Urteil des OLG Celle vom 04.11.2004

OLG Celle: vermietung, hausordnung, ferien, miteigentümer, versammlung, wohnung, ergänzung, zusammenleben, konkretisierung, ungültigerklärung

Gericht:
OLG Celle, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 4 W 176/04
Datum:
04.11.2004
Sachgebiet:
Normen:
WEG § 13
Leitsatz:
Durch einen Mehrheitsbeschluss auf Ergänzung der Hausordnung kann keine durch die
Teilungserklärung nicht gedeckte Regelung beschlossen werden, durch die den
Wohnungseigentümern die Vermietung der Wohnung an Feriengäste untersagt wird.
Volltext:
4 W 176/04 - WEG ... gegen B.
4 W 176/04
9 T 99/04 Landgericht Stade
6 II 21/03 Amtsgericht Cuxhaven
B e s c h l u s s
In der Wohnungseigentumssache
betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft
S., C.,
Beteiligte:
1. H. G., ...
2. K. G., ...
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte M., G., R. und A., ...
gegen
3. E. B., ...
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B., S. und W., ...
4. L. und S. GmbH, ...
Verwalterin,
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. und die
Richter am Oberlandesgericht R. und P. am
4. November 2004 beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1 und 2
gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade
vom 26. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde tragen
die Antragsgegner zu 1 und 2, die auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren
der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen haben.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
G r ü n d e
I.
Die Parteien sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft S. in C. Auf Veranlassung der
Antragsgegner hat die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung am 19. Mai 2003 auf
Initiative der Antragsgegner u. a. beschlossen, dass die Vermietung von Wohnungen an Ferien und Kurgäste durch
Ergänzung der Hausordnung untersagt sein soll. Eine Änderung der Teilungserklärung, die ein entsprechendes
Verbot nicht enthält, hat die Versammlung indessen mehrheitlich abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin, die Teile ihrer Wohnung zeitweise an Feriengäste vermietet, am 18.
Juni 2003 Antrag auf Ungültigerklärung gestellt. Soweit sie auch noch einen anderen Beschluss der
Eigentümerversammlung vom 19. Mai 2003 angefochten hat, aufgrund dessen der Zugang zur Wohnung der
Antragstellerin verändert werden sollte, ist dies nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, weil insoweit die
Ungültigerklärung dieses Beschlusses durch das Amtsgericht nicht angefochten worden ist.
Mit Beschluss vom 15. März 2004 hat das Amtsgericht Cuxhaven den Antrag auf Aufhebung des Beschlusses über
die Vermietung der Wohnungen an Feriengäste zurückgewiesen, weil eine solche Vermietung - trotz der
grundsätzlichen Erlaubnis, die Wohnungen an Dritte zu vermieten - dem Bestimmungszweck der Wohnungsanlage
widerspreche und zu nicht zumutbaren Belastungen für die übrigen Wohnungseigentümer führe. Es handele sich um
eine bloße Gebrauchsregelung
i. S. d. § 15 WEG, die mit Mehrheit beschlossen werden könne.
Gegen diesen ihr am 29. März 2004 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 8. April 2004 sofortige
Beschwerde beim Amtsgericht Cuxhaven eingelegt. Zur Begründung ihres Antrags auf Änderung der Entscheidung
des Amtsgerichts und Aufhebung des Beschlusses der Versammlung hat sie vorgetragen, dass sich die
Wohnanlage in einem typischen Feriengebiet befinde, in dem eine Vermietung an Feriengäste erlaubt sein müsse.
Eine unzumutbare Belästigung der übrigen Miteigentümer gehe von einer solchen Vermietung nicht aus. Außerdem
könne die durch die Teilungserklärung gedeckte Vermietung nicht durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss der
Wohnungseigentümergemeinschaft über die Ergänzung der Hausordnung untersagt werden. Es handele sich um
einen massiven Eingriff in das Sondereigentum, der zwingend eine Änderung der Teilungserklärung durch die
Eigentümerversammlung bedinge, die jedoch mehrheitlich abgelehnt worden sei.
