Urteil des LSG Sachsen vom 13.04.2005

LSG Fss: arbeitsentgelt, rente, abfindung, beendigung, verwaltung, sanierung, auflösung, berufskrankheit, form, verfügung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 4 KN 132/02 U
Sächsisches Landessozialgericht L 6 KN 72/04 U
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20. Februar 2004 sowie der
Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2003
aufgehoben. II. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 27. April 1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 1999 insoweit zurückzunehmen, als hierin die monatlichen Zahlungen von
406,46 DM nicht der Berechung des Jahresarbeits-verdienstes zugrunde gelegt wurden. III. Die Beklagte wird
verpflichtet, die Rente der Klägerin ab dem 1. Januar 1996 unter Zugrundelegung des Jahresarbeitsverdienstes zu
berechnen, der um die erhaltenen monatlichen Zahlungen von 406,46 DM erhöht ist. IV. Die Beklagte hat der Klägerin
die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten. V. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes im Rahmen eines Überprüfungsverfah-rens. Der Beklagte erkannte
gegenüber der Klägerin im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Chemnitz am 15.01.1999 geschlossenen Vergleichs
an, dass eine Berufskrankheit nach Listennummer 2108 der Berufskrankheitenverordnung vorliege und die Klägerin
deswegen ab dem 23.12.1994 Rente nach einer MdE von 30 Prozent erhalte. Mit diesem Vergleich erledigte sich der
Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Chemnitz (Aktenzeichen: S 7 KN 17/97 U), in welchem das Vorliegen der
Berufskrankheit und die MdE streitig gewesen waren.
In der Folge kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten über die Hö-he des
Jahresarbeitsverdienstes. Vom 01.04.1993 bis zum 01.04.1994 hatte die Klägerin zusätzlich zu ihrem Gehalt von
ihrem Arbeitgeber eine so genannte "ratierliche Zahlung" in Höhe von feststehend monatlich 406,46 DM erhalten.
Hintergrund dieser Zahlung war eine Rahmenvereinbarung zwischen der IG Berg-bau/Energie und der Treuhandanstalt
vom 31.03.1993. Die Klägerin war von ihrem ehemaligen Arbeitgeber, der M ...AG, Zweigniederlassung B ...werk E ...,
zum 30. Juni 1991 entlassen worden. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt sie eine Abfindung in Höhe von
17.836,55 DM. Damit waren alle Ansprüche für verlorene Bergbaurechte abgegolten. Zum 01.09.1991 wurde die
Klägerin von der M ... B ... Strukturförderungsgesell-schaft mbH (MBS) als Metallfachwerkerin übernommen. Diese
Tätigkeit wurde nach §§ 91 ff. AFG als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert. Die Förderung wurde nachfol-gend
auf der Grundlage des § 249 h AFG gewährt, welcher die Bezuschussung davon ab-hängig macht, dass
Arbeitsentgelte der Arbeitnehmer nicht mehr als 90 Prozent des tarifli-chen Arbeitsentgeltes betragen. Die Entlohnung
richtete sich zunächst nach Tarifgruppe 5 des Vergütungstarifvertrages für Arbeitnehmer des Tarifbereichs des
Wirtschaftsverbandes Kohle, wobei aus dem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Tarifbereich Braunkoh-len- und
Gasindustrie einige Regeln übernommen wurden. Der sich hieraus ergebende tarifliche Nettomonatslohn betrug bei
einem Ausgangswert von 90 % DM 1.957,83. Mit Schreiben vom 31.03.1993 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die
Tarifverträge zum 31.03.1993 gekündigt worden seien und ab dem 01.04.1993 der Tarifvertrag und Mantelta-rifvertrag
für die Sanierung gelte. Es erfolgte gleichzeitig eine neue Eingruppierung, und zwar in die Tarifgruppe 4. Hieraus
errechnete sich ein durchschnittliches Nettomonatsein-kommen von 1.551,37 DM. Auf Grund der
Rahmenvereinbarung zwischen IG BE und der THA wurde jedoch zugesagt, dass der Differenzbetrag von 406,46 DM
monatlich von der MBS zusätzlich ausgezahlt werde. Diese Auszahlung wurde davon abhängig gemacht, dass die
Klägerin eine arbeitsförderungsrechtlich unterstützte Tätigkeit in einer Sanierungsge-sellschaft ausübt (nicht
Kurzarbeit), und zwar längstens für die Förderdauer in einer Ge-sellschaft, die von einem THA-Unternehmen oder
seinem Rechtsnachfolger mit der Sanie-rung beauftragt worden ist. Die ratierliche Zahlung stand unter dem Vorbehalt,
dass die finanziellen Mittel als Teil der Kosten der Sanierungsmaßnahme den Sanierungsgesell-schaften direkt zur
Verfügung gestellt werden. Für unbezahlte Ausfallzeiten (ohne Ausfall durch Krankheit) war die monatliche Zahlung
entsprechend dem Manteltarifvertrag um 1/173 je Ausfallstunde zu kürzen.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass diese Summen, die sie auch tatsächlich in dem genannten Zeitraum
erhalten hatte, bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen wären.
