Urteil des OLG Dresden vom 17.02.2000

OLG Dresden: rechtskräftig), erbengemeinschaft, grundstück, juristische person, deutsche demokratische republik, eigentümer, gutgläubiger erwerb, e contrario, rückwirkung, rechtshängigkeit

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Oberlandesgericht Dresden, 7. Zivilsenat, Urt. v. 17.02. 2000 - 7 U 3574/99 (nicht
rechtskräftig)
Leitsätze
1. Die Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB setzt voraus, dass zum Zeitpunkt
ihres Ablaufs im Grundbuch entweder Eigentum des Volkes oder aber der
Abwicklungsberechtigte als Eigentümer eingetragen ist. Ist über das Grundstück vor dem
Ablauf dieser Frist verfügt worden, so ist der Erwerber nur über die Vorschriften über den
gutgläubigen Erwerb geschützt. Art. 237 § 2 EGBGB bezweckt nicht den Schutz von
Verfügungen über das Grundstück vor Ablauf der Ausschlussfrist.
2. Wird der Klageantrag nach Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 EGBGB
dahingehend umgestellt, dass die Erbengemeinschaft, zu deren Gunsten die
Grundbuchberichtigung erstrebt wird, nicht nur aus den Klägern, sondern noch aus
weiteren Personen besteht, so liegt keine Klageänderung vor, die die Rechtshängigkeit der
ursprünglich erhobenen Klage beseitigt.
3. Die Neufassung des § 8 VZOG betrifft lediglich Verfügungen, die nach dem
Inkrafttreten des WoModSiG am 24.07. 1997 vorgenommen worden sind. Eine
rückwirkende Geltung der Neufassung ist dem WoModSiG nicht zu entnehmen. Für
bereits vor dessen Inkrafttreten getroffene Verfügungen ist allein die Heilungsvorschrift des
Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB einschlägig.
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Aktenzeichen: 7 U 3574/99
Oberlandesgericht
12 O 5359/98 LG Dresden
Dresden
verkündet am 17.02. 2000
Die Urkundsbeamtin
Justizobersekretärin
Im Namen des Volkes!
U R T E I L
In dem Rechtsstreit
1
2.
3.
- Kläger und Berufungsbeklagte -,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
g e g e n
1. W GmbH
- Beklagte zu 1) und Berufungsklägerin -,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
2. Stadt
- Beklagte zu 2) -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
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hat das Oberlandesgericht Dresden - 7. Zivilsenat -
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.02. 2000
durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts Dresden, 12.
Zivilkammer, vom 01.11. 1999 (Az.: 12 O 5359/98) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Entscheidungsformel unter lfd. Nr. 1 richtig lautet „Die Beklagte zu 1) wird verurteilt
...“ statt „Die Beklagten werden verurteilt ...“ und sie zudem wie folgt ergänzt wird: „Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen“.
Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit in Form einer unwiderruflichen, unbefristeten
und unbedingten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen inländischen Kreditinstituts zu erbringen.
Der Wert der Beschwer der Beklagten zu 1) wird auf 600.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger machen als Erben des Walter Paul Steinhäuser einen
Grundbuchberichtigungsanspruch geltend.
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Am 13.01. 1936 verstarb Walter Paul Steinhäuser, in dessen Eigentum verschiedene
Grundstücke, darunter das Grundstück LSt. 7/Robert-Koch-Str. 5 in Dresden, standen.
Dessen Ehefrau, seine beiden Kinder wie auch seine Mutter schlugen in der Folgezeit die
Erbschaft aus, so dass ein Nachlasspfleger bestellt wurde.
Da Bemühungen zur Ermittlung der Erben ohne Erfolg blieben, veranlasste das Staatliche
Notariat Dresden die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten, die am 29.09.
1956 im Zentralblatt der DDR Nr. 39, S. 588 veröffentlicht wurde.
Nachdem auch die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten erfolglos blieb,
stellte das Staatliche Notariat Dresden mit Beschluss vom 19.12. 1956 fest, dass ein anderer
Erbe als die Deutsche Demokratische Republik, vertreten durch den Rat der Stadt Dresden,
Abteilung Finanzen, nicht vorhanden sei.
Die zum Nachlass gehörenden Grundstücke wurden gemäß Rechtsträgernachweis vom 30.03.
1957 (Bl. 33 d. A.) mit Wirkung vom 19.12. 1956 in das Eigentum des Volkes überführt. Im
Grundbuch erfolgte die Eintragung „Eigentum des Volkes, Rechtsträger: Rat der Stadt
Dresden“. Auf den in Ablichtung vorliegenden Grundbuchauszug (Bl. 18 - 32 d. A.) wird
verwiesen.
Nach der Wiedervereinigung erfolgte durch die Beklagte zu 2) - die Landeshauptstadt
Dresden - die Umwandlung des städtischen Eigenbetriebs Gebäudewirtschaft II in die
Beklagte zu 1). In der Anlage zur notariellen Umwandlungserklärung nach § 58 UmwG vom
11.02. 1994 ist u. a. das streitgegenständliche Grundstück aufgeführt.
Am 01.09. 1994 wurde die Beklagte zu 1) als neuer Eigentümer des streitgegenständlichen
Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Auf den in Kopie vorliegenden Grundbuchauszug
(Bl. 6 - 17 d. A.) wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 09.02. 1995 (Bl. 36 d. A.) hob das Amtsgericht Dresden den Beschluss
des staatlichen Notariats Dresden vom 19.12. 1956 auf, da Erben der 3. Ordnung unter
Vorlage von Personenstandsurkunden Erbscheinsanträge gestellt hatten.
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Am 21.12. 1998 wurde durch das Amtsgericht Dresden ein Erbschein (Bl. 65f. d. A.) erteilt,
wonach Paul Walter Steinhäuser von neun dort namentlich genannten, zwischenzeitlich
verstorbenen Personen beerbt wurde.
