Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.02.2010
OLG Düsseldorf (patg, patent, inhaber, wirksamkeit, vereinbarung, schaden, abtretung, ersatz, registerauszug, vollmacht)
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 87/04
Datum:
25.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-2 U 87/04
Tenor:
Im Anschluss an die Erörterungen im Verhandlungstermin werden die
Parteien auf Folgendes hingewiesen:
1.
Hinsichtlich der Frage der Aktivlegitimation geht der Senat nunmehr von
folgenden Rechtsgrundsätzen aus:
Die Eintragung in der Patentrolle legitimiert den eingetragenen
Patentinhaber als den Berechtigten, und zwar auch für den
Verletzungsprozess (vgl. Senat, Mitt. 1998, 153, 155 – Kartoffelsorte C.;
Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 30 PatG Rdnr. 20; Benkard/Schäfers,
PatG/GebrMG,10. Aufl., § 30 PatG Rdnr. 8a; Rogge, GRUR 1985, 734,
736 m. w. Nachw.).
Wird das Klagepatent – wie hier – übertragen, so entscheidet gemäß §
30 Abs. 3 Satz 2 PatG der Rollenstand des Patentregisters darüber, wer
prozessführungsbefugt ist: Solange die Umschreibung auf den neuen
Inhaber nicht erfolgt ist, können Ansprüche wegen Patentbenutzung nur
von dem noch eingetragenen Altinhaber geltend gemacht werden, selbst
wenn dieser (wegen der Wirksamkeit der Patentübertragung)
materiellrechtlich nicht mehr Inhaber des Klageschutzrechts ist. Ist
andererseits – wie hier – die Umschreibung erfolgt, so ist
prozessführungsbefugt allein der neu eingetragene Erwerber, und zwar
unabhängig davon, ob er tatsächlich materiellrechtlich Inhaber des
Patents geworden ist oder nicht. Grund für diese an den schlichten
Rollenstand anknüpfende Legitimation ist die Überlegung, dass die
Patentbehörden und -gerichte von der ggf. aufwändigen Prüfung der
materiellen Rechtslage hinsichtlich der Patentinhaberschaft enthoben
sein und sich an der ebenso einfach wie verlässlich feststellbaren
Eintragung im Patentregister orientieren sollen. Wird ein Unterlassungs-,
Auskunfts-, Rückruf- oder Vernichtungsanspruch geltend gemacht, kann
deshalb die Wirksamkeit der materiellen Übertragung auf sich beruhen,
weil es für die Klageberechtigung ohnedies nur auf den formellen
Rollenstand ankommt (vgl. insoweit auch Kühnen/Geschke, Die
Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rdnr. 525).
Die Maßgeblichkeit des Registerstandes gilt aber auch für den
Schadenersatz- und Entschädigungsanspruch. Demgemäß hat der
Senat bereits in der zum Sortenschutzrecht ergangenen Entscheidung
„Kartoffelsorte C.“ (Mitt. 1998, 153, 155) nicht zwischen einzelnen
Anspruchsarten differenziert, sondern den eingetragenen
Sortenschutzinhaber auch zur Geltendmachung der miteingeklagten
Schadenersatzansprüche für berechtigt gehalten. Übergreift der
ersatzpflichtige Zeitraum so¬wohl die Periode, in der der Veräußerer
materieller Inhaber und/oder in der Rolle eingetragen war, als auch
diejenige Periode, in der der Erwerber materieller Inhaber und/oder in
der Rolle eingetragen war, ist Schadenersatzantrag darauf zu richten,
dass in Bezug auf Benutzungs¬handlungen während des erstgenannten
Zeitraumes der Schaden des Veräußerers und in Bezug auf
Benutzungshandlungen während des letztgenannten Zeitraumes der
Schaden des Erwerbers zu ersetzen ist. Damit der zu ersetzende
Schaden „personalisiert“ werden kann, muss die materielle Übertragung,
d.h. ihre Wirksamkeit und ihr Zeitpunkt, nicht aufgeklärt werden. § 30
Abs. 3 Satz 2 PatG hat zwar keinen Einfluss auf die materielle
Rechtslage am Patent. Die Vorschrift regelt andererseits aber auch nicht
bloß eine Legitimationsvermutung. Sie bestimmt vielmehr abschließend
und unwiderleglich, wer im Verletzungsprozess berechtigt ist, Ansprüche
wegen Patentbenutzung geltend zu machen. Indem § 30 Abs. 3 Satz 2
PatG als Berechtigten den in der Rolle Eingetragenen vorsieht, nimmt
das Gesetz bewusst in Kauf, dass die Ansprüche von einer Person
verfolgt werden, die materiell¬rechtlich überhaupt nicht
Anspruchsinhaber ist. Für diesen Fall regelt § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG
also eine gesetzliche Prozessstandschaft dahingehend, dass der
Eingetragene objektiv fremde Ansprüche (nämlich die des materiell
tatsächlich Berechtigten) im eigenen Namen (d.h. auf Leistung an sich)
einklagen kann - und muss. Damit der Verletzungsprozess von einer
unerwünschten Aufklärung der materiellen Rechtslage am Klagepatent
befreit bleibt, muss der Rollenstand, soweit es um
Schadenersatz¬an¬sprüche geht, nicht nur darüber entscheiden, wer die
Forderungen einklagen kann. Der Registerstand muss darüber hinaus
auch festlegen, mit welchem Inhalt die Ansprüche geltend gemacht
werden können, d.h. wessen Schaden zu ersetzen und wessen
Entreicherung auszugleichen ist. Anderenfalls wäre allein für diesen
Teilaspekt des Schadenersatzan¬spruchs eine ggf. mühselige und
schwierige Rechtsaufklärung zu leisten, von der § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG
gerade suspen¬die¬ren will. Der in der Rolle als Patentinhaber
Eingetragene ist daher aufgrund seiner Registereintragung befugt,
Ersatz seines Schadens zu verlangen, die durch
Benutzungshandlungen eingetreten sind, welche seit seiner
Rolleneintragung vorgefallen sind. Bei einer etwaigen Unwirksamkeit
der Patentübertragung agiert er dabei in gesetzlicher
Prozessstandschaft für den materiell Berechtigten.
