Urteil des OLG Dresden vom 18.05.2000
OLG Dresden: auflösung der gesellschaft, umwandlung, gründung der gesellschaft, ordentliche kündigung, numerus clausus, wirtschaftliche tätigkeit, fonds, auszahlung, satzung, spaltung
Oberlandesgericht Dresden, 21. Zivilsenat, Urteil vom
18.05.2000, Az. 21 U 3559/99
PGH-VO § 4 Abs. 3 Nr. 2, § 5 Abs.4 ; BGB § 738 Abs. 1
Satz 2, § 138
1. Die Aufteilung des Vermögens einer ehemaligen PGH auf
drei zu gründende Gesellschaften und damit die
rechtsübertragende Umwandlung durch Spaltung des
Vermögens auf mehrere neu zu gründende Rechtsträger ist
zulässig.
2. Eine Abfindungsklausel, nach der der ausscheidende GmbH-
Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil in drei Raten
nach fünf, acht und zehn Jahren nach Kündigungserklärung
erhält, ist sittenwidrig, sofern die Gesellschaft durch
Umwandlung einer ehemaligen PGH entstanden ist.
Aktenzeichen: 21 U 3559/99
4 O 1682/99 LG Chemnitz
Verkündet am 18.05.2000
Die Urkundsbeamtin:
Justizsekretärin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Forderung
hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2000 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
den Richter am Oberlandesgericht und
den Richter am Landgericht
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der
4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 28.09.1999
im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen dahin geändert,
dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger
15.723,76 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem
16.04.1999 zu zahlen.
2. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Beschwer für die Beklagte beträgt 15.723,76 DM.
Tatbestand:
Der Kläger war Mitglied der
. In der
Mitgliederversammlung vom 05.07.1990 wurde die Umwandlung
der PGH beschlossen unter Aufteilung des Vermögens der
auf drei zu gründende GmbH: die Beklagte, die
sowie
die
.
Die Beklagte wurde mit Gründungsurkunde der
(UR 1009/1991) am 14.02.1991 errichtet (Anlage K1 zur Klage
vom 06.04.1999). Bei dem Kläger handelt es sich um einen der
Gründungsgesellschafter der Beklagten.
Die Satzung der Beklagten enthält u.a. folgende
Bestimmungen:
(Anlage K2 zur Klage).
Der Kläger übersandte der Beklagten unter dem 11.12.1992 ein
mit "" betiteltes Schreiben, in dem er erklärte:
(Anlage K5 zur Klage).
Wie die Beklagte darauf reagierte, ist nicht vorgetragen.
Der Kläger erhielt unstreitig auch in den Folgejahren noch
Ausschüttungen wie ein Gesellschafter. Er soll auch
regelmäßig an den Gesellschafterversammlungen teilgenommen
haben. Im Zusammenhang mit der Gesellschafterversammlung vom
07.02.1997
verfasste er ein Schreiben vom 20.01.1997
(Anlage B2 zur Klageerwiderung vom 04.06.1999).
Mit Schreiben vom 21.05.1997 erklärte der Kläger zusammen
mit vier weiteren Mitgliedern der Beklagten die Kündigung
des Gesellschafterverhältnisses (Anlage B3 zur
Klageerwiderung); unter dem 08.03.1998 kündigte der Kläger
sein Gesellschafterverhältnis erneut (Anlage B4 zur
Klageerwiderung).
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die am 11.12.1992
erklärte Kündigung wirke zum nächstmöglichen Termin, dem
28.02.1994, so dass zumindest die ihm nach § 11 Abs. 5 der
Satzung zustehende erste Rate seines Abfindungsguthabens
fällig sei. Sein Anspruch bestünde seit dem 29.02.1996, am
31.12.1995 seien die in § 11 Abs. 5 der Satzung enthaltenen
ersten fünf Jahre verstrichen. Für die Berechnung sei auf
die Gründung der Gesellschaft zum 01.01.1991 abzustellen.