Die Kläger sind Erben der in dem Erbschein genannten Gustav Paul Eckhardt, Helene Martha
M. und des Max Arthur C.. Erben der anderen in dem Erbschein aufgeführten Personen sind
Dieter Wilhelm, Margot N., Eva Maria Müller H., Wolfgang Ht., Antje U., Lisa Charlotte Eva
Maria W. und Peter Hn.. Wegen der Einzelheiten des Erbgangs wird auf die Darstellung im
Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (UA 4 - 6 dort sub 1. bis 9.) verwiesen. Zudem wird
Bezug genommen auf das von den Klägern vorgelegte Erbenbild (Bl. 69 - 71 d. A.) und die in
Ablichtung vorliegenden Erbscheine (Bl. 37 - 39, 82 - 99 d. A.).
Mit ihrer am 30.09. 1998 bei Gericht eingegangenen und am 13.10. 1998 zugestellten Klage
haben die Kläger begehrt, die Beklagten zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs des
Amtsgerichts Dresden von St., Blatt 381, Grundstück lfd. Nr. 6, Flurstück 420r, mit einer
Größe von 530 qm (LSt. 7/KSt. 5), dahingehend zuzustimmen, dass sie in Erbengemeinschaft
nach Walter Paul Steinhäuser Eigentümer sind. Hilfsweise haben sie die Feststellung begehrt,
dass die Beklagten alle für das streitgegenständliche Grundstück erlangten Leistungen an die
Erbengemeinschaft nach Walter Paul Steinhäuser, bestehend aus den Klägern zu 1) bis 3),
herauszugeben oder den höheren Verkehrswert des Grundstücks zu zahlen hätten. Wegen der
genauen An-tragsfassung wird auf die Klageschrift (Bl. 1f. d. A.) Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 01.04. 1999 (Bl. 80f. d. A.) haben sie die Klageanträge dahingehend
gefasst, dass die Erbengemeinschaft nach Paul Walter Steinhäuser neben ihnen aus weiteren
sieben Personen, konkret Dieter Wilhelm, Margot N., Eva Maria Müller H., Wolfgang Ht.,
Antje U., Lisa Charlotte Eva Maria W. und Peter Hn., bestehe und diese Erbengemeinschaft
in das Grundbuch eingetragen werden solle bzw. diese im Rahmen der hilfsweise erhobenen
Feststellungsklage Berechtigte sei.
Zur Begründung haben sie darauf verwiesen, dass sie und ihre Miterben Eigentümer des
streitgegenständlichen Grundstücks seien. § 8 Abs. 1 S. 1 VZOG habe jedenfalls in der
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Anfang 1994 geltenden Fassung nicht dazu führen können, dass sie durch die im Rahmen der
Umwandlung erfolgte Verfügung ihr Eigentum verloren hätten. Falls aber davon ausgegangen
werde, sei jedenfalls eine Entschädigung zu zahlen. Ihre Aktivlegitimation ergebe sich aus §
2039 BGB.
Die Beklagte zu 1) hat demgegenüber die Ansicht vertreten, sie habe das Eigentum an dem
Grundstück gutgläubig erworben. Jedenfalls aber sei auf den durch Art. 237 § 2 EGBGB
vermittelten Bestandsschutz zu verweisen. Außerdem sei eine Verwirkung eingetreten. Die
Beklagte zu 2) hat überdies die Ansicht vertreten, dass sie nicht passivlegitimiert sei.
Über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges hat das Landgericht mit rechtskräftigen
Beschluss vom 11.05. 1999 (Bl. 114 - 124 d. A.) entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages und der vor dem Landgericht
gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils in der Fassung des
Berichtigungsbeschlusses vom 24.01. 2000 (Bl. 185f. d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat ausweislich der Entscheidungsformel die Beklagten verurteilt, der
begehrten Grundbuchberichtigung zuzustimmen. Die Gerichtskosten hat es je zur Hälfte den
Klägern und der Beklagten zu 1) auferlegt, die auch ihre außergerichtliche Kosten zu tragen
hat. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese zur Hälfte selbst, während sie im
Übrigen von der Beklagten zu 1) zu tragen sind. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten
zu 2) sind von den Klägern zu tragen. In den Entscheidungsgründen hat das Landgericht die
Klage gegen die Beklagte zu 1) als begründet angesehen, während es die gegen die Beklagte
zu 2) gerichtete Klage mangels Passivlegitimation abgewiesen hat. Mit Beschluss vom 24.01.
2000 (Bl. 185f. d. A.) hat das Landgericht das Geburtsdatum der Miterbin Eva Maria Müller
H. in der Entscheidungsformel und dem Tatbestand berichtigt.
Gegen das am 05.11. 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1) am 06.12. 1999, einen
Montag, Berufung eingelegt und diese am 06.01. 2000 begründet.
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Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, die Kläger hätten die Ausschlussfrist des Art. 237 § 2
Abs. 1 EGBGB nicht gewahrt. Diese Norm verlange eine bis zum Ablauf des 30.09. 1998
rechtshängige Klage. Angesichts dieses Wortlauts könne § 270 Abs. 3 ZPO keine
Anwendung finden. Unabhängig davon sei die Ausschlussfrist auch deshalb nicht gewahrt, weil
nach Rechtshängigkeit eine Klageänderung vorgenommen worden sei. Da ihr der
diesbezügliche Schriftsatz erst am 09.04. 1999 zugestellt worden sei, sei nach § 261 Abs.
