungsverhältnis zum
19. Juli 2007 fristlos gekündigt und ist hierdurch als Geschäftsführer ausgeschieden. Die
im Oktober 1999 gegründete Schuldnerin zu 4) ist ein reines
Lagerhaltungsunternehmen und erbringt für die P. H. I. AG die Ein- und Auslagerung
von Materialien und deren Versendung an Empfänger gemäß den ihr vorgegebenen
Anweisungen. Sie wird ebenfalls über zwischengeschaltete Firmen von der P. H. H. AG
beherrscht. Der Schuldner zu 5) war ursprünglich Geschäftsführer der Schuldnerin zu 4).
Er hat dieses Anstellungsverhältnis zum 31. Oktober 2003 beendet, wobei er bereits seit
Oktober 2002 freigestellt war.
Die Schuldner haben nach mehrmaliger Fristverlängerung mit anwaltlichem Schreiben
vom 27. März 2006 (Anlage HE 9) über ihre Benutzungshandlungen in Bezug auf das
Klagegebrauchsmuster Auskunft erteilt. Die Rechnungslegung, die sich nicht auf eine
Auswertung geschäftlicher Unterlagen, sondern ausschließlich auf die Erinnerung der
bei den Schuldnern mit den fraglichen Tintenpatronen befasst gewesenen Personen
stützt, liefert unstreitig keine vollständige und detaillierte Übersicht über die mit der
gebrauchsmusterverletzenden Tintenpatrone getätigten Geschäfte. Die Gläubigerin hat
deswegen die Festsetzung von Zwangsmitteln gegenüber allen fünf Schuldnern
beantragt.
10
Die Schuldner haben vorgetragen, zu weitergehenden als den vorgerichtlich erteilten
Auskünften nicht in der Lage zu sein.
11
Zwar sei richtig, dass die Schuldnerin zu 1) in einem früheren Verfahren zu einer
umfassenden Auskunft imstande gewesen sei; damals habe sie jedoch alle ihre
Geschäftsdaten auch noch selbst archiviert. Seit sie im Zuge der Umstrukturierung des
P. H.-Konzerns 1997 Handelsvertreterin geworden sei, wickle sie die Bestellungen
unter Nutzung eines EDV-Vertriebs-Verwaltungssystems ab, das auf dem Server der P.
H. I. AG laufe. Auf die dort gespeicherten Daten habe sie nur Zugriff, soweit ihre
Tätigkeit im Vertriebssupport dies erfordere. Nach etwa sechs Monaten würden die
gesamten Bestell- und Lieferdaten von der P. H. I. AG aus dem System entfernt und in
ein nur für diese uneingeschränkt zugängliches Archivsystem "Easy Web Archiv"
übernommen. Auf die dort vorgehaltenen Daten habe sie - die Schuldnerin zu 1) –
danach nur noch im Wege der Einzelabfrage für das laufende und das vorangegangene
Geschäftsjahr Zugriff. Für den hier relevanten Zeitraum sei ihr ein Zugriff auf das Archiv
somit nicht mehr möglich. Auch eine vorgerichtliche Abmahnung der P. H. I. AG, die
Schuldner bei ihrer Rechnungslegung zu unterstützen, sei erfolglos geblieben.
Bestellschreiben bewahre sie – die Schuldnerin zu 1) - lediglich für einen Zeitraum von
fünf bis sechs Monaten auf und vernichte sie sodann.
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Die Schuldnerin zu 4) als reines Lagerhaltungsunternehmen verwende ein EDV-
Lagerverwaltungssystem mit begrenzter Speicherkapazität, das innerhalb eines
Zeitraumes von vier Monaten laufend überschrieben werde. Schriftstücke wie
Lieferscheine und Frachtbriefe würden in einem vierteljährlichen Turnus an die P. H. I.
AG als Auftraggeberin, in deren Namen die Lieferungen erfolgten, übergeben, ohne
dass Informationen über Lieferadressen gespeichert oder schriftlich festgehalten
würden.
13
Die Schuldner zu 2), 3) und 5) hätten durch ihr zwischenzeitliches Ausscheiden aus den
zuvor von ihnen vertretenen Unternehmen den Zugang zu betriebsinternen Dokumenten
vollständig verloren und seien schon daher allein auf ihre Erinnerung angewiesen, die
ihnen keine weiteren Auskünfte ermögliche, als die bereits mitgeteilten.
14
Das Landgericht hat die Schuldner zu 1) und 4) sowie den Schuldner zu 2), der damals
noch Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1) war, mit einem Zwangsgeld von jeweils
15.000,- Euro belegt, ihnen jedoch vorbehalten, eine Beitreibung des Zwangsgeldes
durch Erheben einer Auskunftsklage gegen die P. H. I. AG abzuwenden. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Schuldner könnten zwar nach ihrem schlüssigen und
unwiderlegten Vortrag derzeit aus eigenem Wissen keine weitergehende Auskunft
erteilen, es sei ihnen jedoch möglich und zuzumuten, sich die erforderlichen
Informationen von der P. H. I. AG zu beschaffen, welche sie zugriffsbereit gespeichert
habe. Die gegen die Schuldner zu 3) und 5) gerichteten Zwangsmittelanträge hat das
Landgericht zurückgewiesen. Aufgrund nachwirkender Treuepflichten hätten die
Schuldner zu 3) und 5) zwar Auskunftsansprüche gegenüber ihren ehemaligen
Unternehmen, mangels eigener vertraglicher Rechtsbeziehung nicht jedoch gegenüber
der P. H. I. AG. Da die Schuldner zu 1) und 4) aber ohnehin gegen die P. H. I. AG
vorgehen müssten, sei ein zusätzlicher Nutzen eines Vorgehens der Schuldner zu 3)
und 5) gegen die Schuldner zu 1) und 4) nicht zu erkennen, weshalb ihnen solches
auch nicht zuzumuten sei.
15
Gegen die Entscheidungen des Landgerichts haben sowohl die Gläubigerin, als auch
die Schuldner zu 1), 2) und 4) sofortige Beschwerden eingelegt.
