Urteil des OLG Dresden vom 02.06.2005

OLG Dresden: ordnungswidrigkeit, geschwindigkeitsbeschränkung, schallschutzmauer, brücke, wiederholung, nachlässigkeit, rechtsgrundlage, höchstgeschwindigkeit, innerorts, form

Leitsatz:
1. Die Anordnung eines Regelfahrverbotes aufgrund einer Ge-
schwindigkeitsüberschreitung kommt bei einem so genannten
Augenblicksversagen nicht in Betracht.
2. Hat ein Kraftfahrer ein Ortseingangsschild übersehen und
musste sich ihm aufgrund äußerer Umstände (vorhergehender
Geschwindigkeitsrichter, Bebauung) nicht aufdrängen, dass er
sich innerorts befand, ist die Annahme eines Augenblicks-
versagens nicht zu beanstanden.
OLG Dresden, Bußgeldsenat, Beschluss vom 02.06.2005, Az. Ss (OWi) 249/05
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Oberlandesgericht
Dresden
Senat für Bußgeldsachen
- Die Einzelrichterin -
Aktenzeichen: Ss (OWi) 249/05
215 OWi Ss 502 Js 63880/04 AG Leipzig
33 OWi Ss 249/05 GenStA Dresden
Beschluss
vom 02. Juni 2005
in der Bußgeldsache gegen
G
geboren am
wohnhaft
Verteidiger: Rechtsanwalt J L
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
Leipzig gegen das Urteil des Amtsgerichts
Leipzig vom 08. Dezember 2004 wird als unbe-
gründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die not-
wendigen Auslagen des Betroffenen werden der
Staatskasse auferlegt.
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G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Leipzig hat den Betroffenen mit Urteil vom
08. Dezember 2004 wegen fahrlässiger Überschreitung der zu-
lässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h zu einer Geldbuße
von 100,00 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines im Buß-
geldbescheid vorgesehenen Fahrverbotes hat es abgesehen.
Gegen das Urteil richtet sich die form- und fristgerecht
eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Leipzig,
mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird. Sie
wendet sich gegen das Absehen von der Verhängung eines
Fahrverbotes.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf
die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das Urteil des
Amtsgerichts Leipzig vom 08. Dezember 2004 mit samt den
zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Leipzig zurückzuver-
weisen.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Leipzig bleibt
ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat den tenorierten Verkehrsverstoß rechts-
fehlerfrei festgestellt und ist zutreffend davon ausgegan-
gen, dass als Bemessungsgrundlage für die Ahndung dieses
Verkehrsverstoßes der auf der Vorbewertung des Verordnungs-
gebers aufgestellte Bußgeldkatalog heranzuziehen ist, wo-
nach die von dem Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit
mit einer Geldbuße von 100,00 EUR zu ahnden ist.
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Auch die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht von der Ver-
hängung eines Fahrverbotes abgesehen hat, halten rechtli-
cher Überprüfung stand.
Alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrver-
botes wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist auch bei
Taten, bei denen diese Rechtsfolge nach § 4 Abs. 1 Satz 2
BKatV in der Regel in Betracht kommt, § 25 Abs. 1 Satz 1
StVG. Nach dieser Vorschrift kann ein Fahrverbot verhängt
werden, wenn ein Betroffener eine Ordnungswidrigkeit nach
§ 24 StVG unter grober oder beharrlicher Verletzung der
Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, wobei
das Gewicht des Verkehrsverstoßes in objektiver Hinsicht
allein noch nicht die Annahme einer groben Pflichtverlet-
zung begründet. Vielmehr muss dem Täter auch in subjektiver
Hinsicht eine besondere Verantwortungslosigkeit vorgeworfen
werden können.
Diese Voraussetzungen sind jedoch hier nicht erfüllt. Viel-
mehr liegt nach den Feststellungen des Amtsgerichts ein so
genanntes Augenblicksversagen vor, das auch seinerseits
nicht auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit be-
ruht.
Wie das Amtsgericht festgestellt hat, befuhr der Betroffene
die Strecke erstmals (UA S. 4, 5). Entgegen den Ausführun-
gen der Staatsanwaltschaft hat die Richterin ausreichende
Feststellungen zur Art der Beschilderung und den äußeren
Verhältnissen bzw. der Bebauung getroffen (UA S. 4). Danach
handelt es sich bei der von dem Betroffenen befahrenen Ma-
ximilianallee um eine zweispurig ausgebaute Straße. In der
Mitte der Straße befinden sich Mittelleitplanken. Eine
Randbebauung an dieser Stelle liegt nicht vor. Im Vorfeld
ist die Maximilianallee mit einer Geschwindigkeit von
80 km/h
befahrbar.
Am
Straßenrand
befindet
sich
eine
Schallschutzmauer. Nach Durchfahren einer Brücke folgen so-
dann die Ortseingangsschilder. In diesem Bereich ist an-
sonsten aufgrund der Bebauung nicht ersichtlich, dass die
Örtlichkeit bereits beginnt (UA S. 4).
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Dabei hat sich das Amtsgericht hinsichtlich der Feststel-
lungen zur Tatörtlichkeit auch nicht allein auf die Angaben
des Betroffenen verlassen. Vielmehr werden diese gestützt
durch die wirksam in Bezug genommenen Lichtbilder (UA S. 4,
6). Darüber hinaus wird die Einlassung des Betroffenen
durch die Angaben des Messbeamten G bestätigt, der ausge-
führt hat, dass die Maximilianallee zweispurig mit Mittel-
leitplanken ohne Randbebauung ausgebaut sei (UA S. 6).
Der Betroffene hat - nach seiner Einlassung - die Ortsein-
gangsschilder übersehen. Weitere Anhaltspunkte, aufgrund
derer
sich
die
Geschwindigkeitsbeschränkung
aufdrängen
musste (vgl. BGHSt 43, 241), lagen aufgrund der vom Amtsge-
richt getroffenen Feststellungen nicht vor. Dies gilt ins-
besondere für eine mehrfache Wiederholung der Verkehrszei-
chen, einen der Messstelle vorausgehenden Geschwindigkeits-
trichter oder die äußere Situation der Messstelle. Allein
die vorausgehende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h
führt zu keinem anderen Ergebnis. An diese Vorgabe hat sich
der Betroffene gehalten. Sie führt nicht dazu, dass er
zugleich das Ortseingangsschild wahrnehmen musste.
Beruht jedoch die Ordnungswidrigkeit nur auf einem solchen
- wie hier festgestellten - Augenblicksversagen, so ent-
fällt die Indizwirkung des Verstoßes hinsichtlich des Kri-
teriums des groben Pflichtverstoßes; für die Anwendung des
§ 25 Abs. 1 StVG ist kein Raum.
Mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht auch die
Voraussetzungen einer beharrlichen Pflichtverletzung im
Sinne des § 25 StVG verneint. Allein aufgrund der wieder-
holten Überschreitung - des im Übrigen bereits geraume Zeit
zurückliegenden letzten Verstoßes - kann keine Beharrlich-
keit bejaht werden, da der erneute Verstoß seinerseits bloß
auf einem Augenblicksversagen beruht (vgl. auch OLG Dresden
DAR 2003, 472).
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Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher unbe-
gründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, § 46
Abs. 1 OWiG.
Gmel
Richterin
am Landgericht