2 2. Alt. ZPO die Rechtshängigkeit des nunmehr verfolgten Klageantrages erst nach Ablauf
der Ausschlussfrist eingetreten. Für die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des
Klageantrages bleibe kein Raum. Die Kläger hätten sowohl den Klageantrag wie auch den
Klagegrund geändert, da sie nunmehr in gesetzlicher Prozessstandschaft die Eintragung einer
aus insgesamt zehn Personen bestehenden Erbengemeinschaft begehrten. Unabhängig davon
habe sie auch im Jahre 1994 über § 8 Abs. 1 S. 1 lit. a) VZOG wirksam Eigentum an dem
streitgegenständlichen Grundstück erworben. Hier habe das Landgericht nicht berücksichtigt,
dass die Verfügung nach dem 28.03. 1991 und damit nach dem Inkrafttreten des VZOG
getroffen worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Berufungsbegründung (Bl. 163 - 173 d. A.) und des Schriftsatzes vom 15.02. 2000 (Bl. 187 -
190 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dresden vom 01. November 1999 - 12 O 5359/98 -
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Ansicht, dass Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB schon deshalb auf den vorliegenden
Fall nicht anwendbar sei, weil die Eintragung der Beklagten zu 1) nicht vor dem 03.10. 1990
erfolgt sei. Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB scheiterte daran, weil im Grundbuch nicht mehr
Volkseigentum eingetragen sei. Unabhängig davon finde § 270 Abs. 3 ZPO auch auf die
Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 EGBGB Anwendung. Auch eine Veränderung des
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Streitgegenstandes i. S. des § 261 Abs. 2 ZPO liege nicht vor. Stets habe die
Erbengemeinschaft nach Paul Walter Steinhäuser Ansprüche gegen die Beklagten geltend
gemacht. Es sei auch klargestellt worden, dass Änderungen in der Zusammensetzung der
Erbengemeinschaft möglich seien. Insoweit sei lediglich eine Vervollständigung der
Erbengemeinschaft vorgenommen worden. Damit sei weder ein neuer Anspruch i. S. des §
261 Abs. 2 ZPO in den Rechtsstreit eingeführt worden, noch handele es sich um eine
Klageänderung i. S. der §§ 263, 264 ZPO. Die Beklagte zu 1) habe schließlich auch kein
Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück erworben. Das Verständnis des § 8 Abs.
1 VZOG vor und nach seiner Änderung durch das Wohnraummodernisierungsgesetz sei
mittlerweile höchstrichterlich im Sinne der Kläger geklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung (Bl. 178 - 182 d. A.) Bezug genommen.
Ihre gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts gerichtete Anschlussberufung haben die
Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Den Klägern steht gegen die Beklagte zu 1) der geltend gemachte
Grundbuchberichtigungsspruch auf der Grundlage von § 894 BGB zu.
1) Zunächst wird der Grundbuchberichtigungsanspruch nicht durch die Bestimmungen des
Vermögensgesetzes verdrängt. Eine Enteignung i. S. des § 1 Abs. 1 VermG liegt nicht vor. In
der Erteilung eines Rechtsträgernachweises und der Eintragung von Volkseigentum in das
Grundbuch ist eine solche nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur ZOV, 1998, 415ff.,
416) allein nicht zu erblicken. Auch der besondere Restitutionstatbestand des § 1 Abs. 2
VermG ist nicht gegeben. Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich nicht, dass das umstrittene
Grundstück überschuldet war. Auch für unlautere Machenschaften i. S. des § 1 Abs. 3
VermG sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
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2) Die Kläger können auch als Miterben den Grundbuchberichtigungsanspruch im Wege der
gesetzlichen Prozessstandschaft nach § 2039 S. 1 BGB zugunsten der Erbengemeinschaft
nach Walter Paul Steinhäuser geltend machen.
3) Das Grundbuch ist auch unrichtig, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Die
Erbengemeinschaft nach Walter Paul Steinhäuser ist nach vor wie Eigentümer des
streitgegenständlichen Grundstücks, während die Beklagte zu 1) zu Unrecht als Eigentümerin
im Grundbuch eingetragen ist.
a) Dass die Kläger neben sieben weiteren Personen Erben des Walter Paul Steinhäuser sind,
wird von der Beklagten zu 1) nach der Vorlage der inzwischen erteilten Erbscheine und der
Personenstandsurkunden nicht mehr bestritten. Auch ist der Erbanfall nicht etwa nach Art. 237
§ 1 EGBGB unbeachtlich. Danach sind Fehler bei der Enteignung oder der sonstigen
Überführung eines Grundstücks in Volkseigentum nur dann zu beachten, wenn das
Grundstück nach den allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und der
ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis nicht wirksam in Volkseigentum hätte überführt werden
können. Wegen der Existenz von Erben der dritten Ordnung konnte ein Eigentumsverlust unter
Berücksichtigung der damals noch geltenden §§ 1964f. BGB nicht eingreifen. Insbesondere
führte die fehlende Anmeldung der Erbrechte nach § 1965 Abs. 2 BGB nicht zu deren
Erlöschen. Vielmehr hat die nicht fristgemäß erfolgte Anmeldung nur Auswirkungen für das
Feststellungsverfahren, in welchem die Erbrechte nach dem Wortlaut des Gesetzes dann nur
unberücksichtigt bleiben. Hingegen steht es den Erben, die die Frist des § 1965 Abs. 2 BGB
versäumt haben, frei, die von dem Feststellungsbeschluss lediglich ausgehende Vermutung des
§ 1964 Abs. 2 zu widerlegen (Palandt-Edenhofer, BGB, 59. Aufl., § 1965 Rn. 2, § 1964 Rn.
4). Damit aber war eine Übertragung von Grundstücken in Volkseigentum der Sache nach
nicht möglich, so dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch der Bestandsschutz nach Art.
237 § 1 Abs. 1 EGBGB nicht zum Tragen kommt (BGH, ZOV 1998, 415ff., 416).
b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte zu 1) auf einen Eigentumserwerb nach Art. 237 § 2
EGBGB infolge des Verstreichens der darin statuierten Ausschlussfrist.
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aa) Zum einen verweisen die Kläger zutreffend darauf, dass Art. 237 § 2 EGBGB im
vorliegenden Falle keine Anwendung findet.
aaa) Zunächst ist der Grundtatbestand des Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB nicht gegeben. Nach
Art. 237 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB erwirbt derjenige, der als Eigentümer eines Grundstücks im
Grundbuch eingetragen ist, ohne das er das Eigentum erlangt hat, das Eigentum, wenn die
Eintragung vor dem 03.10. 1990 erfolgt ist und diese nicht durch die dort näher bezeichneten
Maßnahmen angegriffen worden ist. Unstreitig und durch die Vorlage des Grundbuchauszuges
belegt, ist die Eintragung der Beklagten zu 1) als Eigentümerin des streitgegenständlichen
Grundstücks jedoch erst am 01.09. 1994 erfolgt. Damit aber findet Art. 237 § 2 Abs. 1
EGBGB schon nach seinem Wortlaut keine Anwendung. Auch die Gesetzgebungsmaterialen
belegen, dass insoweit lediglich eine Regelung für Eintragungen aus der Zeit vor dem 03.10.
