Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.01.2005

OLG Düsseldorf: avb, berufliche tätigkeit, grundstück, fernwärme, eigentümer, verbraucher, zugang, ausschluss, gleichwertigkeit, aufrechnung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-22 U 73/04
14.01.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf
22. Zivilsenat
Urteil
I-22 U 73/04
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Mai 2004 verkündete
Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hin-terlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Be-trages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
A.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Entgelt für Fernwärmelieferungen.
Im Februar 1990 schloss die Klägerin mit dem damaligen Eigentümer des Grundstücks R.
28 in W., einem Gewerbeobjekt mit mehreren Mietern, einen Fernwärmelieferungsvertrag
(Bl. 22 ff GA). Gemäß § 6 des Vertrages sollte das Entgelt für die entnommene bzw.
gemessene Fernwärme nach der als Anlage beigefügten Preisregelung "FW" (Bl. 27 GA)
berechnet werden. § 13 des Vertrages bestimmt, dass ergänzend die Verordnung über
allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVB FernwärmeV) vom 20.
Juni 1980 (BGBl. I S. 742) in ihrer jeweils gültigen Fassung gelten soll. Im Jahre 1996
vereinbarte die Klägerin mit dem Voreigentümer, dass das Entgelt nicht mehr nach der
Preisregelung "FW", sondern nach der Preisregelung "ZD" (Bl. 91 ff GA) berechnet werden
sollte.
Im Jahre 2000 erwarb die Beklagte zu 1) das Grundstück. Gesellschafter der Beklagten zu
1) sind die Beklagten zu 2) und 3), die ihren Lebensunterhalt mit der Vermarktung von
Immobilien bestreiten und denen damals etwa 40 Hausgrundstücke gehörten.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 9. Oktober 2000 (Bl. 21 GA) trat die Beklagte zu 1) in
den Fernwärmelieferungsvertrag des Voreigentümers ein. Mit Schreiben vom 21.
November 2000 (Bl. 95 GA) übersandte die Klägerin der Beklagten zu 1) die Preisregelung
"ZD" mit der Bitte, diese unterzeichnet zurückzusenden, was die Beklagte zu 1) nicht tat. In
den folgenden 2 Jahren lieferte die Klägerin der Beklagten zu 1) Fernwärme und rechnete
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die Lieferungen nach der Preisregelung "ZD" ab. Die Beklagte zu 1) bezahlte die
Rechnungen anstandslos. Vom 19. Dezember 2002 bis zum 30. April 2003 lieferte die
Klägerin weiter Fernwärme für das Grundstück. Diese Lieferungen rechnete sie nach der
Preisregelung "ZD" mit 4 Rechnungen vom 3. Februar, 6. März, 3. April und 4. August 2003
(Bl. 28 ff GA) über insgesamt 28.070,43 EUR, die Klagesumme, ab.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 28.070,43 EUR zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.718,80 EUR seit dem
20. Februar 2003, aus 7.005,94 EUR seit dem 23. März 2003, aus 6.485,92 EUR seit dem
20. April 2003 und aus 4.860,40 EUR seit dem 21. August 2003 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, sie hätten die Aufgaben der Beheizung sowie der Pflege und
Wartung der der Beklagten zu 1) gehörenden Versorgungseinrichtungen des Grundstücks
der u.a. zu diesem Zweck gegründeten H. Haus und G. GmbH (im folgenden: HGS), deren
Geschäftsführer der Beklagte zu 3) ist, ab dem 1. Januar 2003 übertragen. Dies habe die
Beklagte zu 1) der Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2002 (Bl. 52 GA) mitgeteilt
und die HGS mit Schreiben vom 23. Januar 2003 (Bl. 53 GA) der Klägerin bestätigt. Die
HGS sei Mieterin in dem Objekt. Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, nicht sie
schuldeten, sondern allenfalls die HGS schulde die eingeklagten Entgelte. Die
Preisregelung "ZD" sei nicht Bestandteil des Vertrages mit der Beklagten zu 1) geworden.
Die Preiserhöhungsklausel der Preisregelung "FW" sei unwirksam. Sie verstoße sowohl
gegen die Vorschriften des vormaligen Währungsgesetzes bzw. des nunmehr geltenden
Preisangaben- und Preisklauselgesetzes i.V.m. der Preisklauselverordnung als auch
gegen § 24 Abs. 3 AVB FernwärmeV, wozu die Beklagten näher vorgetragen haben.