Die Beklagte schloss sich dieser Auffassung jedoch nicht an. Eine Anfrage bei der LMBV hatte ergeben, dass nach
dortiger Auffassung diese Zahlungen nicht zum beitrags- und steuerpflichtigen Arbeitsentgelt gehörten.
Die Beklagte stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, es handele sich um eine zusätzliche Sozialplanleistung, die
nicht steuer- und abgabenpflichtig sei wie normales Arbeitsentgelt. Sie habe den Charakter einer Abfindung.
Folglich wurde in dem Ausführungsbescheid vom 27.04.1999, der die Rente ab dem 23.12.1994 berechnete, ein
Jahresarbeitsverdienst (maßgebender Zeitpunkt: 25.03.1994) von 27.784,74 DM, also ohne Berücksichtigung der
monatlichen Zahlungen von 406,46 DM zugrunde gelegt.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Nettobeträge in Höhe von 406,46 DM seien als Ausgleich für
Verluste von Arbeitseinkommen gezahlt worden, die durch die Nivellierung zum 01.04.1993 entstanden seien. Der
Tarifmonatslohn habe bis zum 31.03.1993 2.788,00 DM und ab 01.04.1993 nur noch 2.000,00 DM betragen. Die Ein-
nahmen von 406,46 DM seien zu berücksichtigen, auch wenn dafür keine Sozialversiche-rungsbeiträge abgeführt
worden seien. Dies sei auch für die Berechnung der Rente wegen Berufskrankheit nicht von Bedeutung.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 08.06.1999 als unbegründet zurückgewiesen. Berechnungsgrundlage der
Rente sei der Jahresarbeitsverdienst, das heißt der Gesamtbe-trag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen, der in
den 12 Kalendermonaten vor dem Erkrankungsbeginn erzielt worden sei (§§ 571 ff. RVO). Dabei handele es sich beim
Ar-beitsentgelt um alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 7, 14 SGB IV). Hierbei seien
aber nur Einnahmen aus der gegenwärtigen, das heißt die Ka-lendermonate vor dem Erkrankungsbeginn betreffenden
Beschäftigung, zu berücksichti-gen. Einnahmen aus einer früheren Beschäftigung gehörten nicht zum Arbeitsentgelt.
Nach Auskunft der LMBV habe es sich bei den ratierlichen Zahlungen um zusätzliche So-zialplanleistungen
gehandelt. Diese Zahlungen hätten den Charakter einer Abfindung, die wegen Beendigung einer Tätigkeit für einen
Zeitraum nach deren Ende gezahlt werden.
Klage wurde gegen diesen Bescheid nicht erhoben, die Klägerin beantragte aber mit Schreiben vom 16.09.2000 eine
Überprüfung nach § 44 SBG X. Es handele sich bei den zusätzlichen Sozialplanleistungen um Ausgleichszahlungen
und nicht um Abfindungen. Sie sei am 01.04.1993 bereits 18 Monate bei der Sanierung beschäftigt gewesen, habe
aber die "ratierlichen Zahlungen" nicht erhalten. Erst ab dem 01.04.1993 seien die ratierlichen Zahlungen als
Ausgleich für den am 01.04.1993 in Kraft getretenen Tarifvertrag erbracht worden.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 01.12.2000 zurückgewiesen: Die von der Klägerin vorgebrachten Fakten seien
der Verwaltung bereits bei Erteilung des Widerspruchsbe-scheides am 08.06.1999 bekannt gewesen. Es ergäben sich
somit keine Sachverhalte, die nicht bereits bei der Bescheiderteilung Berücksichtigung gefunden hätten. Es ergäben
sich auch keinerlei Anhaltspunkte, dass bei der ablehnenden Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden
sei.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 25.03.2002 als unbegründet zurückgewiesen.
