Urteil des OLG Celle vom 31.10.2002

OLG Celle: esel, tunesien, eltern, reiseveranstalter, schmerzensgeld, kontrolle, einfluss, wechsel, obhut, vollstreckbarkeit

Gericht:
OLG Celle, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 11 U 70/02
Datum:
31.10.2002
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 823 ff
Leitsatz:
Zur Verletzung eines Kindes durch den Biss eines angepflockten Esels auf dem Gelände eines als
kinderfreundlich angebotenen Hotels in Tunesien.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 11 U 70/02 8 O 3251/01 Landgericht Hannover Verkündet
am 31. Oktober 2002 #######, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit
#######, Kläger und Berufungskläger, Prozessbevollmächtigte: #######, gegen #######, Beklagte und
Berufungsbeklagte, Prozessbevollmächtigte: #######, hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die
mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den
Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt: Die
Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 8. Februar 2002 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht
20.000 €. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe I. Der zum Vorfallszeitpunkt 9 Jahre und 10 Monate alte
Kläger verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin Schmerzensgeld und Ersatz von Zukunftsschäden, weil ihn
während eines Urlaubsaufenthaltes in Tunesien ein Esel in den Unterarm biss. Die Eltern des Klägers hatten für
sich, den Kläger und dessen jüngeren Bruder für die Zeit vom 28. August bis 11. September 2000 eine
Pauschalreise nach #######/ Tunesien gebucht. Am 5. September 2000 biss ein angepflockter Esel den Kläger, als
dieser sich dem Tier in Begleitung seines jüngeren Bruders näherte. Das Tier wurde unstreitig regelmäßig dazu
eingesetzt, Müllbehältnisse am Strand zu tragen, wenn der Strand - außerhalb des Hotelgeländes - durch eine vom
Hotelpersonal beauftragte Person gereinigt wurde. Zum Ort, an dem der Esel angepflockt war, hatte die Beklagte in
erster Instanz vorgetragen, der Esel habe naturgemäß nicht mitten im Hotelgelände gestanden, ´sondern auf einem
kleinen, abseitigen Wiesenteil, der am äußersten Rand der Hotelanlage hinter der Küche lag und nur über einen
Betriebshof, vorbei an Mülltonnen und sonstigen Gerätschaften, erreicht werden kann´ (GA 31 f.). Auf diesen Vortrag
hatte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. August 2001 in der folgenden Weise
reagiert: ´Auch der Hinweis der Beklagten, dass der Esel sich nicht mitten im Hotelgelände, sondern auf einem
kleinen, abseitigen Wiesenteil am äußersten Rand der Anlage hinter der Küche befunden hat, geht fehl. Wer für
Hotelanlagen, die besonders kinderfreundlich sind, wirbt, der muss auch wissen, dass Kinder nicht unbedingt mitten
auf der Hotelwiese spielen, sondern von einer kindertypischen Neugier getrieben, auch in den Winkeln auf
´Abenteuersuche´ gehen. . . . Eine Pflichtverletzung lag eben genau hierin, dass man angenommen hat, dass dort,
wo der Esel unbeaufsichtigt angepflockt war, nämlich im ´hintersten Winkel´, erreichbar nur über den unattraktiven
Küchenvorhof ohnehin kein Hotelgast geht, sodass weitere Vorsichtsmaßnahmen entbehrlich sind.´ Wegen der
weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug
genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht Tierhalterin des Esels gewesen, weil
feststehe, dass der nicht zum Personal gehörende Halter des Esels vom Hotel beauftragt worden sei, den Strand zu
reinigen. Auch eine eigene Verkehrssicherungspflicht habe die Beklagte nicht verletzt. Dergleichen komme nur in
Betracht, wenn Tiere in der Anlage für die Gäste vorgehalten würden. So habe es beim in Rede stehenden Esel
jedoch nicht gelegen. Zurückzuführen sei die Verletzung des Klägers nach Ansicht der Kammer vielmehr auf eine
Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern, die damit hätten rechnen müssen, dass Kinder im Alter des Klägers die
Hotelanlage in allen Richtungen erkunden würden. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich der Kläger mit seiner form-
und fristgerecht eingelegten Berufung. Der Kläger erweitert und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und stützt
sich allein noch auf eine mögliche Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte. Er meint, in einem
explizit als kinderfreundlich angepriesenen Hotel müsse der Reiseveranstalter damit rechnen, dass die jungen Gäste
an alle Orte des Hotelgeländes gehen würden. Gerade weil Esel ihrer Natur nach keilen und beißen könnten, habe es
der Beklagten oblegen, dafür zu sorgen, dass das Tier nicht uneingezäunt und unbeaufsichtigt bleiben konnte. Zum
Ort des Geschehens trägt der Kläger nunmehr vor, dass das Tier zwar in der äußersten Ecke der Hotelanlage
angebunden gewesen sei, indes in unmittelbarer Nähe der Sportanlagen und keineswegs vom übrigen Bereich durch
Gebäude oder sonstige Hindernisse abgegrenzt, sondern frei zugänglich. Der Kläger beantragt, unter Abänderung
des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld wegen der am
5. September 2000 erlittenen Bissverletzung und Attestkosten in Höhe von 146,20 DM (= 74,75 €) zu zahlen, sowie
