Urteil des OLG Brandenburg vom 06.06.2008
OLG Brandenburg: ddr, herausgabe, eigentümer, zivilrechtliche ansprüche, grundstück, rechtskräftiges urteil, ersitzung, zgb, grundbuch, besitzer
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 143/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 233 § 2 BGBEG, Art 235 § 1
BGBEG, Art 237 § 1 BGBEG, Art
237 § 2 Abs 2 BGBEG, § 217
BGB
Grundstücks-DDR-Folgenrecht: Heilung von Entstehungsmängeln
an im Grundbuch eingetragenen Volkseigentum; Ansprüche der
Erben eines in der ehemaligen DDR verstorbenen
Grundstückseigentümers gegen ein beklagtes Bundesland auf
Herausgabe, Grundbuchberichtigung und Nutzungsersatz
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6. Juni 2008 verkündete Urteil der 1.
Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 1 O 35/05 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
der aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht das beklagte
Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerinnen von dem beklagten Land Zahlung von
Nutzungsentgelt für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1998 verlangen
können.
Die Klägerinnen sind Erbinnen nach C… S….
C… S… war im Grundbuch von P… Blatt 6239 als Eigentümerin des Grundstücks A… 4 in
P… (Grundstück), eingetragen. Sie verstarb am 18. Januar 1982. Da Erben nicht
ermittelt wurden bzw. werden konnten, stellte das Staatliche Notariat P… mit Bescheid
vom 11. Oktober 1983 fest, dass der Staat Erbe der Verstorbenen sei. In der Folgezeit
wurde das Grundstück im Bestandsblatt als Eigentum des Volkes ausgewiesen.
Rechtsträger war zuletzt der Rat des Bezirkes P…. Am 27. April 1998 wurde der Bescheid
des Staatlichen Notariats vom 11. Oktober 1983 eingezogen. Das Amtsgericht Potsdam
erteilte den Klägerinnen am 21. März 2000 einen gemeinschaftlichen Erbschein. Am 9.
Oktober 2000 wurde auf Ersuchen des Präsidenten der Oberfinanzdirektion Cottbus vom
4. August 2000 das beklagte Land als Eigentümer des Grundstücks eingetragen.
Mit ihrer Stufenklage haben die Klägerinnen von dem beklagten Land zunächst Auskunft
über die Höhe der Nutzungen aus dem Grundstück verlangt. Diesem Antrag hat das
Landgericht stattgegeben und durch sein rechtskräftiges Urteil vom 16. Dezember 2005
das beklagte Land verurteilt, den Klägerinnen Auskunft über die Höhe der Nutzungen
aus dem Grundstück A… 4 in P… in der Zeit vom 30. November 1987 bis zum 30.
September 1998 zu erteilen.
Nach erteilter Auskunft hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil das beklagte
Land verurteilt, an die Klägerinnen 284.242,14 € nebst Zinsen zu zahlen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Klägerinnen als damaligen
Eigentümerinnen stehe gegen das beklagte Land als Erbschaftsbesitzer ein Anspruch
auf Herausgabe der bis zum Zeitpunkt des Eigentumsverlustes gezogenen Nutzungen
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auf Herausgabe der bis zum Zeitpunkt des Eigentumsverlustes gezogenen Nutzungen
aus §§ 2020, 2021, 818 Abs. 2 BGB, bzw., bis zum 2. Oktober 1990, gemäß § 33 Abs. 2
Satz 2 ZGB/DDR zu. Der Anspruch umfasse neben den im Jahre 1991 aus Vermietung
erzielten Einnahmen in Höhe von 16.400 DM auch die in der Eigennutzung für den davor
und danach liegenden Zeitraum liegenden Gebrauchsvorteile nach Maßgabe der
jeweiligen objektiven Mietwerte. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch
sei nicht durch die Versäumung der Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB
entfallen. Diese Vorschrift schließe ihrem Inhalt nach zum Ersitzungszeitpunkt bereits
entstandene eigentumsbezogene Ansprüche gemäß § 816, §§ 987 ff bzw. vorliegend §§
2020 ff BGB nicht aus. Da es um einen Ausgleich von Vermögensvorteilen gehe, die vor
Änderung der eigentumsrechtlichen Zuordnung durch den Bucheigentümer erzielt
worden seien, habe derartige Ansprüche nur der Gesetzgeber ausschließen können. Der
Verwirkungstatbestand des Art. 237 § 2 EGBGB sei auch nicht mit der
Bestandschutzregelung des Art. 237 § 1 EGBGB vergleichbar, der nach h. M. sämtliche
auf Eigentum gestützte Ansprüche untergehen lasse. Im Gegensatz hierzu beinhalte Art.
