Urteil des OLG Dresden vom 13.03.2017

OLG Dresden: stille gesellschaft, wahrung der frist, gesellschafter, rückzahlung, ex nunc, stillen, unterzeichnung, vermittler, sicherheit, aushändigung

Leitsätze
1. Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft finden
auch auf die atypisch stille Beteiligung an einer Gesell-
schaft Anwendung. Der Gedanke des Verbraucherschutzes
schließt die Anwendung dieser Grundsätze nicht aus. Der
geschädigte oder widerrufende Anleger kann daher nicht
die Rückzahlung seiner Einlage, sondern allenfalls die
Auseinandersetzung der Gesellschaft verlangen.
2. Folgende Belehrung über das Widerrufsrecht genügt den ge-
setzlichen Anforderungen:
"Meine Beitrittserklärung zur Beteiligung als stiller Ge-
sellschafter am Unternehmenssegment VII der ... kann ich
innerhalb einer Frist von einer Woche nach Unterzeichnung
schriftlich widerrufen. Die Frist beginnt nach Aushändi-
gung eines Exemplars dieser Widerrufsbelehrung. Zur Wah-
rung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Wi-
derrufs. Der Widerruf ist zu richten an: ..."
OLG Dresden, Urteil vom 19.06.2002, Az: 8 U 630/02
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 8 U 630/02
8 O 4499/01 LG Chemnitz
Verkündet am 19.06.2002
Die Urkundsbeamtin:
Schwarze
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
,
Kläger und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ,
gegen
Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanage-
ment AG
Dr. und Dipl.-Kfm. Dr. ,
Beklagte und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ,
wegen Rückzahlung einer Einlage als stiller Gesellschafter
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hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2002 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner,
Richter am Landgericht Großmann und
Richterin am Landgericht Wittenberg
für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivil-
kammer des Landgerichts Chemnitz vom 06.02.2002 wird zu-
rückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Streitwert: 68.289,93 Euro -
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer von ihm gezahlten
Einlage i.H.v. 68.289,93 Euro.
Der Kläger hat sich als atypisch stiller Gesellschafter am
Unternehmenssegment VII der Beklagten, einer Aktiengesell-
schaft mit Sitz in G , mit einer Einmaleinlage i.H.v.
153.000,00
DM und Rateneinlagen i.H.v. insgesamt
45.360,00 DM beteiligt. Zur Unterzeichnung des Vertrages kam
es aufgrund der Vermittlung durch die T GmbH in der Pri-
vatwohnung des Klägers. Auf dem Vertragsformular war unter-
halb der Unterschrift des Klägers zur Beitrittserklärung
folgende Widerrufsbelehrung abgedruckt, die vom Kläger ge-
sondert unterzeichnet wurde:
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Am 05.10.1998 leistete der Kläger seine Einmaleinlage i.H.v.
153.300,00 DM. In der Zeit von September 1998 bis Januar
2001 zahlte der Kläger Raten i.H.v. insgesamt 9.135,00 DM.
An den Kläger wurden entsprechend den vertraglichen Verein-
barungen Entnahmen i.H.v. insgesamt 28.871,50 DM ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 11.05.2001 erklärte der Kläger sowohl den
Widerruf seiner Beitrittserklärung als auch die außerordent-
liche Kündigung und die Anfechtung des Vertrages.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begrün-
dung ausgeführt, dass der Kläger das abgeschlossene Geschäft
weder gemäß §§ 1, 2 HWG a.F. wirksam widerrufen noch den
Vertrag wirksam angefochten habe. Darüber hinaus sei der
Vertrag weder sittenwidrig noch nach den Grundsätzen der
Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen. Selbst
im Fall der erfolgreichen Anfechtung oder des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage seien die Grundsätze der fehlerhaften Ge-
sellschaft anzuwenden. Das habe zur Folge, dass allenfalls
ein Anspruch auf Auseinandersetzung der Gesellschaft gegeben
sei, welcher vorliegend jedoch nicht streitgegenständlich
sei.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt
der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren im We-
sentlichen weiter. Er trägt vor, vor Abschluss des Geschäf-
tes seien durch die von der Beklagten eingesetzten Vermitt-
ler die bestehenden Verträge des Klägers geprüft worden.
Dies habe im Wesentlichen dazu gedient, für ihn ein Finan-
zierungskonzept zu erstellen, auf dessen Grundlage ein be-
stehendes Darlehen habe abgelöst werden sollen. In dem Ge-
spräch mit dem für die Beklagte handelnden Vermittler am
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02.09.1998 sei ihm die streitgegenständliche Form der Betei-
ligung nur sehr unzureichend dargestellt worden. Im Gespräch
seien ausschließlich die vermeintlichen Vorteile der Betei-
ligung betont worden. Über die mit der Beteiligung einherge-
henden Risiken sei nicht aufgeklärt worden. Mit keinem Wort
sei durch den Vermittler erwähnt worden, dass mit der ge-
wählten Anlageform das Risiko des Totalverlustes einhergehen
könne. Vielmehr sei betont worden, dass es sich um eine sehr
sichere Anlage handeln würde. Belegt worden sei die behaup-
tete Sicherheit durch Vorlage von Fotos, die Immobilien ge-
zeigt hätten, in welche die Göttinger Gruppe bereits inve-
stiert habe. Hierdurch sei bei dem Kläger der Eindruck der
"Handgreiflichkeit" dieser Vermögensanlage und der einer Di-
rektinvestition in Immobilien vergleichbaren Sicherheit die-
ser Vermögensanlage vermittelt worden. Dem Kläger sei weiter
der Eindruck vermittelt worden, es handele sich um eine hin-
sichtlich der Sicherheit dem Bausparvertrag und dem Sparbuch
vergleichbare Anlage, lediglich mit einer wesentlich höheren
Rendite und zusätzlichen Steuervorteilen. Die im Finanzie-
rungskonzept dargestellte Ausschüttung i.H.v. 1.095,00
DM
sei durch den Vermittler als monatlich garantierter Zinser-
trag dargestellt worden. Dass es sich um eine gewinnunabhän-
gige Entnahme gehandelt habe, auf die unter gewissen Umstän-
den eine Nachschusspflicht entstehen könne, sei nicht er-
klärt worden. Bei einer umfassenden Aufklärung auch über die
bestehenden Risiken des Vertrages hätte er weder das Darle-
hen auf das genannte Finanzierungskonzept gestützt, noch
hätte er die sich als überaus risikoreich herausstellende
Beteiligung an der Berufungsbeklagten gezeichnet. Dies erge-
be sich auch daraus, dass er bisher eine äußerst konservati-
ve Anlagestrategie verfolgt habe, in deren Vordergrund Sub-
stanzerhaltung und Sicherheit gestanden hätten. Dies habe er
gegenüber den Vermittlern auch zum Ausdruck gebracht. Zwar
habe er mit seiner Unterschrift bestätigt, dass ihm der
Emissionsprospekt ausgehändigt worden sei, tatsächlich habe
er den Prospekt aber erst mit dem Beteiligungszertifikat zu-
gesandt erhalten. Der Widerruf nach §§ 1, 2 HWG sei fristge-
recht erfolgt und daher wirksam. Die Widerrufsbelehrung sei
mangels eindeutiger Belehrung über den Beginn der Widerrufs-
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frist nicht ordnungsgemäß, so dass die einwöchige Widerrufs-
frist nach § 1 HWG nicht maßgeblich sei. Der Anspruch auf
Rückzahlung der Einlage sei daher begründet. Die Grundsätze
der fehlerhaften Gesellschaft seien auf die stille Gesell-
schaft grundsätzlich nicht anwendbar, zumindest läge aber
ein Ausnahmefall aufgrund gewichtiger Interessen der Allge-
meinheit und einzelner schutzwürdiger Personen unter dem Ge-
sichtspunkt des Verbraucherschutzes vor. Ebenfalls sei der
streitgegenständliche Anspruch auf Rückzahlung der Einlage
wegen Anfechtung des Vertrages bzw. aus c.i.c. als Schaden-
ersatzanspruch begründet. Die Beklagte bzw. der von ihr ein-
gesetzte Vermittler habe ihn nicht ausreichend aufgeklärt.