Abfindungen als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes stell-ten kein Arbeitsentgelt im Sinne der
gesetzlichen Unfallversicherung dar.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 20.02.2004 abgewiesen. Die Klägerin habe keine
neuen Tatsachen im Sinne von § 44 SGB X vorgetragen, die Kla-ge sei schon deswegen abzuweisen. Unabhängig
davon bestünden aber auch keine An-haltspunkte, dass es sich bei den ratierlichen Zahlungen tatsächlich um
Arbeitsentgelt ge-handelt habe. Grundlage der Zahlung sei nicht eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zwi-schen den
Klägerin und ihrem Arbeitgeber gewesen, sondern eine Sonderzahlung zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit welcher darauf hingewiesen wird, dass nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes zum weiten Begriff des Arbeitsentgeltes Ge-genleistungen des Arbeitgebers "oder eines
Dritten" gehörten. Die entwickelte Rechtspre-chung des 12. Senates des BSG zur weiten Definition des § 14 Abs. 1
Satz 1 SGB IV sei nochmals ausdrücklich vom 2. Senat im Urteil vom 03.12.2002 (2 BU 23/02 R) bestätigt worden.
Es sei ausgeführt worden, dass zum Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer
Beschäftigung gehörten, gleichgültig, ob auf sie ein Rechtsanspruch bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in
welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder in Zusammenhang mit ihr erzielt
würden. Es ge-hörten dazu sowohl Gegenleistungen des Arbeitgebers als auch eines Dritten, wenn sie im
Zusammenhang mit einer konkret zu ermittelnden Arbeitsleistung stünden. Selbst Zahlun-gen anlässlich der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses könnten beitragspflichtiges Entgelt sein, wenn sie in Zusammenhang mit einer
Beschäftigung geleistet würden. Die vom Sozi-algericht als entscheidungsbegründende Tatsache, dass es sich nicht
um eine arbeitsver-traglich vereinbarte Leistung handele, sei deshalb nicht geeignet, die Verneinung der ratierlichen
Zahlungen als Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 SGB IV zu rechtfertigen. Im Übrigen sei zumindest nach § 87 SGB VII
der Jahresarbeitsverdienst nach billigem Ermessen zu bestimmen, denn der von der Beklagten errechnete
Jahresarbeitsverdienst liege über 20 Prozent unter dem, was der Klägerin in dem Berechnungszeitraum tatsäch-lich
den Lebensstandard bestimmend zur Verfügung gestanden habe.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20.02.2004 –Aktenzeichen: S 4 KN 132/02 U – wird aufgehoben,
2. der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2000 in der Fassung des Widerspruchsbe-scheides vom 25.03.2003 wird
aufgehoben,
3. die Beklagte wird verpflichtet, die Rente der Klägerin unter Einbeziehung der ra-tierlichen Zahlungen zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20.02.2004 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen
Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, die bestandskräftigen Bescheide vom 27.04.1999 und vom 08.06.1999 hinsichtlich des
Jahresarbeitsverdienstes zu Gunsten der Klägerin abzuändern. Dies ergibt sich aus § 44 Abs. 1 SGB X. Das
Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung des
§ 39 SGB X berufen kann, wenn sich im Rahmen eines Antrages nach § 44 nichts ergibt, was für die Unrichtigkeit der
Vorentscheidung sprechen könnte. Dies darf allerdings nicht - verengt - so verstanden werden, das rechtswidrige
Bescheide zu bestätigen wären, wenn im Überprüfungsverfahren keine "neuen Tatsachen" vorgetragen wurden. Selbst
wenn die Verwaltung es wiederholt abgelehnt hat, einen Zu-Gunsten-Bescheid zu erteilen und dies evtl. sogar durch
rechtskräftige Gerichtsurteile als rechtmäßig bestätigt worden ist, darf die Verwaltung einen weiteren Antrag nicht
schlechthin, das heißt ohne Bedacht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen (vgl. BSG, Urteil vom
28.01.1981 - 9 RV 29/80 - BSGE 51, 139, 141). Dies wird damit begründet, dass selbst solche Entscheidungen
sachlich unrichtig seien, also dem Antragsteller eine Leistung ver-wehren, die ihm nach materiellem Recht an sich
zustünde. Allerdings versteht sich von selbst, dass auf der anderen Seite die Bindungswirkung nicht völlig
bedeutungslos sein kann. Für einen schlüssigen Antrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es zumindest erforderlich,
dass dargelegt wird, bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes sei das Recht unrichtig angewandt oder von
einem Sachverhalt ausge-gangen worden, der sich als unrichtig erweist (vgl. Senat, Urteil vom 28.09.2004, L 6 V
11/03).
Diesen Mindestanforderungen genügte der Antrag vom 16.09.2000. In diesem Antrag wird detailliert - unter
Bezugnahme auf die bisherige Argumentation der Beklagten - dargelegt, warum die "ratierlichen Zahlungen" nicht den
Charakter einer Ab-findung hätten.
Dieses Vorbringen war überdies auch in der Sache zutreffend.
Die so genannten "ratierlichen Zahlungen" in Höhe von monatlich 406,46 DM waren als Arbeitsentgelt im Sinne des §
14 Abs. 1 SGB IV sozialversicherungspflichtig und müssen daher auch Grundlage des Jahresarbeitsverdienstes nach
§ 82 Abs. 1 SGB VII sein. Die Zahlungen, die sich als Lohndifferenz berechneten, haben eher den Charakter eines
Schadensersatzes als einer Abfindung. Eine Abfindung für den Verlust der Bergbaurechte hatte die Klägerin
unabhängig davon bereits erhalten. Die "ratierliche Zahlung" wurde vom ehemaligen Arbeitgeber aus speziell für die
Sanierung bereitgestellten Mitteln be-wirkt, sie waren daher auch wirtschaftlich Arbeitsentgelt für die bei einem
anderen Arbeit-geber ausgeübte Tätigkeit als Saniererin. Dass es sich um Äquivalent für die erbrachte Ar-beitsleistung
(vgl. hierzu BAG, Urteil vom 30.10.2001 – 1 AZR 65/01, BAGE 99, 266) handelte, folgt insbesondere auch daraus,
dass – wie sich aus der Vereinbarung vom 27.07.1993 ergibt – eine strenge Koppelung an die Arbeitszeit erfolgt war,
für unbezahlte Ausfallzeiten wurde die monatliche Zahlung von 1/173 je Ausfallstunde gekürzt.
Nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung,
gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie
geleistet werden und ob sie unmittel-bar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Im
Zusammenhang mit der Beschäftigung wurden auch die "ratierlichen Zahlungen" er-zielt. Die weite
Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelt in § 14 Abs. 1 SGB IV erfasst sol-che Einnahmen, die dem Versicherten in
ursächlichen Zusammenhang mit einer Beschäfti-gung zufließen (vgl. BSGE 60, 39, 40; BSG SozR 2100 § 14 Nr. 19
Seite 17). Hierzu ge-hören die Gegenleistungen des Arbeitgebers oder eines Dritten für eine konkret zu ermit-telnde
Arbeitsleistung des Beschäftigten (vgl. BSGE 8, 278, 283; BSGE 20, 6, 9) und sol-che Vergütungen, die zugleich
einen Anreiz für die weitere erfolgreiche Arbeit schaffen sollen, wie Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen und sonstige
Vorteile (vgl. BSG SozR 2100 § 14 Nr. 19). Ebenso erfasst werden Zahlungen, denen ein Anspruch des Arbeitge-bers
auf eine Arbeitsleistung nicht gegenübersteht, wie die Entgeltfortzahlung im Krank-heitsfall und das Urlaubsgeld (vgl.