16
Die Gläubigerin wendet sich zum einen gegen die Gewährung einer
Abwendungsbefugnis und zum anderen gegen die Ablehnung der Festsetzung eines
Zwangsmittels gegen die Schuldner zu 3) und 5). Sie ist der Ansicht, den Schuldnern
sei das Wissen der P. H. I. AG zuzurechnen. Die Schuldner zu 1) und 4) und die P. H. I.
AG gehörten dem P.-Konzern an und stünden unter gemeinsamer Leitung. Die
international arbeitsteilige Organisation eines Konzerns dürfe nicht zu einer
Privilegierung führen; den Konzern treffe vielmehr die Pflicht, eine allgemeine
Verfügbarkeit des vorhandenen Wissens sicherzustellen. Andernfalls müssten sich alle
konzernangehörigen Unternehmen so behandeln lassen, als sei das bei einem von
ihnen vorhandene Wissen auch bei allen anderen vorhanden. Insbesondere könne es
nicht angehen, dass ein Schuldner, der das bei ihm ursprünglich vorhandene Wissen
nicht selbst archiviere, sondern an eine Konzernschwester weiterreiche, sich später auf
seine Unwissenheit berufen könne. Zumindest aber treffe die Schuldner zu 3) und 5) die
Pflicht, ihre ehemaligen Unternehmen zur Auskunftserteilung anzuhalten.
17
Die Schuldner zu 1), 2) und 4) wenden sich gegen die Festsetzung eines
Zwangsgeldes. Sie tragen vor, eine Klage gegen die P. H. I. AG sei ihnen nicht
zuzumuten. Es treffe nicht zu, sei zumindest aber höchst zweifelhaft, ob ihnen überhaupt
ein Auskunftsanspruch gegenüber der P. H. I. AG zustehe. Nach der ihnen vorliegenden
Stellungnahme eines sch. Rechtsanwalts ergebe sich ein solcher Anspruch weder aus
dem Handelsvertreterrecht, noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Auskunftspflichten seien allenfalls im Verhältnis der Tochtergesellschaft zu der sie
beherrschenden Konzernmutter denkbar, die P. H. I. AG sei vorliegend jedoch nicht die
"Mutter", sondern nur eine "Cousine" der Schuldner zu 1) und 4). Zudem könnten der P.
H. I. AG wegen Art. 273 des sch. Strafgesetzbuchs bei einer Auskunftserteilung
strafrechtliche Konsequenzen drohen. Auch werde der P. H. I. AG bei Annahme einer
18
Auskunftspflicht eine eigene Verteidigung gegen den Vorwurf der
Gebrauchsmusterverletzung abgeschnitten. Aus den besagten Gründen sei ihr eine
Auskunftserteilung nicht zuzumuten. Das gelte umso mehr, als die Gläubigerin ohne
weiteres selbst gegen die P. H. I. AG als möglicher Täterin einer
Gebrauchsmusterverletzung habe vorgehen können. Für einen Auskunftsanspruch der
Schuldner zu 3) und 5), aber auch des zwischenzeitlich ebenfalls ausgeschiedenen
Schuldners zu 2), sei ohnehin nichts ersichtlich, weil diesen jede Beziehung zur P. H. I.
AG fehle.
Auf den Einwand der Schuldner zu 1), 2) und 4), eine Klageerhebung gegen die P. H. I.
AG könne ihnen nicht vor einer endgültigen Beschwerdeentscheidung zugemutet
werden, hat der Senat – in anderer personeller Zusammensetzung – mit Beschluss vom
30. November 2006 die Vollziehung der landegrichtlichen Zwnagsmittelbeschlüsse
gegen die Schuldner zu 1), 2) und 4) einstweilen eingestellt.
19
II.
20
Sämtliche Rechtsmittel sind zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. In der Sache
bleiben die sofortigen Beschwerden der Schuldner zu 1), 2) und 4) genauso ohne Erfolg
wie die gegen die genannten Schuldner gerichteten Beschwerden der Gläubigerin, mit
der sie die Abwendungsbefugnis bekämpft. Mit Blick auf den zwischenzeitlichen
Geschäftsführerwechsel bei der Schuldnerin zu 1) ist lediglich die Anordnung zur
Vollziehung der Zwangshaft an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Die
sofortigen Beschwerden der Gläubigerin erweisen sich demgegenüber als begründet,
soweit sie sich gegen die Zurückweisung der gegen die Schuldner zu 3) und 5)
gerichteten Zwangsmittelanträge wendet. Ohne Erfolg bleiben die Rechtsmittel, soweit
die Gläubigerin auch insofern die Verhängung von Zwangsmitteln ohne eine
Abwendungsbefugnis der Schuldner zu 3) und 5) begehrt.
21
1.
22
Die Schuldner sind der ihnen obliegenden Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht im
erforderlichen Maß nachgekommen.
23
Dass die der Gläubigerin bislang mitgeteilten Einzeldaten den inhaltlichen Vorgaben
des Urteilsausspruchs nicht gerecht werden, steht zwischen den Parteien mit Recht
außer Streit. Tatsächlich liegen zu diversen auskunftspflichtigen Punkten überhaupt
keine und zu anderen Einzeldaten lediglich völlig vage Schätzungsangaben vor, die
sich auf die - notwendigerweise ungenaue - Erinnerung bestimmter Mitarbeiter stützen.
Zwar mögen die Schuldner selbst über kein eigenes besseres Wissen und auch über
keine Geschäftsunterlagen mehr verfügen, die ihnen über das vorgerichtlich Mitgeteilte
hinaus weitergehende oder verlässlichere Rechnungslegungsangaben zum Umfang
ihrer gebrauchsmusterverletzenden Benutzungshandlungen ermöglichen. Vorzuwerfen
ist ihnen jedoch – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat –, dass sie eine
zumutbare Erkenntnisquelle, die in Form des der P. H. I. AG zugänglichen Archivs zur
Verfügung gestanden hätte, nicht ausgeschöpft haben.