Umsatzsteuer sei nicht geschuldet. Hilfsweise haben die Beklagten nacheinander folgende
Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht: in Höhe von 12.820,42 EUR wegen ihrer
Meinung nach in den Jahren 2001 und 2002 unnötig gezahlter Umsatzsteuer, in Höhe von
20.132,29 EUR wegen ihrer Meinung nach im Jahre 2001 zuviel gezahlter zu Unrecht
erhöhter Entgelte und in Höhe von 35.636,67 EUR wegen vermeintlich im Jahr 2002 zuviel
gezahlter Entgelte. Zu den Zurückbehaltungsrechten sind die Beklagten der Ansicht
gewesen, ein Zurückbehaltungsrecht dürfe gemäß § 309 Nr. 2 b BGB nicht
ausgeschlossen werden. Soweit ein solcher Ausschluss durch die AVB FernwärmeV und §
310 Abs. 2 BGB bestimmt werde, verstießen diese Vorschriften gegen die Richtlinie
93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in
Verbraucherverträgen.
Die Klägerin hat demgegenüber gemeint, ein Schreiben der Beklagten zu 1) vom 29.
November 2002, dessen Zugang sie bestreitet, sei als Kündigung gemäß § 10 Abs. 1 des
Fernwärmelieferungsvertrages ohnehin zu spät. Die HGS habe in den Vertrag gemäß § 32
Abs. 4 AVB FernwärmeV nicht eintreten können, da sie weder Rechtsnachfolgerin der
Beklagten zu 1) noch ihr gleichgestellt sei. Die Einwendungen der Beklagten gegen die
Preisregelung seien gemäß § 30 AVB FernwärmeV unerheblich, da die Beklagten keinen
offensichtlichen Fehler rügten. Umsatzsteuer schuldeten sie gemäß Nr. 6 der Preisregelung
"ZD". Ein Zurückbehaltungsrecht hätten sie gemäß §§ 30, 31 AVB FernwärmeV nicht.
Diese unterfalle als Rechtsverordnung nicht den §§ 305 ff BGB. Auf
verbraucherschutzrechtliche Vorschriften könnten die Beklagten sich nicht berufen, da sie
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keine Verbraucher im Sinne des § 13 BGB seien.
Das Landgericht hat zu den Umständen der Vertragsübernahme durch die HGS Beweis
erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen B. und C. sowie des Zeugen v. d. H.. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die
Sitzungsniederschriften vom 24. März 2004 (Bl. 130 ff GA) und vom 31. März 2004 (Bl. 150 f
GA).
Mit Urteil vom 12. Mai 2004 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe
gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung der Klagesumme
aus dem Fernwärmelieferungsvertrag. Die Beklagte zu 1) sei gemäß § 32 Abs. 4 AVB
FernwärmeV durch Mittelung vom 9. Oktober 2000 Vertragspartnerin der Klägerin
geworden. Die Beklagte zu 1) habe den Vertrag nicht gekündigt. Mit ihrem Schreiben vom
29. November 2002 habe sie unabhängig von dessen Zugang die Kündigungsfrist des § 10
des Vertrages schon nicht eingehalten. Die HGS habe den Vertrag von der Beklagten zu 1)
nicht übernehmen können, da sie nicht zu dem priviligierten Personenkreis des § 32 Abs. 4
AVB FernwärmeV gehöre. Die Entgelte stünden der Klägerin auch der Höhe nach zu. Für
den Vertrag gelte die Preisregelung "ZD", nach deren Nr. 6 die Beklagten auch
Umsatzsteuer schuldeten. Diese schon mit dem Voreigentümer vereinbarte Preisregelung
habe die Beklagte zu 1) von diesem übernommen. Außerdem habe die Klägerin 2 Jahre
lang ohne Beanstandungen der Beklagten nach der Preisregelung "ZD" abgerechnet. Ein
Zurückbehaltungsrecht könnten die Beklagten gemäß § 30 AVB FernwärmeV nicht geltend
machen. Diese Vorschrift verstoße nicht gegen § 309 Nr. 2 b BGB. Die AVB FernwärmeV
sei als Rechtsverordnung keine Allgemeine Geschäftsbedingung; auch schließe § 310
Abs. 2 BGB die Anwendung des § 309 BGB aus. Die Vereinbarkeit des § 30 AVB
FernwärmeV und des § 310 Abs. 2 BGB mit der Richtlinie 93/13/EWG könne dahinstehen,
weil die Beklagte zu 1) keine Verbraucherin sei. Sie verwalte eine Vielzahl von Immobilien
mit dem Ziel der Gewinnerzielung. Sie unterhalte dazu einen planmäßigen
Geschäftsbetrieb, auch Büroräume, und beschäftige die Immobilienkauffrau C. Die
eingeklagten Entgelte seien nicht offensichtlich fehlerhaft im Sinne des § 30 AVB
FernwärmeV berechnet. Eine Überprüfung der von den Beklagten angegriffenen
Preisänderungsklausel erfordere vertiefte rechtliche Überlegungen und eine weitere
tatsächliche Aufklärung. Zurückbehaltungsrechte könnten die Beklagten gemäß § 31 AVB
FernwärmeV nicht geltend machen. Das in dieser Vorschrift geregelte Aufrechnungsverbot
schließe ein Zurückbehaltungsrecht ein, weil die Zurückbehaltung einer Aufrechnung
gleichkäme.