237 § 2 EGBGB nur eine weniger einschneidende Ausschlussfrist. Die Herausgabe
erlangter Vermögensvorteile schulde der Bereicherte hiernach unabhängig davon, ob es
später zu einer tatsächlichen oder fiktiven Ersitzung komme. Ausschlaggebend sei für
den Anspruch der Klägerinnen allein, dass sie während der Zeit der Nutzung durch das
beklagte Land Eigentümer des Grundstücks gewesen seien.
Der Höhe nach sei der objektive Mietwert für die streitgegenständliche Zeit durch das
vom Gericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. U… Sp… festgestellt.
Die Ansprüche der Klägerinnen seien - auch nicht teilweise - wegen Wegfalls der
Bereichung nach §§ 2021, 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Die Bereicherung bestehe
fort, weil sich das beklagte Land damit noch vorhandene Vermögensvorteile verschafft
habe, auch wenn es, wie behauptet, bei Kenntnis des Eigentums der Klägerinnen nicht
deren Grundstück, sondern andere leerstehende Gebäude genutzt hätte. Auf die nach §
2021 BGB herauszugebende Bereicherung seien im Wege der Anrechnung die vom
beklagten Land gemachten Aufwendungen, die von den Klägerinnen mit ihrem
Sicherheitsabschlag von 33 % hinreichend berücksichtigt worden seien, abzuziehen.
Gegen das Urteil wendet sich das beklagte Land mit seiner Berufung, mit der es eine
fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts rügt.
Das beklagte Land meint, dass der auf dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bzw. der
ungerechtfertigten Bereicherung beruhende aus dem Eigentum abgeleitete Anspruch
der Klägerinnen auf Herausgabe der bis zum Eigentumsverlust aus dem Grundstück
gezogenen Nutzungen mit Versäumung der Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 Abs. 1, 2
EGBGB entfallen sei. Es bestehe kein Unterschied zwischen Art. 237 § 1 und Art. 237 § 2
EGBGB. Beide Vorschriften unterschieden sich nur dadurch, dass in dem einen Fall der
Verlusttatbestand wegen unbeachtlicher und in dem anderen wegen nicht fristgerecht
gerichtlich geltend gemachter Erwerbsmängel geregelt werde. In beiden Fällen bestehe
vor Rechtsverlust die Rechtslage eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses. So werde
auch für § 937 BGB von der herrschenden Meinung die Auffassung vertreten, dass ein
bereits zuvor entstandener Anspruch aus dem Eigentum gegenüber dem ursprünglichen
Besitzer mit der Ersitzung erloschen sei. Art. 237 § 2 EGBGB sei im übergeordneten
Interesse der Grundbuchklarheit, der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eingeführt
worden. Mit ihm habe der Gesetzgeber die Rechtslage abschließend im Hinblick auf das
Bestehen von Eigentumsansprüchen geregelt. Gerade der gutgläubig das Eigentum
Erwerbende solle davor geschützt werden, auch noch Jahre nach der Wiedervereinigung
im Hinblick auf das Eigentum in Anspruch genommen zu werden. Ein derartiger
Rechtsfrieden könne nur dann erzielt werden, wenn nicht nur die Ansprüche auf
Herausgabe und auf Eigentumsübertragung bzw. Feststellung von Eigentum
abschließend geregelt würden, sondern auch solche Ansprüche, die aus dem zuvor
bestehenden Eigentum herrührten. Es gebe keine inhaltliche Rechtfertigung dafür, zwar
die dingliche Rechtslage endgültig zu regeln, die aus der zuvor bestehenden dinglichen
Rechtslage folgenden Ansprüche aber nicht zugleich mit zu erledigen. Die
Gesamtregelung des Gesetzgebers sei bei verständiger Würdigung nur dann sinnvoll,
wenn insgesamt die auf und aus dem Eigentum resultierenden Ansprüche bei
Verwirklichung der dort vorgesehenen Tatbestände abschließend zwischen den Parteien
geregelt würden.
Was die Höhe des zuerkannten Anspruchs betreffe, seien nur die im Jahr 1991 erzielten
Mietzinseinnahmen in Höhe von 16.400 DM zu berücksichtigen. Im Übrigen habe sie das
Haus selbst für eigene Zwecke genutzt und derartige Gebrauchsvorteile seien mit
gezogenen Nutzungen nicht gleichzusetzen, weil genügend Ersatzraum zur Verfügung
gestanden habe. Jedenfalls sei es aus diesem Grund als entreichert anzusehen.
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Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 6. Juni 2008 – 1 O 35/05 – abzuändern und
die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerinnen verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) sowie den Inhalt der
von den Parteien zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die statthafte (§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und zulässige, insbesondere fristgerecht
eingelegte Berufung (§§ 513, 517, 519, 520 ZPO) hat auch in der Sache Erfolg.
Den Klägerinnen steht kein Anspruch auf Ersatz von Nutzungen zu, die das beklagte
Land in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1998 dadurch gezogen hat,
dass es das Hausgrundstück vermietet bzw. für eigene Zwecke genutzt hat.
1.
Das in der Auskunftsstufe rechtskräftig ergangene Teilurteil entfaltet keine
Bindungswirkung auch für die Leistungsstufe. Denn innerhalb der Stufenklage sind die
stufenweise erhobenen Ansprüche prozessual selbständige Teile (BGH NJW 1980, 1106,
1107) und die Entscheidung zum Auskunftsanspruch enthält keine rechtskräftige
Feststellung zum Grund des Leistungsanspruchs (Zöller/Greger 27.Aufl. § 254 Rn. 9
m.w.N.).
2.
Da die Klägerinnen weder zuordnungs- noch restitutionsberechtigt sind, können sie den
Anspruch auf Nutzungsersatz nicht aus dem Vermögenszuordnungsgesetz oder dem
Vermögensgesetz herleiten.
Auch zivilrechtliche Ansprüche gemäß § 33 Abs. 2 Sätze 1, 2 ZGB/DDR für die Zeit bis
zum 2. Oktober 1990 und für die Zeit danach gemäß § 988 i.V.m. §§ 812, 818 Abs. 1, 2
BGB bestehen nicht.