1990 statuiert werden sollte (BT-Drs. 13/7275, S. 34). Dies folgt auch aus der ratio der
Vorschrift, die der Klärung der in der ehemaligen DDR begründeten unübersichtlichen
Rechtslage dient. Der Eigentumserwerb nach Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB setzt also voraus,
dass die Grundbucheintragung seit dem 03.10. 1990 ununterbrochen bis zum Ablauf des
30.09. 1998 bestand (MünchKomm-Busche, BGB, 3. Aufl. 1999, Art. 237 § 2 Rn. 2).
bbb) Auch Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB kommt nicht zur Anwendung. Danach erwirbt die
nach den Vorschriften über die Abwicklung des Volkseigentums berechtigte juristische Person
des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts das Eigentum, wenn vor dem 03.10. 1990 im
Grundbuch Eigentum des Volkes eingetragen und diese Eintragung nicht mit den näher
beschriebenen Maßnahmen angegriffen worden war.
a
) Zwar war im vorliegenden Fall vor dem 03.10. 1990 Volkseigentum eingetragen. Art. 237
§ 2 Abs. 2 EGBGB setzt jedoch darüber hinaus grundsätzlich voraus, dass diese Eintragung
noch zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist bestand. Dies folgt zunächst aus dem
Wortlaut, der den Präsens („Ist ... Eigentum des Volkes eingetragen, ...“) wählt. Aus der
Aufzählung der Maßnahmen in Art. 237 § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB, durch welche der wirkliche
Eigentümer die Richtigkeit des Grundbuchs angreifen muss, kann zwar auf eine Erweiterung
dieses Grundsatzes geschlossen werden. Danach kann u. a. die Ausschlussfrist auch durch
einen beim Grundamt eingereichten und durch eine Bewilligung des eingetragenen Eigentümers
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oder des Verfügungsberechtigten begründeten Antrages die Ausschlussfrist gewahrt werden.
Das Abstellen auf die Bewilligung des eingetragenen Eigentümers bildet einen Beleg dafür,
dass nicht ununterbrochen Volkseigentum eingetragen sein muss. Allerdings kann daraus nicht
der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, dass auch private Erwerber in die gesetzliche
Regelung einbezogen werden sollten. Vielmehr stellt das Gesetz allein auf den Fall ab, dass
eine Vermögenszuordnung erfolgt ist und der Abwicklungsberechtige bereits in das Grundbuch
als neuer Eigentümer eingetragen ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Gleichstellung des
„eingetragenen Eigentümers“ mit dem „Verfügungsbefugten“ i. S. des § 8 VZOG. Zum
anderen folgt dies aus der Ratio der Vorschrift, auf welche unten näher einzugehen sein wird.
Einen entscheidenden Beleg für dieses Verständnis stellt schließlich die in Art. 237 § 2 Abs. 2
S. 1 EGBGB statuierte Rechtsfolge dar, wonach der Abwicklungsberechtige das Eigentum
„erwirbt“. Dieser darf es also gerade zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist nicht
schon durch eine zwischenzeitliche Verfügung verloren haben.
b
) Über den Wortlaut hinaus, bilden gerade auch die Gesetzgebungsmaterialien einen
eindeutigen Beleg für den angeführten Ansatz. Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB stellt eine
Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BGH vom 29.03. 1996 - V ZR 326/94 (ZIP
1996, 1059ff.) dar, nach welchem der Abwicklungsberechtigte Eigentum i. S. des § 903 BGB
durch Ersitzung jedenfalls nicht vor dem 31.12. 2005 erlangen konnte. Aus diesem Grund
wurde ein eigenständiger Ausschlusstatbestand statuiert (BT/Drs. 13/ 7275, S. 34), der dem
Abwicklungsberechtigten zu einem früheren Zeitpunkt einen Eigentumserwerb gestatten sollte.
c
) Der Sondertatbestand des Art. 237 § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB will vor diesem Hintergrund
lediglich einen Schutz der Dispositionsbefugnis des Abwicklungsberechtigten nach Ablauf der
Ausschlussfrist bewirken. Erst zu diesem Zeitpunkt erwirbt er eine gesicherte Rechtsposition.
Ein Schutz für Dispositionen des Abwicklungsberechtigten vor diesem Zeitpunkt ist hingegen
nicht Gegenstand der Regelung und demzufolge auch nicht von deren Sinn und Zweck erfasst.
Art. 237 § 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB hat nicht die Funktion Verfügungen, die vom
Abwicklungsberechtigten vor dem Ablauf der Ausschlussfrist getroffen worden sind, zu
schützen. Vielmehr besteht sein Sinn und Zweck allein darin, einen spezifischen Tatbestand
zum originären Erwerb des Eigentums durch den Abwicklungsberechtigten zu statuieren. Vor
dem Hintergrund dieser Ratio setzt Art. 237 § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB voraus, dass bei Ablauf
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der Ausschlussfrist entweder noch Volkseigentum im Grundbuch eingetragen ist, oder aber
bereits der Abwicklungsberechtigte als Eigentümer eingetragen ist (MünchKomm-Busche,
BGB, 3. Aufl. 1999, Art. 237 § 2 Rn. 11). In einem solchen Fall ist lediglich die ohnehin
schon bestehende Zuordnung des ehemals volkseigenen Vermögens auch grundbuchtechnisch
umgesetzt worden. Ist jedoch, wie hier, eine von dem Abwicklungsberechtigten verschiedene
juristische Person zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist im Grundbuch eingetragen
worden, so ist diese Fallgestaltung grundsätzlich anders zu beurteilen. Hier liegt nicht lediglich
eine bloß grundbuchtechnische Berichtigung vor. Vielmehr hat sich der
Abwicklungsberechtigte aufgrund einer Verfügung seines vermeintlichen Eigentums begeben
und den Vermögensgegenstand auf eine dritte und rechtliche selbstständige Person übertragen.
