Urteil des OLG Dresden vom 26.06.2000

OLG Dresden: vergütung, ausbildung, gleichwertigkeit, ddr, kunst, verordnung, betriebswirtschaft, qualifikation, anerkennung, grenzbereich

Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 15 W 0500/00
11 T 575/00 Landgericht Chemnitz
Beschluss
des 15. Zivilsenats
vom 26.06.2000
In dem Betreuungsverfahren
betreffend
..............,
...........................,
..... ...........
- Betroffener -
mit den Beteiligten:
1. ............,
.........,
..... .........
- Betreuerin und Beschwerdegegnerin -
Freistaat Sachsen, Justizfiskus
vertr. d.d. Bezirksrevisor beim Landgericht Chemnitz,
- Beschwerdeführer -
wegen Betreuervergütung
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ........
den Richter am Oberlandesgericht ........ und
den Richter am Amtsgericht .......
beschlossen:
1. Die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2)
vom 20.03.2000 gegen den Beschluss des Landgerichts
Chemnitz vom 01.03.2000 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Beschwerdewert wird auf 153,47 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beteiligten streiten um die der Beteiligten zu 1) gegen
die Staatskasse zustehende Vergütung für ihre Tätigkeit als
Berufsbetreuerin für den Betroffenen im Zeitraum vom
07.01.1999 bis 12.01.2000. Das Vormundschaftsgericht hatte
mit Beschluss vom 25.01.2000 die Vergütung antragsgemäß auf
920,81 DM (ohne Aufwandsentschädigung) festgesetzt und dabei
einen Stundensatz von 54,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer
zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des
Beteiligten zu 2) hat das Landgericht mit dem angegriffenen
Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht
ausdrücklich zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde
verfolgt der Beteiligte zu 2) sein Ziel weiter, den
Vergütungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts aufheben zu
lassen, soweit der Betreuerin darin eine 45,00 DM pro Stunde
zuzüglich Mehrwertsteuer (= insgesamt 767,34 DM)
übersteigende Vergütung zuerkannt worden ist.
Der Rechtsbehelf ist zulässig (§ 56 g Abs. 5Satz 2 FGG
i.V.m. § 69 e Satz 1 FGG), bleibt jedoch in der Sache ohne
Erfolg. Der Betreuerin steht im vorliegenden Fall eine
Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG zu. Das
Vormundschaftsgericht hat mithin seinem Beschluss unter
Beachtung des in den neuen Bundesländern zu
berücksichtigenden Abschlags von 10 % zu Recht einen
Stundensatz von 54,00 DM zugrunde gelegt. Die vom
Beteiligten zu 2) hiergegen erhobenen Einwände hält der
Senat im Ergebnis nicht für stichhaltig.
Zum Aufgabenkreis der Beteiligten zu 1) für den Betroffenen
gehören unter anderem die Regelung aller finanziellen
Angelegenheiten, die Geltendmachung von Ansprüchen, der
Abschluss eventuell erforderlicher Verträge sowie der Umgang
mit Behörden und Ämtern, das heißt alle wesentlichen
Bereiche der Vermögenssorge. Für diesen Wirkungskreis
verfügt sie über besondere, durch eine abgeschlossene (Fach-
)Hochschulausbildung erworbene Kenntnisse, die für die
Führung einer Betreuung der vorgenannten Art nutzbar sind.
Besondere Kenntnisse im Sinne des § 1 BVormVG sind nach
allgemeiner Meinung solche, die über das jedermann zu Gebote
stehende Wissen hinausgehen und die regelmäßig nicht durch
Lebenserfahrung allein erworben werden (vgl. auch BT-Drucks.
13/7158, S. 14). Für die Betreuung nutzbar sind diese
Kenntnisse, wenn sie für die Erledigung der dem Betreuer
zugewiesenen Aufgaben hilfreich sind, wobei es nicht auf
Umfang und Schwierigkeit der konkreten Betreuung ankommt.
Notwendig, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die
Fachkenntnisse verwendbar sein können. Durch eine Ausbildung
erworben sind die im vorgenannten Sinne nutzbaren
Fachkenntnisse dann, wenn die Ausbildung in ihrem
Kernbereich auf deren Vermittlung ausgerichtet ist (st.
Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 24.05.2000, 15
W 499/00).
Für eine Betreuung nutzbar (und damit vergütungssteigernd)
sind dabei vornehmlich Rechtskenntnisse, zumal nach der
stärkeren Betonung der rechtlichen Betreuung durch das
Betreuungsrechtsänderungsgesetz. Diese Neufassung des
Gesetzes hat allerdings nichts daran geändert, dass der
Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen
hat, wie es dessen Wohl entspricht. Auch unter der neuen
Gesetzeslage ist der Grundsatz der persönlichen Betreuung,
der einen möglichst engen Kontakt zwischen Betreuer und
Betroffenem und das Bemühen um ein persönliches
Vertrauensverhältnis voraussetzt (§ 1901 BGB), ausdrücklich
aufrechterhalten geblieben. Daher kann auch jedes durch
entsprechende Abschlüsse dokumentierte Fachwissen, welches
soziale Kompetenzen im Verhältnis zum Betreuten vermittelt
oder der fachlichen Bewältigung der dem Betreuer im
zugewiesenen Wirkungskreis anfallenden Aufgaben förderlich
ist, für die Betreuung nutzbar sein. Darunter fallen
regelmäßig sozialpädagogische und psychologische, im
Aufgabenbereich "Vermögenssorge" gerade aber auch
wirtschaftliche Kenntnisse. Eine Beschränkung der
Vergütungsstufe 3 des § 1 BVormVG auf Juristen,
Diplompsychologen und Diplomsozialpädagogen vermag der Senat
weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Gesetzes zu entnehmen.