Auf dieses Rechtsmittel hat die Kammer mit Hinweisbeschluss vom 17. Mai 2004 die Beteiligten zunächst auf
Bedenken gegen das Verbot der Vermietung an Ferien und Kurgäste ohne Änderung der Teilungserklärung
hingewiesen und die Zulässigkeit einer derartigen elementaren Regelung im Rahmen des § 15 Abs. 2 WEG in
Zweifel gezogen. Auf die Frage, ob die Vermietung tatsächlich gegen den Bestimmungszweck der Wohnanlage
verstoße, komme es dabei nicht an, weil das Verbot jegliche Vermietung untersage. Auf diesen Hinweis haben die
Antragsgegner, die Eigentümer des Sondereigentums neben dem der Antragstellerin sind, weitere umfangreiche
Ausführungen zu dem Ausmaß der (Unter)Vermietung durch die Antragstellerin und den dadurch bedingten
Belästigungen gemacht. Hierauf hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. Juli 2004 die Entscheidung des
Amtsgerichts teilweise geändert und den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19. Mai 2003 auch zu
Tagesordnungspunkt 9 „Vermietung an Feriegäste“ aufgehoben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt,
dass es sich um eine Regelung handele, die aufgrund ihrer Bedeutung für die Wohnungseigentümer nicht in der
Hausordnung geregelt werden könne, sondern vielmehr Gegenstand der Teilungserklärung sein müsse. Soweit die
konkrete Nutzung des Wohnungseigentums durch einen Miteigentümer entgegen dem Bestimmungszweck der
Anlage gerügt werde, stehe es den Miteigentümern frei, den Verstoß gegen den Bestimmungszweck im Verfahren
nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG gerichtlich feststellen zu lassen. Die Regelung stelle keine bloße Konkretisierung
bestehender Pflichten dar, sondern sei vielmehr auf das Verbot eines nach der Teilungserklärung erlaubten
Verhaltens gerichtet.
Gegen diesen ihnen am 19. August 2004 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner mit einem am 1.
September 2004 eingegangenen Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Zur Begründung dieses
Rechtsmittels berufen sie sich darauf, dass es sich bei der Anlage um eine ausschließlich Wohnzwecken dienende
Anlage handele, hinsichtlich derer das Verbot der Vermietung an Feriengäste auch in der Hausordnung geregelt
werden könne, weil es sich lediglich um eine Konkretisierung der Teilungserklärung handele.
Die Antragstellerin verteidigt den Beschluss des Landgerichts, sie ist der Auffassung, das Landgericht habe sich
hinreichend mit der Teilungserklärung auseinandergesetzt und mit Recht entschieden, dass die notwendige
gerichtliche Feststellung einer gegen den Bestimmungszweck der Anlage gerichteten Nutzung nicht durch eine
Änderung der Hausordnung umgangen werden dürfe. Es treffe nicht zu, dass die Teilungserklärung eine
ausschließliche Nutzung der Anlage zu Wohnzwecken vorsehe, vielmehr seien dort dem freien Nutzungsrecht der
Sondereigentümer nur insoweit Grenzen gesetzt, als durch die Nutzung keinem anderen Wohnungs/Teileigentümer
über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehende Nachteile erwachsen dürfen.
Derartige Nachteile seien bei der geringfügigen Vermietungstätigkeit der Antragstellerin nicht zu erkennen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft und zulässig, insbesondere form und
fristgerecht eingelegt worden (§ 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Der Beschwerdewert gemäß § 45 WEG ist
erreicht, weil das Interesse der Antragsgegner, das an der Belastung mit der gegen ihren Willen durchgeführten
Vermietung der Antragstellerin zu messen ist, mit mehr als 750 EUR zu bewerten ist.
In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Gemäß
§ 27 Abs. 1 FGG wäre die sofortige weitere Beschwerde in der Hauptsache nur dann begründet, wenn das
Beschwerdegericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat und dessen Entscheidung gerade auf
einer derartigen Verletzung des Rechts i. S. v. § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG, § 546 ZPO n. F.
beruht. Bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung vermag der Senat jedoch keine Rechtsfehler
festzustellen.
