Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.05.2005

LSG Mainz: schweigen des gesetzes, versicherungspflicht, beitragspflicht, ausgleichszahlung, arbeitsmarkt, verfügung, arbeitslosenhilfe, arbeitsunfähigkeit, gefahr, krankheit

Sozialrecht
LSG
Mainz
18.05.2005
L 4 RA 6/04
Rentenversicherung, Versicherungspflicht, Pflegeperson
T E N O R:
1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 09.12.2003 aufgehoben
und die Klage abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge der Beklagten und des
Beigeladenen trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der von ihr für den Beigeladenen geleisteten
Rentenversicherungsbeiträge.
Der 1950 geborene Beigeladene ist seit vielen Jahren arbeitslos und hat u.a. Arbeitslosenhilfe bezogen,
während dessen Bezug für ihn von der Bundesanstalt (Bundesagentur) für Arbeit (BA)
Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte entrichtet wurden. Einen Rentenantrag des Beigeladenen
wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte bindend ab (Bescheid vom 11.11.1998/-
Widerspruchsbescheid vom 17.11.1999).
Im April 1998 beantragte der Beigeladene bei der Klägerin die Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen und gab an, er pflege seine bei der
Klägerin pflegeversicherte Mutter in deren Wohnung ohne Entgelt seit Oktober 1995 neben einem
privaten Pflegedienst ca. 35 Stunden wöchentlich.
Die LVA Rheinland-Pfalz prüfte im Mai 2001 die Versicherungspflicht von Pflegepersonen, u.a. des
Beigeladenen und entschied mit Bescheid vom 03.08.2001, dass für den Beigeladenen, der seit
20.10.1995 seine Mutter mit 21 Stunden wöchentlich pflege, ab 25.10.1995 bis 31.07.1997
Rentenversicherungsbeiträge von 8.636,35 DM, für die Zeit vom 01.08.1997 bis 31.12.1997 von 4.160,25
DM sowie wegen verspäteter Meldung eine Ausgleichszahlung von 945,00 DM zu leisten seien.
Die Klägerin holte daraufhin Auskünfte über die Krankheitszeiten des Beigeladenen seit 1996 von der
Barmer Ersatzkasse (BEK) ein.
Im Januar 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung von 4.765,58 DM an für den
Beigeladenen von ihr während dessen Krankheitszeiten entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen
sowie der Ausgleichszahlung von 945 DM. Zumindest zeitweise sei der Beigeladene nicht
beitragspflichtig zur Rentenversicherung gewesen. Auch sei fraglich, ob überhaupt eine Beitragspflicht be-
standen habe, da er gleichzeitig wegen des Bezugs von Arbeitslosenhilfe rentenversichert gewesen sei,
so dass die von ihr gezahlten Beiträge zu erstatten seien.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 25.02.2002 und Bescheid vom 16.07.2002 ab, da die
Rentenversicherungsbeiträge nicht zu Unrecht gezahlt worden seien. Auch während der von der BEK
bescheinigten Krankheitszeiten des Beigeladenen sei von einer Rentenversicherungspflicht des
Beigeladenen auszugehen, da eine Unterbrechung der Pflegetätigkeit nicht geprüft worden sei.
Auf die vor dem Sozialgericht Trier erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 09.12.2003 den
angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die für den Beigeladenen
wegen dessen Pflege seiner Mutter entrichteten Beiträge zu erstatten. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, zwar unterlägen Personen, die nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden
Pflegebedürftige in deren häuslicher Umgebung pflegten, die Anspruch auf Leistungen aus der sozialen
oder privaten Pflegeversicherung hätten, der Rentenversicherungspflicht, sofern sie nicht daneben
regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig seien (§ 3 Satz 1 Nr. 1a;
Satz 3 SGB VI). Das Gesetz enthalte keine Regelung zur Versicherungs- und Beitragspflicht im Falle des
Bezugs von Entgeltersatzleistungen. Nach dem Sinn und Zweck des § 3 Satz 3 SGB VI entfalle aber nach
Überzeugung des Gerichts die Rentenversicherungspflicht ebenso wie für neben der Pflegetätigkeit
Beschäftigte auch für die Bezieher von Entgeltersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld. §
3 Satz 3 SGB VI solle Personen aus der Versicherungspflicht ausgrenzen, die in der Regel (neben dem
Beruf) für eine qualifizierte Pflegetätigkeit keine Zeit hätten, und zudem sicherstellen, dass die besonderen
Vorteile der rentenversicherungsrechtlichen Absicherung von Pflegepersonen nur Personen zugute
kämen, die nicht schon aus anderen Gründen ausreichend abgesichert seien. Auch die Bezieher von
Entgeltersatzleistungen dürften bei einer nicht erwerbsmäßigen Pflege nicht rentenversicherungsrechtlich
besser gestellt werden als Beschäftigte.