24
a)
25
Zwar ist den Schuldnern das Wissen der P. H. I. AG nicht direkt zuzurechnen.
26
Die Grundsätze der Wissenszurechnung in arbeitsteiligen Organisationen, die von
Teilen der Literatur auch auf arbeitsteilige Konzerne erstreckt werden (was vorliegend
ohnehin nur die Schuldner zu 1) und 4) betreffen könnte), finden jedenfalls im
Zwangsmittelverfahren keine Anwendung. Gemäß § 888 Abs. 1 ZPO ist Voraussetzung
für die Verhängung eines Zwangsgeldes, dass die Handlung (ausschließlich) vom
Willen des Schuldners abhängt. Der Schuldner muss folglich zur Handlung tatsächlich
in der Lage sein. Ist er dies - gleich aus welchem Grund - nicht, scheidet die
Verhängung eines Zwangsmittels aus (Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 888 Rn. 2;
Stein/Jonas-Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rn. 10; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 171,
172). Selbst ein Schuldner, der seine Unterlagen in der Absicht vernichtet hat, eine
drohende Auskunftsverpflichtung ins Leere laufen zu lassen, kann nicht (mehr) zur
Auskunftserteilung angehalten werden, weshalb die Verhängung eines Zwangsgeldes
nicht in Betracht kommt. Alles andere liefe auf eine Bestrafung für bisheriges Verhalten
hinaus, was mit der Intention des Zwanggeldes als eines Mittels zur Beugung des
Schuldnerwillens nicht zu vereinbaren wäre. Berücksichtigt werden kann ein Verhalten
der geschilderten Art nur im nachfolgenden Schadensersatzprozess, indem zugunsten
des Gläubigers eine Umkehr der Beweis- und gegebenenfalls auch der Darlegungslast
nach dem Grundsatz der Beweisvereitelung stattfindet.
27
Ein weiteres kommt hinzu: Die Wissenszurechnung ist ein rechtliches Konstrukt, durch
das eine Privilegierung großer arbeitsteiliger Unternehmen gegenüber kleinen Firmen,
bei denen noch alle relevanten Informationen beim Prinzipal vorhanden sind, verhindert
werden soll. Großen Unternehmenseinheiten soll die Möglichkeit einer Berufung auf
eine mit der Arbeitsteilung einhergehende Wissensaufspaltung genommen werden, um
sie im Interesse der übrigen Teilnehmer am Rechtsverkehr zur Schaffung eines
effizienten Informationsaustauschsystems anzuhalten. Eine Wissenszurechnung im
Konzern, durch die das Vorhandensein des bei einer Konzernschwester tatsächlich
vorhandenen Wissens auch bei den übrigen Teilen des Konzerns fingiert wird, wäre
zwar geeignet, eine Verantwortlichkeit eines anderen konzernangehörigen
Unternehmens zu begründen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass diesem
Unternehmen das Wissen gerade nicht tatsächlich verschafft wird. Dem in Anspruch
genommenen Unternehmen selbst ist die Erteilung der Auskunft deswegen unverändert
objektiv unmöglich. Die Wissenszurechnung im Konzern liefe folglich ebenfalls auf die
Bestrafung (schuldhafter) Unkenntnis hinaus, was mit der reinen Beugefunktion des
Zwangsmittels nicht in Einklang zu bringen ist.
28
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die drohende Bestrafung die
zur Auskunft befähigte Konzernschwester zur Erteilung derselbigen bewegen kann, um
Schaden von ihrer "Schwester" abzuwenden. Gebeugt würde unter solchen Umständen
der Wille der Konzerschwester, die jedoch nicht Adressatin des
Vollstreckungsverfahrens ist. Eine derartige "Geiselnahme", bei die Sorge eines am
Verfahren nicht beteiligten Dritten um das Wohl und Wehe des Schuldners dazu
ausgenutzt werden soll, ihn zu einer bestimmten Handlung zu bewegen, ist dem
deutschen Recht fremd.
29
b)
30
Den Schuldnern zu 1) und 4) ist jedoch vorzuhalten, dass sie die P. H. I. AG nicht auf
Erteilung derjenigen Informationen gerichtlich in Anspruch genommen haben, die sie für
die der Gläubigerin geschuldete Rechnungslegung benötigen.
31
aa)
32
Kann der Schuldner die von ihm geforderte Handlung nicht ohne die Mitwirkung eines
Dritten bewirken, so ist er verpflichtet, alles Zumutbare zu tun, um sich von dem
mitwirkungspflichtigen Dritten die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Die
bestehende Erkundigungspflicht kann mit den Mitteln des § 888 Abs. 1 ZPO
zwangsweise durchgesetzt werden (OLG Köln, GRUR-RR 2006, 31 - Mitwirkung eines
Dritten). Ein anderes, strikt am Wort haftendes Verständnis des § 888 Abs. 1 ZPO würde
angesichts einer gegenüber früher viel stärkeren Arbeitsteilung und einer vielfältigen
Abhängigkeit der Handlungsfreiheit des einzelnen von der Mitwirkung anderer zu einer
im Ergebnis unerträglichen Lücke in der Vollstreckbarkeit höchstpersönlicher
Handlungspflichten führen (BayObLG, NJW-RR 1989, 462, 463). Die Obliegenheit zur
Beschaffung notwendiger Kenntnisse kann im Einzelfall auch die gerichtliche
Durchsetzung der Mitwirkungspflicht des Dritten umfassen (OLG Bamberg, FamRZ
1991, 1436, 1437).
