Urteil des OLG Braunschweig vom 07.11.2006

OLG Braunschweig: mediation, mediator, vergütung, gerichtsverfahren, vergleich, gebühr, zivilprozessordnung, abschaffung, vertretung, anwaltskosten

Gericht:
OLG Braunschweig, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 W 155/06
Datum:
07.11.2006
Sachgebiet:
Normen:
RVG § 34 Abs 1 S 1
Leitsatz:
1. Durch die Teilnahme des Prozessbevollmächtigten an der gerichtsnahen Mediation fallen
grundsätzlich keine zusätzlichen Rechtsanwaltsgebühren an.
2. Begleitet der Rechtsanwalt seinen Mandanten im Rahmen der gerichtsnahen Mediation zum
Mediationstermin, wird er damit nicht als neutraler Rechtsanwaltsmediator i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1
RVG tätig, weil er wei-terhin parteilich berät.
3. Die Mitwirkung eines parteilich beratenden Rechtsanwalts im Rahmen der gerichtsnahen Mediation
wird grundsätzlich vollständig durch die Gebühren abgegolten, die er im Rahmen des
Gerichtsverfahrens erhält.
Volltext:
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 12.09.2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Braunschweig vom 29.08.2006 – Geschäftszeichen: 8 O 286/03 (017) – wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Beschwerdewert beträgt 893,20 EUR.
Gründe:
I.
Der Kläger hat mit Klageschrift vom 03.02.2003 einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten verfolgt.
Nachdem zu Beweiszwecken bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt worden war, stimmten die Parteien
der Durchführung eines Mediationsverfahrens zu. Daraufhin ersuchte das erkennende Gericht mit Beschluss vom
21.06.2006 einen am Landgericht Braunschweig tätigen Richter, das Mediationsverfahren durchzuführen. Nach
Durchführung der Mediation, an der neben den Parteien deren Prozessbevollmächtigten teilnahmen, schlossen die
Parteien vor dem ersuchten Richter am 22.06.2006 einen Vergleich, durch den der Rechtstreit beendet wurde.
Mit Schriftsatz vom 23.06.2006 stellte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Kostenausgleichsantrag. Neben
einer Prozess, Verhandlungs, Beweis und Vergleichsgebühr gemäß §§ 11, 23, 31 Nr. 1, 2 und 3 BRAGO sowie der
Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO zzgl. Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO (insgesamt 2.649,44 €)
machte er zusätzlich eine Mediationsgebühr gemäß §§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG, 612 Abs. 2 BGB in 2,5 facher Höhe des
Mittelsatzes von 300 € (=750,00 €) zzgl. nochmaliger Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG (=20,00 €) und auf beide
Positionen berechnete Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG (=123,20 €) geltend. Im
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.08.2006 hat die Rechtspflegerin die Mediationskosten, die Pauschale gemäß
Nr. 7008 VV RVG und die darauf berechnete Mehrwertsteuer, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von insgesamt
893,20 € nicht berücksichtigt.
Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 07.09.2006
zugegangenen Beschluss wendet sich der Beklagte mit seinem am 13.09.2006 bei Gericht eingegangenen
Rechtsmittel. Er ist der Auffassung, dass die geltend gemachten Mediationskosten zur Durchführung des Verfahrens
notwendig waren und deshalb zu berücksichtigen sind.
Mit Beschluss vom 18.10.2006 hat die Rechtspflegerin der Beschwerde nicht abgeholfen und diese zur weiteren
Entscheidung dem Oberlandesgericht Braunschweig vorgelegt. Mit Beschluss vom 02.11.2006 hat der Einzelrichter
gemäß § 568 Nr. 2 ZPO die Sache dem Beschwerdegericht als Kollegialgericht übertragen.
II.
Das gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässige und als sofortige Beschwerde anzusehende Rechtsmittel hat in der
Sache keinen Erfolg.
Der Beklagte kann nicht für die Mitwirkung seines Rechtsanwalts bei der am 22.06.2006 durchgeführten Mediation
über die bereits gemäß §§ 11, 23, 31 Nr. 1, 2 und 3 BRAGO berücksichtigten vier Rechtsanwaltsgebühren (Prozess,
Verhandlungs, Beweis und Vergleichsgebühr) hinaus zusätzliche Gebühren verlangen. Zutreffend hat die
Rechtspflegerin beim Landgericht die insoweit geltend gemachten Kosten in Höhe von 893,20 EUR bei der
Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt, weil der Beklagte dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt derartige
Gebühren nicht schuldet und diese deshalb nicht notwendig i.S. des
§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind.
1.
Entgegen der dem Kostenfestsetzungsantrag zugrundeliegenden Rechtsauffassung kann der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen solchen Gebührenanspruch nicht aus § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG
ableiten.
a) Zum einen finden die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) auf die vorliegende
Entscheidung gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 RVG keine Anwendung, weil der Auftrag zur Rechtsverteidigung in dieser
Sache vor dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) erteilt worden ist. Das RVG ist zum
01.07.2004 in Kraft getreten und bestimmt, dass sich die Vergütung nach bisherigen Recht, mithin nach den
Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) richtet, sofern der unbedingte Auftrag zur
Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 01.07.2004 erfolgt ist. Da die Klagerwiderungsschrift vom 17.03.2003
datiert, der unbedingte Verteidigungsauftrag des Beklagten an seinen Prozessbevollmächtigten hierzu zuvor erteilt
worden sein muss, verbleibt es bei der Anwendung der alten Rechtslage gemäß den Bestimmungen der BRAGO.
b) Zum anderen wäre ein solcher Gebührenanspruch nach den Bestimmungen des RVG, mithin nach neuer aktueller
Rechtslage, ebenfalls nicht entstanden.
Der vom Beklagten beauftragte Rechtsanwalt ist vorliegend nämlich nicht als Mediator tätig geworden. Ein Mediator
ist ein Vermittler im Auftrage beider bzw. aller Parteien. Er soll im Rahmen eines außergerichtlichen
Beratungsverfahrens die Parteien dahingehend unterstützen, eine für sie passende rechtsverbindliche Vereinbarung
über einen Rechtsstreit auszuarbeiten. Ausweislich des Beschlusses des Landgerichts Braunschweig vom
21.06.2006 ist das Mediationsverfahren im Wege der gerichtsnahen Mediation durch den von der Kammer ersuchten
Richter gemäß §§ 278 Abs. 5 Satz 1, 362 ZPO analog durchgeführt worden. Mediator des Verfahrens war mithin ein
beauftragter Richter und nicht der Prozessbevollmächtigte des Beklagten. Letzterer ist auch nicht im Auftrage der
beiden Parteien als neutraler Anwaltsmediator tätig geworden, sondern hat den Beklagten in seiner Funktion als von
diesem beauftragten Rechtsbeistand zum Mediationstermin begleitet und parteilich beraten. Gemäß § 34 Abs. 1
Satz 1 RVG kann ein Rechtsanwalt aber nur dann Gebühren für ein Mediationsverfahren verlangen, wenn er selbst
als neutraler Rechtsanwaltsmediator tätig wird.
2.
Die Mitwirkung eines parteilich beratenden Rechtsanwalts im Rahmen der gerichtsnahen Mediation wird hingegen
grundsätzlich vollständig durch die Gebühren abgegolten, die er im Rahmen des Gerichtsverfahrens erhält (so auch
die bisherige Lit.: Spindler, Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Gerichtsnahe Madiation in Niedersachsen“ –
von Sept. 2006, Seite 59 ff./Rdnr. 139 ff.. Hergenröther, AGS 2006, 361, 363. Caspary, FPR 2005, 393, 396. Huther,
ZKM 2004, 250 unter Hinweis auf die Sicht der Bayerischen Justiz und Monßen, ZKM 2006, 85). Durch die
gerichtsnahe Mediation fallen grundsätzlich nicht mehr Anwaltskosten an, als wenn die Parteien sich entschließen,
dass streitige Verfahren vor dem erkennenden Gericht durch Vergleich zu beenden (so auch OVG
MecklenburgVorpommern, Entsch. v. 06.06.2006 – 1 O 51/06 – zitiert bei Juris Rdnr. 7).
Ein Termin im Rahmen eines gerichtsnahen Mediationsverfahrens mit dem Ziel einer gütlichen Einigung vor dem
Mediationsrichter unterscheidet sich zunächst in Bezug auf die Tätigkeit des den Mandanten begleitenden
Rechtsanwalts nicht von einem Gütetermin gemäß § 278 Abs. 2 ZPO, der mit dem Ziel der gütlichen Einigung
anberaumt worden ist und an dem die Beteiligten mit ihren Prozessbevollmächtigten mitwirken. Auch in einem
gerichtsnahen Mediationsverfahren nimmt der Rechtsanwalt ausschließlich als parteilich beratender Anwalt teil.