Gerade dieser Vorgang wird durch Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB aber nach den
vorangegangenen Ausführungen nicht geschützt. Der Abwicklungsberechtigte hat sich hier
seines vermeintlichen Eigentums begeben und kann gerade aus diesem Grunde - sieht man von
dem Fall des Scheiterns des Eigentumserwerbs des Dritten ab - kein Eigentum mehr
erwerben. Dies stellt auch gerade Art. 237 § 2 Abs. 2 S. 3 EGBGB mit der Anordnung der
entsprechenden Anwendung des Art. 237 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB klar.
d
) Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) kann aus Art. 237 § 2 Abs. 2 S. 3 EGBGB
keineswegs darauf geschlossen werden, dass auch zugunsten des Dritten, der das Eigentum an
dem Grundstück von dem Abwicklungsberechtigten erwerben wollte, die Ausschlussfrist
wirkt. Aus der entsprechenden Anwendung des Art. 237 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB ergibt sich
lediglich, dass auch im Rahmen des Sondertatbestandes des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB
zwischenzeitliche Verfügungen über das Grundstück von der statuierten Ausschlussfrist
unberührt bleiben sollen. Dies bedeutet gerade, dass bei zwischenzeitlichen Verfügungen der in
Art. 237 § 2 EGBGB angeordnete Rechtserwerb nicht eintritt (MünchKomm-Busche, BGB,
3. Aufl. 1999, Art. 237 § 2 EGBGB Rn. 10, 14) und es insoweit bei den allgemeinen
Vorschriften verbleibt. Der Erwerber wird in diesem Fall lediglich durch die Vorschriften über
den gutgläubigen Erwerb (§ 892 BGB) geschützt. Mehr als diese Aussage lässt sich Art. 237
§ 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB und demzufolge auch der Anordnung seiner entsprechenden
Anwendung im Rahmen des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB nicht entnehmen. Weder der
Wortlaut noch die Ratio der Vorschrift geben auch nur einen Anhaltspunkt dafür, dass der
Gesetzgeber mit dieser Regelung eine über diesen Regelungsgehalt hinausgehende Wirkung
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verbunden wissen wollte. Insbesondere kann den Gesetzgebungsmaterialen in dieser Hinsicht
nichts entnommen werden. Sie enthalten zu dieser Regelung keinerlei Begründung (BT-Drs.
13/7275, S. 33f.). Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift allein einen Eigentumserwerb
durch den Abwicklungsberechtigten statuiert und gerade nicht angeordnet, dass die
Ausschlussfrist auch zugunsten eines Erwerbers gilt. Auch der Umstand, dass in Art. 237 § 2
Abs. 2 S. 1 EGBGB u. a. von „nach den Vorschriften über die Abwicklung des
Volkseigentums berechtigten juristischen Personen (...) des Privatrechts“ die Rede ist, ändert
hieran nichts. Das Gesetz stellt auch insoweit klar und eindeutig auf die Ab-
wicklungsberechtigung ab, wobei diesbezüglich offensichtlich an die nach der
Umwandlungsverordnung bereits umgewandelten Wirtschaftseinheiten (§ 23 THG) gedacht
worden ist. Einen Hinweis darauf, dass die Ausschlussfrist auch zugunsten nicht
abwicklungsberechtigter Erwerber wirken soll, lässt sich dieser Formulierung jedenfalls nicht
entnehmen. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber in den Fällen zwischenzeitlicher Verfügungen
ausdrücklich für die Geltung der allgemeinen Vorschriften entschieden. Erkennbar liegt dem
die Erwägung zugrunde, dass nicht ersichtlich ist, aus welchem Grunde der Dritte in diesen
Fällen einen stärkeren Schutz geniessen soll, als in den übrigen Fällen des Erwerbs vom
Nichtberechtigten. Aufgrund dieser Entscheidung des Gesetzgebers kommt auch eine Analogie
zu § 900 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. § 943 BGB nicht zum Tragen. Abgesehen davon, dass
Art. 237 § 2 EGBGB einen eigenständigen Erwerbstatbestand aufrichtet, der mit einer
Ersitzung nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden kann und einen eigenständigen
Regelungszweck besitzt, so dass auch die Analogiebasis nicht gegeben ist, fehlt es an dem
Vorliegen einer planwidrigen Lücke. Der Gesetzgeber hat den Erwerber gerade nicht in dem
Schutz der Ausschlussfrist einbezogen, sondern in Kenntnis möglicher zwischenzeitlicher
Verfügungen nur den gutgläubigen Erwerber über die allgemeinen Vorschriften schützen
wollen.
bb) Unabhängig von den vorstehenden Gesichtspunkten greift Art. 237 § 2 EGBGB auch
deshalb nicht ein, weil die Kläger jedenfalls rechtzeitig Klage auf Grundbuchberichtigung
erhoben haben.
aaa) Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte zu 1) zunächst gegen die Anwendung des § 270
Abs. 3 ZPO. Diese Norm gilt grundsätzlich für alle prozentualen und materiell-rechtlichen
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Fristen, deren Lauf durch Klageerhebung unterbrochen wird, insbesondere auch für
Ausschlussfristen (vgl. nur Musielak-Foerste, ZPO, 1999, § 270 Rn. 7; Zöller-Greger, ZPO,
21. Aufl., § 270 Rn. 12; Stein/Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 270 Rn. 44;
MünchKomm-Lüke, ZPO, 1992, § 270 Rn. 21). Um eine derartige Ausschlussfrist handelt es
sich bei der in Art. 237 § 2 EGBGB statuierten Regelung, die der rechtshängigen Klage einen
rechtswahrenden Charakter zuweist. Damit aber ist der Normzweck des § 270 Abs. 3 ZPO,
der den Kläger vor dem Verzögerungsrisiko der außerhalb seiner Einflusssphäre liegenden
Amtszustellung entlasten will, auch in dem vorliegenden Falle einschlägig (st. Rspr. des Senats,
vgl. zuletzt Urt. v. 12.08. 1999 - 7 U 1531/99 = ZOV 1999, 435ff., 436 = VIZ 2000, 55ff.,
56). Auch aus dem Wortlaut des Art. 237 § 2 EGBGB ergibt sich entgegen der Ansicht der
Beklagten zu 1) nichts anderes. Die Formulierung „rechtshängige Klage“ nimmt lediglich Bezug
auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO und damit insbesondere auch den § 270 Abs. 3
ZPO, der gerade für die Rechtshängigkeit eine Rückwirkung anordnet, Bezug (vgl. auch
Palandt-Bassenge, BGB, 59. Aufl., Art. 237 EGBGB Rn. 2; MünchKomm-Busche, BGB,
3. Aufl. 1999, Art. 237 § 2 Rn. 3). Vor diesem Hintergrund war die am 30.09. 1998
eingereichte und am 13.10. 1998 zugestellte Klage geeignet, die Ausschlussfrist zu wahren.
