Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.05.2008
OLG Düsseldorf: gebäude, dingliche einigung, grundstück, eigentumsübergang, besitz, vermieter, mietvertrag, beendigung, verzicht, unterlassen
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 189/07
Datum:
06.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 189/07
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 7 O 374/06
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen. Den Klägern wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen
zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
1
Die Berufung der Kläger hat keine Aussicht auf Erfolg und wird deshalb zurückzuweisen
sein.
2
I.
3
Das landgerichtliche Urteil ist richtig. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass
eine Verpflichtung der Beklagten zum Abriss der Gebäude auf dem Grundstück W-Str.
139 in S. nicht besteht, weshalb sie auch zur Tragung der damit verbundenen Kosten
nicht verpflichtet ist.
4
Der Senat folgt den Ausführungen des angefochtenen Urteils, worauf zur Vermeidung
von Wiederholungen auch Bezug genommen wird. Das Vorbringen der Kläger in der
Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
5
Die Beklagte war nicht Eigentümerin der von der S. AG im Anschluss an den Mietvertrag
vom 16. Juli/04. August 1958 auf dem Mietgrundstück errichteten Gebäude und sie ist
auch nicht aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zum Abriss der Gebäude verpflichtet.
6
1.
7
Eigentümer der Gebäude waren die Kläger geworden. Die in § 6 der Mietverträge vom
16.07./04.August 1958 und vom 18. Dezember 1979 / 02. September 1980 mit der S. AG
getroffene Regelung, dass die Baulichkeiten nur zu einem vorübergehenden Zweck für
die Dauer des Mietverhältnisses errichtet werden sollten, im Eigentum der S. AG stehen
und nach Beendigung des Mietverhältnisses beseitigt werden müssen, führte zunächst
dazu, dass die Gebäude nur Scheinbestandteile des Grundstücks gemäß § 95 Abs. 1
BGB geworden waren. Trotz ihrer festen Verbindung mit dem Grundstück können auch
vom Mieter errichtete Gebäude nur Scheinbestandteile darstellen (vgl. BGHZ 92, 70;
8
BGH NJW 1996, 916; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 95 Rn. 3).
Wesentlicher Bestandteil des Grundstücks der Kläger wurden die Gebäude indes,
nachdem der Mietvertrag mit der S. AG zum 31. Dezember 1987 beendet wurde und die
Kläger, dieser Beendigung zeitlich vorgelagert, gegenüber der S. AG durch ihre
schriftlichen Erklärungen vom 29. Mai 1987 und vom 29. Juli 1987 auf den Abriss der
Gebäude verzichtet hatten. Zwar hatte diese Entbindung nicht ohne Weiteres zur Folge,
dass die S. AG die Gebäude nicht gleichwohl hätte beseitigen können, da der Wegfall
ihrer Pflicht zum Abriss nicht automatisch auch den Wegfall ihres Rechts zur Wegnahme
aus § 547 a Abs. 1 BGB a.F. = § 539 Abs. 2 BGB nach sich zog. Indes liegt in dem
Verzicht der Kläger und dem Unterlassen der S. AG, den Abriss vorzunehmen, eine
stillschweigende Einigung über den Eigentumsübergang an den Gebäuden gemäß §
929 BGB (vgl. hierzu BGHZ 23, 57; BGH NJW 1987, 774;
Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O., § 95 Rn. 4). Anders vermag der insoweit
unstreitige Ablauf des Geschehens nicht beurteilt zu werden, zumal nicht ersichtlich ist,
wem die S. AG die Gebäude ansonsten hätte übereignen wollen. Mit der Übereignung
wurde vielmehr die vom Gesetz in § 946 BGB vorgesehene Rechtsfolge erreicht, dass
nämlich die auf einem Grundstück befindlichen Gebäude im Eigentum des
Grundstückseigentümers stehen. Für eine Übereignung an die Beklagte ist dagegen
nichts ersichtlich.
9
Die Würdigung der Kläger, die Entbindung der S. AG von der Abrissverpflichtung stelle
eine "Weisung" von ihnen an diese dar, "den Abriss zu unterlassen" und es lägen keine
"übereinstimmenden Erklärungen der Parteien dieses Mietvertrages" vor, ist rechtsirrig.
Vielmehr haben die Kläger gegenüber der S. AG schriftlich auf ihr Recht, einen Abriss
verlangen zu können, verzichtet. Das darin liegende Angebot zur Abänderung des
Mietvertrages wurde von der S. AG konkludent angenommen, indem sie auf einen
Abriss verzichtete. Der formlosen Annahme steht § 12 des Mietvertrages vom 16. Juli /
04. August 1958 nicht entgegen; denn die Parteien dieses Mietvertrages haben das
Formerfordernis durch diese Handhabung stillschweigend aufgehoben. Dieses ist stets
anzunehmen, wenn - wie hier - die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen
Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben (BGH NJW 1962, 1908; WM 1982, 902;
Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O., § 125 Rn. 14 m.w.N.). Im Übrigen wurde das so
Vereinbarte in der Folgezeit unbeanstandet entsprechend gehandhabt. Die Kläger
haben sich seit 1987 zu keinem Zeitpunkt gegenüber der S. AG darauf berufen, dass
deren Zustimmung zum Verzicht auf die Abrissverpflichtung nicht schriftlich erklärt
worden sei. Es besteht deshalb auch eine tatsächliche Vermutung für den Abschluss
des Änderungsvertrages (vgl. hierzu BGH LM § 305 Nr. 17, HGB 105 Nr. 22; OLG
Frankfurt MDR 1981, 498; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O., § 125 Rn. 14 a).