Gemäß Artikel 235 § 1 EGBGB sind für die erbrechtlichen Verhältnisse der Klägerinnen
als die wahren Erbinnen der ursprünglich eingetragenen, am 18. Januar 1982 in der DDR
verstorben Eigentümerin und von in der DDR gelegenem Grundbesitz die Bestimmungen
des Erbrechts der DDR maßgebend. Für den nach dem 1. Januar 1976 eingetretenen
Erbfall gilt gemäß § 8 Abs. 1 EGZGB das ZGB/DDR. Der von den Klägerinnen geltend
gemachte Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer zählt zu den
erbrechtlichen Verhältnissen, auch soweit sie im Recht der DDR durch Verweisung auf
allgemeine Bestimmungen geregelt waren. An der Rechtsstellung der Klägerinnen als
Erbinnen hat der Beschluss des Staatlichen Notariats vom 11. Oktober 1983 nichts
geändert, da gemäß § 413 Abs. 2 ZGB/DDR der Erbschein lediglich die Vermutung
begründete, dass der Fiskus Erbe sei. Der Anspruch der Klägerinnen auf Nutzungsersatz
für die Zeit bis zum 2. Oktober 1990 leitete sich mithin aus § 33 Abs. 2 Satz 1 und Satz
2 i.V.m. §§ 356, 357 ZGB/DDR ab, wonach der Eigentümer von jedem, der ihm sein
Eigentum unberechtigt vorenthielt und dadurch einen Vorteil ohne Rechtsgrund erlangte,
die Herausgabe einschließlich der erlangten Nutzungen verlangen konnte. Für die Zeit
nach dem 2. Oktober 1990 galten gemäß Art. 233 § 2 BGB für das von den Klägerinnen
ererbte Eigentum an dem Grundstück und darauf beruhende Ansprüche auf Herausgabe
von Nutzungen bzw. Wertersatz die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches, für den
Nutzungsersatzanspruch damit § 988 BGB, der auch im Falle einer Verfügungsbefugnis
des beklagten Landes gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VZOG 1994 gegenüber dem
wirklichen Eigentümer eingreift (BGHZ 114, 100, 118). Hingegen können die Klägerinnen
den Anspruch nicht aus §§ 2020, 2021 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB herleiten, da das
ZGB/DDR einen besonderen Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer nicht
kannte. Beide Ansprüche sind jedoch mit Ablauf des 30. September 1998 erloschen.
Nach dem Tod von C… S… war fälschlich festgestellt worden, dass der Staat ihr Erbe
geworden war und vor dem 3. Oktober 1990 war das Grundbuch zugunsten des
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geworden war und vor dem 3. Oktober 1990 war das Grundbuch zugunsten des
Eigentums des Volkes umgeschrieben bzw. das Grundstück im Bestandsblatt als
volkseigen geführt worden. Vor Ablauf des 30. September 1998 haben die Klägerinnen
als die wahren Eigentümerinnen keinerlei Ansprüche auf Grundbuchberichtigung geltend
gemacht. Das beklagte Land ist daher gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB Eigentümer
des Grundstücks geworden, so dass die Klägerinnen Herausgabe des Grundstücks nicht
mehr verlangen können. Dies hat den Verlust des aus dem Eigentum fließenden
Anspruchs auf Herausgabe der Nutzungen bzw. Wertersatz zur Folge.
Art. 237 § 2 Abs 2 EGBGB ist an die Stelle der nicht begründbaren Buchersitzung (vgl.
BGHZ 132, 245) durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz eingeführt
worden.
Die Vorschrift heilt Entstehungsmängel des im Grundbuch oder im Bestandsblatt
eingetragenen Volkseigentums, wenn dieses nicht durch rechtskräftige Klage des
wirklichen Eigentümers oder begründeten Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs vor
Ablauf des 30. September 1998 angegriffen war. Das Eigentum ging mit dem Ablauf des
30. September 1998 auf die nach den Vorschriften über die Abwicklung des
Volkseigentums zuordnungsberechtigte juristische Personen über.
Nutzungsersatz verlangen die Klägerinnen für den davorliegenden Zeitraum, als sie
noch die wahren Eigentümer des Grundstücks waren. Grundsätzlich setzt der Anspruch
auf Nutzungsersatz gemäß § 988 BGB i.V.m. § 818 BGB eine Vindikationslage nur zur
Zeit der Tatbestandsverwirklichung voraus und nicht auch das Fortbestehen dieser Lage.
Ausdrücklich ist in Art. 237 § 2 EGBGB auch nicht geregelt, dass derartige Ansprüche,
die vor dem 1. Oktober 1998 entstanden sind, zugleich mit dem Verlust des Eigentums
und des damit verbundenen Grundbuchberichtigungsanpruchs ebenfalls entfallen
sollten.