Der Geschäftsanteil des Klägers betrage inklusive der
Stammeinlage 47.171,26 DM (Klage, Seite 4, Bl. 4 d.A.).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
15.723,76 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, die
Auszahlung auch nur eines Teiles des Gesellschafteranteils
sei noch nicht fällig. Das Schreiben vom 11.12.1992 erfülle
nicht die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 12
Abs. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages. Erst das Schreiben
vom 21.05.1997 stelle eine ordnungsgemäße Kündigung dar, der
Abfindungsbetrag sei jedoch wegen des fehlenden Ablaufs der
in der Satzung enthaltenen fünfjährigen Frist noch nicht
fällig. Zudem sei das Guthaben des Klägers wegen zwischen
1991 und 1997 eingetretener Verluste statt mit 47.171,26 DM
nur mit 20.070,50 DM zu bewerten (vgl. hierzu
Klageerwiderung, Seite 4 f., Bl. 13 f. d.A.).
Das Landgericht Chemnitz hat die Klage mit Urteil vom
28.09.1999 abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die
sofortige Kündigung des Klägers vom 11.12.1992 sei als
solche unwirksam und könne auch nicht gemäß § 140 BGB in
eine wirksame ordentliche Kündigung zum 28.02.1993
umgedeutet werden. Im vorliegenden Fall sei ein einer
Umdeutung entgegenstehender wirklicher Parteiwille
festzustellen, da der Kläger sich auch in den der Kündigung
nachfolgenden Jahren wie ein Gesellschafter verhalten habe.
Aus diesem Grunde stehe einer Umdeutung auch § 242 BGB
entgegen; der Kläger habe fünf Jahre zugewartet und somit
gegenüber der Beklagten einen besonderen
Vertrauenstatbestand begründet (vgl. im Einzelnen Urteil,
Bl. 31 ff. d.A.).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist
er weiterhin der Ansicht, er habe zumindest einen Anspruch
auf die erste Rate seines Abfindungsguthabens. Der Kündigung
vom 11.12.1992 sei eindeutig zu entnehmen, dass der
Erklärende das Gesellschaftsverhältnis auf jeden Fall
beenden wollte. Das Zuwarten des Klägers über einen Zeitraum
von fünf Jahren sei durch die Fälligkeitsregelung gefordert
(vgl. im Einzelnen Berufungsbegründung vom 24.01.2000,
Bl. 63 ff. d.A.).
Die Beklagte hält das Urteil des Landgerichts für zutreffend
(vgl. im Einzelnen Berufungserwiderung vom 07.03.2000,
Bl. 82 ff. d.A.).
Der Senat hat die mündliche Verhandlung am 16.03.2000
durchgeführt (vgl. Protokoll, Bl. 89 ff. d.A.). Mit
Schriftsatz vom 20.04.2000 teilte die Beklagte mit, dass
bezüglich der Beklagten ein Insolvenzverfahren anhängig sei
(Bl. 108 d.A.). Nach einer vom Amtsgericht Chemnitz
eingeholten Auskunft wurde die vorläufige
Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Beklagten gemäß
§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet (Bl. 111 d.A.).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger
stehen die geltend gemachten 15.723,76 DM als
ausgeschiedenem
entsprechend § 738
Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. hierzu Scholz, GmbHG, 8. Aufl., § 15
Rdn. 150; Baumbach/Hueck, GmbHG, § 34 Rdn. 17a m.w.N.) zu.
A.
Der Senat ist nicht nach § 249 Abs. 2 ZPO an einer
Entscheidung gehindert, da der Beschluss des Amtsgerichts
Chemnitz - Insolvenzgericht - zu keiner Unterbrechung des
Verfahrens (§ 240 ZPO) geführt hat.
Die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über
das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen
Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 InsO steht zwar nach § 240 Satz 2 ZPO
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleich. Dies gilt aber
nicht für die vorliegend angeordnete Sicherungsmaßnahme nach
§ 22 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 2. Alt. InsO
(vgl. Prütting, InsO, § 22 Rdn. 5; Haarmeyer/Wutzke/Förster,
Handbuch zur Insolvenzordnung, 2. Aufl.,
§ 3 Rdn. 236;
Zöller-Greger, ZPO, 21. Aufl., § 240 Rdn. 5).