10
Dass zwischen der Beklagten und der S. AG Absprachen über einen
Eigentumsübergang der Gebäude auf die Beklagte getroffen wurden, legen die Kläger
nicht substantiiert dar und es ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre naheliegend,
dass die S. AG die Kläger als Grundstückseigentümer darüber informiert hätte, wenn sie
der Beklagten die Gebäude übereignet hätte. Solches ist unstreitig nicht erfolgt.
11
Der Umstand, dass der Ehemann der Beklagten als Architekt für die S. AG tätig war und
die Erklärungen vom 29. Mai 1987 und vom 29. Juli 1987 vorbereitet hat, besagt nichts
anderes. Es war für die S. AG vorteilhaft, von ihrer Abrissverpflichtung befreit zu werden;
denn sie hätte die mit dem Abbruch zusammenhängenden Kosten tragen müssen. Für
die Kläger war der Eigentumsübergang der Gebäude (jedenfalls zunächst) ebenfalls
12
vorteilhaft. Denn sie erhielten entschädigungslos einen Wertzuwachs für ihr Grundstück
und hatten mit der Beklagten eine Mieterin gefunden, die diese Gebäude nutzen wollte.
Es ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, dass die Beklagte die Mietfläche nicht
persönlich bewirtschaftet hat, sondern diese untervermietete. Auch die Differenz
zwischen dem von der Beklagten gezahlten Mietzins und den von ihr als
Untervermieterin erzielten Mieteinnahmen besagt nichts über die Eigentumsverhältnisse
an den Gebäuden.
Bei Abgabe der Erklärungen im Jahr 1987 dürfte zudem unklar gewesen sein, ob für die
Gebäude nach dem Ende des Mietvertrages mit der Beklagten zum zunächst
vorgesehenen Termin zum 31. Dezember 1996 (unter dem 19. / 31. Dezember 1996
erfolgte dann eine Verlängerung bis zum 31. Dezember 2006) nicht auch weiterhin
Verwendung bestand. Es war 1987 wohl nicht auszuschließen, dass eventuell ein der
Beklagten nachfolgender Mieter die Gebäude weiterhin nutzte. Auch dies deutet darauf
hin, dass es für die Kläger im Jahr 1987 durchaus vorteilhaft war, die Gebäude zu
Eigentum zu erhalten.
13
Ohne Belang ist auch, dass die Beklagte auf dem Bestandsplan als Eigentümerin der
Gebäude aufgeführt wird. Aus dieser Angabe gegenüber einer Behörde kann kein
Rückschluss auf eine dingliche Einigung zwischen der S. AG und der Beklagten
gezogen werden.
14
2.
15
Für eine Eigentümerstellung der Klägerin spricht auch der Umstand, dass sie dauerhaft
zum Besitz der Gebäude berechtigt sind. Denn die Kläger konnten der S. AG als
ausgezogener Mieterin ab 01. Juli 1988 die Verjährung des Wegnahmerechts nach §
558 BGB a.F. = § 548 Abs. 2 BGB als dauernde Einrede entgegenhalten (vgl. BGHZ 81,
146 (151); Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, V. B Rn. 271 f.).
Wird das Wegnahmerecht nach Rückgabe der Mietsache nicht ausgeübt, führt dies
dazu, dass der Vermieter zum Besitz der Einrichtungen berechtigt ist. Dieses Recht
kann er auch einem Erwerber der Einrichtungen als Einrede entgegenhalten (BGHZ 81,
146 (151); Bub/Treier, a.a.O., Rn. 271). Folglich hätten es die Kläger - bei einem
unterstellten Erwerb der Gebäude durch die Beklagte - auch dieser entgegenhalten
können.
16
Nimmt der Vermieter eine Weitervermietung vor, so steht auch dem neuen Mieter die
Einrede, zum Besitz berechtigt zu sein, zu. Er kann diese gegenüber dem bisherigen
Mieter geltend machen, da er sein Besitzrecht von dem berechtigten Vermieter ableitet
(BGHZ a.a.O., Bub/Treier, a.a.O.).
17
3.
18
Die Beklagte ist auch aufgrund vertraglicher Vereinbarung nicht zur Übernahme der
Abrisskosten verpflichtet. Der Senat folgt auch insoweit den Ausführungen des
Landgerichts, nach denen die Abrissverpflichtung zum 01. Januar 1988, als die
Beklagte in den Mietvertrag mit den Klägern eintrat, auf Grund der Vereinbarungen vom
29. Mai und 29. Juli 1987 bereits entfallen war. Hierauf wird Bezug genommen. Einer
ausdrücklichen Erklärung der Kläger, dass sie die Beklagte von Abrissverpflichtungen
entbinden, bedurfte es mithin nicht, da diese Verpflichtung bei Beginn des
Mietverhältnisses schon nicht mehr bestand.
19
II.
20
Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen
ebenfalls vor.
21
Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich
privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.
22
Düsseldorf, den 6. Mai 2008
23
Oberlandesgericht, 24. Zivilsenat
24