Merten in GK, SGB IV, § 14 Rd.-Nr. 54). Darüber hin-aus gelten Einnahmen als im Zusammenhang mit einer
Beschäftigung erzielt und damit als Arbeitsentgelt, die aus einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines so
genannten ein-heitlichen Beschäftigungsverhältnisses zufließen (vgl. BSG SozR 3-2400 § 14 Nr. 8 m.w.N.; BSG
SozR 3-2400 § 14 Nr. 15). Schließlich sind auch Zahlungen, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
geleistet werden, beitragspflichtiges Arbeitsent-gelt, soweit sie sich zeitlich der versicherungspflichtigen
Beschäftigung zuordnen lassen, das heißt auch die Zeit der Beschäftigung und der Versicherungspflicht entfallen (vgl.
BSGE 66, 219). Zahlungen von rückständigem Arbeitsentgelt anlässlich einer einvernehm-lichen Beendigung von
Arbeitsverhältnissen oder ihrer gerichtlichen Auflösung im Kündi-gungsschutzprozess sind daher dem Arbeitsentgelt
aus der versicherungspflichtigen Be-schäftigung zuzurechnen, selbst wenn sie von den Beteiligten als "Abfindungen"
bezeich-net wurden. Mit Urteil vom 28.01.1999 ( - B 12 KR 6/98 R – SozR 3-2400 § 14 Nr. 16) hat das BSG diese
Rechtsprechung dahingehend ergänzt, dass auch solche Abfindungen Arbeitsentgelt sind, die bei Fortsetzung des
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach einer Änderungskündigung oder nach einer
einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertra-ges als Gegenleistung für die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen
gezahlt werden. Es kann sich dabei um Abfindungen wegen der Rückführung auf die tarifliche Einstufung handeln,
aber auch um Abfindungen für die Umsetzung in einen anderen Betriebsteil, auf einen schlechter bezahlten oder
geringer qualifizierten Arbeitsplatz bzw. für eine Verringe-rung der Arbeitszeit (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.99 – B 12
KR 14/98 R-). Es handelt sich insoweit nicht um "echte" Abfindungen, daher ist auch das Erfordernis zeitlichen
Zusam-menhanges hier nicht sachgerecht, vielmehr sind diese Zahlungen nicht dem bisherigen
Beschäftigungsverhältnis, sondern dem sich anschließenden zuzuordnen. Abfindungen wegen der Verschlechterung
von Arbeitsbedingungen bei weiter bestehenden Dienstverhältnissen werden auch im Steuerrecht anders behandelt als
Abfindungen bei Auflösung des Dienstverhältnisses. Beide Abfindungen unterliegen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG als
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich der Einkommenssteuer (§ 19 Abs. 1 EStG). Steuerfrei sind
nach § 3 Nr. 9 EStG bis zur Höhe bestimmter Freibeträge nur Abfindungen, die wegen einer vom Arbeitgeber
veranlassten oder gerichtlich ausge-sprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses gezahlt werden. Für Abfindungen
bei weiter bestehenden Dienstverhältnissen ist Steuerfreiheit im Einkommenssteuerrecht nicht vorge-sehen (vgl.
BFHE 148, 257; 161, 372; 183, 532).
Unschädlich ist, dass die Zahlungen durch einen Dritten geleistet wurden (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1999 – B 12 KR
6/98 R -).
All dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg das Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.12.2002 (- B 2 U 23/02 R -,
SGb 2003, 583) entgegenhalten. Jenem Fall lag eine typi-sche Abfindungsregelung zu Grunde, weswegen das BSG
auch noch einmal klarstellte, dass solche Zahlungen nicht "unmittelbar" in den Jahresarbeitsverdienst einzubeziehen
sind. Die dann nahe liegende Lösung über § 87 SGB VII wäre auch - vergleichsweise - im vorliegenden Fall möglich
gewesen; eine entsprechende Verurteilung hätte aber nur unter Abweisung der Klage im Übrigen erfolgen können,
wozu eine Verneinung des Arbeitsent-geltcharakters der streitbefangenen Zahlungen Voraussetzung gewesen wäre.
Die Zahlungen waren jedoch Arbeitsentgelt und daher der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zu Grunde zu
legen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen
nicht vor.