Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2003

LSG Rpf: wird wie folgt abgeändert: Der Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenansatz der Kostenbediensteten des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2003, stationäre behandlung, weisung, behörde

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 16.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Koblenz S 8 KR 195/02
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 1 B 104/03 KR
Der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 30.05.2003 - S 8 KR 195/02 - wird wie folgt abgeändert: Der
Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenansatz der Kostenbediensteten des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2003
- S 8 KR 195/02 - wird stattgegeben, soweit hierin eine Gebühr für das "Verfahren im Allgemeinen" festgesetzt worden
ist.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren ausschließlich darüber, ob in dem Kostenansatz der
Kostenbediensteten des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2003 - S 8 KR 195/02 - eine Gebühr nach Nr. 4110 des
Kostenverzeichnisses (KV) (Anlage zu § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -) festgesetzt werden durfte.
Im Ausgangsrechtsstreit begehrte die Klägerin mit ihrer am 06.05.2002 erhobenen Klage von der Beklagten Zahlung
eines (weiteren) Betrages in Höhe von 1.878,81 EUR für die stationäre Behandlung einer bei der Beklagten
Versicherten. Mit Verfügung vom 08.05.2002 bat die Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts
Koblenz die Beklagte um Klageerwiderung und forderte zugleich deren Verwaltungsakten an.
Mit am 15.08.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage
zurück.
Durch Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 24.09.2002 - S 8 KR 195/02 - wurden die Kosten des Verfahrens
der Klägerin auferlegt und der Streitwert auf 1.878,81 EUR festgesetzt.
Mit Kostenansatz vom 28.02.2003 - S 8 KR 195/02 - hat die Kostenbedienstete des Sozialgerichts Koblenz die von
der Klägerin zu erhebenden Kosten auf insgesamt 110,50 EUR festgesetzt. Hierbei ist eine Gebühr für das Verfahren
im Allgemeinen nach Nr. 4110 des Kostenverzeichnisses (KV) (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes
[GKG]) in Höhe von 73,00 EUR sowie eine Gebühr für den Beschluss nach § 197a Abs. 1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Höhe von 37,50 EUR angesetzt worden.
Hiergegen hat die Klägerin mit am 19.03.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz "Beschwerde" erhoben und
ausschließlich geltend gemacht, die Gebühr nach Nr. 4110 KV dürfe im Hinblick auf die Klagerücknahme nicht
erhoben werden.
Mit Schreiben vom 11.04.2003 ist der Bezirksrevisor der Sozialgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz dieser
Rechtsauffassung der Klägerin beigetreten. Er hat die Kostenbedienstete gebeten, den Kostenansatz entsprechend
zu berichtigen und der Erinnerung abzuhelfen. Entgegen dieser Weisung hat die Kostenbedienstete mit Verfügung
vom 24.04.2003 der Erinnerung der Klägerin nicht abgeholfen.
Mit Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 30.05.2003 - S 8 KR 195/02 - ist die Erinnerung der Klägerin gegen
den Kostenansatz der Kostenbediensteten des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2003 - S 8 KR 195/02 -
zurückgewiesen worden.
Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde erhoben, sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 30.05.2003 - S 8 KR 195/02 - abzuändern und der Erinnerung der
Klägerin gegen den Kostenansatz der Kostenbediensteten des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2003 stattzugeben,
soweit hierin eine Gebühr für das "Verfahren im Allgemeinen" festgesetzt worden ist, und zur Begründung auf ihr
Erinnerungsvorbringen verwiesen.
Die Beklagte ist der Rechtsauffassung der Klägerin und des Bezirksrevisors beigetreten.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht hätte der Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenansatz der Kostenbediensteten vom 28.02.2003
- S 8 KR 195/02 - stattgeben müssen, soweit hierin eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen angesetzt worden
ist. Dieser Teil des Kostenansatzes ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er findet keine
Rechtsgrundlage in der vorliegend allein in Betracht kommenden Bestimmung der Nr. 4110 des Kostenverzeichnisses
(KV) (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -).
Allerdings ist nach Nr. 4110 KV grundsätzlich eine Gebühr für das "Verfahren im Allgemeinen" anzusetzen. Diese
Gebühr entfällt jedoch nach Absatz 2 der Nr. 4110 KV unter anderem bei Zurücknahme der Klage vor Ablauf des
Tages, an dem ein Beweisbeschluss, die Anordnung einer Beweiserhebung oder ein Gerichtsbescheid unterschrieben
ist. Dieser Ausnahmetatbestand ist vorliegend gegeben.
Die Klägerin hat ihre Klage mit am 15.08.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten
zurückgenommen. Zu diesem Zeitpunkt sind weder ein Beweisbeschluss noch ein Gerichtsbescheid unterschrieben
gewesen.
Die am 08.05.2002 getroffene Anordnung der zuständigen Kammervorsitzenden, die Verwaltungsakten der Klägerin
beizuziehen, stellt keine Anordnung einer Beweiserhebung im Sinne des Absatzes 2 der Nr. 4110 KV dar. Die
angeordnete Beiziehung der Verwaltungsakten erfolgte vielmehr ausschließlich zur Aufklärung des Sachverhalts. Die
Beweisbedürftigkeit bestimmter Tatsachen stand zu dem Zeitpunkt dieser Anordnung nicht fest. Hierzu hätte es
zumindest der Klageerwiderung und einer danach vorgenommenen eingehenden gerichtlichen Prüfung des Sach- und
Streitstandes bedurft. Die Klageerwiderung lag jedoch im Zeitpunkt der Anordnung der Beiziehung der
Verwaltungsakten noch nicht vor; vielmehr wurde sie erst zusammen mit dieser Anordnung erbeten.
Danach ist der Kostenansatz der Kostenbediensteten des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2003 - S 8 KR 195/02 -
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit hierin eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen
angesetzt worden ist. Der Erinnerung der Klägerin gegen diesen Kostenansatz hätte daher insoweit stattgegeben
werden müssen, so dass der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 30.05.2003 - S 8 KR 195/02 -
entsprechend abzuändern ist.
Im Übrigen weist der Senat auch für künftige vergleichbare Fälle auf Folgendes hin:
Das Erinnerungsverfahren hätte bei richtiger Sachbehandlung nicht durchgeführt werden dürfen; das hätte auch das
Beschwerdeverfahren erspart. Die zuständige Kostenbedienstete des Sozialgerichts Koblenz hätte der Weisung des
Bezirksrevisors der Sozialgerichtsbarkeit folgen, der Erinnerung stattgeben und den Kostenansatz entsprechend
berichtigen müssen. Die Aufstellung des Kostenansatzes nach § 4 GKG ist reine Gerichtsverwaltungstätigkeit. Der
Kostenbedienstete des Sozialgerichts untersteht insoweit der Aufsicht seines Dienstvorgesetzten und der
vorgesetzten Behörde. Gegebenenfalls hat er die Weisung der vorgesetzten Behörde einschließlich des
Bezirksrevisors zu befolgen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 GKG, § 43 der Kostenverfügung [KostVfg] sowie § 65 Satz 2 des
Landesbeamtengesetzes [LBG], § 8 Abs. 2 Satz 1 des Bundes-Angestelltentarifvertrages [BAT]). Der
Kostenbedienstete ist auch nicht berechtigt, entgegen der zu befolgenden Weisung des Bezirksrevisors die
Entscheidung des Gerichts herbeizuführen (§ 43 Satz 2 KostVfg). Etwaige anders lautende Weisungen des
unmittelbaren Dienstvorgesetzten des Kostenbediensteten sind für diesen ohne Belang. Die Weisungen des
Bezirksrevisors der Sozialgerichtsbarkeit, die dieser als Angehöriger der Gerichtsverwaltung des Landessozialgerichts
erteilt, gehen stets vor (§ 43 Satz 2 KostVfg); an diese Weisungen der vorgesetzten Behörde ist die
Gerichtsverwaltung des Sozialgerichts gebunden (zum Ganzen vgl auch Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl. 2002, §
4 GKG RdNrn. 4 f.).
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GKG, § 177
SGG).