In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass vor dem Stichtag entstandene
Ansprüche auch noch nach dem Stichtag geltend gemacht werden können, weil sich
weder im Wortlaut noch in den Materialien ein Anhalt dafür finde, dass bereits
entstandene Ansprüche aus §§ 987 ff, 812 ff BGB ausgeschlossen sein sollten. Auch der
Zweck der Herstellung der grundbuchrechtlichen Ordnung und Rechtsklarheit werde
durch solche Ansprüche nicht berührt (Palandt/Bassenge, 61. Aufl. Art. 237 Rn. 1;
Staudinger Rauscher, [2003] Art. 237 EGBGB Rn. 26).
Nach einer anderen Meinung (Böhringer in Eickmann Sachenrechtsbereinigung Art. 233
§ 2 EGBG Rn 89 c; MünchKomm/Busche Art. 237 Rn. 10; Schmidt/Gohrke, VIZ 2000, 697,
700) führt der Eigentumsverlust nach Art. 237 § 2 EGBGB hingegen dazu, dass alle
dinglichen und sonstigen Ansprüche, die die Eigentümerstellung des Anspruchsstellers
voraussetzen, mit den gesetzlichen Eigentumserwerb untergehen. Der frühere wirkliche
Eigentümer könne sich nach Fristablauf nicht mehr auf Erwerbs- oder hieraus
resultierende Verfügungsmängel und damit auf sein früheres Eigentum berufen. Es
komme zu einem umfassenden Rechtsverlust einschließlich aller aus dem Eigentum
entspringenden Ansprüche wie z. B. die aus §§ 894, 985, 987 BGB.
Der Senat schließt sich der letzteren Ansicht aus folgenden Erwägungen an:
Der Gesetzgeber hat mit Art. 237 § 2 EGBGB darauf reagiert, dass der
Bundesgerichtshof die Ersitzung von Volkseigentum jedenfalls vor dem 31. Dezember
2005 verneint hat (BT-Drucks 13/7275 S. 33; BGHZ 132, 245; 136, 228). Er wollte mit der
Fristenregelung ein ähnliches Ergebnis erzielen, so dass in der Vorschrift kein
Heilungsfall, sondern eine Art Buchersitzung zu sehen ist (BGH, ZOV 2003, 171, 172; LG
Rostock, VIZ 2002, 589, 591; Böhringer, OV Spezial 1999, 258; Keller/Schöner/Stöber Rn
42112 p). Mit der Vorschrift des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB hat der Gesetzgeber also
einen Tatbestand geschaffen, der der Ersitzung in § 900 BGB (auch dem Wortlaut nach)
nachgebildet ist. Der Regelungsgehalt der Norm geht damit über eine bloße
Ausschlussfrist hinaus. Jedem, der einen Erwerbsmangel in Bezug auf einen
eingetragenen Eigentümer geltend machen will, wird mit der Vorschrift eine letzte,
zeitlich begrenzte Chance eingeräumt, diesen Mangel zu rügen. Danach soll im
Interesse des Rechtsfriedens eine Berufung auf den Mangel nicht mehr möglich sein und
Rechtssicherheit durch Heilung von Fehlern beim Erwerb zu Volkseigentum unter
ersitzungsähnlichen Bedingungen erreicht werden.