Das Landgericht hat sich ausreichend mit der Teilungserklärung auseinandergesetzt. Diese sieht unter II. 6. keine
Beschränkung des Rechts der Eigentümer zur Vermietung ihrer Wohnungen an Dritte vor. Eingeschränkt werden die
Nutzungsrechte nur durch das Gebot zur schonenden und pfleglichen Behandlung des Gemeinschaftseigentums und
die Auflage, das Nutzungsrecht so auszuüben, dass keinem anderen Wohnungs/Teileigentümer über das bei einem
geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen. Die Ausübung eines Gewerbes i. S.
der Gewerbeordnung oder eines freien Berufes in der Anlage ist nach der Teilungserklärung mit schriftlicher
Einwilligung des Verwalters möglich, sofern sie öffentlichrechtlich zulässig ist. Verweigert werden darf diese
Einwilligung nur aus wichtigem Grund, sodass grundsätzlich noch nicht einmal die Ausübung einer gewerblichen oder
freiberuflichen Tätigkeit ausgeschlossen ist. Selbst wenn die Vermietung an Ferien und Kurgäste als gewerbliche
Nutzung einzustufen wäre, könnte sie damit den Eigentümern deshalb nicht einmal nach der Teilungserklärung ohne
weiteres untersagt werden. Weitere Regelungen in
II. 6. betreffen die gewerbliche Nutzung der Praxis und Gewerberäume im Erdgeschoss.
Bei dieser Sachlage kommt entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ein generelles Verbot
der Vermietung an Feriengäste in der Hausordnung nicht in Betracht. Dieses Verbot verstößt gegen die Rechte der
Wohnungseigentümer aus § 13 WEG. Nach dieser Vorschrift kann der Miteigentümer
soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen - mit dem Sondereigentum nach seinem Gutdünken
verfahren. Er ist insbesondere auch berechtigt, dies zu vermieten und zu verpachten. Einschränkungen des Rechts
zur Vermietung, das sich bereits aus dem Gesetz ergibt, können nicht in einer Gebrauchsregelung getroffen werden.
Zwar sind die Wohnungseigentümer grundsätzlich berechtigt, mit Mehrheitsentscheidung gemäß § 15 Abs. 2 WEG
Gebrauchsregelungen zu treffen, sofern diesen keine Vereinbarung i. S. d. § 15 Abs. 1 WEG entgegensteht.
Voraussetzung für die Wirksamkeit solcher Regelungen ist es aber, dass es sich um weniger wichtige Regelungen
handelt, die nicht in den Kernbereich der Rechte der Sondereigentümer eingreifen und mit deren Rechten aus der
Teilungserklärung kollidieren. So ist etwa das vollständige Verbot des Vermietens einem Mehrheitsbeschluss i. S. d.
§ 15 Abs. 2 WEG nicht zugänglich (s. Bärman/Pick/Merle, WEG,
9. Aufl., § 15 Rz. 24).
Hier läuft der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Tagesordnungspunkt 9 darauf hinaus, dass
jegliche Vermietung an Ferien und Kurgäste untersagt wird, ohne dass die Teilungserklärung entsprechend geändert
wird. Damit wird durch einen Mehrheitsbeschluss in die Rechte der Sondereigentümer eingegriffen, die ihnen nach
der Teilungserklärung - die die Versammlung ausdrücklich auch nicht ändern wollte - nicht genommen werden
können. Der Beschluss verstößt damit gegen § 13 WEG und ist deshalb vom Landgericht mit Recht aufgehoben
worden. Es handelt sich nicht um eine bloße nachgeordnete Gebrauchsregelung.
Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang nach den ebenfalls zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, ob
und inwieweit sich die Vermietung der Antragstellerin im Rahmen der Teilungserklärung bewegt. Die individuelle
Klärung dieser Frage kann nicht dadurch umgangen werden, das entgegen den Festsetzungen der Teilungserklärung
Gebrauchsregelungen in der Hausordnung beschlossen werden, die es den einzelnen Miteigentümern faktisch
unmöglich machen, ihre Rechte aus § 13 Abs. 1 WEG wahrzunehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 47 Satz 1 WEG und trägt dem Grundsatz
Rechnung, dass der in der Hauptsache Unterliegende regelmäßig die Kosten zu tragen hat. Wegen der
offensichtlichen Unbegründetheit des Rechtsmittels bestand auch Veranlassung für die Anordnung, dass die
Antragsgegner der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde
zu erstatten haben.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde orientiert sich an der
Wertfestsetzung des Landgerichts. Wegen des von den Antragsgegnern geltend gemachten Interesses an dem
Verbot der Vermietung an Ferien und Kurgäste erscheint mangels weitergehender konkreter Anhaltspunkte im
Sachverhalt eine Festsetzung des Geschäftswertes auf den Regelstreitwert gemäß § 30 Abs. 2 KostO angemessen,
§ 48 Abs. 3 WEG.
H. R. P.
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht