Urteil des LSG Sachsen vom 01.08.2005

LSG Fss: eheähnliche lebensgemeinschaft, schutz der ehe, gemeinsames konto, erlass, rechtsschutz, gleichbehandlung, heizung, mietzins, vorsorge, wohnung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 01.08.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 5 AS 32/05 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 3 B 94/05 AS-ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 21.04.2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewäh-rung von Arbeitslosengeld II
(Alg II) von der Beschwerdegegnerin (Bg.).
Die Bf. bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Sie lebt seit Mitte 2000 mit Herrn Hans-Jürgen Fahl (F.)
gemeinsam in der Wohnung ...-Straße ..., L ...
Am 11.10.2004 beantragte sie bei der Bg. die Bewilligung von Alg II. In dem von ihr al-lein ausgefüllten Antrag gab sie
an, mit dem F. als nicht dauernd getrennt lebenden Le-benspartner zusammenzuleben. Sie sei seit dem 06.11.1999,
er seit dem 22.06.2001 ge-schieden. Sie selbst habe ab dem 01.01.2005 keinerlei Einkommen mehr; sie und der F.
verfügten auch über kein Vermögen von nennenswerter Höhe. Er erziele zur Zeit noch ein Arbeitseinkommen, das
Arbeitsverhältnis sei aber zum 30.11.2004 gekündigt. Für die ge-meinsam gemietete Wohnung sei ein Mietzins 183,28
EUR zzgl. 106,70 EUR als monatliche Vorauszahlung zu leisten. Die monatliche Vorauszahlung berechne sich aus
den allgemei-nen Betriebskosten (28,39 EUR), den Heiz- und Warmwasserkosten (61,18 EUR) sowie den
Kaltwasserkosten (17,13 EUR). Der F. zahle für eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung jährlich 346,38 EUR.
Mit Bescheid vom 13.01.2005 lehnte die Bg. die Bewilligung von Alg II ab. Die Bf. sei nach den von ihr
nachgewiesenen Einkommensverhältnissen nicht hilfebedürftig, weil das Einkommen des F. aus dem ihm mittlerweile
bewilligten Arbeitslosengeld I den Bedarf ihrer Bedarfsgemeinschaft übersteige. Ausweislich des beigefügten
Berechnungsbogens legte die Bg. einen Gesamtbedarf des aus der Bf. und des F. bestehenden Bedarfsgemein-schaft
von 874,22 EUR als Summe aus der Regelleistung in Höhe von 596,- EUR und den Kosten der Unterkunft und
Heizung in Höhe von 278,22 EUR zugrunde; dem stehe das Arbeitslosen-geld I des F. in Höhe von 919,80 EUR
gegenüber, das um 30,- EUR, also auf 889,80 EUR zu berei-nigen sei.
Am 19.01.2005 legte die Bf. Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.01.2005 ein. In dem auf einem
Musterwiderspruch basierenden Schreiben führte sie aus, dass der Bescheid sowohl hinsichtlich des anzurechnenden
Einkommens als auch der erstattungsfähigen Mie-te nicht nachvollziehbar sei. Sie könne dem Bescheid auch nicht
entnehmen, wie das anzu-setzenden Einkommen ermittelt worden sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass nicht
alle gesetzlichen Absetzbeträge berücksichtigt worden seien. Bei der als erstattungsfähig angegebenen Miete sei
nicht ersichtlich, welche Kosten übernommen worden seien; insbe-sondere ob hierbei die Kaltwasserkosten mit
erfasst worden seien. Sie könne deshalb nicht prüfen, aus welchen Gründen die Miete nicht in voller Höhe
übernommen wurde. Außer-dem lägen individuelle Fehler der Bescheide (wie z. B.: Anrechnung des Einkommen von
nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen, Nichtgewährung des befristeten Zu-schlags und Anrechnung
des Einkommens auf einen falschen Zeitraum) vor. Letztlich be-ruhe der Bescheid auch auf einem zumindest
teilweise verfassungswidrigem Gesetz. Sie beantrage daher die Überprüfung und ggf. Berichtigung ihres Bescheides;
alternativ bean-trage sie bei völliger Ablehnung der Leistung oder bei konkreten Fehlern, den Bescheid aufzuheben
und ihr die Leistung in voller Höhe ab dem 01.01.2005 zu gewähren. Über den Widerspruch ist bisher noch nicht
entschieden.