B.
Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte auch insoweit
Schuldnerin des Abfindungsanspruchs ist, als der Kläger auch
die Rückzahlung des nach § 4 Abs. 3 des
Gesellschaftsvertrages vom 14.02.1991 als Einlage
eingebrachten Anteils am unteilbaren Fonds der ehemaligen
des
geltend macht. Die
Passivlegitimation wird zwar von der Beklagten nicht
bestritten, könnte jedoch aus Rechtsgründen zweifelhaft
sein. Die Beklagte ist nicht durch eine die Identität des
Rechtsträgers wahrende, sog.
formwechselnde Umwandlung
entstanden. Nach der Urkunde über die Errichtung der
Gesellschaften vom 14.02.1991 (Anlage K1) wurde das Vermögen
der ehemaligen
vielmehr aufgrund eines
Umwandlungsbeschlusses vom 05.07.1990 auf drei zu gründende
Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgeteilt, auf die
der bisher unteilbare Fonds anteilig übertragen werden
sollte. Nach dem Beschluss sollte eine rechtsübertragende
Umwandlung durch Spaltung (Teilung) des Vermögens auf
mehrere neu zu gründende Rechtsträger stattfinden.
Eine solche Form der Umwandlung ist in der DDR-Verordnung
über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von
Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 08.03.1990
(GBl. I, Seite 1647; im folgenden: PGH-VO) nicht
ausdrücklich als zulässige Umwandlungsform vorgesehen. § 4
Abs. 3 Nr. 2 PGH-VO bestimmt vielmehr, dass der
Umwandlungsbeschluss die Übertragung des unteilbaren Fonds
auf die beschlossene neue Gesellschaft enthalten müsse. Der
Beschluss vom 05.07.1990 und dessen Vollzug in den
notariellen Verträgen vom 14.02.1991 könnten daher wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz, dass formwechselnde oder
übertragende Umwandlungen nur im Umfang der vom Gesetzgeber
ausdrücklich zugelassenen Gestaltungen zulässig sind (sog.
numerus clausus - Formel), nichtig sein. Dies hätte die
Folge, dass ein Vermögensübergang von der PGH auf die neu
gegründeten Gesellschaften nicht stattgefunden hätte und die
PGH als Gesellschaft in Liquidation fortbestehen würde. Eine
solche Rechtsfolge hat der Bundesgerichtshof für die Fälle
bejaht, in denen ehemalige landwirtschaftliche
Produktionsgenossenschaften in gesetzlich nicht zugelassene
Rechtsformen umgewandelt worden waren oder nicht vom LwAnpG
vom 29.06.1990 (GBl. I, Seite 642) zugelassene Teilungen
oder Zusammenschlüsse im Wege der Umwandlung erfolgen
sollten (vgl. BGHZ 137, 134, 138 ff.; 142, 1, 4 ff.;
Beschluss vom 26.10.1999, BLw 20/99, WM 2000, 258, 259).
Der erkennende Senat legt die §§ 4 bis 6 PGH-VO jedoch nicht
dahin aus, dass auch die hier beschlossene
rechtsübertragende Umwandlung durch Spaltung nicht zu den
vom DDR-Gesetzgeber zugelassenen Formen der Umwandlung
gehörte. Hierfür spricht, dass § 4 Abs. 1 PGH-VO im
Unterschied zu § 27
LwAnpG vom 29.06.1990 (GBl. I,
Seite 642) keine Beschränkung bei den Formen der
Zielgesellschaften vorsah, sondern alle Formen für die
Umwandlung zur Verfügung stellte. § 5 Abs. 4 PGH-VO
ermöglichte auch eine Aufteilung des bis dahin unteilbaren
Fonds im Zuge der Umwandlung dann, wenn einige PGH-
Mitglieder zwar nicht mehr in der durch Umwandlung
entstehenden Gesellschaft neuer Rechtsform, jedoch außerhalb
dieser auf genossenschaftlicher Grundlage zusammenarbeiten
wollten. Die Umwandlung konnte mithin auch - wie bei der
Spaltung - zu einer Teilung des ehemals unteilbaren Fonds
zur Gründung neuer Unternehmen führen. Die Spaltung
ehemaliger Produktionsgenossenschaften des Handwerks
entsprach schließlich auch den Erfordernissen des mit dem
Ende des sozialistischen Wirtschaftssystems einsetzenden
Strukturwandels, da handwerkliche Betriebe in der Regel als
kleinere Wirtschaftseinheiten geführt werden, um flexibler
auf die Anforderungen des Marktes reagieren zu können.
