Urteil des OLG Celle vom 16.05.2001

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Gericht:
OLG Celle, 09. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 9 U 244/00
Datum:
16.05.2001
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 839
Leitsatz:
1. Verkehrsteilnehmer haben grundsätzlich eine Verkehrsfläche in dem Zustand hinzunehmen, in dem
sie sich ihnen erkennbar darbietet. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht nur hinsichtlich derjenigen
Gefahren, die für einen die erforderliche Sorgfalt beach-tenden Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht
rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich daher nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag.
2. Eine Rutschgefahr auf einer Holzbrücke bei Nässe ist hinzunehmen, weil diese allgemein bekannt
ist und ein sorgfältiger Benutzer sich darauf einstellen kann, indem er sich beispielsweise am
Brückengeländer festhält. Die Aufstellung eines Warnschildes ist überflüssig, weil es auf eine ohnehin
bekannte und offenliegende Gefahr hinweisen würde. 3.Die mangelnde Aufmerksamkeit einiger
Benutzer, die auf einer Holzbrücke bei Nässe bereits gestürzt sind, erhöht nicht die Anforderungen an
die Verkehrssicherungspflicht.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 9 U 244/00 5 O 151/00 LG Verden Verkündet am 16. Mai
2001 ####### Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit hat der 9.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die
Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2001 für Recht
erkannt: Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. Oktober 2000 verkünde-te Urteil der 5. Zivilkammer -
Einzelrichter - des Landgerichts Verden ge-ändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden
der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Wert der Beschwer für die Klägerin: DM 12.000 Von der
Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. Entscheidungsgründe Die Berufung ist
begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Feststellungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu, weil die
Beklagte im Zusammenhang mit dem Unfall der Klägerin vom 22. Dezember 1999 keine ihr obliegende
Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin und entgegen der vom Landgericht
vertretenen Ansicht hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht auf der zwischen den Parkplätzen der
Kreissparkasse und dem Stadtmarkt in ####### gelegenen ####### nicht verletzt. Richtig ist allerdings, dass die
Beklagte im Rahmen dieser Pflicht sowohl für die Instandhaltung als auch für einen ordnungsgemäßen Zu-stand der
####### und ihres Belages verantwortlich ist. Es ist jedoch nicht er-sichtlich, dass die Beklagte dieser Pflicht nicht
oder nicht hinreichend genügt hat und es deshalb zu dem für die Klägerin bedauerlichen Sturz gekommen ist. Die
####### wird als Fuß- und Radweg benutzt; die Beklagte hat daher dafür Sorge zu tragen, dass sich die Brücke in
einem Zustand befindet, der den Bedürfnissen von Radfahrern und Fußgängern entspricht. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass die Beklagte verpflichtet wäre, jegliche nur denkbare Gefahr, die durch den Brücken-zustand bedingt ist,
auszuschließen. Denn grundsätzlich haben die Verkehrsteil-nehmer die Verkehrsfläche in dem Zustand
hinzunehmen, in dem sie sich ihnen erkennbar darbietet. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht nur hinsichtlich der-
jenigen Gefahren, die für einen die erforderliche Sorgfalt beachtenden Verkehrs-teilnehmer nicht oder nicht
rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich daher nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. Eine derartige
Gefahr ging aber auch unter Zugrundelegung des Vortrages der Klägerin am 22. Dezember 1999 nicht von der
Brücke aus. Die mit gefrästen Holzbohlen ausgelegte Brücke, die beiderseits über ein Geländer verfügt, ist
ohne weiteres als Holzbrücke erkennbar. Die (normale) Rutschgefahr auf einer Holzbrücke bei Nässe, die die
Beklagte durch Einfräsen von Querrillen in die Holzbohlen noch in gewissem Umfang vermindert hatte, ist
hinzunehmen, weil diese allgemein bekannt ist und ein sorgfältiger Benutzer sich darauf einstellen kann, indem er
sich beispielsweise am Brückengeländer festhält (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 1999 - 9 U 32/98 -). Es ist nicht
erkennbar, dass die Beklagte etwa ungeeignetes Material für den Brückenbelag verwendet hat, bei dem bei Nässe
eine größere Rutschgefahr als bei anderen Holzarten bestand. Vorliegend konnte sich daher jeder Benutzer - also
auch die Klägerin - auf eine etwa vorhandene Rutschgefahr einstellen; auf diesen Umstand durfte die Beklagte
vertrauen (vgl. OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1999, 32). An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, falls
Benutzer der Brücke schon mehrfach gefallen sein sollten (die Klägerin behauptet den Unfall einer weiteren Person
am 1. Dezember 1999) und die Beklagte hiervon vor dem Unfall der Klä-gerin Kenntnis erlangt haben sollte. Denn die
mangelnde Aufmerksamkeit einiger Benutzer erhöht nicht die Anforderungen an die Verkehrssicherungs-pflicht.
Eben-sowenig lässt der Umstand, dass die beklagte Stadt die Brücke zwischenzeitlich gereinigt hat, den Schluss
zu, der vorherige Zustand sei verkehrswidrig gewesen. Eine gelegentliche Reinigung lässt sich als Service-Leistung
verstehen (OLG Koblenz a. a. O.). Die Beklagte war auch nicht zur Aufstellung eines Warnschildes verpflichtet, weil
ein solches Schild im zu entscheidenden Fall überflüssig ist. Es würde auf eine ohnehin bekannte und offenliegende
Gefahr hinweisen. Eine Forderung nach einer solchen Warnung würde allenfalls der Entwicklung Vorschub leisten,
bei der Verkehrsteilnehmer ihre Eigenverantwortlichkeit für die Risiken des täglichen Lebens immer mehr
vernachlässigen (wie hier auch OLG Koblenz a. a. O.) und auf die Verkehrssicherungspflichtigen, insbesondere die
öffentliche Hand, abzuwälzen versuchen. Die Klägerin muss daher mit ihrem Begehren erfolglos bleiben, sodass auf
die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen ist. Die prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713; 546 Abs. 2 ZPO. ####### RiOLG ####### ist
inzwischen ####### aus dem Senat ausgeschieden. #######