Es habe weder eine anlagegerechte noch eine objektgerechte
Beratung stattgefunden.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe:
A)
Die Berufung ist zulässig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufungsbe-
gründungsfrist durch den Kläger gewahrt worden. Nach der
Verfügung des Vorsitzenden vom 02.05.2002 lief die Beru-
fungsbegründungsfrist am 14.05.2002, 12.00 Uhr, ab. Die Be-
rufungsbegründung ging ausweislich des Empfangsberichtes des
OLG Dresden am 14.05.2002 um 11.35 Uhr dort ein. Dass die
Berufungsbegründung bei den Prozessbevollmächtigten der Be-
klagten erst am 14.05.2002 um 12.35 Uhr einging, ist uner-
heblich. Denn für die Wahrung der Berufungsbegründungsfrist
ist ausreichend, dass die Berufungsbegründung fristgerecht
beim zuständigen Gericht eingeht. Etwas anderes ergibt sich
auch nicht daraus, dass in der Verfügung des Vorsitzenden
vom 02.05.2002 bestimmt worden ist, dass die Berufungsbe-
gründung bis zum 14.05.2002, 12.00 Uhr, unmittelbar den Ge-
genanwälten zu faxen ist. Denn insoweit handelt es sich le-
diglich um eine Obliegenheit des Klägers gegenüber der Be-
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klagten, bei deren Verletzung allenfalls ein Anspruch der
Beklagtenseite auf Verlängerung der ihr gesetzten Schrift-
satzfrist entstehen kann.
B)
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
I.
1. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ist nicht gemäß
§ 3 Abs. 1 Satz 1 HWG a.F. begründet.
a) Zwar hatte der Kläger ein Widerrufsrecht nach dem HWG
a.F., da die Voraussetzungen des § 1 Nr. 1 HWG a.F.
gegeben sind. Die Verhandlungen zur Unterzeichnung des
Vertrages fanden unstreitig in der Privatwohnung des
Klägers statt. Der Ausschluss des Widerrufsrechtes ge-
mäß § 1 Abs. 2 HWG a.F. ist von Seiten der Beklagten,
die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt
(vgl. nur Palandt, 60.
Aufl., §
1 HWG, Rdn.
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f.),
nicht dargelegt worden.
b) Der Widerruf ist durch den Kläger jedoch nicht frist-
gerecht erfolgt.
Erstmals hat der Kläger mit Schreiben vom 11.05.2001
gegenüber der Beklagten den Widerruf erklärt. Zu dem
Zeitpunkt war die Wochenfrist des § 1 Abs. 1 HWG a.F.
jedoch bereits abgelaufen.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf be-
rufen, dass die ihm ausgehändigte und von ihm unter-
zeichnete Widerrufsbelehrung nicht die Voraussetzungen
des § 2 Abs. 1 HWG a.F. erfüllt habe und daher die
Frist nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWG a.F. gelte. Denn ent-
gegen der Auffassung des Klägers ist die Widerrufsbe-
lehrung ordnungsgemäß (so auch die von der Beklagten
vorgelegten Urteile: OLG Oldenburg, Az: 15
U
10/02,
8
Urteil vom 27.05.2002; LG Oldenburg, Az: 2 O 2848/01
und Az: 2 O 3175/01; Urteile vom 14.12.2001; LG Ra-
vensburg, Az: 4 O 1931/01, Urteil vom 31.01.2002; a.A.
- soweit ersichtlich - nur LG Berlin, Az: 2 O 142/00,
Beschluss vom 25.07.2000).