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen weiteren materiellen und immateriellen
Schaden aus der Tierbissverletzung vom 5. September 2000 zu ersetzen, soweit nicht ein gesetzlicher
Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger erfolgt (ist). Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers
zurückzuweisen. Auch sie erweitert und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behauptet, das Tier sei gutartig
und folglich sei der Biss nur dadurch erklärlich, dass der Kläger den Esel geärgert und drangsaliert haben müsse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren
Anlagen Bezug genommen. II. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. 1. Dem Kläger steht kein Anspruch
gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von deren eigenen Verkehrssicherungspflichten zu,
worauf der Kläger die Berufung beschränkt hat. Der Senat vermag im Streitfall nicht festzustellen, dass das
Unfallgeschehen, bei dem der Kläger zu Schaden gekommen ist, auf einer Verletzung einer eigenen
Verkehrssicherungspflicht der Beklagten beruht. Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, dass den
Reiseveranstalter eigene Verkehrssicherungspflichten treffen und dass er auch im Wege eigener Prüfungs- und
Überwachungsmaßnahmen dafür zu sorgen hat, dass die unter Vertrag genommene Hotelanlage verkehrssicher ist,
dass Gefahrenquellen für die von dem Reiseveranstalter dort untergebrachten Reisegäste beseitigt werden oder gar
nicht erst auftreten können. Zwar hat die Beklagte im Streitfall nicht im Einzelnen vorgetragen, wann derartige
Kontrollen bei der in Rede stehenden Hotelanlage zuletzt durchgeführt wurden, worauf sie sich erstreckten und in
welchen Abständen sie vorgenommen wurden. Dies bleibt jedoch im Streitfall ohne Einfluss, weil sich nicht
feststellen lässt, dass der Esel regelmäßig an dem Ort angepflockt gewesen ist, an dem sich das Unfallgeschehen
zugetragen haben soll. Aus diesem Grunde kann schon nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei den
notwendigen Kontrollen hätte feststellen können, dass dies geschieht. Selbst der Kläger und seine Eltern behaupten
nicht, dass der Esel stets oder auch nur mehrfach während ihres Aufenthalts an dem fraglichen Ort gestanden hat.
Ferner ist nicht zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Esel in der Nähe der Sportanlagen und damit
in dem Bereich des Hotelgeländes, in dem Touristen sich regelmäßig aufhielten, am Unfallstage unbeaufsichtigt
angepflockt gewesen ist. Dieser erstmals in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag des Klägers in unbeachtlich,
weil der Kläger in erster Instanz zugestanden hat, dass der Esel im hintersten Winkel des Hotelgeländes angepflockt
war, den man nur über den unattraktiven Küchenhof, über den ohnehin normalerweise kein Hotelgast gehe, erreichen
könne (Bl. 5 des Schriftsatzes vom 28. August 2001; GA 39). Mit diesem erstinstanzlichen Vorbringen hatte der
Kläger das Vorbringen der Beklagten zum Aufstellungsort des Esels von Bl. 2 f. der Klageerwiderung vom
16. August 2001 inhaltlich bestätigt und mithin im Sinne von § 288 ZPO zugestanden. Der Kläger hat weder
dargelegt, warum sein eigenes erstinstanzliches Vorbringen unzutreffend gewesen sein soll, noch unter Einhaltung
der Voraussetzungen des § 290 ZPO den Wechsel des Vortrages insoweit erklärt und entschuldigt.
Dementsprechend ist der Kläger an seinem erstinstanzlichen Vorbringen festzuhalten. Hätte die Beklagte bei einer
Kontrolle an einer abseitigen Stelle, wie der Aufstellungsort des Esels auf einem kleinen Wiesenstück hinter dem
Küchenhof einzuordnen ist, das angepflockte Tier vorgefunden, hätte die Beklagte diese Aufstellung des Tieres nicht
beanstanden müssen. Dabei fällt ins Gewicht, dass in einem Land wie Tunesien Esel landestypische Arbeitstiere
darstellen. Für den in Rede stehenden Esel galt nichts anderes. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass ihm der Esel
etwa im Rahmen des Kinderclubs als Streicheltier bekannt geworden wäre. Dementsprechend musste die Beklagte
auch bei Anwendung aller ihr abzuverlangenden Sorgfalt nicht dafür sorgen, dass dem angepflockten Tier an
abgelegener Stelle noch weitere Umzäunungen oder eine Person zur Bewachung beigegeben werden mussten. Im
Übrigen vermag der Kläger den von ihm behaupteten Unfallhergang, wonach er den Esel nicht geärgert und zu dem
Biss veranlasst haben will, nicht unter Beweis zu stellen, nachdem es Zeugen für den Hergang des Geschehens
nicht gibt. Auf ein Mitverschulden seiner Eltern, die gegenüber dem Kläger eine Aufsichtspflicht traf, wenn sie ihn
nicht in die Obhut der Kinderbetreuung gaben, was für den Vorfallszeitpunkt nicht behauptet wird, kommt es nach
alledem nicht an. 2. Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der
Kosten und auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Zur Zulassung der Revision
hat der Senat keinen Anlass gesehen. Auch die Parteien haben insoweit nichts vorgetragen, das zu anderer
Beurteilung Anlass gegeben hätte. ####### Richter am Oberlandesgericht ####### ####### kann wegen Urlaubs
nicht unterschreiben #######