Mit ihrer Berufung rügen die Beklagten: § 32 Abs. 4 AVB FernwärmeV hindere einen Eintritt
der HGS in den Vertrag nicht. Es genüge, dass sie in die Rechtsstellung der Beklagten zu
1) einrücke. Es müsse deshalb Beweis über den Zugang der Vertragsübergabe- bzw.
Vertragsübernahmeerklärungen der Beklagten zu 1) und der HGS erhoben werden. Die
Preiserhöhungsklausel sei nicht wirksam, wobei die Beklagten auf ihr Vorbringen im ersten
Rechtszug Bezug nehmen. Aus diesem Grunde müsse auch Beweis über die
Zusammensetzung des Preises (Kohlepreise und Löhne) erhoben werden. Schließlich sei
der Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechtes mit dem Europarecht nicht vereinbar. Auch
insoweit nehmen die Beklagten auf ihren Vortrag im ersten Rechtszug Bezug. Ergänzend
bringen sie vor, sowohl die Beklagte zu 1) als auch die Beklagten zu 2) und 3) seien
Verbraucher. Die Beklagte zu 1) halte lediglich neun Immobilien. Die Zeugin C. sei nicht
bei dieser beschäftigt, die Beklagte zu 1) unterhalte auch keine Büroräume. Die Zeugin
verwalte lediglich Immobilien der Beklagten zu 1) von einem Büro verschiedener
Gesellschaften der Beklagten zu 2) und 3) aus.
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Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres Vorbringens im ersten
Rechtszug.
B. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Mit Recht und weitgehend zutreffender
Begründung hat das Landgericht der Klage stattgegeben.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Entgelt für
die Lieferung von Fernwärme in Höhe der Klagesumme aus dem
Fernwärmelieferungsvertrag. Die Beklagten dürfen dagegen ein Zurückbehaltungsrecht
nicht geltend machen.
I. Die Beklagte zu 1) ist nach wie vor Vertragspartnerin der Klägerin.
1. Ursprünglich ist Vertragspartner der Klägerin der Voreigentümer des Grundstücks
gewesen. Durch Schreiben vom 9. Oktober 2000 (Bl. 21 GA) ist die Beklagte zu 1) in dieses
Vertragsverhältnis eingetreten. Gemäß § 32 Abs. 4 S. 1 AVB FernwärmeV hat es hierzu
(entgegen § 415 Abs. 1 S. 1 BGB) der Zustimmung der Klägerin nicht bedurft.
2. Selbst wenn die Schreiben der Beklagten zu 1) vom 29. November 2002 (Bl. 52 GA)
und/oder der HGS vom 23. Januar 2003 (Bl. 53 GA) der Klägerin zugegangen sind (was
diese bestreitet), hat dadurch die HGS nicht in den Vertrag eintreten können. Dem steht §
32 Abs. 4 S. 1 AVB FernwärmeV entgegen.
a) Die Vorschrift regelt ihrem Wortlaut nach den Fall, dass "anstelle des bisherigen Kunden
ein anderer Kunde in die sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Rechte und
Pflichten" eintritt. Der Wortlaut sagt nicht, wer neuer Kunde sein kann. Der Wortlaut schließt
es nicht aus, dass dies jeder sein kann, der (vollständig) in die Rechte und Pflichten des
bisherigen Kunden eintritt. Dies hat die HGS hier vor.
b) Doch schon aus dem Zusammenhang der AVB FernwärmeV ergibt sich ein
eingeschränktes Verständnis desjenigen, der Kunde sein kann: Gemäß § 3 S. 2 AVB
FernwärmeV ist der Kunde verpflichtet, seinen Wärmebedarf im vereinbarten Umfang aus
dem Verteilungsnetz des Fernwärmeversorgungsunternehmens zu decken. Danach ist
Kunde derjenige, der einen Wärmebedarf hat und ihn insgesamt in vertraglich vereinbartem
Umfang bei dem Versorgungsunternehmen deckt. Einen Wärmebedarf für ein Grundstück
haben zum einen der Eigentümer, der dieses Grundstück entweder selbst nutzt oder seinen
Mietern gegenüber verpflichtet ist, ihnen Wärme zur Verfügung zu stellen, und zum anderen
der Mieter, der als Endnutzer Wärme benötigt. Wärmebedarf in vereinbartem Umfang, d. h.
für das gesamte Grundstück, hat hier nur die Beklagte zu 1) als Eigentümerin und
Vermieterin. Da es mehrere Mieter im Objekt gibt, hat keiner der Mieter Wärmebedarf für
das gesamte Grundstück. Die HGS hat einen solchen Bedarf nicht. Ein Wärmebedarf der
HGS für das gesamte Grundstück kann auch nicht dadurch erzeugt werden, dass ihr
angeblich die Aufgaben der Beheizung des Grundstückes übertragen sind. Auch als eine
von mehreren Mietern auf dem Grundstück hat sie keinen Wärmebedarf für das gesamte
Grundstück.
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c) Auch der Sinn und Zweck des § 32 Abs. 4 S. 1 AVB FernwärmeV ergibt ein
eingeschränktes Verständnis der Vorschrift. Sie regelt eine Ausnahme von § 415 Abs. 1 S.
1 BGB, der einen Gläubiger davor schützt, einen neuen Schuldner aufgedrängt zu
bekommen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist, da es um eine Ausnahme geht, eine
enge Auslegung der Vorschrift angebracht. Es ist nur dann gerechtfertigt, dem
Fernwärmeunternehmen den Schutz des § 415 Abs. 1 S. 1 BGB zu nehmen, wenn an die
Stelle seines bisherigen Kunden ein Kunde tritt, der als Nutzer die rechtlich gleiche
Position hat wie der vorherige Kunde. Als solcher rechtlich gleichwertiger Kunde kommen
der neue Eigentümer als Nachfolger des bisherigen Eigentümers und der neue Mieter als
Nachfolger des bisherigen Mieters in Betracht. So heißt es auch in der amtlichen
Begründung der AVB FernwärmeV (abgedruckt in Danner/Theobald, Energierecht,
Kommentar, zu § 32 Versorgungsbedingungen): Da bei Fernwärme im Gegensatz zu Strom
und Gas grundsätzlich keine Anschluss- und Versorgungspflicht besteht, muss ein
reibungsloser Kundenwechsel zulässig sein, um die Veräußerung von angeschlossenen
Grundstücken oder auch den Mieterwechsel, wenn der Mieter selbst Kunde ist, nicht zu
erschweren. Der Wechsel vom Eigentümer zum Mieter ist in diesem Sinne kein Wechsel zu
einem rechtlich gleichwertigen Kunden. Der Mieter ist wegen des ihm gemäß § 32 Abs. 3
AVB FernwärmeV zustehenden Sonderkündigungsrechtes der gegenüber dem Eigentümer
"schwächere" Kunde des Versorgungsunternehmens. Die wirtschaftliche Gleichwertigkeit
(Zahlungsfähigkeit) eines neuen Kunden, auf die die Berufung abstellen will, ist kein
tragfähiges Kriterium für einen zulässigen Kundenwechsel. Die wirtschaftliche
Gleichwertigkeit des neuen Kunden ist kaum zu gewährleisten und für das
Versorgungsunternehmen schwer zu überprüfen. Hat es Bedenken an der
Zahlungsfähigkeit des neuen Kunden, kann das Versorgungsunternehmen den Vertrag
gemäß § 32 Abs. 4 S. 3 AVB FernwärmeV kündigen. Ein Kundenwechsel von der
Beklagten zu 1) zur HGS kommt demnach nicht in Betracht, weil diese anders als die
Beklagte zu 1) nicht Eigentümerin des Grundstücks ist. Ihre vermeintliche Stellung als
(einzelne) Mieterin im Objekt reicht für eine rechtliche Gleichwertigkeit nicht aus.
d) Da ein Kundenwechsel von der Beklagten zu 1) auf die HGS aus Rechtsgründen
ausgeschlossen ist, kommt es darauf, ob die Klägerin die Vertragsübergabe- und -
übernahmeerklärungen der Beklagten zu 1) und der HGS erhalten hat, nicht an. Einer
Beweisaufnahme zu deren Zugang bedarf es nicht.