In dinglicher Hinsicht steht damit fest, dass ein früherer Eigentümer nach
ungehemmtem Fristablauf nicht mehr Herausgabe des Grundstücks und
Grundbuchberichtigung verlangen kann. Darüber hinaus beugt Art. 237 § 2 Abs. 2
EGBGB dem Entstehen von „nacktem“ Eigentum ohne Sachherrschaft vor, das, wenn es
die Ersitzung nicht gäbe, in dem Augenblick entstehen würde, in dem der
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die Ersitzung nicht gäbe, in dem Augenblick entstehen würde, in dem der
Herausgabeanspruch des wirklichen Eigentümers gegen den Buchbesitzer verjährt,
indem er die Verjährungswirkung nach der positiven Seite verstärkt (Staudiner/Gursky
(2008) § 900, Rn. 2). Für die weniger einschneidende Verjährung - die Schnabel (ZOV
1997, 384, 389) allerdings als absolute und ohne Einredeerfordernis in der Vorschrift des
Art. 237 § 2 EGBGB sieht - gilt § 217 BGB n. F. (§ 224 BGB a. F.), wonach mit dem
Hauptanspruch der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen verjährt,
auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht
eingetreten ist. Der Anspruch auf Nutzungsherausgabe zählt zu den in § 217 BGB
angesprochenen Nebenansprüchen des Anspruchs aus § 985 BGB (Palandt/Heinrichs §
217 Rz. 1). Zudem ist für die Ersitzung anerkannt, dass bei Fehlen einer
Leistungsbeziehung zwischen dem bisherigen und dem Ersitzenden die Ersitzung einen
endgültigen Erwerbsgrund darstellt, welcher die Eingriffskondiktion, die hier allein in
Betracht käme, mit den Folgeansprüchen der §§ 812 ff BGB ausschließt (Siehr in
Festsschrift Stoll, S. 373, 382, 384 m.w.N.).
Genauso wie § 900 BGB will auch Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB eine endgültige Neuordnung
der Güterlage herbeiführen, d.h., mit dem gesetzlichen Erwerbsvorgang zugleich einen
Rechtsgrund für das Behaltendürfen in jeder Hinsicht bereitstellen. Auch im Übrigen ist
die Rechtsfolge des Art. 237 § 2 EGBGB mit dem Ersitzungstatbestand des § 900 BGB
vergleichbar. Er sieht genauso wie § 900 BGB einen schuldrechtlichen Ausgleich für den
Rechtserwerb des Buchberechtigten nicht vor.
Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 2003
(V ZR 38/02 – zitiert nach Juris) nicht entgegen, wonach der einmal entstandene
Anspruch auf Herausgabe des Erlöses nicht in entsprechender Anwendung von Art. 237
§ 2 Abs. 2 EGBGB erlischt, wenn zu Unrecht eingetragenes Volkseigentum vor dem 30.
September 1998, also bevor es ersessen wurde, veräußert worden war. In diesem Fall
konnte die Rechtsfolge des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB schon gar nicht eintreten, weil
gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 EGBGB Zwischenverfügungen unberührt
bleiben und wegen des deshalb möglichen gutgläubigen Erwerbs nach §§ 873, 892 BGB
der wahre Eigentümer sein Recht zugunsten des gutgläubigen Dritten vor Ablauf der
Ausschlussfrist verloren hat. Eine unrichtige Grundbuchlage, die Art. 237 § 2 Abs. 2
EGBGB voraussetzt, bestand daher nicht mehr (BGH, ZOV 2003, 171). Zudem ging es in
dieser Entscheidung nicht um einen Nebenanspruch im Sinne von § 217 BGB sondern -
wie auch in der Entscheidung des OLG Dresden vom 31. Januar 2000, Az. 7 U 3261/99,
zitiert nach Schmidt/Gohrke, VIZ 2000, 697, 700 - um das Surrogat für die Veräußerung
bzw. Belastung des Eigentums vor dem Stichtag aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diesen
Anspruch hätte, wie vom Bundesgerichtshof a.a.O. ausgeführt, nur der Gesetzgeber
ausschließen können. Vorliegend bedurfte es hingegen aus den genannten Gründen
eines derartigen ausdrücklichen Ausschlusses durch den Gesetzgeber nicht.
Nach alledem sind nicht nur die Ansprüche der Klägerinnen auf Herausgabe und
Grundbuchberichtigung mit dem 30. September 1998 untergegangen, sondern zugleich
mit ihnen auch der von ihnen abhängige Anspruch auf Nutzungsersatz.
Für den Anspruch aus § 33 Abs. 2 Satz 2 EGBGB gilt nichts anderes.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass der Schriftsatz der Klägerinnen
vom 8. September 2009 weder Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung gibt, noch ein Grund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegt, die
Revision zuzulassen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
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