C.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu.
1.) Der Kläger hat den Gesellschaftervertrag mehrmals
gekündigt. Es kann dahinstehen, ob bereits die erste
Kündigung vom 11.12.1992 wirksam war, da zumindest die
am 21.05.1997 erklärte Kündigung dem
Gesellschaftervertrag entsprach.
2.) Der Zeitpunkt der Kündigung durch den Kläger bleibt auf
seine Abfindungsklage deshalb ohne Einfluss, weil die
in § 11 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages enthaltene
Klausel nach § 138 BGB bzw. § 723 Abs. 3 BGB, § 133
Abs. 3 HGB nichtig ist (vgl. zum methodischen Ansatz:
BGH NJW 1993, 3193; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht,
3. Aufl., Seite 1472 ff. m.w.N.).
a) Der Abfindungsanspruch des ausscheidenden GmbH-
Gesellschafters ist im GmbH-Gesetz nicht geregelt,
es findet sich lediglich ein mittelbarer Hinweis in
§ 34 Abs. 3 GmbHG; verbreitet wird er auf eine
entsprechende Anwendung des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB
gestützt. Maßgebend für die Abfindung ist
grundsätzlich der volle wirtschaftliche Wert des
Gesellschaftsanteils (BGHZ 116, 359, 365, 370 f.,
375;
Lutter/Hommelhoff,
GmbHG, 15. Aufl.,
§ 34
Rdn. 42; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh.
§ 34 Rdn. 61;
Scholz, a.a.O., § 15 Rdn. 150
m.w.N.). Im Rahmen der Satzungsautonomie sind
abweichende Abfindungsregelungen - auch solche wie
die hier zu beurteilende Klausel, die nicht an der
Höhe des Abfindungsanspruchs, sondern bei den
Auszahlungsmodalitäten ansetzen - indes zulässig
(BGHZ 65, 22, 27; Hachenburg-Ulmer, a.a.O., Anh.
§ 34 Rdn. 65; Scholz, a.a.O., § 15 Rdn. 152 f.
m.w.N.), sofern nicht gegen die berechtigten
Interessen der betroffenen Gesellschafter verstoßen
wird (Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 34 Rdn. 45 ff.).
Dabei sind Ratenzahlungsvereinbarungen und
hinausgeschobene Fälligkeitstermine im Interesse
der Unternehmenserhaltung grundsätzlich nicht zu
beanstanden. Sie werden allerdings problematisch,
wenn hierbei das Abfindungsinteresse des
ausscheidenden Gesellschafters - etwa durch
Vereinbarung einer besonders langen
Rückzahlungsdauer - nicht
ausreichend
berücksichtigt wird.
Längerfristige
Ratenzahlungsvereinbarung können sich dann für den
ausscheidenden Gesellschafter durchaus ähnlich
auswirken wie Abfindungsbeschränkungen. Dabei
werden Zahlungszeiträume von zehn Jahren oder mehr
in aller Regel wegen anstößiger Benachteiligung des
Ausscheidungswilligenden für unwirksam erachtet,
während Auszahlungszeiträume unter fünf Jahren im
Allgemeinen als unbedenklich angesehen werden (vgl.
BGH, Urteil vom 09.01.1980 - II ZR 83/88 - NJW
1989, 2685, 2686). Bei Auszahlungsaufschüben von
fünf bis zehn Jahren kommt es auf den Einzelfall
an, wobei die Modalitäten der Verzinsung und der
Auszahlung, die Berechnung der Abfindung (Buchwert,
Unternehmenswert) und dergleichen in einer
Gesamtbewertung zu berücksichtigen sind (vgl. K.