II. Die Beklagten schulden Entgelt in Höhe der Klagesumme.
1. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ist die Preisregelung "ZD" (Bl. 91 ff GA)
wirksam vereinbart.
a) Diese Preisregelung ist - unstreitig - schon mit dem Voreigentümer im Jahre 1996
vereinbart worden. Die Beklagte zu 1) hat diese Preisregelung mit ihrem Vertragseintritt so
übernommen. Es ist unschädlich, dass sie später das ihr von der Klägerin übersandte
Exemplar der Preisregelung "ZD" nicht unterzeichnet hat. Die Preisregelung "ZD" ist
zudem auch dadurch zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) schlüssig vereinbart,
dass die Klägerin 2 Jahre lang monatlich ihre Rechnungen auf der Grundlage dieser
Preisregelung erstellt und die Beklagte zu 1) diese anstandslos beglichen hat. Die
Beklagten greifen mit der Berufung auch nicht mehr an, dass die Preisregelung "ZD"
Vertragsbestandteil ist.
b) Die von den Beklagten (mit der Berufung auch) gegen die Preisregelung "ZD", zumal
gegen die Preisänderungsklausel Nr. 2, vorgebrachten Einwände sind gemäß § 30 Nr. 1
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AVB FernwärmeV unbeachtlich.
(1)
Nach dieser Vorschrift berechtigen Einwände gegen Rechnungen zur
Zahlungsverweigerung nur, soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche
Fehler vorliegen. Offensichtliche Fehler sind solche, bei denen bei objektiver Betrachtung
kein vernünftiger Zweifel an der Fehlerhaftigkeit der Rechnung besteht, zum Beispiel
Ablese- und Berechnungsfehler (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, das Recht der
öffentlichen Energieversorgung, Kommentar, Band II, Rn 6 zu § 30 AVB GasV
(gleichlautend mit AVB FernwärmeV); amtliche Begründung, abgedruckt in
Danner/Theobald, a.a.O., zu § 30 VersorgBdg; BGH WM 1990, 608, 610; OLG Hamm NJW-
RR 1989, 1455). Ein Fehler ist dann nicht mehr offensichtlich, wenn er vertiefte rechtliche
Überlegungen oder weitere tatsächliche Aufkärung erfordert (Danner/Theobald, a.a.O., Nr.
1 zu § 30, 31 VersorgBdg; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 1518 f).
(2) Nach den genannten Kriterien sind die Rechnungen der Klägerin hier nicht
offensichtlich fehlerhaft. Die Beklagten wenden ein, die Preisänderungsklausel der
Preisregelung "ZD" entspreche nicht den Vorgaben des § 24 Abs. 3 AVB FernwärmV. Sie
meinen, zu den Faktoren Kohlenpreis und Lohn müsse Beweis erhoben werden. Um
diesen Angriffen nachgehen zu können, wäre nicht nur eine umfangreiche rechtliche
Prüfung vonnöten, sondern auch weitere tatsächliche Aufklärung der zugrundegelegten
Preisfaktoren. Dieser Aufwand ist weit davon entfernt, dass der vermeintliche Fehler der
Rechnungen offensichtlich wäre.
2. Die Beklagten schulden nach den 4 Rechnungen der Klägerin insgesamt die
Klagesumme. Die Beklagten haben die den Rechnungen zugrundegelegten Verbräuche
und Preise (ansonsten) nicht angegriffen. Umsatzsteuer schulden sie der Klägerin gemäß
Nr. 6 der Preisregelung "ZD" (Bl. 94 GA). Dagegen haben die Beklagten sich im zweiten
Rechtszug auch nicht mehr gewandt.
III. Die Beklagten können gegen den Entgeltanspruch der Klägerin kein
Zurückbehaltungsrecht geltend machen.
1.
