Urteil des OLG Dresden vom 14.05.2002

OLG Dresden: gesellschafter, negative feststellungsklage, anbau, vergleich, stadt, grundstück, rückbau, rechtsschein, einheit, ermessen

Aktenzeichen: 11 W 585/02
Leitsatz:
Ein
BGB-Gesellschafter,
der
sehenden
Auges
den
anderen
Gesellschafter
einen
Vergleich
über
einen
Anspruch
der
Gesellschaft schließen lässt, verwirkt den eigenen Anspruch
gegen den Vergleichsgegner.
Vorschriften: § 242 BGB
Suchbegriffe: Gesellschafter
BGB-Gesellschaft
Vergleich
Verwirkung
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 11 W 0585/02
4 O 7849/01 LG Leipzig
Beschluss
des 11. Zivilsenats
vom 14.05.2002
In dem Rechtsstreit
V.
,
,
04159 Leipzig
- Antragstellerin u. Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
& Partner,
,
04107 Leipzig
gegen
H.
,
,
04159 Leipzig
- Antragsgegner u. Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
,
,
04109 Leipzig
wegen Prozesskostenhilfe
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
,
Richter am Amtsgericht
und
Richter am Amtsgericht
beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 15.03.2002 wird
zurückgewiesen.
2. Die
Antragstellerin
hat
eine
Beschwerdegebühr
von
50,00 EUR zu bezahlen.
Im Übrigen werden Gebühren nicht erhoben, Kosten nicht
erstattet.
G r ü n d e :
Die
Antragstellerin
begehrt
Prozesskostenhilfe
für
eine
Klage, mit der sie vom Beklagten, ihrem Grundstücksnachbarn,
erreichen
will,
dass
er
auf
dem
Grundstück
Straße 34 den Anbau, der zum Grundstück
Straße
36 zeigt, auf eine maximale Höhe von 2,91 m zurückbaut.
Die Klägerin ist gemeinsam mit ihrem Mann Gesellschafterin
einer BGB-Gesellschaft, welche Eigentümerin der
Straße 34 in Leipzig ist. Ihr Mitgesellschafter und Ehemann
hatte vor dem Landgericht Leipzig mit dem Verfahren 9 O
1854/97
den
Beklagten
schon
einmal
auf
den
Rückbau
des
streitigen Anbaus verklagt. In jenem Rechtsstreit hatte der
damalige Kläger sich auf das Zeugnis seiner Ehefrau, der
jetzigen Klägerin, berufen zum Beweis dafür, dass der Anbau
ihn wirklich beeinträchtige. Das Landgericht hatte in jenem
Rechtsstreit am 13.10.1997 die jetzige Klägerin als Zeugin
zum Ausmaß der Beeinträchtigung auch tatsächlich gehört.
Nach
weiterer
Beweisaufnahme
durch
Augenschein
und
Sachverständigengutachten einigten sich der damalige Kläger
und der Beklagte darauf, dass der Beklagte zur Abgeltung
aller Ansprüche des Klägers 10.000,00 DM zahle.
Beide Gesellschafter gemeinsam hatten parallel Widerspruch
gegen die Baugenehmigung eingelegt, welche dem Beklagten den
Anbau gestattet hatte. Der Widerspruch blieb erfolglos, die
beiden
Gesellschafter
erhoben
daraufhin
Anfechtungsklage
gegen
die
Stadt
Leipzig
beim
Verwaltungsgericht
Leipzig.
Nach Einnahme eines Augenscheins wies das Verwaltungsgericht
die Klage ab, weil die Stadt Leipzig trotz Verletzung der
Vorschriften der Sächsischen Bauordnung über die Einhaltung
von
Abstandsflächen
dem
Nachbargrundstück
gegenüber
mit
Recht den Anbau genehmigt habe, die Beeinträchtigung der
Eigentümer der
Straße 36 durch die Verletzung
der Abstandsvorschriften sei so gering, der dem Beklagten
durch
Einhaltung
der
Abstandsvorschriften
im
Gegenzug
drohende
Nachteil
so
groß,
dass
die
Stadt
Leipzig
keine
andere
Wahl
gehabt
habe,
als
ihr
Ermessen
bei
der
Baugenehmigung dahin auszuüben, dass der Anbau zu genehmigen
sei (Urteil vom 20.08.1999, Az.: 4 K 50/98).
Gegen
dieses
Urteil
hatten
die
Gesellschafter
Berufung
eingelegt.
