Urteil des OLG Brandenburg vom 13.03.2017

OLG Brandenburg: neues vorbringen, hauptsache, erlass, rechtsschutz, link, quelle, sammlung, familienrecht, entziehen, handbuch

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 123/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 114 ZPO, §§ 114ff ZPO, § 14
FGG
Prozesskostenhilfe: Auslegung des Bewilligungsbeschlusses
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird, soweit es die Zurückweisung des Antrages auf
Prozesskostenhilfe für den einstweiligen Rechtsschutz betrifft, aufgehoben und im
Übrigen dahin abgeändert, dass dem Antragsteller ratenfreie Prozesskostenhilfe sowohl
für die Hauptsache als auch das einstweilige Anordnungsverfahren bewilligt wird.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu
der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Beschluss des
Amtsgerichts, durch den Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren
versagt worden ist, ist aufzuheben. Dieser Beschluss ist wirkungslos. Denn bereits durch
Beschluss vom 27.10.2005 hatte das Amtsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe
für das Verfahren im ersten Rechtszug bewilligt. Diese Bewilligung umfasst bei
verständiger Würdigung auch das einstweilige Anordnungsverfahren. Für einen
nachfolgenden Beschluss, durch den der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
gerade für das einstweilige Anordnungsverfahren zurückgewiesen wird, ist daher kein
Raum. Entfaltet der angefochtene Beschluss danach keine Wirkung, ist er aus Gründen
der Rechtsklarheit aber aufzuheben. Im Übrigen bedarf es, soweit das Amtsgericht im
angefochtenen Beschluss mit Rücksicht auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers
vom 5.12.2005 die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe für die Hauptsache
angeordnet hat, der Abänderung. Wenn der Beschluss vom 27.10.2005 dahin zu
verstehen ist, dass auch für das einstweilige Anordnungsverfahren Prozesskostenhilfe
bewilligt worden ist, dann müssen mit Rücksicht auf das Vorbringen des Antragstellers
im Schriftsatz vom 5.12.2005 die Raten nicht nur im Hinblick auf das
Hauptsacheverfahren, sondern auch bezüglich des einstweiligen Anordnungsverfahrens
entfallen.
Durch Anwaltschriftsatz vom 10.10.2005 hat der Antragsteller beantragt, der Mutter das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind zu entziehen und auf ihn zu
übertragen. Zugleich hat er Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren beantragt. Ebenfalls
am 10.10.2005 hat der Antragsteller persönlich auf der Rechtsantragsstelle des
Amtsgerichts den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin beantragt, dass ihm bis
zur Entscheidung über die Hauptsache das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen
werde. Auch insoweit hat er zugleich beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
was mit Rücksicht darauf, dass es sich um ein gesondertes Verfahren handelt, auch
erforderlich war (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz.
217; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht - FA - FamR -/Oelkers, 5. Aufl., 16. Kap.,
Rz. 175). Durch Beschluss vom 13.10.2005 hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Alsdann hat der Antragsteller durch
Schriftsatz vom 21.10.2005 mitgeteilt, sein Antrag auf Entzug des Sorgerechts habe
sich, nachdem man sich darauf geeinigt habe, dass das gemeinsame Kind künftig bei
ihm lebe, erledigt. Er hat jedoch noch um eine Entscheidung über seine
Prozesskostenhilfeanträge im Hauptsache- und im Eilverfahren gebeten. Durch
Beschluss vom 27.10.2005 hat das Amtsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe
für das Verfahren im ersten Rechtszug unter Beiordnung seiner
Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Diese Bewilligung ist bei verständiger Würdigung
dahin zu verstehen, dass sie nicht nur das Hauptsacheverfahren, sondern auch das
einstweilige Anordnungsverfahren erfasst.
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Für die Auslegung des Beschlusses vom 27.10.2005 dahin, dass die
Prozesskostenhilfebewilligung auch das einstweilige Anordnungsverfahren erfasst,
spricht zunächst der Umstand, dass mit Schriftsatz vom 21.10.2005 ausdrücklich eine
Entscheidung über die Prozesskostenhilfeanträge sowohl im Hauptsache- als auch im
Eilverfahren erbeten worden ist. Wenn dann das Amtsgericht Prozesskostenhilfe "für das
Verfahren im ersten Rechtszug" bewilligt, kann dies vom Antragsteller nur dahin
verstanden werden, dass das gesamte erstinstanzliche Verfahren, also unter Einschluss
des einstweiligen Anordnungsverfahrens, gemeint ist. Dies gilt umso mehr, als das
Amtsgericht ebenfalls am 27.10.2005 durch Beschluss den Geschäftswert für den
Hauptsacheantrag auf 3.000 Euro und für das einstweilige Anordnungsverfahren auf
1.000 Euro festgesetzt hat. Wenn das Amtsgericht eine solche Differenzierung zwischen
Hauptsache- und einstweiligem Anordnungsverfahren in dem Prozesskostenhilfe
bewilligenden Beschluss nicht vorgenommen hat, ist davon auszugehen, dass die
Bewilligung sich auf das gesamte Verfahren des ersten Rechtszugs unter Einschluss des
einstweiligen Anordnungsverfahrens erstreckt.
Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht durch den angefochtenen
Beschluss Prozesskostenhilfe für das Verfahren betreffend den einstweiligen
Rechtsschutz im Hinblick auf mangelnde Erfolgsaussicht zurückgewiesen hat. Zwar
erscheint dies folgerichtig, da das Amtsgericht, wie bereits ausgeführt, durch Beschluss
vom 13.10.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen
hat. Den Gründen jenes Beschlusses ist jedoch zu entnehmen, dass das Amtsgericht
nicht nur von einem fehlenden Regelungsbedürfnis ausgegangen ist, sondern darüber
hinaus auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1666 BGB verneint hat. Vor
diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht auch die Erfolgsaussicht des Antragstellers
im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren anzweifeln können. Dennoch ist es durch
Beschluss vom 27.10.2005 zur Prozesskostenhilfebewilligung gekommen. Auch im
Hinblick auf die Erfolgsaussicht musste der Antragsteller daher nicht davon ausgehen,
dass das einstweilige Anordnungsverfahren von der Prozesskostenhilfebewilligung nicht
erfasst ist.
Mit Rücksicht auf die Nichtabhilfeentscheidung vom 11.5.2006 wird das Amtsgericht
vorsorglich darauf hingewiesen, dass dann, wenn - wie hier - mit der Beschwerde neues
Vorbringen verbunden ist, in der Nichtabhilfeentscheidung eine Auseinandersetzung
hiermit zu erfolgen hat (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 572, Rz. 7, 11).
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