bbb) Auch der Gesichtspunkt, dass die Kläger ihren Antrag nach Ablauf der Ausschlussfrist
umgestellt haben, führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Ansicht der Beklagten zu
1) liegt keine Klageänderung vor, die die Rechtshängigkeit der ursprünglich erhobenen Klage
beseitigt hat. Mit der Umstellung des Klageantrages sind die Parteien des Rechtsstreits ebenso
unverändert geblieben wie der Klagegrund. Die Kläger haben mit der Umstellung des
Klageantrages vielmehr dem neuen Erkenntnisstand hinsichtlich der Zusammensetzung der
Erbengemeinschaft Rechnung getragen. Stets aber war klar, dass die Erbengemeinschaft nach
Walter Paul Steinhäuser Berechtigte hinsichtlich des geltend gemachten
Grundbuchberichtigungsanspruchs war, wobei der Umstand einer Veränderung in ihrer
Zusammensetzung in der Klageschrift mit dem Verweis auf das Vorliegen eines Teil-
Erbscheins und weiteren gestellten Anträgen auf Erteilung von Erbscheinen bereits angelegt
war. Die Aufnahme weiterer Miterben in die Klageanträge stellt sich vor diesem Hintergrund
als deren bloße Beschränkung dar. Die Kläger waren nicht, wie ursprünglich angenommen, die
alleinigen Miterben. Vielmehr traten weitere sieben Personen als Mitglieder der
Erbengemeinschaft nach Walter Paul Steinhäuser hinzu. Die daraus resultierende Änderung
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des Klageantrages stellt sich ebenso etwa wie die Umstellung der Klage auf Leistung auch an
Dritte lediglich als eine Klagebeschränkung i. S. des § 264 Nr. 2 ZPO dar (vgl. BGH, NJW-
RR 1987, 1534f., 1535; BGH, ZZP 91 (1978), 314ff., 316; RGZ 158, 302ff., 314). Die von
der Beklagten zu 1) zu erbringende Leistung, nämlich die abzugebende Erklärung, blieb nach
Art und Umfang dieselbe. Die Beklagte zu 1) sollte nach wie vor die Zustimmung zur
Grundbuchberichtigung mit der Folge der vollständigen Löschung ihrer Eigentumsstellung im
Grundbuch zugunsten der Eintragung der Erbengemeinschaft nach Walter Paul Steinhäuser
erklären, lediglich mit der Maßgabe, dass Mitglieder dieser Erbengemeinschaft nicht nur die
Kläger, sondern darüber hinaus weitere sieben Personen waren. Insoweit liegt lediglich ein
Minus auf Seiten der Kläger in Bezug auf ihre Erbanteile vor. Eine derartige Umstellung des
Klageantrages aber lässt die Rechtshängigkeit des von der Erbengemeinschaft geltend
gemachten Grundbuchberichtigungsanspruches nicht entfallen. Hier liegt weder ein Wechsel
der Partei noch eine Veränderung des Klagegrundes, sondern lediglich eine gebotene
Berichtigung der Zusammensetzung der Erbengemeinschaft vor.
c) Die Erben nach Walter Paul Steinhäuser haben ihr Eigentum auch nicht durch die nach Art.
22 Abs. 4 EV erfolgte Vermögenszuweisung verloren. Die Vorschrift regelt lediglich, dass das
zur Wohnungsversorgung genutzte volkseigene Vermögen, welches sich in Rechtsträgerschaft
der volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft befindet, mit dem Wirksamwerden des
Beitritts Eigentum der Kommunen werden. Darin wird vorausgesetzt, dass das entsprechende
Grundstück volkseigenes Vermögen ist. Ist dieses aber nicht wirksam begründet worden, so
kann Art. 22 Abs. 4 EV auch kein Eigentum der Kommune begründen (Senatsurteil v. 30.10.
1997, VIZ 1998, 218ff., 220; BGH, ZOV 1999, 118ff., 119).
d) Auch hat die Beklagte zu 1) kein Eigentum durch die Übertragung des
streitgegenständlichen Grundstücks seitens der Beklagten zu 2) erworben.
aa) Nach der Rechtsprechung des BGH begründete § 8 VZOG in der Fassung des
Registerbeschleunigungsgesetzes vom 20.12. 1993 für den Verfügungsbefugten nicht die
Rechtsmacht über nicht entstandenes Volkseigentum wirksam zu verfügen. Dem
Verfügungsberechtigten sollte mit dieser Norm lediglich eine Buchposition eingeräumt werden,
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wie sie auch den Begünstigten eines Zuordnungsbescheides zusteht (BGH, ZOV 1998, 415ff.,
416f.).
bb) Auch ein gutgläubiger Erwerb der Beklagten zu 1) nach § 892 BGB scheidet aus, weil es
sich bei der Ausgliederung von Vermögen einer Gebietskörperschaft auf eine im Wege der
übertragenden Umwandlung gegründete kommunale Eigengesellschaft nicht um ein
Verkehrsgeschäft handelt (vgl. nur BGH, ZOV 1998, 415ff., 417; ZOV 1999, 118ff., 119;
Senatsbeschluss v. 25.07. 1997, VIZ 1996, 732ff., 734).
cc) Die 1994 im Wege der Ausgliederung erfolgte Übertragung des Grundstücks ist auch nicht
nach Art. 233 § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB wirksam. Danach wird bei ehemals volkseigenen
Grundstücken unwiderleglich vermutet, dass in der Zeit vom 03.10. 1990 bis zum 24.12.