Am 23.02.2005 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Bf. beim Sozialgericht Chem-nitz den Erlass einer
einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Gewährung von Alg II bis zur Entscheidung über den
Widerspruch vom 24.01.2005. Die Bf. habe An-spruch auf Alg II, weil das Arbeitslosengeld I des F. nicht anzurechnen
sei. Hierbei könne dahingestellt bleiben, ob sie in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit diesem lebe; denn die
Heranziehung von Partnern aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Be-darfsgemeinschaft und damit zum
Unterhalt eines Hilfebedürftigen sei verfassungswidrig, weil insofern eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung
gegenüber nicht in Lebens-partnerschaft lebenden homosexuellen Paaren bestehe.
In eidesstattlichen Versicherungen vom 23.02.2005 haben die Bf. und der F. übereinstim-mend erklärt, dass sie sich
von ihm Geld zur Bezahlung der Versicherungsbeiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung geliehen
habe.
In dem vom Sozialgericht anberaumten Erörterungstermin am 21.04.2005 hat die Bf. er-klärt, dass sie und der F.
Haushaltsbücher geführt hätten und mittels dieser Bücher die Kosten der Haushaltsführung zur Hälfte geteilt hätten.
Ein gemeinsames Konto habe bis zum 31.12.2004 nicht bestanden. Eine testamentarische Verfügung für den
Todesfall zu-gunsten des jeweils anderen hätten beide nicht getroffen. Jeder habe seinen eigenen Le-benskreis und
seine eigenen Freunde. Es werde ein gemeinsames Bett genutzt; die Waschmaschine werde aus wirtschaftlichen
Gründen ebenfalls gemeinsam benutzt; die Wäsche beider werde zusammen gewaschen.
Mit Beschluss vom 21.04.2005 hat das Sozialgericht den Antrag der Bf. auf Erlass der be-gehrten Anordnung
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einem Anordnungsanspruch der Bf. fehle; sie sei
nicht hilfebedürftig. Die Bf. lebe mit dem F. in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Hierfür seien ihre Stellung als
Gesamtschuldner des Mietvertrages und ihr gleich hoher Beitrag zur Haushaltsführung unabhängig von den Ein-
kommensverhältnissen Anhaltspunkte. Die getrennten Konten, die fehlende Vorsorge des Überlebenden für den
Todesfall und die Freiräume in der Freizeitgestaltung seien unerheb-lich, weil dies auch bei Eheleuten üblich sei.
Gegen den ihr am 02.05.2005 zugestellten Beschluss hat die Bf. am 01.06.2005 Beschwer-de erhoben. Sie ist der
Ansicht, dass das Arbeitslosengeld I des F. nicht auf ihren Bedarf angerechnet werden dürfe. Zum einen sei die
Anrechnung von Einkommen eines Partners aus eheähnlicher Gemeinschaft verfassungswidrig; zum anderen habe
sie bereits glaubhaft gemacht, dass die Beziehung zu F. nicht eheähnlich sei.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 03.06.2005 nicht abgeholfen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 21.04.2005 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verurtei-len, ihr vorläufig Arbeitslosengeld II bis zur Entscheidung über den Wider-spruch
vom 24.01.2005 zu zahlen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug
genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht im Sinne der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) erhoben.
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass der einst-weiligen Anordnung
abgelehnt. Denn eine einstweilige Anordnung kann zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Vorliegend ist der Erlass einer solchen Regelungsanordnung statthaft, weil
zwischen Be-schwerdeführerin (Bf.) und Beschwerdegegnerin (Bg.) noch kein Rechtsverhältnis besteht und damit eine
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder eine Si-cherungsanordnung ins Leere greifen würde.
Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung war aber abzulehnen, weil die Bf. kei-nen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht hat. Denn die Regelungsanordnung erfordert neben einem Anordnungsgrund im Sinne einer
besonderen Dringlichkeit der Entscheidung einen Anordnungsanspruch, also einen der Durchsetzung zugänglichen
materiell-rechtlichen Anspruch des Bf. (Berlit, Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz im Leistungs-recht der
Grundsicherung für Arbeitssuchende - Ein Überblick, in: info also 2005, Seiten 3ff., insbes. Seite 7).
Nach dem im Verfahren glaubhaft gemachten Sachverhalt besteht aber kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II).
Zwar erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Alg II Leis-tungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich
der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, § 19 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II);
er-werbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II sind Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebe-dürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland haben, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Bf. ist 54 Jahre alt, wohnhaft in L ... und
offensichtlich erwerbsfähig.
Sie ist aber nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Denn hilfebedürftig ist, wer seinen
Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsge-meinschaft lebenden Personen nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mit-teln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen und Trägern
anderer Sozialleistungen erhält, § 9 Abs. 1 SGB II. Es ist somit dem Unterhaltsbe-darf der Bedarfsgemeinschaft
deren zu berücksichtigenden Einkommen gegenüberzustel-len (Münder et al., Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II
(im folgenden: LPK), § 9, Rz. 12).
Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen oder Ver-mögen des Partners zu
berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Der Bedarfsgemein-schaft gehören der erwerbsfähige Hilfsbedürftige und
als dessen Partner die Person an, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, § 7 Abs. 3 Ziff. 1, 3 lit. b SGB II.
Das Ein-kommen des Partners ist demnach von Gesetzes wegen grundsätzlich anzurechnen. Diese Regelungslage
ist von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten.
1. Die Einbeziehung von Partner aus eheähnlichen Lebensgemeinschaften und die Außeracht-lassung homosexueller
eheähnlicher Lebensgemeinschaften verstößt nicht gegen den all-gemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Zwar gebietet Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten
und erlaubt eine Differenzierung nur aus sachlichen Gründen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
07.10.1980, Az.: 1 BvL 50/79 u.a., abgedruckt in BVerfGE 55, Seiten 72ff., insbs. Seiten 88ff.). Die beiden zu
vergleichenden Sachverhalte sind aber nicht wesentlich gleich (Beschluss des Senats vom 14.04.2005, Az.: L 3 B
30/05 AS-ER; Beschluss des Landesso-zialgericht Hamburg vom 11.04.2005, Az: L 5 B 58/05 ER AS; Beschluss des
Landessozi-algerichts Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 06/05 SO-ER; anderer An-sicht der
mittlerweile aufgehobene Beschluss des Sozialgericht Düsseldorf vom 16.02.2005, Az.: S 35 SO 28/05 ER; alle zu
finden in JURIS). Eine Gleichbehandlung eheähnlicher und partnerschaftsähnlicher Lebensgemeinschaften ist
verfassungsrechtlich nicht geboten. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen darf der Gesetzgeber
generalisieren, typisieren und pauschalieren (Beschluss des Bundes-verfassungsgerichts vom 08.10.1991, Az.: 1 BvL
50/86, abgedruckt in BVerfGE Bd. 84, Seiten 348ff., insbs. Seite 359). Er darf bei bedürftigkeitsabhängigen
Sozialleistungen, die auch vom Einkommen eines Partners abhängig gemacht werden, zwischen eheähnlicher und
partnerschaftsähnlicher Gemeinschaft differenzieren, weil erstere in weitaus größerer Zahl vorkommt und sich als
sozialer Typus deutlicher herausgebildet hat als letztere (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.1992, Az.:
1 BvL 8/87, zu der schon im Recht der Arbeitslosenhilfe vorgenommenen Differenzierung, abgedruckt in BVerfGE Bd.
87, Seiten 234ff., insbs. Seite 267). Hieran hat sich seit dieser Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts nicht
Grundlegendes geändert; insbesondere hat die partnerschaftsähnliche Lebensgemeinschaft noch keine vergleichbaren
sozialen Stellenwert wie die eheähnliche Lebensgemeinschaft (Beschluss des Landessozialgericht Hamburg vom
11.04.2005, aaO.). Darüber hinaus würde die Gleichbehandlung von eheähnlicher und partnerschaftsähnlicher
Lebensgemeinschaft im Sinne einer Anrechnungsfreiheit ebenfalls zu ? noch schwerwie-genderen ?
verfassungsrechtlichen Friktionen führen. Besondere Einschränkungen der o.g. gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit
können sich nämlich aus anderen Verfassungsnor- men wie Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie) ergeben
(Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts vom 17.11.1992, aaO., insbs. Seite 256). Die durch das Grundgesetz beson-
ders geschützte Ehe wäre in diesem Falle besonders benachteiligt, weil sie ? neben der Le-benspartnerschaft ? als
einzige Lebensgemeinschaft zur vorrangigen Unterstützung des Arbeitssuchenden herangezogen würde (Beschluss
des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2005, aaO.). 2. Die Bf. und der F. leben nach dem im
Beschwerdeverfahren zugrundezulegenden Sachver-halt in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Dies ergibt die
summarische Abwägung der in Verwaltungs-, Antrags- und Beschwerdeverfahren glaubhaft gemachten Tatsachen.
a) Die Bf. hat in ihrem Antrag auf Gewährung von Alg II angegeben, dass sie und der F. in eheähnlicher Gemeinschaft
leben. Zwar hat sie fälschlicherweise angegeben, der F. sei nicht dauernd getrennt lebender Lebenspartner, was nach
der gesetzlichen Definition des § 33b des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) den (gleichgeschlechtlichen)
Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes meint. Aus dieser
Erklärung ergibt sich aber, dass die Bf. den Partner einer eheähnlichen Lebens-gemeinschaft gemeint hat. Zwar mag
die juristisch nicht gebildete Bf. nicht den komplexen Rechtsbegriff der eheähnlicher Lebensgemeinschaft, dessen
Erfassung detaillierte Kennt-nisse der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert,
ihrer Erklärung zugrunde gelegt haben. Dies heißt umgekehrt aber auch nicht, dass die Bf. nicht eine Parallelwertung
in ihrer Laiensphäre vorgenommen hat (vgl. zur anderen Ansicht: Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom
19.05.2005, Az: S 35 AS 112/05 ER und Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 14.06.2005, Az: S 23 AS 332/05
ER, beide zu finden in JURIS). Auch der Laie verbindet mit den Begriffen "Partner in eheähnlicher Ge-meinschaft" und
"Lebenspartner" Vorstellungen, die eine verfestigte Gemeinschaft von zwei Personen mit gegenseitiger
Einstandspflicht beinhalten. Der hier konkret benutzte Begriff des Lebenspartners setzt sich aus den
Wortbestandteilen "Partner" und "Leben" zusammen. Partner meint hierbei jemanden, der mit einem anderen in enger
Verbundenheit (Duden, Deutsches Universallexikon, Stichwort "Partner") und in einer Ehe oder ähnlichen Verbindung
zusammenlebt (Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort "Partner"). Durch den Zusatz "Leben" wird ausgedrückt,
dass diese Verbindung ? wie die Ehe ? auf Lebens-dauer angelegt ist und auch in schlechten Zeiten fortdauern soll.
Verdeutlicht wird dieser Erklärungsinhalt durch die Angaben der jeweiligen Scheidungsdaten der beiden; denn
hierdurch wird die Exklusivität der Beziehung ? einem typischen Merkmal der Ehe und der eheähnlichen
Gemeinschaft ? zum Ausdruck gebracht.