Ersatz desjenigen Schadens, der durch Benutzungshandlungen
während der Rolleneintragung des Voreingetragenen entstanden sind,
kann – entsprechend dem für die betreffende Zeitspanne gegebenen
Registerstand – der Voreingetragene geltend machen. Ihm bleibt es
freilich überlassen, seine Schadenersatzansprüche abzutreten, womit
ein Dritter (z. B. der aktuell eingetragene Patentinhaber) klageberechtigt
wird. Vom Verletzungsgericht ist in einem solchen – hier vorliegenden –
Fall dann die Wirksamkeit der Abtretung zu verifizieren.
Weil sich der Ausspruch zur Schadenersatzhaftung strikt nach dem
Rollenstand richtet, ist nicht nur ein Bestreiten der materiellen
Rechtslage durch den Verletzungsbeklagten unerheblich; auch der
eingetragene oder eingetragen gewesene Kläger selbst kann sich nicht
darauf berufen, dass er bereits vor der Umschreibung materiellrecht¬lich
Inhaber des Patents geworden sei und deshalb schon im Hinblick auf
vor dem Umschreibungstag begangene Verletzungshandlungen die
Verpflichtung zum Ersatz seines Schadens (und nicht des Schadens des
Voreingetragenen) festzustellen sei.
Gleiches gilt im Ergebnis für den Entschädigungsanspruch.
Besondere Probleme treten auf, wenn Ansprüche aus dem Patent im
Zuge einer ausländischen (z. B. gesellschaftrechtlichen) Transaktion
übertragen worden sind. Unterliegt das diesbezügliche Rechtsgeschäft
den Regeln einer ausländischen Rechtsordnung (weil die beteiligten
Parteien dies so vereinbart haben oder weil das IPR entsprechende
Vorgaben macht), so hat das deutsche Verletzungsgericht sich unter
Anwendung des einschlägigen ausländischen Rechts (§ 293 ZPO)
Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der abgetretene Anspruch
rechtswirksam übergegangen ist. Zwar kann dies im Freibeweis erfolgen
und darf das Gericht auch die Parteien zur Ermittlung der ausländischen
Rechtsnormen und ihrer Auslegung durch die dortige Rechtsprechung
heranziehen. In jedem Fall muss sich das Gericht aber von Amts wegen
die notwendigen Kenntnisse über das anzuwendende ausländische
Recht verschaffen. Es gelten weder Beweislasten noch entbindet ein
Unstreitiglassen des Vortrages einer Partei durch die andere von der
Pflicht zur Amtsermittlung. Ein übereinstimmender rechtlicher Vortrag der
Parteien kann nur dann ohne weitergehende eigene Aufklärung
hingenommen werden, wenn er auf einer erkennbar gesicherten
Grundlage erfolgt und plausibel ist, was sich tendenziell umso eher
feststellen lassen wird, je näher die fragliche Rechtsordnung dem
deutschen Recht ist (vgl. hierzu im Einzelnen Kühnen/Geschke, a.a.O.,
Rdnr. 527).
Entsprechendes gilt bei einer Vereinbarung über die Abtretung von
Schadensersatzansprüchen, für die die Vertragsparteien die
Anwendbarkeit ausländischen Rechts vereinbart haben.
2.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze gilt im Streitfall Folgendes:
Die Klägerin ist unstreitig als neue Inhaberin der Klagepatente in der
Patentrolle eingetragen, und zwar seit dem 21. Juni 2002. Als in der
Rolle als Patentinhaberin Eingetragene ist sie damit befugt, Ersatz ihres
eigenen Schadens zu verlangen, der durch Benutzungshandlungen
eingetreten ist, welche seit Veröffentlichung der Patenterteilung am
02.10.2002 zzgl. einer Überprüfungsfrist von 1 Monat stattgefunden
haben. Außerdem steht ihr Entschädigung für die Zeit zwischen der
Rolleneintragung und dem 01.10.2002 zu. Auf die Wirksamkeit der
Patentübertragung kommt es insoweit nicht an.
