Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.09.2004
OLG Düsseldorf: wiederholungsgefahr, elektronische post, werbung, adresse, vertragsstrafe, einwilligung, versprechen, aufwand, form, eingriff
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 41/04
Datum:
22.09.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 41/04
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Februar 2004 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - 12 O 384/03 -
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwider-handlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von
bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
oder Ordnungs-haft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, E-Mails zum
Zwecke der Werbung ohne Aufforderung oder ohne Einverständnis des
Klägers an diesen unter der E-Mail-Adresse xyz@xxxx.de zu richten.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
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Der Kläger ist Inhaber der Domain "xyz.de" und Nutzer der E-Mail-Adresse
"xyz@xxxx.de". Am 01.07.2003, 12.38 Uhr, erhielt der Kläger von der Beklagten eine
Werbe-E-Mail mit dem aus Anlage K 1 zur Klageschrift ersichtlichen Inhalt. Diese Mail
war gleichzeitig an eine Vielzahl von Rechtsanwälten und Steuerberatern versandt
worden. Angeboten wurde zum Jahrespreis von 60,00 EUR die Bereitstellung von
sogenannten Mandantenbriefen, die auf dem Briefpapier des jeweiligen Rechtsanwalts
oder Steuerberaters ausgedruckt und sodann zur Pflege der Beziehung an Mandanten
verschickt werden konnten. Am 02.07.2003 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf; ferner sollte sich die Beklagte auch
zur Erstattung der angefallenen auf einen Streitwert von 6.000,00 EUR berechneten
Anwaltskosten bereit erklären. Die Beklagte gab die geforderte Erklärung nicht ab,
sandte dem Kläger aber auch keine weiteren E-Mails zu.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch nach §§
3
823 Abs. 1, 1004 BGB auf Unterlassung der Zusendung weiterer Werbemails.
Er hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten zu unterlassen, E-Mails zum Zwecke der Werbung ohne
Aufforderung oder ohne Einverständnis des Klägers an diesen unter der E-Mail-
Adresse xyz@xxxx.de zu richten.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, der Kläger könne sich nur selbst in die Verteilerliste der E-
mails eingetragen haben. Dazu hat sie angegeben, der genaue Vorgang könne bei
derzeit 70.000 E-Mail-Adressen im Verteiler nicht mehr rekonstruiert werden, weil der
Eintragungsvorgang spätestens nach vier Wochen gelöscht werde.
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Die Beklagte meint, dass mangels Eingriffes in das Schutzrecht des eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebs sowie mangels Gefahr der Wiederholung der Zusendung
einer E-Mail ein Anspruch des Klägers nicht bestehe.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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Es hat die Auffassung vertreten, die Zusendung der unverlangten E-Mail habe zwar in
das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen,
jedoch scheitere ein Unterlassungsanspruch des Klägers an der fehlenden konkreten
Wiederholungsgefahr. Zwar vermöge in der Regel die vorangegangene
Verletzungshandlung bereits eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der
Wiederholungsgefahr aufzustellen, an deren Widerlegung grundsätzlich hohe
Anforderungen zu stellen seien. Das bloße Versprechen, die störende Handlung nicht
mehr vorzunehmen, räume die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht aus. Vorliegend
sei jedoch eine auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer
Störungen nicht ersichtlich. Die Beklagte habe den Kläger aus dem Verteiler
genommen, der Kläger habe in der Folge keine weiteren E-Mails mehr erhalten.
Überdies sei die konkret verursachte Beeinträchtigung lediglich geringfügig.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Hinsichtlich der Beurteilung der
Wiederholungsgefahr stehe das Urteil des Landgerichts im Widerspruch zu der
Rechtsprechung der Obergerichte. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich, so meint der
Kläger, bereits daraus, dass die Beklagte die geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe.
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Der Kläger beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie meint, bereits der Zeitablauf spreche gegen das Vorliegen der
Wiederholungsgefahr.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II.
19
1.
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Die Berufung ist zulässig. Im Besonderen übersteigt die Beschwer des Klägers 600,00
EUR (§ 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO).
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Maßgebend für die Bemessung der Beschwer ist das Interesse des Klägers an der
Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Dabei ist eine wirtschaftliche
Betrachtungsweise geboten (Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 24. Aufl. § 511 ZPO Rdnr.
13 m.w.N.). Die Rechtsprechung zur Bewertung des Wertes von auf Unterlassung
unerwünschter E-Mail-Werbung gerichteter Klagen ist uneinheitlich. Soweit ersichtlich
ist bislang selbst in Verfahren über den Erlass einstweiliger Verfügungen in keinem Fall
eine Beschwer unterhalb der durch § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO gezogenen Schwelle
angenommen worden. Die festgesetzten Streitwerte bewegen sich vielmehr in einer
Bandbreite zwischen 2.000,00 DM (OLGR Celle 2002, 48) und 15.000,00 DM (KG MMR
2003, 110).
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Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht Rostock im Fall der Verurteilung eines
Verfügungsbeklagten dessen Beschwer mit 250,00 EUR angesetzt hat (LG Rostock,
MMR 2003, 595). Es ging dort - ganz anders als hier - um die Bemessung der Beschwer
des Verfügungsbeklagten. Das Landgericht Rostock hat bei der Bemessung von dessen
Beschwer den Aufwand für die von ihm zu leistende Arbeit zur Sicherstellung künftiger
Unterlassung zugrunde gelegt und diesen Aufwand mit 250,00 EUR beziffert.
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2.
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Die Berufung ist auch begründet.
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a) Das Landgericht hat allerdings die streitige E-Mail zu Recht als rechtswidrigen
Eingriff in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
qualifiziert. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden und sorgfältig begründeten
Ausführungen des Ersturteils und merkt lediglich Folgendes ergänzend an:
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Die bislang in der Rechtsprechung vorgenommene Bewertung bereits der Übersendung
einer einzigen Werbenachricht als unterlassungsrelevanter Eingriff in die Rechte des
Empfängers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (OLG München MMR
2004, 324 ff. ) findet ihre Bestätigung jetzt auch in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der seit
8.7.2004 geltenden Fassung )dazu Köhler, NJW 2004, 2121, 2125). Diese Vorschrift
brandmarkt ausdrücklich Werbung mit elektronischer Post unter Umsetzung von Art. 13
der Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG als unzumutbare Belästigung, soweit eine
Einwilligung des Adressaten nicht vorliegt oder der Werbende die E-Mail-Adresse eines
Kunden nicht im Zusammenhang mit dem Kauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten
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hat und er sie deshalb unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch für die
Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen nutzen darf (§ 7 Abs. 3
UWG). Eine Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmern als Adressaten
findet nicht statt.
Aus der Formulierung des § 7 Abs. 2 Ziffer 3 UWG ergibt sich die auch vom Landgericht
angenommene Darlegungs- und Beweislast des Werbenden für das Vorliegen einer
Einwilligung des Adressaten. Diese kann sich, liegt sie nicht in ausdrücklicher Form vor,
nur aus konkreten Umständen ergeben. Das nur potentielle, von der Beklagten vor der
Versendung der E-Mail nicht weiter hinterfragte Interesse des Klägers reicht zur
Begründung derartiger konkreter Umstände nicht aus.
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Die nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb fehlende Klagebefugnis des
durch die elektronische Post als Empfänger Betroffenen - das UWG sieht weiterhin nur
die Klagebefugnis von Mitbewerbern des Werbenden sowie von Verbänden vor (§ 8
Abs. 3 UWG) - erfordert hier den Rückgriff auf das durch die Rechtsprechung
entwickelte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
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Dabei wird nicht verkannt, dass eine einzelne unerwünschte Werbe-E-Mail den Grad
bloßer Belästigung nicht überschreiten mag. Der Anteil von Werbe-E-Mails lag weltweit
jedoch etwa im Februar 2004 nach einer Studie bei 62% des gesamten E-Mail-Verkehrs
(Heidrich, Anmerkung zu OLG München, MMR 2004, 324, 325). Hieraus erhellt sich
ohne weiteres, dass die einzelne Werbe-E-Mail nicht isoliert betrachtet werden darf,
sondern als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spamming
aufzufassen ist. Die erwähnte Datenschutzrichtlinie liefe im Übrigen, wäre den durch
den Empfang von Werbe-E-Mails betroffenen Unternehmen die Berufung auf das Recht
am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder betroffenen Verbrauchern die
Berufung auf das Persönlichkeitsrecht versagt, leer. Die Betroffenen müssten
ohnmächtig abwarten, ob Mitbewerber oder Verbände, abhängig von deren jeweiligen
Interessen, tätig werden.
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Art. 12 GG steht der Bewertung des Eingriffs als rechtswidrig nicht entgegen. Die
Untersagung der E-Mail-Werbung versagt der Beklagten nicht ihr Gewerbe, nämlich
Erstellung und Verkauf von Mandantenbriefen. Nur eine bestimmte Form der Werbung
hierfür ist von der Untersagung betroffen.
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b) Der Auffassung des Landgerichts, der Unterlassungsanspruch des Klägers scheitere
an der fehlenden konkreten Wiederholungsgefahr, ist jedoch nicht zu folgen.
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Die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet in der Regel die
tatsächliche Vermutung für die vom Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB vorausgesetzte Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1986, 2503, 2504). An die
Widerlegung dieser Gefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen
(Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1004 BGB, Rn. 32 m.w.N.). Das bloße
Versprechen, die störende Handlung nicht zu wiederholen, kann die
Wiederholungsgefahr nur ausräumen, wenn es in Verbindung mit einer Vertragsstrafe
erklärt wird (BGH NJW 1989, 902, 904; BayObLGZ 1995, 174; Palandt/Bassenge, BGB,
63. Aufl., § 1004 BGB, Rn. 32).
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Die Beklagte gab die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht
ab. Es kann nur vermutet werden, dass diese Entscheidung der Beklagten ihren Grund
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auch darin hatte, dass ihr, der Beklagten, die vom Kläger in der vorformulierten
"Unterlassungs/Verpflichtungserklärung" eingefügte Vertragsstrafe von 6.000,00 EUR
als zu hoch erschien oder sie fürchtete, die vom Kläger gleichzeitig mit dem
Erklärungsentwurf übersandte Honorarrechnung durch Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung gleichsam anzuerkennen. Die Beklagte hätte eine
unangemessen hohe Vertragsstrafe jedoch ohne weiteres nach unten korrigieren und
das Vertragsstrafeversprechen außerdem unter Verwahrung gegen die Kostenlast aus
der Honorarrechnung abgeben können.
3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Ziffer 10, 711, 108 ZPO.
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Ein begründeter Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 543 Abs. 2 Satz
1 ZPO).
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Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
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