Schmidt, a.a.O., § 50 IV, Seite 1476).
b) Die hier zu beurteilende Abfindungsklausel in § 11
des Gesellschaftsvertrags ist nach § 138 BGB
unwirksam. Sie berücksichtigt einseitig nur das
Interesse der Gesellschaft am Erhalt des Kapitals
und trägt den berechtigten Interessen auch der
Gesellschafter, die zunächst in der PGH verblieben
sind, ihre wirtschaftliche Tätigkeit angesichts des
raschen Strukturwandels in den neuen Ländern
außerhalb der umgewandelten PGH fortsetzen zu
können, nicht angemessen Rechnung. Der
ausscheidende Gesellschafter muss der Gesellschaft
danach ein "Zwangsdarlehen" in Höhe seines
Abfindungsanspruchs gewähren, dessen teilweise
Rückzahlung er erst nach fünf Jahren nach Ablauf
des Wirtschaftsjahres fordern kann, in dem er die
Kündigung (sein Ausscheiden) erklärt hat, und
dessen vollständige Rückzahlung er erst nach zehn
Jahren erhält. Durch die lange Vorenthaltung des
Abfindungsanspruchs wird dem Ausscheidenden der Weg
in die Selbständigkeit wesentlich erschwert, unter
Umständen unmöglich gemacht und es wird ihm
zugleich ein hohes wirtschaftliches Risiko
auferlegt, ob und in welchem Umfang er auf Grund
nach seinem Ausscheiden erwirtschafteter Verluste
des Unternehmens überhaupt etwas von seinem Anteil
an der ehemaligen PGH erhält.
Diese Nachteile werden auch durch die Verzinsung
des Abfindungsanspruchs nicht ausgeglichen. Bei der
hier zu beurteilenden Klausel ist zwar eine
Verzinsung vorgesehen, die indes auf maximal 8 %
p.a. begrenzt ist.
Der
ausscheidungswillige Gesellschafter erhält
andererseits in den ersten fünf Jahren nach
Erklärung der Kündigung überhaupt keine Auszahlung.
Darüber hinaus geht dem Beginn der fünfjährigen
Stundungsfrist noch eine mindestens halbjährige
Kündigungsfrist voraus. Ob und in welchem Umfang
der ausscheidende Gesellschafter nach dieser Zeit
etwas von seinem Abfindungsguthaben erhält,
bestimmt sich ausschließlich nach der
wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens.
Bei der im Streitfall zu beurteilenden Klausel kann
auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie das
Abfindungsguthaben der Gesellschafter
anlässlich
der Umwandlung einer ehemaligen PGH in den neuen
Bundesländern regelt. Dem besonderen Interesse am
Ausscheiden hat der DDR-Gesetzgeber zwar schon mit
der Regelung Rechnung getragen, dass die PGH-
Mitglieder, die nicht in die neue Gesellschaft
eintraten, einen besonderen gesetzlichen Anspruch
nach § 5 Abs. 2 PGH-VO auf Auszahlung des Anteils
am unteilbaren Fonds nach Maßgabe der
Umwandlungsbilanz erhalten (vgl. dazu BGH, Urteil
vom 03.06.1996 - II ZR 217/95 - WM 1996, 1776, vom
16.12.1996 - II ZR 60/96 - VIZ 1997, 250 f. und vom
13.03.2000 - II ZR 234/99 - ZIP 2000, 746 ff.). Das
Bestehen eines solchen, von den allgemeinen
Vorschriften abweichenden gesetzlichen Anspruchs
für die Mitglieder der PGH, die nicht in die neue
Gesellschaft eingetreten sind, schließt es jedoch
nicht aus, die Risiken des Strukturwandels bei der
Beurteilung von Abfindungsbeschränkungen und den
Anspruch aufschiebenden Regelungen zur Fälligkeit
für diejenigen Mitglieder zu berücksichtigen, die
der neuen Gesellschaft beigetreten sind.