Dies ergibt sich aus § 31 AVB FernwärmeV.
a) Nach dieser Vorschrift kann gegen Ansprüche des
Fernwärmeversorgungsunternehmens nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig
festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden. Dieses Aufrechnungsverbot erfasst
auch das Verbot, gegen Ansprüche des Fernwärmeversorgungsunternehmens ein
Zurückbehaltungsrecht mit einem gleichartigen Anspruch geltend zu machen. Ein
Zurückbehaltungsrecht käme einer unzulässigen Aufrechnung gleich (Tegethoff/Büdenben-
der/Klinger, a.a.O., Rn 6 zu § 31 AVB GasV (gleichlautend mit § 31 AVB FernwärmeV),
m.w.N.). Denn dadurch würde der Zweck des Aufrechnungsverbotes, den Streit um
Gegenrechte des Kunden aus der Abrechnung des Versorgungsunternehmens
herauszuhalten, vereitelt (Hermann in Hermann/Recknagel/
Schmidt-Salzer, Kommentar zu den allgemeinen Versorgungsbedingungen, Band II, Rn 28
zu § 31 AVBV). Das Recht des Kunden auf Zahlungsaufschub und -verweigerung regelt §
30 AVB FernwärmeV abschließend (vgl. Tegethoff/Büdenben-der/Klinger, a.a.O.).
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b) Die Aufrechnung und damit auch das Zurückbehaltungsrecht sind nicht nur
außergerichtlich, sondern auch im Rechtsstreit ausgeschlossen. Weder aus dem Wortlaut
noch aus Sinn und Zweck der Regelung des § 31 AVB FernwärmeV ergibt sich, dass im
Prozess gleichwohl aufgerechnet werden könnte. Dem Kunden ist es - wie bei sonstigen
Aufrechnungsverboten - unbenommen, seine Gegenrechte im Wege der Widerklage
geltend zu machen (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 1518, 1519 f).
c) Ob der aus § 31 AVB FernwärmeV hergeleitete Ausschluss eines
Zurückbehaltungsrechtes des Kunden mit § 309 Nr. 2 b BGB vereinbar ist, kann
dahinstehen, weil die AVB FernwärmeV als Rechtsnorm keiner Inhaltskontrolle nach den
§§ 305 ff BGB unterliegt (Heinrichs in Palandt, BGB, Rn 6 zu § 310). § 310 Abs. 2 S. 1 BGB
ist auf den vorliegenden Fall ohnehin nicht anzuwenden, weil die Beklagte zu 1) kein
Sonderabnehmer im Sinne dieser Vorschrift ist.
2. Das Verbot der Zurückbehaltung verstößt nicht gegen die Richtlinie 93/13/EWG des
Rates vom 5. April 1993 über missbräuliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Amtsblatt
Nr. L 095 vom 21/04/1993 S. 29 - 34). Auf diese Richtlinie können die Beklagten sich nicht
berufen, da sie keine Verbraucher sind.
a) Die Beklagte zu 1) und damit auch die Beklagten zu 2) und 3) sind keine Verbraucher
gemäß § 13 BGB, da sie die Fernwärme als Eigentümer und Vermieter des Grundstückes
im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit bezogen haben.
(1)
Nach BGHZ 104, 205, 208; 119, 252, 256 f sind Kriterien für eine selbständige berufliche
Tätigkeit eine auf Dauer gerichtete Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer
Lebensgrundlage dienen soll, ein planmäßiger Geschäftsbetrieb, insbesondere die
Unterhaltung eines Büros oder einer sonstigen Organisation, sowie der Umfang der
erforderlichen Verwaltungsgeschäfte.
(2)
Nach diesen Kriterien üben die Beklagte zu 1) und damit die Beklagten zu 2) und 3) als ihre
Gesellschafter eine selbständige berufliche Tätigkeit aus. Die Beklagte zu 1) hat - wie die
Berufung einräumt - insgesamt 9 Immobilien. Nach den Angaben des Beklagten zu 3) bei
seiner Anhörung (Bl. 130 GA) halten die Beklagten zu 2) und 3) Immoblien in der Hoffnung,
ihren Lebensunterhalt damit bestreiten zu können. Die Zeugin und Immobilienkauffrau C.
verwaltet von einem Büro aus auch die Immobilien der Beklagten zu 1). Dies räumt auch
die Berufung ein. Diese Umstände reichen insgesamt aus, um die Verwaltung der
Immobilien der Beklagten zu 1) als selbständige berufliche Tätigkeit und nicht bloß
Verwaltung privaten Vermögens zu bewerten.
b)
Der Verbraucherbegriff des BGB deckt sich insoweit mit demjenigen des Art. 2 b der
Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993. Etwas anderes ergibt sich auch nicht
aus den von den Beklagten erwähnten Erwägungsgründen 7, 10 und 11 der Richtlinie
2000/ 31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über
bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des
elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Amtsblatt Nr. L 178 vom 17.07.2000 S.
1 - 16).
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Anlass, die Sache dem EuGH vorzulegen, gibt es nicht.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2
S. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht vorliegen.
Streitwert: 28.070,43 EUR
a. M.-P. R.