Zwar muss der Inhalt der Widerrufsbelehrung nicht nur
zutreffen, sondern auch unmissverständlich sein und
den Käufer über sein Widerrufsrecht klar und eindeutig
belehren. Hieran dürfen aber andererseits keine über-
triebenen Anforderungen gestellt werden. Die Wider-
rufsbelehrung muss lediglich zutreffend und unzweideu-
tig das Ereignis benennen, welches nach dem Gesetz den
Lauf der Frist auslöst, nämlich die Aushändigung der
Vertragsurkunde (vgl. BGH, NJW 1994, 1800). Dies ist
vorliegend der Fall. Aus dem ersten Satz der Belehrung
ergibt sich die Dauer der Frist, nämlich eine Woche
nach Unterzeichnung. Im folgenden Satz wird darauf
hingewiesen, wann der Beginn des Fristlaufes eintritt,
nämlich mit Aushändigung des Exemplars der Widerrufs-
belehrung. Anlass zu Missverständnissen über den Be-
ginn des Fristlaufes besteht nicht. Denn durch den
zweiten Satz der Widerrufsbelehrung wird unmissver-
ständlich deutlich, dass die Widerrufsfrist erst mit
der Aushändigung der Widerrufsbelehrung beginnt. Dage-
gen gibt der erste Satz der Widerrufsbelehrung, worauf
die Beklagte zu Recht hinweist, lediglich die Entste-
hensvoraussetzung des Widerrufsrechtes, nämlich die
Unterzeichnung des Vertrages, wieder.
c) Selbst wenn man jedoch davon ausgehen würde, dass der
Widerruf wirksam erfolgt ist, könnte der Kläger nicht
die Rückzahlung seiner Einlage verlangen, sondern al-
lenfalls die gesellschaftsvertragliche Auseinanderset-
zung bzw. nachfolgend das Auseinandersetzungsguthaben
beanspruchen. Ein Anspruch auf Zahlung des Auseinan-
dersetzungsguthabens ist jedoch derzeit mangels Fäl-
ligkeit nicht begründet. Dies ergibt sich aus Folgen-
dem:
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aa) Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft
kann der Anleger bei der in Vollzug gesetzten Ge-
sellschaft seine Mitgliedschaft allein durch ein
ex nunc, d.h. für die Zukunft, wirkendes Aus-
trittsrecht beenden, selbst wenn Nichtigkeitsgrün-
de vorliegen bzw. ein Anfechtungsrecht wegen arg-
listiger Täuschung besteht (vgl. BGH, NJW 1992,
2696; NJW-RR 1988, 1379; OLG Hamm, NJW-RR 1999,
1415) oder ein Widerruf nach dem Haustürwiderrufs-
gesetz erfolgt ist (vgl. BGH, ZIP 2001, 1364; OLG
Oldenburg, Az: 15 U 10/02, Urteil vom 27.05.2002).
Dies hat zur Folge, dass der Anleger nicht die
Rückzahlung geleisteter Einlagen, sondern nur die
gesellschaftsvertragliche Auseinandersetzung ver-
langen kann.
Die Voraussetzungen für die Anwendung der Grund-
sätze über die fehlerhafte Gesellschaft sind vor-
liegend auch erfüllt. Der Kläger hat sich als aty-
pischer stiller Gesellschafter an der Beklagten
beteiligt. Er hat seine Einlage - fast vollstän-
dig - erbracht und die Gesellschaft hat mit dem
Geld gearbeitet, so dass diese in Vollzug gesetzt
ist.
bb) Nach ständiger Rechtsprechung finden die Grundsät-
ze der fehlerhaften Gesellschaft auch auf die
stille Gesellschaft (vgl. BGHZ 55, 5; BGH, WM
1972, 1056), insbesondere auch auf die atypische
stille Gesellschaft (vgl. BGH, NJW 1992, 2696; NJW
1993, 2107; OLG Hamm, NJW-RR 1999, 1415; OLG Dres-
den, NZG 1999, 1237; OLG Oldenburg, a.a.O.) Anwen-
dung.
