Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 25.05.2005

LSG San: produktion, ddr, rat für gegenseitige wirtschaftshilfe, eintritt des versicherungsfalls, juristische person, verordnung, zugehörigkeit, software, rechnungsführung, gerichtsakte

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom 25.05.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Magdeburg S 10 RA 28/01
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 1 RA 118/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen
Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen hat.
Der im Februar 1939 geborene Kläger erhielt laut Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Textiltechnik K.
–M. -Stadt vom 23. Juli 1966 das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ab dem 15. August 1966
arbeitete er als Wartungsingenieur beim VEB Bürotechnik M. , der während des Jahres 1969 im VEB Kombinat
Robotron aufging. Der Kläger arbeitete bis zum 31. Dezember 1973 als Wartungsingenieur beim VEB Kombinat
Robotron – Zentralvertrieb, Betriebsteil Magdeburg. Als dessen Rechtsnachfolger wurde mit Wirkung ab 1. Januar
1974 der VEB Robotron-Vertrieb Berlin als ein Kombinatsbetrieb des VEB Kombinat Robotron gegründet. Im Werk
Magdeburg dieses Betriebes war der Kläger bis Ende 1984 als Wartungsingenieur, danach bis 30. Juni 1990 als
Technologe tätig. 1990 wurde die CVU Computer-Vertriebs-Union Berlin GmbH i. Gr. Rechtsnachfolger des VEB
Robotron-Vertrieb Berlin, der am 8. Juli 1991 aus dem Register gelöscht wurde. Eine schriftliche Versorgungszusage
erhielt der Kläger während des Bestehens der DDR nicht.
Am 29. Mai 2000 beantragte er die Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften "aufgrund der BSG-Urteile zur
ZV". Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 24. August 2000 ab: Die im VEB Bürotechnik, später VEB
Robotron-Vertrieb ausgeübte Beschäftigung entspreche zwar der technischen Qualifikation, jedoch sei sie nicht in
einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch: Bei dem VEB Robotron-Vertrieb habe es sich um einen volkseigenen Betrieb
gehandelt. Mit Bescheid vom 27. September 2000 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab, indem sie die Zeit
vom 15. August 1966 bis zum 30. Juni 1969 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech feststellte. Den darüber
hinausgehenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2001 zurück: Die Beschäftigungszeit
vom 1. Juli 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Wartungsingenieur bzw. Technologe im VEB Kombinat Robotron –
Zentralvertrieb bzw. im VEB Robotron-Vertrieb Berlin könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zu einem
Zusatzversorgungssystem anerkannt werden. Es handele sich dabei um einen Handelsbetrieb, der nicht in der
Versorgungsordnung aufgeführt sei.
Mit der am 25. Januar 2001 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren
weiterverfolgt: Es könne nicht bestritten werden, dass der VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb und der VEB
Robotron-Vertrieb Berlin volkseigene Betriebe gewesen seien. Die Beschäftigung in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb sei nur für die in § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) bezeichneten Personen
anspruchsbegründende Voraussetzung.
Im Übrigen sei die Firmenbezeichnung kein Beweis für die Arbeit, die in einer Firma erledigt worden sei. So sei der
Robotron-Anlagenbau Leipzig nicht – wie der Name vermuten lasse – ein Produktionsbetrieb gewesen, sondern dieser
Betrieb sei innerhalb des Kombinats Robotron für die Auslieferung/Verteilung bestellter/zugelieferter Produkte
zuständig gewesen.
Den VEB Bürotechnik habe die Beklagte als volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech anerkannt. Durch
die geänderte Firmenbezeichnung habe sich an seinen Aufgaben dem Grunde nach nichts geändert. Er habe weiterhin
als Wartungsingenieur bzw. Technologe gearbeitet. Dieses spreche gegen eine Umstellung des Aufgabenbereichs der
Firma. Gleiches gelte hinsichtlich des beschäftigten Personals. Von rund 500 Beschäftigten sei etwa die Hälfte für die
Software-Entwicklung zuständig gewesen, die andere Hälfte Techniker. Nur etwa 10 Prozent der Mitarbeiter seien für
Auslieferung/Verkauf und Verwaltung tätig gewesen. Das spreche gegen die Qualifizierung als Handelsbetrieb.