1993 die in § 8 VZOG in der seit dem 25.12. 1993 geltenden Fassung bezeichneten Stellen
zur Verfügung über das Grundstück befugt waren.
aaa) Die Beklagte zu 1) weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der BGH
in seinem Urteil vom 27.11. 1998 - V ZR 180/97 (ZOV 1999, 118ff., 120) sich lediglich
dahingehend festgelegt hat, dass Art. 233 § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB nicht zu einer Heilung der
vor dem Inkrafttreten des VZOG vorgenommenen Übertragungen von nicht volkseigenen
Vermögen führen kann. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht, da die
streitgegenständliche Verfügung am 11.02. 1994 und damit nach Inkrafttreten des VZOG
erfolgte.
bbb) Diesbezüglich hat der BGH lediglich in einem obiter dictum ohne nähere Begründung
ausgeführt, dass es in einem solchen Fall die Wirksamkeit von Verfügungen nach § 8 VZOG i.
d. F. des WoModSiG davon abhänge, ob das Grundstück im Grundbuch als Volkseigentum
eingetragen war (BGH, ZOV 1999, 118ff., 120). Der Senat vermag diesem Ansatz in dieser
Allgemeinheit nicht zu folgen. Dem obiter dictum liegt ersichtlich die Annahme zugrunde, dass
der im Rahmen des Gesetzes zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle
der Restitution (BGBl. 1997 I, 1823ff.) erfolgten Änderung des § 8 VZOG eine Rückwirkung
beizumessen und insoweit eine Heilung von während der Geltung des VZOG vorgenommenen
und nicht wirksamen Übertragungen von nicht volkseigenen Grundstücken anzunehmen ist.
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Für eine derartige Annahme bietet jedoch das Wohnraummodernisierungsgesetz keinen
begründeten Anhaltspunkt.
a
) Aus dem Wortlaut des Gesetzes kann auf eine derartige Rückwirkung nicht geschlossen
werden. Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 WoModSiG enthält lediglich die Einfügungen in § 8 VZOG, aber
keine Aussage darüber, ab welchem Zeitpunkt diese Neufassung in Kraft ist. Diesbezüglich ist
Art. 7 WoModSiG einschlägig, wonach das Gesetz am Tage nach der Verkündung, mithin
dem 24.07. 1997 in Kraft tritt. Damit ist zunächst nur ausgesagt, dass ab diesem Zeitpunkt die
neue Ausgestaltung der Verfügungsbefugnis des § 8 VZOG anwendbar ist. Die Neufassung
des Gesetzes entfaltet damit grundsätzlich lediglich eine Wirkung für nach diesem Zeitpunkt
vornehmende Verfügungen. Eine besondere Anordnung der Rückwirkung ergibt sich auch
nicht aus Art. 7 Abs. 2 S. 3 WoModSiG. Darin wird zwar ausgesagt, dass die Neufassung
des § 8 VZOG nicht gilt, wenn ein bestandskräftiges Urteil ergangen oder eine Einigung der
Parteien erfolgt ist. E contrario kann daraus zwar gefolgert werden, dass die Neufassung auch
auf noch nicht abgeschlossene Vorgänge Anwendung finden kann. Daraus ergibt sich indessen
noch nicht, dass in der Vergangenheit liegende Verfügungen rückwirkend eo ispo infolge der
Neufassung Wirksamkeit erlangen, sondern lediglich, dass die zuständige Stelle bisherige
Verfügungen i. S. des § 8 VZOG genehmigen oder wiederholen kann, um auf diese Weise
eine Wirksamkeit herbeizuführen. Dieses Verständnis entspricht dem allgemeinen Grundsatz,
dass für die Beurteilung der Wirksamkeit von Verfügungen das zum Zeitpunkt ihrer Vornahme
maßgebliche Recht maßgebend ist. Änderungen der Rechtslage können aus Gründen der
Rechtsklarheit und Rechtssicherheit lediglich für zukünftig erst noch vornehmende
Verfügungen relevant sein. Ein Abweichen von diesem allgemeinen Grundsatz kann auch Art.
7 Abs. 2 S. 3 WoModSiG nicht entnommen werden.
b
) In diesem Zusammenhang kann auch nicht mit Erfolg die Entstehungsgeschichte des
Gesetzes angeführt werden. Der Gesetzgeber hat sich zwar auf den Standpunkt gestellt, mit
der Neufassung solle lediglich klargestellt werden, dass es im Rahmen des § 8 VZOG auf die
Wirksamkeit der Begründung von Volkseigentum nicht ankommen solle (BT-Drs. 13/7275, S.
35). In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber jedoch verkannt, dass die Neufassung
tatsächlich eine Änderung der Rechtslage bewirkt, so dass es sich keinesfalls um eine bloße
Klarstellung handelt. In der Rechtspraxis hat die höchstrichterliche Rechtsprechung § 8 VZOG
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a. F. gerade nicht die Wirkungen beigemessen, von welchen der Gesetzgeber nunmehr ausgeht
(vgl. nur BGH, ZOV 1998, 415ff., 416f.; Senatsbeschl. v. 25.07. 1996, VIZ 1996 , 732ff.;
Senatsurt. v. 24.04. 1997 - 7 U 43/97). Vor diesem Hintergrund unterliegt der Gesetzgeber
ersichtlich einer Fehlvorstellung, so dass seiner Aussage, es handele sich lediglich um eine
Klarstellung, auch keine für die Auslegung des Gesetzes maßgebende Bedeutung beigemessen
werden kann. An dem Gesetzgeber wäre es vielmehr gewesen, in Anerkennung der
ergangenen Urteile eine klare und unmißverständliche Regelung über das rückwirkende
Inkrafttreten der Neuregelung - und um eine solche handelt es sich - zu statuieren. Die -
verfassungsrechtlich ohnehin problematische - Rückwirkung der Neufassung des § 8 VZOG
kommt in dem WoModSiG nicht zum Ausdruck. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 S. 3
WoModSiG bietet nach den obigen Ausführungen keine sichere Grundlage. Er läßt sich
vielmehr zwanglos auch einem anderen Verständnis zuführen.