Das Interesse am Erhalt des Abfindungsguthabens
muss aufgrund der besonderen Risiken des
Strukturwandels in den neuen Bundesländern auch bei
denjenigen Gesellschaftern berücksichtigt werden,
die von der vorgenannten Möglichkeit keinen
Gebrauch gemacht haben. Die aus den PGH
entstandenen Gesellschaften waren nach der
Umbruchsituation besonderen wirtschaftlichen
Risiken ausgesetzt. Dies zeigt auch der hier zu
entscheidende Fall, bei dem die vorläufige
Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Beklagten
angeordnet wurde. Die mit der Überleitung der PGH
in eine Gesellschaftsform nach bundesdeutschem
Recht anlässlich der schlechten wirtschaftlichen
Lage in den neuen Bundesländern und den damit
verbundenen erheblichen Risiken, was den
Fortbestand der
neugegründeten Gesellschaften
angeht, rechtfertigen es nach Auffassung des Senats
nicht, dass Abfindungsguthaben ehemaliger PGH
Mitglieder über einen so langen Zeitraum
vorzuenthalten. Andernfalls würde den
Gesellschaftern ein Start in die Selbständigkeit
durch Ausscheiden aus der neu entstandenen
Gesellschaft unzumutbar schwer gemacht, die
Gesellschafter würden quasi über die
Abfindungsklausel an der Nachfolgerin der in der
DDR gegründeten PGH weiterhin festgehalten. Das
Interesse der ausscheidenden Gesellschafter, das
Abfindungsguthaben baldmöglichst und vollständig zu
erhalten, wird durch die hier zu beurteilende
Regelung des § 11 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages
angesichts der besonders hohen Gefahr drohender
Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz von in den neuen
Bundesländern gegründeten Gesellschaften in die
Grenze der Sittenwidrigkeit überschreitender Weise
nicht berücksichtigt. Das Risiko der Illiquidität
der Beklagten wird durch die streitgegenständliche
Klausel in zu beanstandender Weise auf die
ausscheidungswilligen Gesellschafter überwälzt, die
als Handwerker und in der unübersichtlichen
Umbruchssituation 1990/91 nicht in der Lage waren,
das mit einem Beitritt zur Beklagten zu den in den
§§ 11 und 12 der Satzung enthaltenen Regelungen
hinsichtlich des Abfindungsguthabens eingegangene
Risiko zu übersehen.
c) Nachdem die Beklagte dem Kläger zumindest ein
Abfindungsguthaben in Höhe von 20.070,50 DM
zugesteht (Klageerwiderung, Seite 5, Bl. 14 d.A.),
waren die geltend gemachten 15.723,76 DM dem Kläger
zuzusprechen, ohne dass es auf die Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des
Verkehrswerts des Gesellschaftsanteils (vgl. hierzu
BGHZ 116, 359, 371; Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 34
Rdn. 43) ankäme.
3.) Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, war
die Revision gemäß § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO
zuzulassen. Der Bundesgerichtshof hat bisher weder die
Frage entschieden, ob die Vorschriften zur Umwandlung
von Produktionsgenossenschaften des Handwerks in der
PGH-VO ähnlich wie das LwAnpG für die Umwandlung
ehemaliger landwirtschaftlicher
Produktionsgenossenschaften nicht im Gesetz
ausdrücklich bestimmte Formen
rechtsübertragender
Umwandlung ausschließen, noch darüber befunden, ob ein
Aufschub des Abfindungsanspruches über fünf Jahre
hinaus und der Erhalt einer letzten Ratenzahlung noch
zehn Jahren seit dem Ausscheiden für alle die
Gesellschafter, die Mitglieder des umgewandelten
Unternehmens geworden sind, wirksam ist. Die
Rechtsfragen haben über den Einzelfall hinaus
Bedeutung, da zu erwarten ist, dass sie wiederholt auch
in anderen Rechtssachen zu entscheiden sein werden.
4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergeht nach § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Für den Gleichlaut der
Ausfertigung mit der Urschrift
Oberlandesgericht Dresden, den 22.05.2000
Stephan
Justizsekretärin