Seine Entlohnung sei nach den Maßstäben der Technischen Kontroll-Organisation (TKO) erfolgt. Diese seien in
Handels- und Vertriebsbetrieben nicht angewandt worden. Der VEB Robotron-Vertrieb Berlin dagegen habe eine TKO
gehabt, wie sie in Produktionsbetrieben zur Qualitätssicherung vorgeschrieben gewesen sei. Außerdem habe der VEB
Robotron-Vertrieb Berlin, wie alle anderen produzierenden Industriebetriebe auch, nach den Kennziffern der
Industriellen Waren-Produktion (IWP) abrechnen müssen. Die IWP sei die Hauptkennziffer für die Beurteilung der
Effektivität eines Industriebetriebes gewesen. Nach den Gesetzen der DDR habe die IWP den Wert aller industriellen
Fertigerzeugnisse und aller fertig gestellten industriellen Leistungen des Produktionsbetriebes charakterisiert. Auch
dies spreche dafür, dass er für einen volkseigenen Produktionsbetrieb tätig gewesen sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien sogar solche Anwartschaften zu überführen, auf die
der Versicherte aufgrund eigener Willensentscheidung durch Beitragserstattung nach Ausscheiden aus dem
Versorgungssystem und vor Eintritt des Versicherungsfalls verzichtet habe. Wenn schon diesen Personen wieder
Ansprüche anerkannt würden, müsse dies um so mehr für diejenigen gelten, denen zu DDR-Zeiten ein derartiger
Anspruch rechtswidrig verwehrt worden sei.
Auch das Urteil des BSG vom 15. Juni 2001 (B 4 RA 117/00 R) verdeutliche, dass die Beklagte die beantragten
Zusatzversorgungszeiten festzustellen habe. Denn mit diesem Urteil habe das BSG auch solchen Personen, denen
von den Organen der ehemaligen DDR eine Versorgungszusage nicht erteilt worden sei, nämlich Ingenieur-Ökonomen,
den Anspruch auf Feststellung von Versorgungsansprüchen zuerkannt.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2001 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen: Das
Klagebegehren sei daran zu messen, ob der Kläger darauf habe vertrauen dürfen, bei einem möglichen Leistungsfall
bis Ende Juni 1990 eine Rente aus der AVItech bewilligt zu bekommen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Aus den
einschlägigen Formulierungen der Rechtsnormen der DDR lasse sich entnehmen, dass die Zugehörigkeit zur AVItech
nicht obligatorisch gewesen sei. Dies habe auch der ständig gleichartigen Verwaltungspraxis der DDR entsprochen.
Deshalb habe der Kläger bis zum 30. Juni 1990 kein Vertrauen auf eine Rente aus der AVItech herausbilden können.
Ein derartiges Vertrauen habe er offensichtlich auch nicht gehabt. Erst die Veröffentlichungen der Entscheidungen des
4. Senats des BSG hätten entsprechende Hoffnungen geweckt und den Kläger zur Antragstellung am 29. Mai 2000
veranlasst. Deshalb sei nicht zu klären, ob der VEB Kombinat Robotron in den Geltungsbereich der AVItech gefallen
sei.
Gegen den am 13. September 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Eingangsdatum vom 8. Oktober
2001 Berufung eingelegt: Nach § 3 der 2. DB seien die Werkdirektoren verpflichtet gewesen, für alle neu in die
Betriebe eingestellten Personen der technischen Intelligenz die Vorschläge für die zusätzliche Versicherung bei den
zuständigen Hauptverwaltungen der Ministerien der DDR einzureichen. Ein Spielraum bezüglich der Auswahl der
benannten Personen habe nicht bestanden. Aus dem Wortlaut des § 3 der 2. DB sei eindeutig zu entnehmen, dass er
obligatorisch zu melden und in die zusätzliche Versorgung einzubeziehen gewesen wäre.
Der VEB Kombinat Robotron habe dem Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik unterstanden. Er sei ein zentral
vom zuständigen Ministerium geleiteter Industriebetrieb gewesen. Der Kombinatsbetrieb VEB Robotron-Vertrieb Berlin
habe auf der Grundlage von § 7 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und
volkseigenen Betriebe vom 8. November 1979 (VO) das Werk in Magdeburg als unselbständigen Teilbetrieb
"eingerichtet". Daraus folge, dass nicht auf das Werk in Magdeburg, sondern allenfalls auf den VEB Robotron-Vertrieb
Berlin abzustellen sei.
Die einzelnen Kombinatsbetriebe seien unselbständig gewesen. Das werde daran deutlich, dass der Generaldirektor
des Kombinats ein weitgehendes Eingriffsrecht in die Struktur und die Aufgaben der nachgeordneten Betriebe gehabt
habe. Die Direktoren der Kombinatsbetriebe hätten dem Generaldirektor unterstanden. Der Generaldirektor habe sie
berufen und abberufen können. Er allein sei ihnen gegenüber weisungsberechtigt gewesen. Bei den
Kombinatsbetrieben des Kombinats Robotron habe es sich demnach nicht um juristisch selbständige Betriebe im
Sinne des Bundesrechts gehandelt. Es sei daher auf den VEB Kombinat Robotron in seiner Gesamtheit abzustellen.
Dieser sei zweifellos ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen.
Abgesehen davon habe es sich sowohl beim VEB Robotron-Vertrieb Berlin als auch beim Vorgänger VEB Kombinat
Robotron – Zentralvertrieb um volkseigene Produktionsbetriebe im Sinne der 2. DB gehandelt. Das werde schon daran
deutlich, dass die Mehrzahl der Beschäftigten im VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb sowie im VEB Robotron-
Vertrieb Berlin in der Produktion tätig gewesen sei. Das Produktionssortiment des VEB Robotron-Vertrieb Berlin
einschließlich des Betriebsteils Magdeburg habe von der Herstellung von Kabeln sowie Kabelbäumen über die
Produktion von Einheitsverstärkern für Finalerzeugnisse des Kombinats und der Radioproduktion bis zur Produktion
von Zubehörteilen für PKW gereicht. Darüber hinaus habe der VEB Robotron-Vertrieb Berlin, Werk Magdeburg die
Aufgabe gehabt, die in verschiedenen Ländern des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) hergestellten
Komponenten zu einer funktionierenden EDV-Einheit zusammenzustellen, und zwar sowohl für das Inland als auch für
den Export. Dies sei nicht dem Vertrieb, sondern der Produktion zuzuordnen, denn ohne diese Finalproduktion seien
die einzelnen Komponenten nicht als System arbeitsfähig gewesen.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der VEB Robotron-Vertrieb Berlin nach dem vom Statistischen Amt der DDR
herausgegebenen Anschriftenverzeichnis der DDR-Volkswirtschaft dem Bereich Datenverarbeitungs- und
Büromaschinenindustrie zugeordnet gewesen sei. Außerdem sei es unzutreffend, dass nur Betriebe, die einem
ehemaligen Industrieministerium der DDR unterstellt gewesen seien, volkseigene Produktionsbetriebe gewesen seien.
Im Übrigen sei auf § 46 der Warenordnung hinzuweisen (gemeint ist die Anordnung über das einheitliche System von
Rechnungsführung und Statistik in der volkseigenen Industrie v. 12.5.66, GBl. der DDR II S. 495). Dort sei der Begriff
der Handelsware definiert. Daraus ergebe sich, dass vom VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb allenfalls marginal
Handel betrieben worden sei. Denn die von ihm eingekauften Produkte seien in veränderter Form – z. B. als
Zusammenstellung zu geschlossenen EDV-Großanlagen – weiterverkauft worden.
Das Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik, dem der VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb letztlich
unterstellt gewesen sei, sei eines von acht im Januar 1966 gebildeten Industrieministerien gewesen. Das beweise,
dass der VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen sei.
Die "Definitionen für Planung, Rechnungsführung und Statistik, 9. Ergänzung zum Teil 3, Ausgabe 1980" (hrsg. v.
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik, Staatliche Zentralverwaltung für Statistik) bestätigten, dass der
VEB Robotron-Vertrieb Berlin zum Industriebereich gezählt habe. Die Zuordnung zu Wirtschaftsgruppen durch die
Staatliche Verwaltung für Statistik sei rechtsverbindlich gewesen.
Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass sich die Aufgaben des VEB Robotron-Vertrieb Berlin im Laufe der
Jahre verändert hätten. Das am 25. Juni 1984 vom Minister bestätigte Statut des VEB Kombinat Robotron erkläre in §
8, dass die Aufgaben der Kombinatsbetriebe in den Plankennziffern, anderen Leitungsentscheidungen des
Kombinates sowie in Kombinatsordnungen festgelegt seien. Diese Festlegungen hätten je nach den
volkswirtschaftlichen Anforderungen und Belangen einen Wechsel erfahren. Die Aufgabenbeschreibung für die
Kombinatsbetriebe im Statut des VEB Kombinat Robotron vom 19. Dezember 1973 stamme dagegen aus der
Gründungszeit des VEB Robotron-Vertrieb Berlin. Unabhängig davon sei bereits 1974 die Mehrzahl der Mitarbeiter in
der Produktion beschäftigt gewesen. Bis 1989 sei deren Anteil auf 60 % gestiegen, wobei die Mitarbeiter für die
Softwareproduktion nicht enthalten seien.
Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob ein volkseigener Produktionsbetrieb vorliege, sei nicht die heutige
Zuordnung im Wirtschaftssystem, sondern die Zuordnung in der ehemaligen DDR. Hierzu könne auf die Erläuterung
der Begriffe des einfachen und komplizierten Produktionsprozesses im Ökonomischen Lexikon (Verlag "Die
Wirtschaft") von 1978 verwiesen werden. Nach den Nomenklaturen der Volkswirtschaft der DDR sei der VEB
Robotron-Vertrieb Berlin vorwiegend ein Produktionsbetrieb gewesen. Das verdeutliche auch die Informationsmappe
des VEB Kombinat Robotron von Januar 1988. Die Robotron-Vertriebe seien als letztes Glied der Produktionskette
voll in den Produktionsprozess eingebunden gewesen.
Auch die Produktion von Software sei letztlich industrielle Produktion. Zur Handelsware gehöre sie nach Nr. 1 Abs. 4
der Richtlinie für die Planung, Bilanzierung und Abrechnung von Software (Anlage zu der entsprechenden Anordnung
v. 13.1.86, GBl. der DDR I S. 33) nur, wenn fertige, funktionsfähige Programme unverändert weiterverkauft worden
seien. Somit gehöre nach DDR-Verständnis auch funktionsfähig von anderen Betrieben erworbene Software, die an
EDV-Systeme und/oder Kundenwünsche angepasst worden sei, zur industriellen Warenproduktion. Letztlich sei auch
das sog. fordistische Produktionsmodell nicht das in der DDR maßgebliche Modell zur Beschreibung industrieller
Produktion gewesen.
Der ehemalige Betriebsdirektor des VEB Robotron-Vertrieb Berlin Dr. S. habe in einem Schreiben vom 10. November
2003 eindeutig herausgearbeitet, dass der VEB Robotron-Vertrieb Berlin nach DDR-Recht ein Produktionsbetrieb
gewesen sei. Nach seiner Berechnung habe der Produktionsanteil 1989 umgerechnet auf westdeutsche Verhältnisse
fast das siebenfache des Handelsumsatzes erreicht. Der "Handelsumsatz" von 1 Mrd. Mark habe nach
westdeutschen Preisen etwa 120 Mio. DM entsprochen, während die 208 Mio. Mark IWP bei ca. 820 Mio. DM gelegen
hätten. Das beruhe darauf, dass in der DDR für die technischen und Softwaredienste die Preise nur etwa 20 % der in
der Bundesrepublik üblichen Preise erreicht hätten.
Schließlich sprächen noch folgende Fakten für die Einordnung des VEB Robotron-Vertrieb Berlin als volkseigener
Produktionsbetrieb: Die Entlohnung der Mitarbeiter sei nach dem Rahmenkollektivvertrag
Maschinenbau/Elektrotechnik/Elektronik erfolgt. Zuständige Gewerkschaft sei die IG Metall gewesen. Der VEB
Robotron-Vertrieb Berlin sei gegenüber der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik über die Höhe der IWP
berichterstattungspflichtig gewesen. Er sei dort als Produktionsbetrieb geführt worden. Die Berichterstattung sei auf
einem Formblatt erfolgt, welches nur für dem Bereich der Industrie angehörende Betriebe vorgesehen gewesen sei.
Der Leistungszuschlag der leitenden Mitarbeiter sei an die Erfüllung der Kennziffer IWP gebunden gewesen. Der VEB
Robotron-Vertrieb Berlin habe nach dem Kontenrahmen der Industrie bilanzieren und Leistungsfonds, die nur
Produktionsbetrieben vorbehalten gewesen seien, bilden müssen. Wie jeder Produktionsbetrieb habe er eine
Produktionsfondsabgabe leisten müssen. Bei ihm seien Funktionsebenen und Funktionsbezeichnungen eines
Produktionsbetriebes sowie ein Direktorat für Produktion eingerichtet gewesen. Ein Organisationsschema des VEB
Kombinat Robotron von Anfang 1980 zeige deutlich, dass der Robotron Vertrieb und der Robotron Anlagenbau an
zentraler Stelle der Herstellung kompletter Datenverarbeitungsanlagen gestanden hätten und dass sie Teil des
Produktionsprozesses zur industriellen Herstellung von Sachgütern gewesen seien. Der VEB Robotron Vertrieb Berlin
und der Anlagenbau hätten die letzte Stufe eines gegliederten Produktionsprozesses dargestellt. Im Übrigen sei
darauf hinzuweisen, dass die Rechnungslegung für die vom VEB Robotron Vertrieb Berlin endproduzierten EDV-
Anlagen nicht durch ihn selbst, sondern durch den VEB Robotron Anlagenbau Leipzig erfolgt sei. Wenn Vertrieb
Hauptzweck des VEB Robotron Vertrieb Berlin gewesen wäre, wäre er für die Rechnungslegung zuständig gewesen.
Schließlich sei der Argumentation des Sozialgerichts Berlin in seinem Urteil vom 22. März 2005 (S 9 RA 5498/03)
zuzustimmen, wonach der VEB Robotron Vertrieb Berlin ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. September 2001 und den Bescheid der Beklagten vom
24. August 2000 in der Gestalt des Feststellungsbescheides vom 27. September 2000 und des
Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2001 abzuändern
und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. Juli 1969 bis zum 31. Oktober 1978 als Zeit der Zugehörigkeit
zum Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte
festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger sei im umstrittenen Zeitraum nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen. Dazu
zählten nur solche Betriebe, deren Hauptzweck die industrielle Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw.
Produktion von Sachgütern gewesen sei. Dem VEB Robotron-Vertrieb Berlin seien jedoch andere Aufgaben
zugewiesen worden, wie § 8 des Statuts des VEB Kombinat Robotron vom 29. Dezember 1973 verdeutliche. Die dort
dem Betrieb als Hauptzweck zugewiesenen Aufgaben entsprächen im heutigen Sinne denen eines EDV-Service-
Betriebes. Es habe sich nicht um materielle Produktion gehandelt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit beim VEB Kombinat
Robotron – Zentralvertrieb habe eindeutig im Vertrieb/Handel von/mit Konsumgütern gelegen.
Der Senat hat eine Auskunft des ehemaligen Direktors für Vertrieb und später für Forschung und Entwicklung des
VEB Robotron-Vertrieb Berlin, Werner K. (Bl. 273 f. der Gerichtsakte) sowie Unterlagen der Bundesanstalt für
vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (u.a. den Geschäftsbericht des VEB Robotron-Vertrieb Berlin für 1989 vom 19.
Februar 1990, Bl. 281 ff. der Gerichtsakte) und des Bundesarchivs (Aufgabenbeschreibung und Rahmenstruktur der
VEB Robotron-Vertrieb Dresden, Berlin und Leipzig vom 27. November 1973, Bl. 297 ff. der Gerichtsakte) beigezogen.
Schließlich hat der Senat folgende Zeugenaussagen vor dem Sozialgericht Berlin beigezogen: Dr. M. S , ehemaliger
Betriebsdirektor des VEB Robotron-Vertrieb Berlin vom 21. September 2004 zum Verfahren S 9 RA 398/03; W. K. ,
sh. oben, und H. E. , ehemaliger Ökonomischer Direktor des VEB Robotron-Vertrieb Berlin, beide vom 27. Mai 2003
zum Verfahren S 9 RA 3399/01). Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2005 hat der Senat den ehemaligen Technischen Leiter des
Werkes Magdeburg R. G. als Zeugen vernommen. Wegen der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Mai
2005, Bl. 382–384 d.A., verwiesen.
Die Akte der Beklagten über den Kläger – Vers.-Nr. (ZV) – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung
vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist
unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2000 in der Gestalt des Feststellungsbescheides vom
27. September 2000 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2001 beschwert den Kläger nicht im Sinne von
§§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die beantragte Feststellung abgelehnt hat.
Die Klage ist auch für die Zeit vom 1. Juli 1969 bis 28. Februar 1971 zulässig, denn bisher hat der
Rentenversicherungsträger ausweislich des Rentenbescheides vom 17. Juni 2002 entgegen seiner Verpflichtung aus
§ 256a Abs. 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch nicht die tatsächlichen Verdienste einschließlich der so
genannten Überverdienste in den Versicherungsverlauf eingestellt. Insoweit besteht zwar kein Unterschied zu dem
hier umstrittenen Anspruch gegen die Beklagte als Zusatzversorgungsträger. Der Kläger kann aber nicht darauf
verwiesen werden, diesbezüglich gegen den Rentenversicherungsträger vorzugehen, denn dies ist jedenfalls hier, wo
kein Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen den Rentenbescheid anhängig ist, kein einfacherer Weg.
Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung durch Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939)
keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1
AAÜG, weil er in dem geltend gemachten Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem
Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach § 1 Abs. 2 AAÜG i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG
angehörte.
Dem Kläger ist für die strittige Zeit nicht durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen
gerichtete Erklärung die entsprechende Versorgung zugesagt worden.
Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt, wonach die
Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (ständige
Rechtsprechung, z.B. Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 18/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 8) vorliegen kann. Der Kläger fällt
nämlich für die streitigen Zeiträume nicht unter den in dieser Rechtsprechung enthaltenen Rechtssatz (Urt. v. 18.12.03
– B 4 RA 18/03 R – SozR 4–8570 § 1 Nr. 1), wonach ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nach der
am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage bestanden haben muss. Denn der Kläger erfüllte zu diesem Zeitpunkt nicht die
später zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu Urt. v. 9.4.02 –
B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems, denn der VEB Robotron-Vertrieb
Berlin war kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 der Zweiten
Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. der DDR S. 487).
Aus der Feststellung bestimmter Zeiten als Zusatzversorgungszeiten durch die Beklagte mit Bescheid vom 27.
September 2000 ergibt sich nichts anderes. Denn dieser Bescheid enthält keinen feststellenden Verwaltungsakt,
durch den die Anwendbarkeit des AAÜG auch für Zeiten bestimmt wäre, die nicht selbst Gegenstand der Feststellung
sind.
Die Tatbestandsmerkmale der für die AVItech maßgeblichen 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der
Rechtsprechung des BSG hier nicht abweichenden Auffassung des Senats bei der Auslegung rechtlich unzweideutig
und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (Beschluss des Senats v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00). Dies
folgt nach Meinung des Senats aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des BSG zur Erstreckung des
Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde.
Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem
Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA
27/97 R – SozR 3–8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung
gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten
Ermessensentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von
Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende
Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer
erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der
Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der
DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.
Vor diesem Maßstab war der VEB Robotron-Vertrieb Berlin kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1
Abs. 2 der 2. DB in dem – im Ergebnis engen – Sinn, der der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG
zu Grunde zu legen ist. Volkseigene Produktionsbetriebe i.S. der 2. DB waren nur solche der Industrie und des
Bauwesens, wie jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des
volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.67 (GBl. DDR II 1967, 121) aus deren § 49 Abs. 1 zu folgern ist (BSG,
SozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Die "volkseigenen Produktionsbetriebe" wurden gerade den "volkseigenen Betrieben" sowie
den Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und den anderen wirtschaftsleitenden Organen in den anderen
Bereichen der Volkswirtschaft (z.B. Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft etc.) wegen ihres
Aufgabenschwerpunktes der industriellen Produktion oder der Erstellung von Bauwerken gegenübergestellt (zuletzt §
41 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe (Kombinats-VO)
vom 8.11.1979 (GBl. DDR I 1979, 355); vgl. BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 42/01 R; BSG, Urt. v. 18.12.03 - B 4 RA
18/03 R - RdNr. 23, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem
Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung
nichtproduzierender Betriebe in § 1 Abs. 2 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.
Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell fertigen.
Konzeptionell muss es sich um Produktion im Sinne des fordistischen Modells gehandelt haben (BSG, Urt. v. 9.4.02
– B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urt. 27.7.04 – B 4 RA 11/04 R, zitiert nach Juris). Diese
industriepolitische Konzeption beruhte auf der Rationalisierung der Fertigungskosten durch Massenproduktion. Diese
Art von Produktion gab dem Betrieb, in dem der Kläger im umstrittenen Zeitraum beschäftigt war, nicht das Gepräge.
Denn gemäß § 7 des Statuts des VEB Kombinat Robotron vom 19. Dezember 1973 oblag dem VEB Robotron-Vertrieb
Berlin der Vertrieb, der technische Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik, der Vertrieb
von Systemunterlagen und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend geltender Kombinatsordnung sowie die
Anwenderschulung auf dem Gebiet der Prozessrechentechnik. Hauptzweck war demnach – zusammengefasst –
Vertrieb und Kundendienst. Dies entspricht der Aufgabenbeschreibung für den VEB Robotron-Vertrieb Berlin in der
"Begründung zur Rahmenstruktur des VEB Kombinat Robotron" vom 27. November 1973. Dass "Vertrieb" hier nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit Handel gleichzusetzen ist, sondern die Montage und Herstellung der
Betriebsbereitschaft von Computern nach den jeweiligen Kundenbedürfnissen umfasst, begründet nicht, dass es sich
um industrielle Produktion von Sachgütern gehandelt hätte. Diesem – maßgeblichen – Hauptzweck steht nicht
entgegen, dass der VEB Robotron-Vertrieb Berlin daneben andere Aufgaben erfüllt hat, wie z.B. die Produktion von
Monoheimrundfunkgeräten im Werk Stralsund.
Der Senat hält mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an der notwendigen Voraussetzung hauptsächlich
industrieller Massenfertigung von Sachgütern im Sinne des fordistischen Produktionsmodells im jeweiligen
Beschäftigungsbetrieb fest. Die Bedeutung der damit verbundenen Begriffsbildung in der Wirtschaft der DDR hat das
Bundessozialgericht unter Darstellung der Wirtschaftsgeschichte zur Zeit des Erlasses der maßgeblichen
Versorgungsnormen herausgearbeitet (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 46 f.). Ob
zeitweise daneben, möglicherweise auch überwiegend, in der Wirtschaftslehre der DDR davon abweichende Begriffe
wirtschaftlicher Produktion verwendet worden sind, hält der Senat nicht für maßgeblich. Dass dies teilweise der Fall
war, hat der Kläger etwa durch Vorlage der Definitionen für Planung, Rechnungsführung und Statistik, herausgegeben
1980 vom Ministerrat der DDR – Staatliche Zentralverwaltung für Statistik, nachgewiesen. Denn darin werden als
Leistungsarten industrieller Produktion auch "materielle Leistungen industrieller Produktion" erfasst, zu denen
Reparaturen (Instandsetzungen und Instandhaltungen) und Montagen und sonstige materielle Leistungen industrieller
Art (Lohnarbeiten) gehörten. Rechtliche Bedeutung kommt diesem Umstand für das nachwirkende bundesrechtliche
Verständnis des Begriffes der Industrieproduktion im Sinne der Versorgungsvorschriften nicht zu. Zum Einen sind die
Herstellung industrieller Erzeugnisse und die materiellen Leistungen industrieller Produktion schon nach diesen
Unterlagen selbst in Planung und Abrechnung unterschiedlich zu bewerten. Zum Anderen erfordert aber die
bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion, sich auf den engsten,
wirtschaftswissenschaftlich vertretenen Begriff zu stützen, weil nur so die Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher
Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Um deren Korrektur für die Zukunft geht
es nämlich – wie dargelegt – nur bei der Prüfung einer bundesrechtlichen Einbeziehung im Wege der Unterstellung,
nicht hingegen um die Prüfung, ob bei einer Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von der verbreitetsten
wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinung ausgegangen worden ist.
Die beigezogenen Zeugenaussagen von Dr. S. , K. und E. sowie die Aussage des Zeugen G. in der Senatssitzung am
25. Mai 2005 verdeutlichen, dass dem VEB Robotron Vertrieb Berlin nicht die industrielle Fertigung (Fabrikation,
Herstellung, Produktion) von Sachgütern das Gepräge gegeben hat. Insgesamt hatte der VEB Robotron Vertrieb Berlin
Ende der 80er Jahre über 4.000 Mitarbeiter (Dr. S.: Mai 1990 ungefähr 4.200 Mitarbeiter; K.: 1989 ungefähr 4.400
Mitarbeiter; E.: Wendezeit ca. 4.500 Mitarbeiter, G.: 4.200 bis 4.300 Mitarbeiter). Der Zeuge G. hat ausgeführt, dass
die überwiegende Zahl der Mitarbeiter die Komponenten aus verschiedenen Betrieben und Ländern zu einer für den
Kunden erforderlichen bzw. von ihm gewünschten Konfiguration zusammengestellt, bei ihm montiert und die
Betriebsbereitschaft hergestellt habe. Die Produkte hätten dazu jeweils im Einzelnen an die Bedürfnisse der Anwender
angepasst werden müssen, so der Zeuge. Es handelte sich bei diesem von G. als Finalproduktion bezeichneten
Vorgang also um eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Herstellung. Daran wird deutlich, dass keine
industrielle Serienfertigung vorgenommen wurde, wie z.B. heute noch im modernen Automobil- oder Flugzeugbau.
Diese Installationstätigkeit bestätigen auch die vor dem Sozialgericht Berlin vernommenen Zeugen Dr. S. , K. und E.
als Hauptaufgabe und Gründungszweck des VEB Robotron Vertrieb Berlin.
Der Zeuge K. hat zwar ausgesagt, von den 4.400 Mitarbeitern seien über 2.000 dem Direktorat für Produktion
zugeordnet gewesen. Diese Produktion habe auch technische Dienstleistungen umfasst. Technische Dienstleistungen
unterfallen aber gerade nicht dem oben erläuterten Produktionsbegriff im Sinne der industriellen Fertigung von
Sachgütern, da es sich dabei nicht um die Massenfertigung von Sachgütern handelt. Deshalb ist die Zuordnung zum
Direktorat für Produktion nicht aussagekräftig.
Dass die weit überwiegende Anzahl der Mitarbeiter im Vertriebs- und Kundendienst, in der Verwaltung und in der
Software-Entwicklung und damit nicht im Bereich der industriellen Fertigung von Sachgütern eingesetzt war, ist auch
der Aussage des Zeugen E. zu entnehmen: Er hat zunächst ausgesagt, im gesamten VEB Robotron-Vertrieb Berlin
seien ca. 1.500 Servicetechniker mit der Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur der Erzeugnisse beschäftigt
gewesen. Im Verlauf der Aussage hat er diese Zahl sogar nach oben korrigiert: Zusammen mit den Werken
Magdeburg, Potsdam und Schwerin (gemeint wohl Stralsund) seien "insgesamt sicher über 2.000 Beschäftigte" im
technischen Kundendienst tätig gewesen.
In der Produktion im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts waren nur die Mitarbeiter beschäftigt, die im
Werk 1 des VEB Robotron Vertrieb Berlin in Stralsund unmittelbar mit der Produktion von Monoheimrundfunkgeräten
befasst waren. Das waren laut Aussage des Zeugen K. 200 bis 300 Mitarbeiter, während der Zeuge G. 300 Mitarbeiter
genannt hat. Diese Differenz ist bei einer Schätzung nach so vielen Jahren, noch dazu aus unterschiedlichen
beruflichen Perspektiven der Zeugen, nicht ungewöhnlich. Die Aussage des Zeugen E. steht dazu nicht im
Widerspruch. Er hat angegeben, im Werk Stralsund seien ca. 500 bis 600 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Dabei hat
er allerdings die Beschäftigten in der Nebenstelle in Rostock mitgezählt und den technischen Kundendienst
mitgerechnet. Insgesamt lässt sich jedenfalls feststellen, dass maximal 300 Mitarbeiter in der unmittelbaren
Radioproduktion tätig waren. Im Werk 2 in Magdeburg waren etwa 400 Mitarbeiter beschäftigt, so der Zeuge K. Über
100 Mitarbeiter waren dort mit der Softwareentwicklung und Applikation befasst. Dabei handelte es sich nicht um
Produktion im Sinne des oben erläuterten fordistischen Produktionsmodells, da die Wertschöpfung bei diesem
Vorgang nicht in der industriellen Massenfertigung von Sachen besteht. Ansonsten wurden in Magdeburg Kabel und
Produktionsdatenerfassungssysteme hergestellt, so der Zeuge K ... Unterstellt, dass es sich dabei um Produktion im
o.g. fordistischen Sinne handelte, waren in Magdeburg maximal 300 Mitarbeiter im produzierenden Bereich tätig. Nach
den Zeugenaussagen, die in den entscheidenden Punkten nur unwesentlich voneinander abweichen, waren bei
großzügiger Betrachtungsweise nicht mehr als 600 Mitarbeiter in der unmittelbaren Produktion im Sinne des
fordistischen Modells tätig. Diese Tätigkeit hat dem VEB Robotron Vertrieb Berlin angesichts der Gesamt-
Beschäftigtenzahl von über 4.000 nicht das Gepräge gegeben.
Für die vom Kläger zum Ausdruck gebrachte Auffassung, zur Beurteilung der betrieblichen Voraussetzung des
Hauptzwecks sei nicht auf die Ebene des Betriebes, sondern auf diejenige des Kombinates abzustellen, fehlt es
angesichts der rechtlichen Ausge-staltung des VEB Robotron-Vertrieb Berlin als volkseigener Betrieb an einer
Grundlage. Denn bereits gemäß § 7 Abs. 1 S. 1, 2 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des
volkseigenen Produktionsbetriebes (v. 9.2.67, GBl. der DDR II S. 121) handelte es sich bei einem volkseigenen
Betrieb um eine selbständige juristische Person, auf die bei der Prüfung, inwieweit die Produktion betrieblicher
Hauptzweck war, abzustellen ist. Ein solcher Betrieb war nämlich eine Wirtschaftseinheit (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4
RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 41). Dabei erfasste die genannte Verordnung trotz ihrer Bezugnahme auf
Produktionsbetriebe auch den Betrieb des Klägers, weil sie nach ihrem § 49 Abs. 2 auf alle – auch
nichtproduzierenden – volkseigenen Betriebe anzuwenden war, die nach dem Prinzip der wirtschaftlichen
Rechnungsführung arbeiteten. Dies war nach § 2 Abs. 3 der Gründungsanweisung des VEB Robotron-Vertrieb Berlin
vom 20. Dezember 1973 bei diesem Betrieb der Fall. Die Rechtsfähigkeit volkseigener Betriebe innerhalb eines
Kombinates bestand auch nach § 9 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der
volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28.4.73 (GBl. I S. 129) und nach § 31 Abs. 2 S. 1 der Verordnung
über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.79 (GBl. I S. 355) bis zum
30. Juni 1990 fort. § 4 des Statuts des VEB Kombinat Robotron vom 19. Dezember 1973 bestätigt, dass neben dem
Kombinat auch die Betriebe des Kombinats rechtsfähig sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage
bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des BSG geklärt ist.