33
Den Schuldnern ist diese Pflicht schon deshalb aufzuerlegen, weil die
Archivierungspraxis der Schuldner zu 1) und 4), für welche die Schuldner zu 2), 3) und
5) verantwortlich gewesen sind, objektiv gesehen geeignet ist, berechtigte Ansprüche
Dritter zu vereiteln. Wer als Kaufmann seine geschäftlichen Aktivitäten bewusst nicht
dokumentiert, muss es sich - unabhängig von der Frage eines hierin liegenden
Verstoßes gegen bilanz- und steuerrechtliche Vorschriften - gefallen lassen, dass ihm
im Verletzungsfall gesteigerte Informationsbeschaffungspflichten abverlangt werden. Für
die Schuldner hat dies im Besonderen zu gelten. Seit 1997 hat die Gläubigerin die
Schuldnerin zu 1) wiederholt wegen patent- und gebrauchsmusterverletzender
Tintenpatronen in Anspruch genommen. Seit dieser Zeit musste die Schuldnerin zu 1)
davon ausgehen, dass die von ihr vertriebenen Produkte – gerade wegen der für den
jeweiligen Einsatzzweck erforderlichen Kompatibilität mit den Druckern der Gläubigerin
– deren gewerbliche Schutzrechte verletzen können. Sie hatte daher allen Anlass, sich
auf eine Inanspruchnahme – wie sie in der Folgezeit auch wiederholt erfolgt ist -
einzustellen. Statt dessen hat die Schuldnerin zu 1) die Umstrukturierung des Konzerns
1997 zum Anlass genommen, auf eine eigene Archivierung ihrer Geschäftsdaten, die ihr
unverändert möglich gewesen wäre, zu verzichten und diese allein der P. H. I. AG zu
überlassen. Ein solches Vorgehen legt, selbst wenn es bilanzrechtlich zulässig sein
sollte, den Verdacht einer systematischen Beweisvereitelung nahe; zumindest ist es
geeignet, eine gesteigerte Verpflichtung zur aktiven Informationsbeschaffung von
derjenigen dritten Stelle zu begründen, die über die von der Schuldnerin zu 1) selbst
nicht mehr vorrätig gehaltenen Daten verfügt. Letzteres gilt auch für die 1999 gegründete
Schuldnerin zu 4), die nicht bestritten hat, von den Rechtsstreitigkeiten mit der
Gläubigerin Kenntnis gehabt zu haben.
34
bb)
35
Die Erhebung einer Auskunftsklage gegen die P. H. I. AG (welche unstreitig über die zur
vollständigen Rechnungslegung erforderlichen Geschäftsdaten verfügt), ist allein vom
Willen der Schuldner zu 1) und 4) abhängig. Sie ist objektiv geeignet, den Schuldnern
die für ihre Rechnungslegung notwendigen Informationen zu verschaffen und sie ist
diesen auch subjektiv zumutbar.
36
(1)
37
Es ist in diesem Zusammenhang nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts,
abschließend über den mutmaßlichen Erfolg oder Misserfolg einer solchen
Auskunftsklage zu urteilen. Die Entscheidung hierüber steht allein den für das
Erkenntnisverfahren auf Auskunft zuständigen Gerichten zu. Zwar könnte den
Schuldnern zu 1) und 4) redlicherweise nicht angesonnen werden, eine Klage zu
erheben, von denen bereits das Vollstreckungsgericht absehen kann, dass sie ohne
Aussicht auf Erfolg ist. Im Interesse der Durchsetzbarkeit gerichtlicher Titel muss
dagegen eine Inanspruchnahme Dritter als grundsätzlich geboten angesehen werden,
wenn sie ggf. nicht mit letzter Sicherheit, aber jedenfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit
zum Ziel führen kann (BayObLG, NJW-RR 1989, 462, 463). Für die Verpflichtung der
Schuldner zu 1) und 4) genügt daher im Streitfall, wenn sich sichere Feststellungen zum
Ausgang eines Auskunftsrechtsstreits gegen die P. H. I. AG nicht treffen lassen, sein
Ausgang vielmehr offen ist.
38
(a)
39
Eine - mindestens - dahin gehende Prognose rechtfertigt sich bereits mit Rücksicht auf
die von der P. H. I. AG (Anlage LZV 1, Rz. 30, 37) sowie von den Schuldnern zu 1), 2)
und 4) (Anlage HE 19, Rz. 34-35; 42) in einem gleichgelagerten Auskunftsverfahren in
der Sch. übereinstimmend vertretene – und von den Schuldnern auch in den
vorliegenden Verfahren verfochtene (SS. Vom 21.07.2006, S. 10; GA I 50) - Ansicht,
dass im Verhältnis der Schuldner zu 1) und 4) zur P. H. I. AG deutsches Recht zur
Anwendung kommt, weil die von den Schuldnern zu 1) und 4) in Deutschland
erbrachten Vertragstätigkeiten die charakteristische Leistung darstellen. Diese Sicht ist
vertretbar – nach Auffassung des Senats sogar sachlich zutreffend -, weswegen von ihr
bei der ohnehin nur vorläufigen Beurteilung der Erfolgsaussichten eines
Auskunftsbegehrens gegen die P. H. I. AG auszugehen ist.
