Urteil des OLG Celle vom 10.11.2010

OLG Celle: wechsel, niedersachsen, versorgung, aussetzung, wertausgleich, splitting, anschluss, wiederaufnahme, datum, form

Gericht:
OLG Celle, 10. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 UF 222/10
Datum:
10.11.2010
Sachgebiet:
Normen:
FGGRG Art 111 Abs 3, VersAusglG § 48 Abs 2 Nr 1
Leitsatz:
Ein lediglich faktisches Nichtbetreiben des Verfahrens reicht nicht aus, um einen Wechsel des
anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts gemäß Art. 111 Abs. 3 FGGRG, § 48 Abs. 2 Nr. 1
VersAusglG herbeizuführen. insofern ist vielmehr eine förmliche Anordnung der Aussetzung (etwa
gemäß §§ 246 oder 614 ZPO, § 53c FGG, § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG oder § 52 Abs. 2 FamFG) oder des
Ruhens des Verfahrens gemäß §§ 251, 251a ZPO erforderlich.
Volltext:
10 UF 222/10
609 F 5530/04 Amtsgericht Hannover
Beschluss
In der Familiensache
M. F., …,
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte F., …,
Geschäftszeichen: …
gegen
G. F., …,
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte S., …,
Geschäftszeichen: …
Beteiligte:
Deutsche Rentenversicherung Bund, …,
Geschäftszeichen: …
Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen - Nds. Versorgungswerk der Rechtsanwälte , …,
Geschäftszeichen: …
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und den Richter am Amtsgericht G. am 10. November
2010 beschlossen:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich im Urteil des Amtsgerichts -
Familiengericht - Hannover vom 10. August 2010 (II. des Urteilstenors) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.
Beschwerdewert: 2.000 €.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Parteien sind Eheleute. Innerhalb der hier vom 1. August 1970 bis zum 30. November 2004 dauernden Ehezeit
erwarb die Antragstellerin Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich
108,26 €, der Antragsgegner ebensolche in Höhe von monatlich 55,89 € sowie darüber hinaus Anwartschaften auf
berufsständische Versorgung bei der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen in Höhe von monatlich 209,22 €.
Mit Urteil vom 10. August 2010, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht
die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass es zu Lasten der
berufsständischen Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners in Entgeltpunkte umzurechnende
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 78,43 € auf dem Ver¬sicherungskonto der Antragstellerin in der
gesetzlichen Rentenversicherung begründete.
Gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich richtet sich die form und fristgerecht eingelegte und begründete
Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich (allein) dagegen wendet, dass zum Ausgleich seine
Anwartschaften aus der berufsständischen Versorgung anstelle seiner Rentenanwartschaften in der gesetzlichen
Rentenversicherung herangezogen wurden.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.
1.
Für das vorliegende Versorgungsausgleichsverfahren ist angesichts des Umstandes, dass das
Scheidungsverbundverfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurde und die erstinstanzliche Entscheidung
über den Versorgungsausgleich noch vor dem 1. September 2010 erging, weiterhin das bis dahin geltende
Verfahrens und materielle Recht anzuwenden (Art. 111 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5, 112 Abs. 1 FGGRG, § 48 Abs. 1
und 3 VersAusglG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das gesamte, seit 2004
anhängige Verbundverfahren nach dem auf Antrag der Antragstellerin aufgehobenen Verhandlungstermin vom 30.
November 2007 bis Juni 2010 wegen schwebender Einigungsbemühungen um eine außergerichtliche Einigung
bezüglich weiterer Scheidungsfolgen nicht betrieben wurde.
Ein derartiges lediglich faktisches Nichtbetreiben reicht indes nicht aus, um einen Wechsel des anzuwendenden
materiellen und Verfahrensrechts gemäß Art. 111 Abs. 3 FGGRG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG herbeizuführen.
vielmehr ist danach eine förmliche Anordnung der Aussetzung (etwa gemäß §§ 246 oder 614 ZPO, § 53c FGG, § 2
Abs. 1 S. 2 VAÜG oder § 52 Abs. 2 FamFG) oder des Ruhens des Verfahrens gemäß §§ 251, 251a ZPO
erforderlich. Daran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch.
Soweit diesbezüglich vertreten wird, bereits ein bloßes Nichtbetreiben des Ver¬fahrens über einen Zeitraum von
sechs Monaten entsprechend § 7 Abs. 3 AktO führe zu einem Wechsel des anzuwendenden materiellen und
Verfahrensrechts (KeidelEngelhardt, FamFG, Art. 111 FGGRG Rn. 6f.), kann dem nicht gefolgt werden. Die dieser
Auffassung ersichtlich zugrundeliegende Fassung des Versorgungsausgleichsstrukturreformgesetzes (VAStrRefG)
in Gestalt des Regierungsentwurfs (BTDrucks. 16/10144, S. 16, 86) hat im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens entscheidende Änderungen dahingehend erfahren, dass nunmehr sowohl in Art. 111 Abs.
3 FGGRG als auch in § 48 Abs. 2 VersAusglG für einen Wechsel des anzuwendenden Rechts im Interesse der
Rechtsklarheit
verlangt wird, dass das Verfahren vor seiner Wiederaufnahme durch eine formelle gerichtliche Entscheidung
ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht wurde (vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 16/10144, S.
127, und im Anschluss daran die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BTDrucks.
16/11903, S. 23, 57, 61f.). In dieser letzteren, engeren Fassung sind die Änderungen des FGGFG und des
VersAusglG in Kraft getreten.
2.
Nach dem danach maßgeblichen bisherigen Versorgungsausgleichsrecht hat das Amtsgericht den Wertausgleich zu
Recht im Wege des analogen QuasiSplitting gemäß §§ 1 Abs. 3 VAHRG, 1587b Abs. 2 BGB zu Lasten der
Anwartschaften des Antragsgegners auf berufsständische Versorgung bei der Rechtsanwaltsversorgung
Niedersachsen durchgeführt. Für einen Ausgleich im Wege der Übertragung von in der gesetzlichen
Rentenversicherung erworbenen Anwartschaften des Antragsgegners nach § 1587b Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 76, 125ff.
SGB VI (Splitting) liegen die gesetzlichen Voraussetzungen hier nicht vor.
Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs im Wege des Rentensplittings setzt gemäß § 1587b Abs. 1 S. 1
BGB voraus, dass die vom insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten in der Ehezeit erworbenen
Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung die vom ausgleichsberechtigten Ehegatten in der
Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung und gegebenenfalls zusätzlich in der Beamtenversorgung
erworbenen Anwartschaften übersteigen. Ist dies wie hier - nicht der Fall, ist ausschließlich ein (analoges)
QuasiSplitting zu Lasten der übrigen Anwartschaften des ausgleichspflichtigen Ehegatten durchzuführen (BGH
FamRZ 1986, 250. 2006, 541. PalandtBrudermüller, BGB68, § 1587b Rn. 13. Wick, Der Versorgungsausgleich2, Rn.
193, 203, 213). Es findet dann auch nicht teilweise ein Rentensplitting und ergänzend das QuasiSplitting statt (BGH
FamRZ 2006, 471, Tz. 8. RGRKWick, BGB12, § 1587b Rn. 14. Johannsen/ Henrich/Hahne, Eherecht4, § 1587b Rn.
159).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 49 Nr. 3 GKG, 97 Abs. 1 ZPO.
W. H. G.