Diese Erklärung bleibt trotz der späteren Einlassung, nicht in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben, glaubhaft. Denn
diese spätere abweichende Erklärung ist ihrerseits weniger glaubhaft, weil die Bf. sie erst im Antragsverfahren, in dem
sie sich durch einen rechts-kundigen Prozessbevollmächtigten vertreten ließ, abgegeben hat. Zu diesem Zeitpunkt
musste der Bf. ? nicht zuletzt durch ihren Prozessbevollmächtigten ? bekannt sein, dass die Beziehung zu F. und
deren rechtliche Bewertung streitentscheidend ist. Noch im Wider-spruchsverfahren hat die Bf. keine konkreten
Einwendungen gegen die Anrechnung des Einkommens des F. vorgebracht, obwohl dies der tragende
Ablehnungsgrund war; die pau-schale Begründung auf der Grundlage eines Musterwiderspruches, der im vorliegenden
Fall auch gar nicht einschlägige Fehler rügt, hat insofern keine Aussagekraft.
Eine andere Beurteilung der Sachlage hätte eine solche abweichende Erklärung nur dann bewirken können, wenn die
Bf. zugleich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, z. B. eine Trennung, behauptet und diese Änderung
glaubhaft gemacht hätte. Dem Sachvortrag ist aber zu entnehmen, dass insofern keine Änderung der Verhältnisse
eingetreten sein soll.
b) Auch nach dem im Übrigen glaubhaft gemachten Sachverhalt liegt eine eheähnliche Ge-meinschaft vor. Die Bf. und
der F. leben in einem gemeinsamen Haushalt; nach den glaub-haft gemachten Tatsachen besteht zwischen ihnen
aber mehr als eine Haushaltsgemein-schaft. Hinsichtlich der Kontoführung, der Vorsorge für den Todesfall, des
Mietverhältnis-ses und der getrennten Freizeitgestaltung wird auf die sachlich und rechtlich zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Bezug genommen. Die Nut-zung eines gemeinsamen
Bettes spricht ebenso wie die gemeinsame und zeitgleiche Rei-nigung der Wäsche beider Wohnungsnutzer in einem
Waschgang für eine eheähnliche Le-bensgemeinschaft, da dies für reine Wohn- und Haushaltsgemeinschaften
untypisch wäre.
Auch die strikte Zweiteilung der Lebenshaltungskosten ist ein Indiz für ein gegenseitiges Einstehen. Denn damit wird
die Lebenshaltung des einen, nämlich desjenigen mit dem höheren Verbrauchsanteil, vom anderen uneigennützig
mitgetragen. Einer Haushaltsge-meinschaft entspräche dagegen entweder eine geteilte Haushaltsführung oder eine
Umle-gung der Kosten nach Verbrauchsanteilen; dies wäre angesichts der dargelegten genauen Buchführung auch
ohne weiteres möglich.
Zuletzt ist die Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Bf. durch F. ein Indiz für
eine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Denn hiermit hat F. deutlich gemacht, dass er der Bf. in Notzeiten (auch
finanziell) beistehen will. Dies ist aber Indiz für eine Einstandsgemeinschaft. Dieser Wertung steht auch nicht
entgegen, dass das Geld zur Bestreitung der Beiträge nur "geliehen" sein sollte. Denn es ist zweifelhaft, ob in dem
engen Verhältnis zwischen der Bf. und ihm und angesichts ihrer finanziellen Verhält-nisse eine Rückzahlung in
absehbarer Zeit oder überhaupt in Betracht kommt. Selbst dann ist das Darlehen angesichts des niedrigen
Einkommens des F. für ihn ein besonderes Opfer, aus dem sich seine Einstandsbereitschaft ableiten lässt.
c) Dem Senat oblag es auch nicht, über die bereits erfolgte Glaubhaftmachung hinaus weiter zum Sachverhalt ? z. B.