40
Wenn ein ausländisches Unternehmen einen deutschen Handelsvertreter mit einer
Handelsvertretertätigkeit im Inland betraut, ist im Regelfall davon auszugehen, dass für
das Vertragsverhältnis deutsches Recht gewollt ist (Löwisch in: Ebenroth/Boujong/
Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 92c Rn. 6 m.w.N.). Dieses würde aber selbst für den Fall
gelten, dass eine entsprechende Rechtswahl zu verneinen sein sollte. Dann greift
nämlich Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ein, wonach ein Vertrag, soweit das auf ihn
anzuwendende Recht nicht nach Art. 27 EGBGB vereinbart ist, dem Recht des Staates
unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EGBGB
präzisiert diese Anknüpfung dahingehend, dass ein Vertrag, der in Ausübung einer
beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit derjenigen Partei geschlossen ist, die die
charakteristische Leistung erbringt, die engste Verbindung zu dem Staat aufweist, in
dem sich deren Hauptniederlassung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag wie er
zwischen der Schuldnerin zu 1) und der P. H. I. AG bestanden hat, führt das dazu, dass
im Zweifel das Recht des Staates gilt, in welchem der Handelsvertreter, der bei einem
Handelsvertretervertrag, die charakteristische Leistung erbringt, seinen geschäftlichen
Sitz hat, weil er von dort aus tätig werden soll, oder in welchem er ohne anderweitigen
Sitz seine Arbeit zu leisten hat (vgl. BGH, NJW 1993, 2753, 2754; NJW 1995, 318, 319;
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., § 92c Rn. 9 m.w.N.). Danach findet hier
ebenfalls deutsches Recht Anwendung, weil die Schuldnerin zu 1) in Deutschland
geschäftsansässig ist und im Inland für die P. H. I. AG tätig werden sollte. Zu keinem
anderen Resultat führt das sch. Internationale Privatrecht, weil Art. 116 IPRG ebenfalls
eine Rechtswahl der Parteien zulässt, bei deren Fehlen Art. 117 Abs. 1 IPRG die
Geltung des Rechtes desjenigen Staates anordnet, mit dem die engsten Verbindungen
41
bestehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte entscheidet der gewöhnliche
Aufenthalt des Vertragspartners, der die charakteristische Leistung erbringt (Art. 117
Abs. 2 IPRG), was bei Dienstleistungsverträgen (wie einem Handelsvertretervertrag) die
geschuldete Dienstleistung ist (Art. 117 Abs. 3 lit. C IPRG). Exakt dieselben Grundsätze
führen auch in Bezug auf die Schuldnerin zu 4) zur Anwendung deutschen Rechts, weil
die von ihr erbrachten Logistik- und Speditionsleistungen wiederum die für das
Vertragsverhältnis mit der P. H. I. AG charakteristische Pflicht repräsentieren.
(b)
42
Als Grundlage für den somit nach deutschem Recht zu beurteilenden
Auskunftsanspruch der Schuldner zu 1) und 4) kommt – wie das Landgericht mit Recht
erwogen hat - der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben in Betracht, der in § 242
BGB – und im Übrigen gleichermaßen im sch. Recht (Art. 2 Abs. 1 ZBG) - verankert ist.
43
Dessen Anwendung ist nicht durch spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen aus dem
Recht des Handelsvertreters (§§ 84-92c HGB) oder Lagerhalters (§§ 688-700 BGB)
ausgeschlossen. Denn die in § 87c HGB, § 694 BGB geregelten Informationspflichten
dienen gänzlich anderen Zwecken als sie im Hinblick auf den gegen die P. H. I. AG
gerichteten Anspruch auf Auskunft über die geschäftlichen Einzelheiten des
schutzrechtsverletzenden Vertriebs zur Diskussion stehen. § 87c HGB zielt darauf ab,
dem Handelsvertreter dasjenige Wissen zu verschaffen, dass dieser benötigt, um seinen
Provisionsanspruch beziffern und gegen den Geschäftsherrn durchsetzen zu können.
Bei § 468 BGB geht es darum, den Lagerhalter über von dem Lagergut ausgehende
Gefahren zu unterrichten und geeignete Vorsichtsmaßnahmen mitzuteilen.
44
Für § 242 BGB kommt es nicht darauf an, ob bereits die Zugehörigkeit zu einem
Konzern eine anspruchsbegründende Treuepflicht hervorzubringen vermag. Denn die
Beziehungen zwischen den Schuldnern zu 1) und 4) einerseits sowie der P. H. I. AG
andererseits gehen weit über die bloße Eingliederung in denselben
Unternehmenskonzern hinaus. Wesentlich prägender als die organisatorische
Verflechtung ist für die Rechtsbeziehungen der Umstand, dass die P. H. I. AG die
Schuldnerin zu 1) mit der Vermittlung und die Schuldnerin zu 4) mit der Logistik und
Lagerhaltung für die gebrauchsmusterverletzenden Tintenpatronen beauftragt hat. Als
der eigentliche Initiator des schutzrechtsverletzenden Vertriebs hat sie damit für beide
Schuldner und deren Geschäftsführer eine Gefahr geschaffen, die sich mit deren
Verurteilung zum Schadensersatz und zur Rechnungslegung auch vorhersehbar
realisiert hat. Das Eröffnen einer Gefahrenquelle indessen ist geeignet, eine
Verpflichtung zur Abwehr drohender Schäden durch aktives Tun zu begründen. Im
deutschen Recht ist in diesem Sinne seit langem anerkannt, dass aus dem
Inverkehrbringen eines gefährlichen Produktes eine als Garantenstellung aus Ingerenz
zu qualifizierende Pflicht zur Schadensvermeidung resultiert (BGH, NJW 1987, 1009,
1010 - zur Produktbeobachtungspflicht der Vertriebsgesellschaft), wobei entsprechende
Pflichten auch zwischen Unternehmen bestehen und die Gefährlichkeit des Produktes
auch aus dessen rechtsverletzender, Ansprüche Dritter hervorrufender Beschaffenheit
resultieren kann. So hat der Verursacher die fortlaufenden Nachteile, die ein anderes
Unternehmen durch sein objektiv rechtswidriges Verhalten erleidet, aktiv zu beenden
(BGH, NJW 1978, 1377, 1378 - Fahrradgepäckträger II). Der Beistandspflicht aus Treu
und Glauben können die Schuldner nicht entgegenhalten, dass sie sich freiwillig ihrer
Geschäftsdaten zugunsten der P. H. I. AG begeben hätten und ihre Unkenntnis über den
schutzrechtsverletzenden Vertrieb deshalb nicht – wie für § 242 BGB erforderlich -
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unverschuldet sei. Allein die Tatsache, dass die Schuldnerin zu 1) als Handelsvertreter
und die Schuldnerin zu 4) als Lagerhalter für die P. H. I. AG als Geschäftsherrin tätig
waren, legt nach der Lebenserfahrung den Schluss nahe, dass die geänderte
Archivierungspraxis maßgeblich auf die P. H. I. AG – und nicht auf die ihr
nachgeordneten Schuldner – zurückgehen dürfte. Auch die Schuldner tragen keine
konkreten Umstände vor, die für einen von der Lebenserfahrung abweichenden
Sachverhalt sprechen würden. Im Gegenteil werfen sie mit Schriftsatz vom 7.05.2007 (S.