Zwar steht bei der stillen Gesellschaft nicht der
Schutz des Geschäftsverkehrs im Vordergrund, je-
doch rechtfertigt es das Verhältnis der Gesell-
schafter untereinander auch bei der stillen Ge-
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sellschaft, dass statt der rückwirkenden Abwick-
lung nur die Auflösung für die Zukunft nach Maßga-
be der gesellschaftsrechtlichen Abwicklungsvor-
schriften zugelassen wird. Es würde zu unerträgli-
chen Ergebnissen führen, wenn man eine derart auf
Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Lei-
stungsgemeinschaft, für die die Beteiligten Bei-
träge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinn-
chancen genutzt und vor allem gemeinschaftlich das
Risiko getragen haben, ohne weiteres mit rückwir-
kender Kraft aus dem Rechtsleben streichen und da-
mit so behandeln würde, als ob sie niemals bestan-
den hätte. Ein solches Rechtsverhältnis verdient
vielmehr bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Anfech-
tungs- oder Nichtigkeitsgrund geltend gemacht
wird, im Interesse der Gesellschafter Bestands-
schutz, sofern nicht ausnahmsweise die rechtliche
Anerkennung des von den Parteien gewollten und
tatsächlich vorhandenen Zustandes aus gewichtigen
Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter beson-
derer schutzwürdiger Personen unvertretbar ist
(vgl. BGHZ 55, 5 f.). Die Grundsätze der fehler-
haften Gesellschaft stellen daher ein Instrument
zur sachgerechten Abwicklung bewusst durchgeführ-
ter Leistungs- und Risikogemeinschaften dar, was
die Anwendung dieser Grundsätze auch auf die stil-
le Gesellschaft rechtfertigt (vgl. OLG Stuttgart,
OLGR 1999, 285).
Entgegen der Auffassung des Klägers steht der An-
wendung der Lehre von der fehlerhaften Gesell-
schaft auch nicht entgegen, dass die Gesellschaft,
wie der Kläger meint, vollkommen atypische Zwecke
verfolgt und mangels nennenswerter mitgliedschaft-
licher Teilhaberrechte kaum gesellschaftsrecht-
lich-spezifische Besonderheiten aufweist und daher
eher einem "gewöhnlichen" Dauerschuldverhältnis
als einem Gesellschaftsverhältnis nahe steht. Denn
die stille Gesellschaft verfolgt vorliegend weder
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atypische Zwecke noch fehlt es an den gesell-
schaftsrechtlich-spezifischen Besonderheiten. Die
atypische stille Gesellschaft zeichnet sich da-
durch aus, dass sie eine Teilnahme an Unterneh-
merinitiativen und Unternehmerrisiken darstellt
mit der Folge, dass die Einkünfte aus der Beteili-
gung aus steuerrechtlicher Sicht Einkünfte aus Ge-
werbebetrieb sind. Die Zwecke, die der stille Ge-
sellschafter mit der Erzielung der Einkünfte ver-
folgt, können vielfältig sein, so dass nicht er-
sichtlich ist, warum die Zweckverfolgung der Si-
cherung der Altersversorgung gerade "atypisch"
ist. Vielmehr ist es, worauf die Beklagte zu Recht
hinweist, keinesfalls unüblich, dass eine Beteili-
gung in Form einer stillen Gesellschaft der Absi-
cherung im Alter dient. Dies wird bereits aus der
Entscheidung des BGH vom 19.01.1967 (WM 67, 315)
deutlich, in der der BGH die Laufzeit einer stil-
len Gesellschaft von 30 Jahren für unbedenklich
erklärt hat, mit der der Zweck verfolgt wurde, auf
Lebenszeit wirtschaftlich gesichert zu sein. Auch
die Ausgestaltung des vorliegenden Vertrages, näm-
lich die Beteiligung an Gewinnen/Verlusten bzw.
dem Vermögen der Gesellschaft sowie die Informa-
tions-/Kontrollrechte des stillen Gesellschafters
etc., sprechen ersichtlich dafür, dass das Ver-
tragsverhältnis einem Gesellschaftsverhältnis nä-
her steht als einem "gewöhnlichen" Dauerschuldver-
hältnis. Darüber hinaus würden, selbst wenn die
Annahmen des Klägers zuträfen, diese nicht der An-
wendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesell-
schaft entgegenstehen. Denn entscheidend für ihre
Anwendung ist der Gedanke des Bestandsschutzes.