c
) Hinzu tritt die Systematik des Gesetzes. Mit dem WoModSiG wurde auch Art. 233 § 2
Abs. 2 EGBGB geändert. Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB a. F. hatte keinen eigenständigen
materiellrechtlichen regelnden Gehalt, sondern stellte lediglich klar, dass sich die Inhaberschaft
von Volkseigentum aus anderen Rechtsvorschriften ergibt. Durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB
ist mit der der Neufassung des Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB eine besondere
Heilungsvorschrift eingefügt worden. Nach dessen Satz 1 wird bei ehemals volkseigenen
Grundstücken unwiderleglich vermutet, dass in der Zeit vom 15.03. 1990 bis zum Ablauf des
02.10. 1990 die als Rechtsträger eingetragene staatliche Stelle und diejenige Stelle, die deren
Aufgaben bei Vornahme der Verfügung wahrgenommen hat, und in der Zeit vom 03.10. 1990
bis zum 24.12. 1993 die in § 8 des Vermögenszuordnungsgesetzes in der seit dem 25.12.
1993 geltenden Fassung bezeichneten Stellen zur Verfügung über das Grundstück befugt
waren. Die Statuierung dieser besonderen Heilungsvorschrift ergäbe ausgehend von einer
rückwirkenden Geltung der gerade durch das WoModSiG statuierten Neufassung des § 8
VZOG keinen Sinn, sondern wäre überflüssig. In Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB n. F. wird
gerade nur von einer „unwiderleglichen Vermutung“ der Verfügungsbefugnis gesprochen und §
8 VZOG in der seit dem 25.12. 1993 geltenden Fassung erwähnt. Dies spricht in eindeutiger
Weise gegen eine rückwirkende Geltung der Neufassung des § 8 VZOG. Aus ihr ist vielmehr
der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber der Neufassung des § 8 VZOG gerade keine
Rückwirkung beimessen wollte, sondern für die bereits zuvor erfolgten Verfügungen i. S.
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dieser Norm mit der Statuierung der unwiderleglichen Vermutung der Verfügungsbefugnis
einen anderen rechtstechnischen Weg zur Bewältigung der Altfälle beschreiten wollte.
Ansonsten hätte es der Anordnung einer unwiderleglichen Vermutung der Verfügungsbefugnis
schlicht nicht bedurft.
ccc) Der danach für die Beurteilung einer Heilung der streitgegenständlichen Verfügung allein
einschlägige Art. 233 § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB führt nicht zu deren Wirksamkeit. Wie der
Bundesgerichtshof zutreffend hervorgehoben hat, knüpft diese Norm mit ihrer Formulierung
„Bei ehemals volkseigenen Grundstücken“ an das Volkseigentum und nicht lediglich an die
Grundbucheintragung als solche an (BGH, ZOV 1999, 118ff., 119f.). Erforderlich ist mithin,
das das Grundstück tatsächlich im Volkseigentum stand und nicht lediglich im Grundbuch als
solches eingetragen war. Dies ist hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks jedoch
nicht der Fall. Da dieses Tatbestandsmerkmal die allgemeine Voraussetzung für die
Anwendbarkeit der Heilungsvorschrift des Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB formuliert, kann diese
somit im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen.
dd) Auf die Frage der Grundgesetzkonformität der durch das
Wohnraummodernisierungsgesetz neu gefassten § 8 VZOG und Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB
(vgl. dazu Senatsurteil vom 30.10. 1997 - 7 U 1365/97 = VIZ 1998, 218ff., 222 m. w. Nw.;
OLG Dresden, Urt. v. 27.08. 1998 - 19 U 1762/96 = VIZ 1999, 229ff., 230ff.) kommt es
ausgehend von diesem Verständnis im vorliegenden Fall somit nicht an. Daher bedurfte es
auch einer Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage dieser Frage an das BVerfG nach Art.
100 Abs. 1 GG nicht.
e) Zutreffend hat das Landgericht schließlich auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer
Verwirkung (§ 242 BGB) verneint. Hier fehlt es auf Seiten der darlegungs- und
beweisbelasteten Beklagten zu 1) an der substantiierten Darlegung, zu welchem Zeitpunkt die
Kläger und weiteren Miterben überhaupt von ihrem Erbrecht und den der Erbengemeinschaft
zustehenden Anspruch Kenntnis erlangt haben. Zudem ist nicht ersichtlich, inwieweit die
Beklagte zu 1) auf ein Untätigwerden der Erben des Walter Paul Steinhäuser vertrauen
konnte. Allein die fehlende Geltendmachung eines Anspruchs über einen langen Zeitraum ohne
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die konkrete Zurechnung dieses Zeitmoments zum Anspruchsinhaber ist insoweit nicht
ausreichend.
4) Nach alledem war die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen. Dabei war die
Entscheidungsformel des landgerichtlichen Urteils nach § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen. Die
in den Entscheidungsgründen ausdrücklich behandelte Abweisung der Klage gegenüber der
Beklagten zu 2) fand in dem Urteilstenor keine hinreichende Berücksichtigung. Insoweit lag
eine offenbare Unrichtigkeit vor, so dass die Entscheidungsformel dahingehend zu berichtigen
war, dass lediglich die Beklagte zu 1) zur Zustimmung zur Grundbuchberichtigung verurteilt
und die Klage im Übrigen abgewiesen wurde. Die Berichtigung konnte durch das
Berufungsgericht erfolgen (vgl. Musielak, ZPO, 1999, § 319 Rn. 13; Zöller-Vollkommer,
ZPO, 21. Aufl., § 319 Rn. 22; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann, ZPO, 58.
Aufl., § 319 Rn. 26).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zurücknahme der Anschlussberufung
durch die Kläger wirkte sich entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf ihren Gegenstand
kostenmäßig nicht aus.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711,
108 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.