4, GA I 229) selbst die unbeantwortet gelassene Frage auf, "ob die Schuldner überhaupt
die Möglichkeit hatten, auf den relevanten Entscheidungsprozess Einfluss zu nehmen".
Abgesehen von den vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen ist zu berücksichtigen,
dass sich die Pflichten des Geschäftsherrn in dem zwischen der P. H. I. AG und der
Schuldnerin zu ) bestehenden Handelsvertreterverhältnis nicht in den im HGB
normierten Regelungen zum Provisionsanspruch erschöpfen. Vielmehr trifft den
Unternehmer ganz generell eine gesteigerte Fürsorgepflicht, die verlangt, dass er auf
die schützenswerten Belange des Handelsvertreters angemessen Rücksicht nimmt und
ihn vor Schaden bewahrt. Der Geschäftsherr hat alles zu unterlassen, was die Tätigkeit
und den Erfolg des Handelsvertreters beeinträchtigen oder ihn schädigen kann
(Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 86a Rn. 21, 30). Gegen
diese Obliegenheit hat die P. H. I. AG bereits dadurch schuldhaft verstoßen, dass sie die
Schuldnerin zu 1) in den Vertrieb der gebrauchsmusterverletzenden Tintenpatronen
einbezogen hat. Weil die P. H. I. AG damit die entscheidende Ursache dafür gesetzt hat,
dass die Schuldnerin zu 1) rechtskräftig zur Rechnungslegung verurteilt worden ist und
sich ganz erheblichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens der Gläubigerin
ausgesetzt sieht, verlangt es die sie als Geschäftsherrin treffende Fürsorgepflicht, der
Schuldnerin zu 1) nunmehr den ihr möglichen Beistand dadurch zu leisten, dass sie der
Schuldnerin zu 1) diejenigen Informationen zur Verfügung stellt, die es dieser
ermöglichen, ihrer Rechnungslegungspflicht ordnungsgemäß nachzukommen, um die
drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden.
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Mit Bezug auf die Schuldnerin zu 4) ist ersichtlich keine andere Beurteilung
gerechtfertigt. Auch sie ist von der P. H. I. AG – als Logistikunternehmen und Lagerhalter
– schuldhaft in die Gebrauchsmusterverletzung verstrickt und in der weiteren Folge der
daran anknüpfenden Zwangsvollstreckung durch die Gläubigerin ausgesetzt worden.
Aus denselben Erwägungen, mit denen eine aus dem Handelsvertreterverhältnis
fließende Fürsorgepflicht der P. H. I. AG gegenüber der Schuldnerin zu 1) als ihrer
Handelsvertreterin angenommen worden ist, ergibt sich eine inhaltsgleiche Obliegenheit
zum Beistand und zur Schadensabwendung auch im Verhältnis zur Schuldnerin zu 4)
als dem verantwortlichen Lagerhalter der P. H. I. AG.
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(c)
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Die Schuldner zu 1) und 4) benötigen die begehrten Informationen, um weiteren
Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubigerin entgehen zu können. Unstreitig besitzt
nämlich nur die P. H. I. AG diejenigen Geschäftsdaten, die erforderlich sind, um der
rechtskräftig titulierten Rechnungslegungspflicht vollständig nachkommen zu können.
Ein weiterer Schaden droht den Schuldnern zu 1) und 4) außerdem insofern, als sie im
Falle einer schuldhaft unzureichenden Auskunftserteilung Gefahr laufen, dass ihre
eigene, nur vorübergehende Archivierungspraxis als Beweisvereitelung gewertet und
der von ihnen zu leistende Schadensersatz deswegen zu ihrem Nachteil geschätzt wird.
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(d)
50
Die P. H. I. AG wird durch die Erteilung der Auskunft nicht unzumutbar belastet. Bei der
Bestimmung dessen, was von der P. H. I. AG billigerweise verlangt werden kann, darf
nicht außer Betracht bleiben, dass es gerade sie war, welche durch die Einbeziehung
der Schuldner zu 1) und 4) in ihre gebrauchsmusterverletzenden Aktivitäten deren
jetzige Lage als Vollstreckungsschuldner geschaffen hat. Allein deswegen ist es nicht
unangemessen, sondern geradezu recht und billig, der P. H. I. AG jede ihr mögliche
Mitwirkung daran aufzuerlegen, dass die schwierige Lage der Schuldner zu 1) und 4)
beseitigt wird.
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(aa)
52
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der P. H. I. AG werde auf diese
Weise die - bei einer eigenen klageweisen Inanspruchnahme durch die Gläubigerin
gegebene - Möglichkeit genommen, sich gegen den der Verurteilung zur
Rechnungslegung zugrunde liegenden Vorwurf der Gebrauchsmusterverletzung z. B.
mit einem Bestreiten des Verletzungsvorwurfs oder der Schutzfähigkeit des
Klagegebrauchsmusters zu verteidigen. Es ist schon im Ansatz zweifelhaft, ob der
Einwand überhaupt beachtlich ist, weil für den Auskunftsanspruch der Schuldner zu 1)
und 4) allein das vertragliche Innenverhältnis zur P. H. I. AG relevant ist, wobei die
daraus folgende Pflichtenlage von der schlichten Tatsache bestimmt wird, dass die
Schuldner zu 1) und 4) – zurecht oder zu Unrecht – vollstreckbar zur Rechnungslegung
wegen Gebrauchsmusterverletzung verurteilt worden sind. Letztlich bedarf diese Frage
aber keiner abschließenden Klärung. Denn während des laufenden
Verletzungsprozesses wäre es die aus der Fürsorgepflicht folgende Obliegenheit der P.