Selbst wenn der Zweck der Altersvorsorge "aty-
pisch" wäre und der Vertrag nur schwache gesell-
schaftsrechtliche Bezüge aufwiese, würde dies
nichts daran ändern, dass die Gesellschafter vor-
liegend eine Leistungs- und Risikogemeinschaft ge-
bildet haben. Die Bildung einer Leistungs- bzw.
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Risikogemeinschaft ist jedoch, wie ausgeführt, der
tragende Grund, weshalb die Grundsätze der fehler-
haften Gesellschaft auch auf die stille Gesell-
schaft Anwendung finden sollen.
cc) Der Kläger kann sich vorliegend auch nicht darauf
berufen, dass die Grundsätze der fehlerhaften Ge-
sellschaft wegen gewichtiger Interessen der Allge-
meinheit und einzelner schutzwürdiger Personen
nicht anzuwenden seien. Zwar lässt die Rechtspre-
chung von der Anwendung der Grundsätze der fehler-
haften Gesellschaft Ausnahmen zu, wobei die Grenze
dort liegt, wo gewichtige Interessen der Allge-
meinheit oder einzelner schutzwürdiger Personen
(insbesondere Minderjähriger) entgegenstehen. Vor-
genannte Ausnahmefälle werden z.B. angenommen,
wenn der Zweck der Gesellschaft mit dem Gesetz
(§ 134 BGB) oder den guten Sitten (§ 138 BGB) un-
vereinbar ist bzw. bei arglistigen Täuschungen in
Fällen mit besonders schwerwiegenden Folgen (vgl.
OLG Hamm, NJW-RR 1999, 1415 m.w.N.). Andererseits
reicht nach der Rechtsprechung des BGH ein betrü-
gerisches Verhalten bei Abschluss des Gesell-
schaftsvertrages nicht aus, wenn der Vorteil al-
lein in dem Abschluss des stillen Gesellschafts-
vertrages selbst liegt (vgl. BGHZ 55, 5).
Entgegen der Auffassung des Klägers steht der
Aspekt des Verbraucherschutzes der Anwendung der
Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft daher
nicht entgegen. Soweit ersichtlich, haben dies -
ohne nähere Begründung - lediglich das OLG Stutt-
gart (6. Senat, OLGR 1999, 430) und das OLG Ro-
stock (ZIP 2001, 1009) angenommen. Demgegenüber
hat jedoch der BGH den Gesichtspunkt des Verbrau-
cherschutzes nicht als derartig gewichtig angese-
hen, dass dadurch die Grundsätze der fehlerhaften
Gesellschaft im Fall des Widerrufs nach dem Haus-
türwiderrufsgesetz keine Anwendung finden sollen.
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Vielmehr hat der BGH in seiner Entscheidung vom
02.07.2001 (ZIP 2001, 1364), die im Übrigen den
vorgenannten Entscheidungen des OLG Stuttgart und
des OLG Rostock zeitlich nachfolgte, ausgeführt,
dass der auf das Haustürwiderrufsgesetz gestützte
Widerruf zur Anwendung der Grundsätze über den
fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt führt. Der
Rechtsprechung des BGH schließt sich der Senat an.
Denn vor dem Hintergrund, dass selbst die argli-
stig getäuschte bzw. durch rechtswidrige Drohung
zum Vertragsschluss bestimmte oder sittenwidrig
übervorteilte Person nicht als derartig schutzwür-
dig angesehen wird, dass die Grundsätze der feh-
lerhaften Gesellschaft keine Anwendung finden,
rechtfertigt es der bloße Vertragsabschluss in ei-
ner "Haustürsituation" nicht, den Grundsatz der
Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu durch-
brechen.
dd) Der Kläger kann daher nicht die Rückzahlung der
Einlage, sondern nur die Auseinandersetzung bzw.
nach erfolgter Auseinandersetzung das Auseinander-
setzungsguthaben verlangen (§
235 HGB, §
21 des
Gesellschaftsvertrages). Die Einzelansprüche aus
dem Gesellschaftsverhältnis sind dabei lediglich
unselbständige Rechnungsposten der Auseinanderset-
zungsrechnung und können daher grundsätzlich nicht
mehr selbständig geltend gemacht werden (vgl. nur
BGH, WM 1989, 1850, NJW-RR 1991, 614).