Mittlerweile
ist
die
Berufung
als
unzulässig
verworfen.
Das
Landgericht
hat
der
Antragstellerin
für
die
beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe verweigert, weil die
Rechtsverfolgung
keine
Aussicht
auf
Erfolg
habe.
Die
Antragstellerin
habe
entweder
die
Prozessführung
ihres
Mannes damals gebilligt oder aber wenigstens dem Beklagten
gegenüber
den
Rechtsschein
gesetzt,
sie
billige
dessen
Klage. Daher sei sie an den Vergleich des damaligen Klägers
mit dem Beklagten gebunden.
Diesen Beschluss bekämpft die Antragstellerin mit der form-
und fristgerechten sofortigen Beschwerde ohne Erfolg.
Auch
wir
meinen,
dass
die
Antragstellerin
mit
der
beabsichtigten Klage keinen Erfolg haben wird.
Zunächst
ist
die
Klägerin
alleine
nicht
berechtigt,
den
Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten geltend zu
machen. Das müssen beide Gesellschafter gemeinsam tun. Es
ist unstreitig, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann
nicht Bruchteilseigentümer sind, sondern dass sie als BGB-
Gesellschaft
ihr
Grundstück
zur
gesamten
Hand
zu
eigen
haben.
Die Antragstellerin könnte aber auch dann, wenn sie ihren
Ehemann dazu bewegen würde, mit ihr gemeinsam zu klagen,
keinen Erfolg haben. Es kann dahinstehen, ob der Ehemann der
Klägerin
durch
den
Vergleich,
den
er
mit
dem
Beklagten
geschlossen hat, wirksam daran gehindert wäre, zusammen mit
seiner
Frau
als
BGB-Gesellschaft
zu
klagen.
Das
kann
zweifelhaft sein, weil eine negative Feststellungsklage des
Beklagten gegen den Ehemann allein nicht zu einem wirksamen
Titel gegen die BGB-Gesellschaft hätten führen können. Dann
liegt
es
nahe,
auch
einem
Vertrag
zwischen
einem
der
Gesellschafter
und
dem
Dritten
keine
die
Gesellschaft
bindende Wirkung beizumessen.
Aber die Antragstellerin muss sich im Ergebnis so behandeln
lassen, als sei sie am Vergleich beteiligt gewesen.
Die
BGB-Gesellschaft
aus
der
Antragstellerin
und
ihrem
Ehemann hat einen ihr gegen den Beklagten etwa zustehenden
Anspruch
auf
Rückbau
des
Anbaus
verwirkt.
Beide
Gesellschafter haben nämlich beim Beklagten das Vertrauen
geweckt, sie würden die Verletzung der Abstandsvorschriften
aus der Sächsischen Bauordnung hinnehmen, der Ehemann der
Antragstellerin ausdrücklich gegen Zahlung von 10.000,00 DM,
die Antragstellerin selbst konkludent. Sie hat spätestens
durch ihre Zeugenvernehmung 1997 gewusst, dass ihr Ehemann
den Beklagten auf Beseitigung des Anbaus in Anspruch nahm.
Sie hat auch gewusst, dass sie als Mitgesellschafterin ein
Recht hatte, an diesem Verfahren beteiligt zu sein. Sie hat
gleichwohl nichts dagegen unternommen, dass ihr Mann den
Rechtsstreit alleine führte. Dadurch hat sie im Beklagten
das
Vertrauen
erzeugt,
sie
werde
das
Ergebnis
jenes
Rechtsstreits ebenfalls hinnehmen.
Im
Übrigen
ist
uns
unerfindlich,
mit
welcher
Anspruchsgrundlage die BGB-Gesellschaft die Beseitigung des
Anbaus gegen den Beklagten durchsetzen will. § 823 Abs. 2
i.V.m. § 6 Abs. 2 und Abs. 5 Sächsische Bauordnung, wie im
Vorverfahren, kann es nicht mehr sein. Denn nach dem Urteil
des
Verwaltungsgerichts
Leipzig
steht
fest,
dass
die
Unterschreitung
der
dort
bestimmten
Abstände
jedenfalls
nicht rechtswidrig ist. Dann kann aus dem Gesichtspunkt der
Einheit der Rechtsordnung der Beklagte nicht verpflichtet
sein, wegen der Unterschreitung der Abstandsvorschriften den
Anbau wieder abzureißen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO, § 11 GKG,
Kostenverzeichnis Nr. 1953.