H. I. AG als Geschäftsherrin gewesen, die Schuldner zu 1) und 4) nach Kräften bei der
Rechtsverteidigung gegen die Gebrauchsmusterverletzungsklage der Gläubigerin zu
unterstützen. Wenn die P. H. I. AG diese Verantwortung nicht oder nicht hinreichend
wahrgenommen hat, kann sie im nachhinein für sich keine Rechte mit dem Argument
einfordern, der Verletzungsprozess sei falsch entschieden worden. Vorliegend gilt dies
umso mehr, als die Schuldner kein einziges Verteidigungsmittel vortragen, das von der
P. H. I. AG geltend gemacht werden und zu einer abweichenden Beurteilung der
Verletzungsfrage führen könnte.
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(bb)
54
Eine Erteilung der Auskunft durch die P. H. I. AG erscheint auch mit Rücksicht auf Art.
273 des sch. Strafgesetzbuchs nicht unzumutbar, weil der Anwendungsbereich der
besagten Strafvorschrift nicht berührt ist. Dass die offenzulegenden Daten ein die
Auskunftserteilung verbietendes gesamtsch. Geheimhaltungsinteresse zum Gegenstand
haben, ist nicht ersichtlich. Weitergehend schützt Art. 273 zwar auch das
Geheimhaltungsinteresse an den Geschäften beteiligter Dritter. Insoweit ist jedoch zu
berücksichtigen, dass es sich bei den auskunftspflichtigen Daten ausnahmslos um
Geschäftsinformationen handelt, die den deutschen Geschäftsbetrieb der Schuldner zu
1) und 4) betreffen, die in Deutschland von den Schuldnern zu 1) und 4) entfaltete
Tätigkeiten zum Inhalt haben und die ursprünglich in Deutschland angefallen sind und
hier für die auskunftspflichtigen Schuldner zu 1) und 4) auch in einer Weise verfügbar
waren, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt der Gläubigerin aus dem damals noch
gegebenen eigenen Wissen der Schuldner zu 1) und 4) hätten überlassen werden
müssen. Auf solche für das sch. Strafrecht fremden (ausländischen)
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Geschäftsinformationen ist Art. 273 nicht anzuwenden, was auch daran deutlich wird,
dass mit einer Erteilung der Auskunft von der P. H. I. AG an die Schuldner zu 1) und 4)
lediglich derjenige (Wissens-)Zustand wiederhergestellt wird, der vormals in der Person
der Schuldner zu 1) und 4) selbst bestanden hat. In der Anlage LZV 1 (S. 18), auf
welche die Schuldner vorliegend ausdrücklich Bezug nehmen, ist ganz in diesem Sinne
ausgeführt, dass durch Art. 273 des sch. Strafgesetzbuchs die wirtschaftlichen
Interessen der in der Sch. domizilierenden Unternehmen und Privatpersonen geschützt
seien. Dadurch, dass sich die P. H. I. AG Geschäftsdaten der Schuldner über deren
Aktivitäten in Deutschland übermitteln lässt und dort archiviert, handelt es sich
ersichtlich noch nicht um Geschäftsdaten der sch. P. H. I. AG.
(cc)
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Gleichermaßen unerheblich ist damit auch der Einwand der Schuldner, der P. H. I. AG
könne zum Schutz ihrer naturgemäß geheimen Geschäftsdaten (namentlich ihres
Kundenstamms) keine Offenlegung ihrer Vertriebsbeziehungen angesonnen werden,
die alsdann – vermittelt durch die Schuldner - der Gläubigerin als einer unmittelbaren
Wettbewerberin zugänglich gemacht würden. Die diesbezügliche Argumentation
verkennt, dass es im Rahmen der Auskunftspflicht ausschließlich um solche
geschäftlichen Daten geht, die es den Schuldnern erlauben, ihre eigenen
gebrauchsmusterverletzenden Aktivitäten zu rekonstruieren. Soweit zu diesem Zweck
Betriebsgeheimnisse der Schuldner (z.B. deren Kundenkreise) aufzudecken sind, ist
schon deshalb kein Raum für irgendeinen Geheimnisschutz, weil das Gesetz
Schutzrechtsverletzungen mit weitreichenden Auskunfts- und
Rechnungslegungspflichten sanktioniert. Es mag sein, dass die hiernach zu
offenbarenden Geschäftsdaten (z.B. hinsichtlich der Angebotsempfänger und der
Lieferkontakte) zugleich Interna der P. H. I. AG als Herrin der von den Schuldnern
vermittelten und abgewickelten Geschäfte darstellen. Der P. H. I. AG mag überdies
zugute gehalten werden, dass sie selbst nicht zur Rechnungslegung verurteilt ist. Dies
bedeutet aber nur, dass sie derzeit zu Angaben über eigene Betriebsinterna im
Zusammenhang mit den gebrauchsmusterverletzenden Patronen nicht gezwungen
werden kann, stellt aber nicht in Frage, dass sie die Schuldnerin bei der Ermittlung von
deren Geschäftsdaten, soweit sie der Rechnungslegungspflicht unterliegen, behilflich zu
sein hat.
57
(e)
58
Die Gläubigerin agiert schließlich auch nicht selbst treuwidrig, weil ihr ein einfacherer
Weg zur Erlangung der Geschäftsdaten dadurch zur Verfügung steht, dass sie die P. H.
I. unmittelbar wegen Gebrauchsmusterverletzung auf Rechnungslegung in Anspruch
nimmt. Angesichts ihrer bisherigen hartnäckigen Weigerung ist bereits im Tatsächlichen
mehr als fraglich, ob die Gläubigerin mit einem im Zweifel wiederum über mehrere
Instanzen zu führenden Verletzungsrechtsstreit gegen die P. H. I. AG und einer sich
daran mutmaßlich anschließenden Zwangsvollstreckung tatsächlich schneller zum Ziel
kommen könnte. Entscheidender als dieser Gesichtspunkt ist indessen, dass die
Rechnungslegungsdaten, die von den Schuldnern einerseits über ihre geschäftlichen
Aktivitäten und von der P. H. I. AG andererseits über ihre Geschäfte zu liefern sind, zwar
gewisse Überschneidungen aufweisen, jedoch kaum deckungsgleich sein werden.