Die Auseinandersetzung bzw. das Auseinanderset-
zungsguthaben macht der Kläger mit der vorliegen-
den Klage nicht geltend. Unabhängig davon wäre der
Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungs-
guthabens (derzeit) jedoch auch nicht fällig. Dies
folgt daraus, dass der Anspruch des ausscheidenden
stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Ausein-
andersetzungsguthabens regelmäßig erst nach der
Auseinandersetzung mit der Fertigstellung der Aus-
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einandersetzungsbilanz fällig wird, da er sich
erst dann berechnen lässt (vgl.BGH, NJW 1992,
2696; Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB, 2. Aufl.,
§
235 Rdn.
4, 15; Ebenroth/Boujong u.a., HGB,
§
235 Rdn.
20). Nach der Rechtsprechung des BGH
(vgl. nur WM 1976, 1030; NJW 1992, 2696) kann, so-
weit keine abweichende Vereinbarung getroffen wor-
den ist, der ausgeschiedene stille Gesellschafter
aber ausnahmsweise Rückzahlung ohne vorherige Aus-
einandersetzung fordern, wenn vor Beendigung der
Auseinandersetzung mit Sicherheit feststeht, dass
er jedenfalls einen bestimmten Betrag verlangen
kann. Jedoch hängt die Beantwortung der Frage, ob
der stille Gesellschafter als Auseinandersetzungs-
guthaben mindestens die von ihm geleistete Einlage
verlangen kann, davon ab, ob er auch am Verlust
der Gesellschaft beteiligt sein sollte oder nicht
(vgl. BGH, a.a.O.). Ist er nicht an dem Verlust
beteiligt, kann grundsätzlich das Auseinanderset-
zungsguthaben nicht niedriger sein als die gelei-
stete Einlage.
Der Kläger ist vorliegend jedoch ausweislich des
Gesellschaftsvertrages an dem Verlust der Gesell-
schaft beteiligt. Die Höhe seines Auseinanderset-
zungsguthabens kann daher derzeit nicht bestimmt
werden, zumal auch von der Beklagten bestritten
worden ist, dass die Höhe des Auseinandersetzungs-
guthabens der Höhe der geleisteten Einlage ent-
spricht. Mangels Beendigung der Auseinandersetzung
ist der Zahlungsanspruch des Klägers daher nicht
fällig, so dass eine Klage auf Auszahlung des Gut-
habens derzeit nicht begründet ist.
Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht
entgegen, dass der BGH in seiner Entscheidung vom
02.07.2001 (ZIP 2001, 1364) den geltend gemachten
Rückgewähranspruch nach § 3 HWG als begründet an-
gesehen hat. Denn dies hat der BGH ausdrücklich
15
mit den Besonderheiten in dem entschiedenen Fall
begründet, wonach das Auseinandersetzungsguthaben
des Klägers dort nicht geringer war als der von
ihm in dem Rechtsstreit verfolgte Anspruch.
2. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist darüber hinaus
auch weder gemäß §§ 123, 812 BGB noch aus c.i.c. wegen
Verletzung von Aufklärungspflichten begründet. Es kann
dahinstehen, ob die Voraussetzungen der Anfechtung bzw.
eines Schadenersatzanspruches vorliegen. Selbst wenn man
dies annimmt, könnte der Kläger nach den Grundsätzen der
fehlerhaften Gesellschaft nur die gesellschaftsvertragli-
che Auseinandersetzung und nicht die Rückzahlung seiner
Einlage verlangen. Zur Begründung wird auf die Ausführun-
gen in den Entscheidungsgründen unter I.1. Bezug genom-
men, die insoweit entsprechend gelten.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§
97 Abs.
1, 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die
der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsfragen sind
höchstrichterlich geklärt. Die Revision war daher nicht aus
dem Grunde zuzulassen, dass in der Literatur vereinzelt an-
derweitige Auffassungen vertreten werden.
Häfner
Großmann
Wittenberg