Am 04.02.2004 hat die Beklagte gegen das ihr am 09.01.2004 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor,
der Ausschluss von der Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 3 SGB VI gelte nicht für Personen, die
neben ihrer Pflegetätigkeit Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhielten. Der Gesetzeswortlaut
schließe die Rentenversicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegende nur für Personen aus,
die ihre Pflegetätigkeit neben einer mehr als 30 Stunden wöchentlich ausgeübten Beschäftigung oder
selbständigen Tätigkeit leisteten. Diese Differenzierung sei sachgerecht, da die Arbeitslosengeld- oder
Arbeitslosenhilfebezieher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Wenn wegen der Pflegetätigkeit nur
noch eine Teilzeitbeschäftigung in Betracht komme, vermindere sich das der Bemessung des
Arbeitslosengelds zugrunde zu legende Arbeitsentgelt entsprechend, weshalb die daran geknüpfte
Absicherung in der Rentenversicherung ebenfalls abgesenkt werde.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 09.12.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin trägt vor,
entscheidend sei, ob der Beigeladene als Pflegeperson oder als Erwerbstätiger anzusehen sei. Als
Bezieher von Erwerbsersatzleistungen stehe er überwiegend dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der den Beigeladenen
betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, der Verwaltungsakte der Klägerin, der Archivakten S 2 Vs
76/95 und S 4 RA 160/99 des Sozialgerichts Trier sowie der Prozessakte, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, da das Sozialgericht die Beklagte zu Unrecht
verurteilt hat, die von der Klägerin für den Beigeladenen geleisteten Rentenversicherungsbeiträge in
voller Höhe zu erstatten.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanspruchte Beitragserstattung ist § 26 des
Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Über diesen
Anspruch war durch Verwaltungsakt zu entscheiden, weil die Erstattung davon abhing, ob eine
Beitragspflicht des Beigeladenen dem Grunde oder der Höhe nach bestand (vgl. BSG, SozR 3-2400 § 26
Nr. 4 ). Nach § 26 Abs. 2 Halbs. 1 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn,
dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser
Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen
erbracht oder zu erbringen hat, was hier nicht der Fall ist. Die von der Klägerin als Trägerin der
gesetzlichen Pflegeversicherung für den Beigeladenen während der streitigen Zeiträume gezahlten
Beiträge sind aber nicht zu Unrecht entrichtet worden.
Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, in der sie einen
Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in
seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der
Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat.
Nicht versicherungspflichtig sind nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die daneben regelmäßig
mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind (§ 3 Satz 2 SGG VI in der vom 1.
April 1995 bis 30. Juni 2001 geltenden Fassung vom 26. Mai 1994; § 3 Satz 3 SGB VI i.d.F. der Bek. v.
19.2.2002, BGBl. I S. 754 ).
Den Tatbestand der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Angehörigen hat der Gesetzgeber im
Rentenrecht erstmals zum 01.01.1992 berücksichtigt, und zwar, beschränkt auf den Zeitraum vom
01.01.1992 bis zum 31.03.1995, durch § 249 b SGB VI als Berücksichtigungszeit wegen Pflege sowie ab
dem 01.04.1995 als Beitragszeit gem. § 3 S. 1 Nr. 1 a SGB VI. Der gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI
vorgesehene, für die Beteiligten kostenfreie Versicherungsschutz (vgl. § 170 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a SGB
VI) soll gerade solchen Personen zugute kommen, die als Familienangehörige Pflegeleistungen
erbringen (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 16 mwN). Die Regelungen in § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI sowie
in § 44 SGB XI sind von dem sozialpolitischen Motiv getragen, die Pflegeperson sozial abzusichern und
damit die kostengünstige Familienpflege zu fördern (vgl. BT-Drucksache 12/5262, S. 82; BGH NJW 1999,
421).
Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB VI lagen bei dem Beigeladenen dem Grunde nach
seit dem 20.10.1995 vor, da er seitdem seine Mutter nicht erwerbsmäßig für ca. 21 Stunden wöchentlich
gepflegt hat, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Auch war der Beigeladene in dieser Zeit
regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB XI i. V. m. § 3 Satz 1 Nr. 1 a, § 166 Abs. 2 Nr. 1 a, § 170 Abs. 1 Nr. 6 a SGB VI
entrichten die Pflegekassen Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für
die Zeit, in der eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14
SGB XI wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegt, wenn der
Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat.
Für die Zeiten ab dem 20.10.1995, in denen der Beigeladene seine Mutter gepflegt hat, sind bzw. waren
von der Klägerin Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten, so dass der Berufung stattzugeben ist.
Für diese Zeiten ist –bis auf Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen, worauf noch einzugehen ist–
unstreitig, dass der Beigeladene seine Mutter nicht erwerbsmäßig für ca. 21 Stunden wöchentlich in
häuslicher Umgebung gepflegt hat. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 3 Satz 3 SGB VI
liegen nicht vor, da der Beigeladene in dieser Zeit nicht regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich
beschäftigt oder selbständig tätig war, was ebenfalls unstreitig ist.
Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Sozialgerichts ist § 3 Satz 2 bzw. 3 SGB VI nicht erweiternd
auszulegen, da eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Regelungslücke nicht vorliegt. Für die Auslegung
des § 3 Satz 2 bzw. 3 SGB VI ist zu beachten, dass der dem allgemeinen Sprachgebrauch zu
entnehmende Wortsinn den Ausgangspunkt und zugleich die Grenze der Auslegung bestimmt, da das,
was jenseits des möglichen Wortsinns liegt und mit ihm auch bei "weitester" Auslegung nicht mehr
vereinbar ist, nicht als Inhalt des Gesetzes gelten kann (vgl. BSG, SozR 3-2700 § 46 Nr 1; Larenz/Canaris,
Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., S. 163 f). Auch Analogien zu oder teleologische
Reduktionen von gesetzlichen Vorschriften dürfen nicht zu einem mit dem Wortlaut nicht zu verein-
barenden Inhalt der auszulegenden Norm führen. Andererseits folgt die Interpretation von
"Ausnahmevorschriften" den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, so dass diese Vorschriften, je nach
der ihnen innewohnenden Zweckrichtung, einer einschränkenden oder ausdehnenden Auslegung
zugänglich sind (vgl. BVerwGE 100, 23; BSG, SozR 3-4100 § 59e Nr. 1).
Danach ist die vom Sozialgericht vorgenommene „erweiternde“ Auslegung, dass nach § 3 Satz 3 SGB VI
von der Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI auch ausgeschlossen ist, wer
Entgeltersatzleistungen anstelle von Erwerbstätigkeit für mehr als 30 Stunden wöchentlich bezieht, nicht
statthaft. Sie ist weder mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar, noch liegen die Voraussetzungen einer
Analogie vor. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Gerichte nur berufen, wenn das Gesetz mit
Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das
Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte
Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat
(so
BSGE 39, 143
, 136;
BSGE 60, 176
, 178;
BSGE 58, 110
, 114 f ; BSG, SozR 3-2500 § 50 Nr. 4 mwN).
Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.
Nach den Gesetzesmaterialien ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei einem
Zusammentreffen von Erwerbstätigkeit und Pflege die Pflegepersonen dann durch eine additive
Bewertung der Pflegezeiten rentenrechtlich begünstigt werden, wenn sie regelmäßig nicht mehr als bis 30
Stunden wöchentlich erwerbstätig sind (BT-Drucks.12/5952 S. 52 f). Von weiteren Begrenzungen und
insbesondere der Übertragung der Geringfügigkeitsregelungen wurde im Gesetzgebungsverfahren
abgesehen, um die Gefahr einer Umgehung der Geringfügigkeitsregelungen zu vermindern und dem Ziel
des SGB XI, die nicht erwerbsmäßige Pflege so weit wie möglich zu fördern, zu entsprechen (BT-Drucks.