Schon von daher wird die Durchsetzung von gegen die P. H. I. AG gegebenen
Auskunftsansprüchen Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldner nicht
entbehrlich machen. Darüber hinaus ist es ohnehin die freie Entscheidung des
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Schutzrechtsinhabers, welchen von mehreren Verletzern in einer "Kette" er in Anspruch
nimmt. Von daher liegt es neben der Sache, wenn die Schuldner für sich etwas daraus
herleiten wollen, dass die P. H. I. AG von der Gläubigerin nicht mit einem
Verletzungsprozess überzogen worden ist. Unabhängig davon, ob es sich hierbei um
eine bewusste Entscheidung oder ein Versäumnis handeln sollte, ändert sich nichts
daran, dass die Schuldner als rechtskräftig verurteilte Schutzrechtsverletzer über ihre
Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen und alles zu tun haben, um sich das dafür
notwendige Wissen zu verschaffen.
c)
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Neben den Schuldnern zu 1) und 4) steht auch deren ehemaligen Geschäftsführern, den
Schuldner zu 2), 3) und 5), ein Auskunftsanspruch gegen die P. H. I. AG zu. Sie haben
zwar selbst nicht in einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zu der P. H. I. AG
gestanden. Mit dem Auftrag an die Schuldner zu 1) und 4) zur Vermittlung des Verkaufs
und zur logistischen Abwicklung des Vertriebs von gebrauchsmusterverletzenden
Tintenpatronen für die P. H. I. AG war jedoch die entscheidende Ursache dafür gesetzt,
dass auch die Geschäftsführer der Schuldner zu 1) und 4) unweigerlich in eine
eigenpersönliche deliktische Haftung wegen Schutzrechtsverletzung geraten. Daran
konnte auch für die P. H. I. AG nicht der geringste Zweifel bestehen. Bei der gegebenen
Sachlage darf sich die aus dem Handelsvertreter- bzw. Lagerhaltervertrag resultierende
Fürsorgepflicht nicht auf die Schuldner zu 1) und 4) beschränken, sondern muss – im
erkennbaren Interesse der vertraglich mit der P. H. I. verbundenen Schuldner zu 1) und
4) - auch deren Geschäftsführer als notwendig Mitbetroffene einbeziehen. Zumindest
schafft die der P. H. I. AG zur Last zu legende Verleitung der Schuldner zu 2), 3) und 5)
zur Gebrauchsmusterverletzung eine schuldrechtliche Sonderbeziehung, die in
prinzipiell gleicher Weise wie ein Vertragsverhältnis Beistandspflichten zugunsten
desjenigen hervorruft, der aus Anlass der fremdgesteuerten Deliktshandlung mit
rechtlichen Nachteilen bedroht ist.
61
2.
62
Angesichts der nachhaltigen Weigerung der Schuldner, sich um eine auch nur
annähernd vollständige Rechnungslegung zu bemühen, begegnet das vom Landgericht
gegen die Schuldner zu 1), 2) und 4) verhängte Zwangsgeld von jeweils 15.000,- Euro
keinen Bedenken. Dasselbe Zwangsgeld ist dementsprechend auch gegen die
Schuldner zu 3) und 5) festzusetzen. Für den Fall, dass die Schuldner in der Zukunft
weiterhin keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen sollten, sich dasjenige Wissen
zu beschaffen, dass ihnen die der Gläubigerin geschuldeten Auskünfte ermöglicht, weist
der Senat darauf hin, dass das Landgericht die Verhängung von Zwangshaft ernsthaft in
Betracht zu ziehen haben wird.
63
3.
64
Für eine Abwendungsbefugnis besteht an sich zum jetzigen Zeitpunkt keine
Veranlassung mehr. Dem Senat ist bekannt, dass die Schuldner inzwischen von beiden
Patentstreitkammern des Landgerichts Düsseldorf mit Zwangsgeldern belegt worden
sind, weil sie es versäumt haben, die P. H. I. AG in der gebotenen Weise zu einer
Mitwirkung bei der Rechnungslegung gegenüber der Gläubigerin heranzuziehen.
Nachdem die Schuldner vorliegend gleichwohl untätig geblieben sind und sie auch
keinen Anspruch darauf haben, mit den ihnen möglichen und zumutbaren Maßnahmen
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der Rechtsverfolgung zu warten, bis die Frage einer klageweisen Inanspruchnahme der
P. H. I. AG rechtskräftig geklärt ist, wäre es sachgerecht, die Vollziehung der
festgesetzten Zwangsgelder keinen weiteren Einschränkungen zu unterwerfen. Dass
sie gleichwohl geboten sind, erklärt sich aus dem Umstand, dass der Senat in anderer
Besetzung aus jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Gründen am 30. November 2006 die
Vollziehung der landgerichtlichen Zwangsgeldbeschlüsse einstweilen eingestellt hat,
nachdem die Schuldner zu 1), 2) und 4) geltend gemacht hatten, ihnen sei eine
Klageerhebung gegen die P. H. I. AG nicht zumutbar, solange die Frage, ob eine
Verpflichtung hierzu bestehe, nicht endgültig entschieden sei. In diesem Vertrauen auf
die offenbar vorläufige Beurteilung der Rechtslage durch das Beschwerdegericht dürfen
die Schuldner im nachhinein nicht enttäuscht werden. Allerdings ist die
Abwendungsbefugnis nicht dahin misszuverstehen, dass es mit der bloßen
Klageeinreichung gegen die P. H. I. AG sein Bewenden haben darf. Der
Vollziehungsaufschub gilt nur solange wie die Schuldner das Auskunftsverfahren
einschließlich eines etwaigen anschließenden Vollstreckungsverfahrens zügig
betreiben.
III.
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Die Kostenentscheidungen in den jeweils selbständigen Zwangsmittelverfahren folgen
aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
67
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 ZPO zugelassen, da dies im
Hinblick auf das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Frage der
gerichtlichen Inanspruchnahme eines Dritten und zur Frage der Wissenszurechnung bei
Beugemitteln als zur Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
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