Zwar mag es sein, dass bei diesen Berufsgruppen eine
Einstufung in die höhere Vergütungsgruppe besonders nahe
liegt. Den Umkehrschluss, dass einem Betreuer, der nicht
über einen dieser Abschlüsse verfügt, deshalb die Vergütung
nach dem Höchstsatz des § 1 Abs. 1 BVormVG grundsätzlich
nicht zustehe, kann der Senat jedoch nicht teilen. Vielmehr
ist grundsätzlich im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige
Ausbildung des Betreuers die typisierten Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVormVG erfüllt.
Im vorliegenden Fall führt diese Prüfung zu dem Ergebnis,
dass die Beteiligte zu 1) über besondere betreuungsrelevante
Kenntnisse verfügt, welche sie in einer abgeschlossenen,
einer formellen Hochschulausbildung jedenfalls
gleichstehenden Ausbildung erworben hat. Sie hat an der
Ingenieurhochschule Dresden, Abteilung Fachschulausbildung,
am 27.11.1970 ihr Studium mit dem Abschluss Ingenieurökonom
beendet. Der weiteren Beschwerde ist zuzugeben, dass das in
diesem Zusammenhang von der Beteiligten zu 1) vorgelegte
akademische Abschlusszeugnis für einen im Grenzbereich
zwischen Ingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaft
angesiedelten Ausbildungsgang mit zahlreichen Fächern eine
technische Schwerpunktbildung erkennen lässt, bei der
Zweifel zurückbleiben mögen, ob das Studium in seinem
Kernbereich auch auf Vermittlung ökonomischer Kenntnisse
gerichtet war. Der Senat sieht sich indes durch den
Gleichstellungsbescheid des Sächsischen Staatsministeriums
für Wissenschaft und Kunst vom 09.06.1998 an einer
abschließenden eigenen Bewertung dieser Zweifel gehindert;
es bedarf auch keiner Entscheidung des Senats zu der Frage,
unter welchen grundsätzlichen Voraussetzungen eine zu Zeiten
der DDR absolvierte Fachschulausbildung einer - zweifellos
unter § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG fallenden -
Fachhochschulausbildung jedenfalls gleichsteht. Denn im hier
nach neuem Recht zu beurteilenden Fall ergibt sich die
Gleichwertigkeit des berufsqualifizierenden Abschlusses der
Beteiligten zu 1) mit einem Fachhochschulabschluss als
Diplombetriebswirtin aus dem vorgenannten Bescheid der
obersten hierfür im Freistaat Sachsen zuständigen
Landesbehörde, die auf der Grundlage einer entsprechenden
Einzelprüfung insoweit zugunsten der Beteiligten zu 1)
entschieden hat. Der Senat hält es für nicht vereinbar mit
Sinn und Zweck eines solchen nachträglichen Anerkennungs-
und Zertifizierungsverfahrens, im Rahmen seiner
Vergütungsrechtsprechung die streiterhebliche Frage der
Gleichwertigkeit erneut und unabhängig von dieser bereits
vorliegenden Entscheidung der sachlich und fachlich hierzu
berufenden Behörde zu prüfen und den der Beteiligten zu 1)
günstigen Bescheid vom 09.06.1998 damit unter Umständen im
Ergebnis "ins Leere laufen" zu lassen (vgl. zur Frage der
Anerkennung der Gleichwertigkeit von Ausbildungsabschlüssen
durch Gesetz oder Verordnung bereits den Beschluss des
Senats vom 09.06.2000, 15 W 223/00). Die Beteiligte zu 1)
ist nach Maßgabe dieses Bescheids hinsichtlich ihrer
beruflichen Qualifikation zu behandeln wie jemand, der einen
Fachhochschulstudiengang im Fach Betriebswirtschaft
erfolgreich abgeschlossen hat; aufgrund dessen werden bei
ihr besondere wirtschaftliche Kenntnisse vermutet, welche
ihr für die berufsmäßige Führung von Betreuungen jedenfalls
insoweit nutzbar sein können, als ihr, wie hier, der
Aufgabenkreis "Vermögenssorge" zugewiesen ist. Die
entsprechende Betreuertätigkeit ist daher auch nach der
diesbezüglichen (höchsten) Vergütungsstufe des § 1 BVormVG
zu honorieren.
Es bestand keine Veranlassung, die Erstattung
außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 13 a FGG). Der Wert
des Beschwerdegegenstands wurde nach § 131 Abs. 2 i.V.m.
§ 30 KostO festgesetzt.
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