durch Vernehmung des F. als Zeugen ? zu ermitteln. Denn die Tat-sachen, auf die der Anspruch und der
Anordnungsgrund der begehrten einstweiligen An-ordnung gestützt werden, sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2
Satz 4 SGG in Verbin-dung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Glaubhaftmachung ist die Beweis-
führung aufgrund überwiegender Wahrscheinlichkeit, was anstelle des Vollbeweises einen geringeren
Wahrscheinlichkeitsgrad zulässt (Zöller, Kommentar zur ZPO, § 294, Rz. 1). Zwar ist im sozialgerichtlichen
Eilverfahren eine Beweisaufnahme ? entgegen der Ein-schränkung des § 294 Abs. 2 ZPO ? nicht ausgeschlossen
(Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 86b, Rz. 16). Hierbei ist aber zu bedenken, dass sich aus der
Eilbedürftigkeit der Sache trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes Einschränkungen an die Anforderungen für
Sachverhaltsermittlungen ergeben; diese sind umso höher, je eilbedürftiger die Sache ist (Krodel, Der
sozialgerichtliche einstweilige Rechtsschutz in Anfechtungssachen, in: NZS 2001, Seiten 449ff., insbs. Seite 453).
Bei Anordnungsverfahren über die Gewährung von Alg II und Sozialhilfe wie dem vorliegenden besteht aber eine
besondere Eilbedürftig-keit, weil durch sie über die Existenzsicherung des Antragstellers entschieden wird; dies darf
zwar nicht dazu führen, dass existenzsichernde Leistungen allein aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, zu finden in JURIS, Rz. 25, 28).
Eine umfassende Güter- und Folgenabwägung, die den grundrechtlichen Anforderungen an einen effektiven
Rechtsschutz Genüge tut, kann aber auch anhand von glaubhaft gemachten Tatsachen vor-genommen werden,
solange diese eine ausreichende, dem Grundrechtsschutz genügende Tatsachengrundlage hergeben. Umfangreiche
Ermittlungen bleiben dann einem ggf. durch-zuführenden Hauptsacheverfahrens überlassen.
3. Aus diesem im Rahmen des Anordnungsverfahrens zugrunde zu legenden Sachverhalt er-gibt sich aber kein
Anspruch auf Alg II. Denn der Unterhaltsbedarf der Bedarfsgemein-schaft übersteigt bei Zugrundelegung dieser
Sachlage deren zu berücksichtigendes Ein-kommen nicht.
Der Bedarf beträgt 874,22 EUR. Dies ist die Summe aus den Regelleistungen für beide Mit-glieder der
Bedarfsgemeinschaft in Höhe von je 298,- EUR (§ 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II) und den Kosten der Unterkunft und
Heizung in Höhe von 278,22 EUR. Letztere bestehen aus dem Mietzins und der Nebenkostenvorauszahlung abzüglich
der vom Regelsatz bereits erfass-ten Kosten der Warmwasserzubereitung, hier pauschaliert 11,76 EUR. Selbst ohne
diesen pauschalen Abzug und unter Berücksichtigung aller Mietzahlungen überstiege der so be-rechnete Bedarf mit
dann 885,98 EUR das zu berücksichtigende Einkommen nicht.
Denn dieses hat die Bg. mit 889,80 EUR richtig berechnet. Dieser Betrag ergibt sich aus dem dem Partner bewilligten
Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 919,80 EUR abzüglich der in § 11 Abs. 2 SGB II und § 3 Ziff. 1 der
Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim
Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vorgesehenen Kostenpauschale in Höhe von 30,- EUR monatlich.
Nicht zum Bedarf zu rechnen sind die von der Bf. zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Kranken- und
Pflegeversicherung; die Bf. ist insoweit auf die Leistungen der Sozialhilfe, insbesondere der Krankenhilfe nach § 48
des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) bzw. § 264 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozilagesetzbuch
(SGB V) zu verweisen (vgl. den Beschluss des Senats vom 14.04.2005, aaO.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.