Doch auch wenn das Mediationsverfahren tatsächlich in das Gerichtsverfahren eingebunden ist, ist es nicht Teil
desselben, weil die Mediation z.B. aufgrund des sie prägenden Freiwilligkeitsprinzips ausschließlich eigenen Regeln
außerhalb der Zivilprozessordnung folgt. Hieraus ergibt sich, dass es sich bei der Wahrnehmung des
Mediationstermins durch den Rechtsanwalt gebührenrechtlich stets um eine außergerichtliche Tätigkeit handelt.
Gemäß den Gebührenvorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) ist eine solche Tätigkeit
aber nicht zusätzlich vergütungsfähig. § 37 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO bestimmt hierzu, dass außergerichtliche
Vergleichsverhandlungen neben einem anhängigen gerichtlichen Verfahren mit der Gebühr gemäß § 31 BRAGO
abgegolten sind. Eine zusätzliche Gebühr steht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten für die Wahrnehmung
des Mediationstermins deshalb nicht zu.
An diesem Vergütungsprinzip hat im Übrigen auch das neue Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nichts geändert.
Aus den Vorbemerkungen des Absatzes 3 zu Teil 3 VV RVG, wonach der Rechtsanwalt die Terminsgebühr nicht nur
für die Wahrnehmung gerichtlicher Termine, sondern auch für die Mitwirkung bei auf die Vermeidung oder Erledigung
des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts erhält, ergibt sich nur, dass seine
außergerichtliche Tätigkeit parallel zu einem anhängigen Gerichtsverfahren gebührenrechtlich nunmehr der Tätigkeit
im streitigen Verfahren vor Gericht gleichgestellt ist. Anders als nach der alten Rechtslage gemäß den
Bestimmungen der BRAGO kann danach der Rechtsanwalt, sofern die Mediation bereits vor der mündlichen
Verhandlung eingeleitet worden ist, die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG verlangen. Diese wird danach –
anders als nach den Bestimmungen der BRAGO - auch ohne mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht
allein durch die Teilnahme des parteilich beratenden Rechtsanwalts im Mediationstermin ausgelöst (so auch OLG
Hamm, Beschluss v. 29.12.2005 – 23 W 246/05 - NJW 2006, 2499 und bei Juris). Damit hat der Gesetzgeber eines
seiner Ziele zur Reform der Rechtsanwaltsvergütung umgesetzt, außergerichtliche einvernehmliche
Streitbeilegungen durch die Abschaffung von Gebührennachteilen für die daran beteiligten Rechtsanwälte zu fördern
(BTDrucks. 15/1971, S. 2).
Die Vertretung einer Partei im Mediationstermin und im laufenden Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht führt
aber nicht dazu, dass die Terminsgebühr aus
Nr. 3104 VV RVG zweimal anfällt. Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG erfolgt eine
Anrechnung (Römermann, in Hartung/Römermann, RVG, VV Teil 3 Rn. 65) mit der Folge, dass zusätzliche bzw.
höhere Gebühren nur dann entstehen, wenn im Rahmen der Mediation Verhandlungen auch über bei Gericht nicht
anhängige, nicht zum Streitgegenstand gehörende Ansprüche geführt worden sind. Diese außergerichtliche Tätigkeit
konnte der Rechtsanwalt aber auch nach den Bestimmungen der BRAGO neben den Gebühren nach §§ 31 ff.
BRAGO gestützt auf § 118 BRAGO gemäß dem Wert der nicht bei Gericht anhängigen Ansprüche berechnen
(Enders, JurBüro 1998, 337, 338), weil es sich dann gebührenrechtlich zugleich um zwei verschiedene
Angelegenheiten handelte.
Da im Rahmen des am 22.06.2006 durchgeführten Mediationsverfahrens nicht mehr als die bei Gericht anhängigen
Ansprüche verhandelt worden sind, ist auch kein zusätzlicher Gebührenanspruch nach § 118 BRAGO entstanden.
Vielmehr ist die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Beklagten durch die von der Rechtspflegerin bereits
berücksichtigten vier Rechtsanwaltsgebühren vollständig vergütet.
3.
Die Kostenentscheidung bzgl. der Beschwerde folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert bestimmt sich
gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Beklagten an der Abänderung der Entscheidung.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Frage der Vergütung des parteilich beratenden Rechtsanwalts im
gerichtsnahen Mediationsverfahren grundsätzliche Bedeutung hat.