Für die Zeit vor der Rollenumschreibung kommt nur ein
Entschädigungsanspruch und zwar ein solcher aus abgetretenem Recht
in Betracht, welcher in der Person der U. . entstanden ist.
Eine wirksame Abtretung vermag der Senat derzeit allerdings nicht
festzustellen.
Die Klägerin beruft sich insofern auf das in zweiter Instanz allein auf
Englisch vorgelegten „ASSIGNMENT OF PATENT APPLICATIONS IN
THE EUROPEAN PATENT OFFICE“ vom 20. Dezember 2001, welches
zwischen der U. und der U.. einerseits und der Klägerin andererseits
abgeschlossen worden ist und mit der Vereinbarung vom 21. Mai 2002
(„PATENT ASSIGNMENT OF PATENTS UNDER OPPOSITION AT“)
wortgleich ist. Der zur Gerichtsakte gereichten Übersetzung letzterer ist
zu entnehmen, dass sie die Übertragung der Klagepatente zum
Gegenstand hat und auch eine Abtretung von Schadensersatz- und
Entschädigungsansprüchen enthält. In Ziffer 1 der Vereinbarung heißt es
am Ende ausdrücklich, dass die Übertragung sämtliche Rechte (und
damit Ansprüche), insbesondere Schadensersatz, in Bezug auf jede
Patentverletzung, die vor Abschluss dieser Übertragung erfolgte,
umfasst.
Für die Klägerin ist die in Rede stehende Vereinbarung von P. T. H.
unterschrieben worden. Dieser soll am 20. Dezember 2001 um 10.00
Uhr von den Herren .O. und W. ermächtigt worden sein, die Klägerin
alleine bei der Übertragung sämtlicher Schutzrechte im Rahmen des
Unternehmenskaufes zu vertreten.
Für die U.. wurde die Vereinbarung von R. H. unterzeichnet. Ausweislich
der nunmehr von der Klägerin überreichten Vollmacht vom 5. Oktober
2002 war diesem für die Dauer eines Jahres eine unwiderrufliche
Vollmacht betreffend Schutzrechtsübertragungen von der U. . erteilt
worden. Die besagte Vollmachtsurkunde wurde für die U. N.V von den
Herren G. D. und W. G. M. M. unterzeichnet. Ausweislich des von der
Klägerin ferner vorgelegten niederländischen Registerauszuges ist
Dijkstra „Holder of power of attorney for signature“, d. h. „Inhaber einer
Unterschriftsvollmacht". Nach dem Vortrag der Klägerin war er dies auch
bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, wofür die
Datumsangabe „01-05-1983“ im Registerauszug spricht. Nach dem
überreichten Registerauszug ist Dijkstra allerdings nur
„Prokuratiehouder (b)“ und hat er lediglich „Restricted power of attorney“,
was auf eine eingeschränkte Vollmacht hindeutet. Welche
Vertretungsmacht ein „Holder of power of attorney for signature“ als
„Prokuratiehouder (b)“ mit „Restricted power of attorney“ nach
niederländischem Recht hat, ist dem Senat nicht bekannt.
M. soll nach dem Vortrag der Klägerin als damaliger Leiter der
Patentabteilung von U. N.V. „gleichermaßen“ wie Dijkstra bevollmächtigt
gewesen sein, weshalb insoweit die gleichen Bedenken bestehen,
zumal sich ein Eintrag betreffend Mulders in dem vorgelegten
Registerauszug nicht findet.
Letztlich unterliegt das vorgelegte „ASSIGNMENT OF PATENT
APPLICATIONS IN THE EUROPEAN PATENT OFFICE“ gemäß seiner
Ziffer III auch englischem Recht. Die Wirksamkeit dieser Übertragungs-
und Abtretungsvereinbarung beurteilt sich damit nach englischem Recht.
Welche Anforderungen nach englischem Recht an die Wirksamkeit einer
Übertragung von Rechten aus einem Patent zu stellen sind, ist dem
Senat ebenfalls nicht bekannt.
II.
Die Parteien erhalten wie folgt Gelegenheit zur Stellungnahme zu den
vorstehenden Hinweisen:
Zunächst kann die Klägerin bis zum 12. April 2010 zu den vorstehenden
Hinweisen Stellung nehmen und ihren Vortrag ggf. ergänzen.
Hiernach erhalten die Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den
vorstehenden Hinweisen sowie einem etwaigen ergänzenden Vortrag
der Klägerin bis zum 17. Mai 2010.
IV.
Weitere Anordnungen ergehen von Amts wegen.
F. Dr. B S.
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