12/5262 S. 160). Es würde diesem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen, wollte man
Arbeitsuchende in der Zeit, in der sie keine Beschäftigung ausüben und sich der Pflege eines Verwandten
widmen, vom sozialen Schutz, der auch einen Anreiz ausüben kann, ausnehmen. Demnach ist die
Vorschrift des § 3 Satz 3 SGB VI, die Ausnahmen von der allgemeinen Versicherungspflicht zu Gunsten
der Pflegepersonen vorsieht, vom Gesetzgeber bewusst eng formuliert worden und einer erweiternden
Auslegung nicht zugänglich.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Klägerin besteht auch –bei näherer Betrachtung– keine
Gefahr einer ungewollten „Mehrfachversorgung“ von Beziehern von Erwerbsersatzleistungen im
Rentenrecht. Denn diese werden nicht zwingend besser gestellt als versicherungspflichtig Beschäftigte
oder Selbständige (ebenso: Kreikebohm, SGB VI, § 3 Rdn. 41; a.A. Klattenhoff in Hauck/Haines, § 3 SGB
VI Rdn. 56). Die Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (§§ 117; 190 SGB III; jetzt:
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, §§ 19 ff SGB II) müssen, um in den Genuss dieser
Leistungen und damit auch der Rentenbeiträge von der BA zu kommen, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen. Erfüllen sie diese Voraussetzungen nicht, aus welchen Gründen auch immer, besteht
möglicherweise kein Anspruch mehr auf den Bezug der Erwerbsersatzleistungen, so dass auch die
Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI entfällt. Dies berührt aber nicht die Versicherungspflicht
als Pflegeperson nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI, selbst wenn sie wegen der Pflege dem Arbeitsmarkt nicht
mehr zur Verfügung stehen sollte.
Zudem ist die Höhe der Beiträge unterschiedlich geregelt, so dass eine „Überversorgung“ in der Rente
nicht zwingend zu sehen ist, selbst wenn es zu einer mehrfachen Beitragspflicht kommt, was ohnehin nicht
systemfremd ist und vom Gesetzgeber durch die Zulassung von Teilzeittätigkeiten hingenommen wird.
Während sich die Höhe der Rentenversicherungsbeiträge bei Erwerbsersatzleistungen bei dem Bezug
von Arbeitslosenhilfe nach deren Höhe (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VI) richtet, oder sie bei dem Bezug von
Arbeitslosengeld auf 80 vH des der Leistung zugrund liegenden Arbeitsentgelts beschränkt war (§ 166
Abs. 1 Nr. 2 SGB VI), richten sich die Beiträge für nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen nach dem Umfang
der Pflege und sind von 35,5555 vH bis auf 80 v.H. der Bezugsgröße gestaffelt (§§ 44 Abs. 1 Satz 2
SGB XI; 166 Abs. 2 SGB VI), so dass eine Mehrversorgung nur in Ausnahmefällen eintreten dürfte.
Der Beigeladene war und ist daher nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI versicherungspflichtig in der
Rentenversicherung. Nach dem Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI besteht diese Versicherungspflicht
der Pflegepersonen aber nur in der Zeit, in der sie den Pflegebedürftigen tatsächlich pflegen. Ausweislich
des insoweit unmissverständlichen Wortlauts ist Grundvoraussetzung des Anspruchs, dass die
Pflegeperson die Pflege tatsächlich erbringt. Eine von § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI abweichende gesetzliche
Regelung des Inhalts, dass während eines Urlaubs oder einer Krankheit der Pflegeperson die
Versicherungs- und Beitragspflicht fortbesteht, während sie tatsächlich keine Pflegeleistungen erbringt
(vgl. BSG, SozR 3-3300 § 34 Nr. 5), existiert nicht.
Die Klägerin hat in ihren Schreiben vom 24.04.2002 und 21.01.2002 zwar substantiiert die für die
Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen wegen Krankheit entrichteten Beiträge an die
Beklagte aufgrund der Auskünfte der Krankenkasse des Beigeladenen mit 4.765,58 DM berechnet. Dem
haben die Beklagte und der Beigeladene aber widersprochen. Der Beigeladene seinerseits hat sub-
stantiiert angegeben, dass er auch während der Arbeitsunfähigkeitszeiten Pflege in der Form von
Medikamentenversorgung, Nahrungsgabe, Betreuung, leichter Hausarbeit, Einkäufen, Arztterminen und
Apothekengängen geleistet hat. Damit ist eine von der Klägerin behauptete Unterbrechung der
Pflegetätigkeit des Beigeladenen nicht nachgewiesen und von einer durchgehenden Versicherungspflicht
des Beigeladenen auszugehen.
Soweit das Sozialgericht (ohne Begründung) die von der Beklagten festgesetzte Ausgleichszahlung in
Höhe von 945 DM aufgehoben und die Beklagte zur Erstattung verurteilt hat, ist die Berufung ebenfalls
begründet. Die Berechtigung der Beklagten zur Festsetzung eines Säumniszuschlags ergibt sich aus § 24
Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis
zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein
Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.
Da die Klägerin Rentenversicherungsbeiträge von Oktober 1995 bis September 1999 nachzuzahlen hatte,
ist die Berechnung der Ausgleichszahlung nicht zu beanstanden.
Der Berufung ist daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193; 197a SGG; 154 VwGO.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung ‑