Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.04.2008
LSG NRW (verhandlung, gerichtsakte, kläger, 1995, sgg, entscheidungsformel, inhalt, fortführung, altersrente, auflage)
Landessozialgericht NRW, L 4 R 23/07
Datum:
29.04.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 R 23/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 53 (27) R 287/05
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 05.01.2007 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur
Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf
zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Altersrente unter Berücksichtigung von
Versicherungszeiten im Ghetto Bochnia von Mai 1942 bis August 1943 nach den
Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in
einem Ghetto (ZRBG).
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Der am 00.00.1932 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger und anerkannter
Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG).
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Seinen am 03.12.2003 gestellten Antrag auf Gewährung von Altersrente lehnte die
Beklagte vom 10.02.2005 ab, seinen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom
24.05.2005 als unbegründet zurück.
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Mit der am 07.06.2005 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der
Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
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In der Gerichtsakte befindet sich unter der Überschrift "Im Namen des Volkes Urteil" der
Tatbestand, die Entscheidungsgründe sowie die Rechtsmittelbelehrung zu einem Urteil,
das am 05.01.2007 ohne mündliche Verhandlung ergangen sein soll (Blatt 0 bis 0 der
Gerichtsakte). Die Gerichtsakte enthält jedoch keinen schriftlich niedergelegten und
unterzeichneten Urteilstenor. Zu Beginn der Entscheidungsgründe heißt es, die
zulässige Klage sei nicht begründet.
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Gegen das am 12.01.2007 zugestellte "Urteil" hat der Kläger am 05.02.2007 Berufung
eingelegt, jedoch schriftsätzlich nicht näher begründet.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.01.2007 zu ändern und die Beklagte
unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 zu verurteilen, unter Berücksichtigung von
Beitragszeiten von Mai 1942 bis August 1943 Regelaltersrente nach Maßgabe der
gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und den
Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf
zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom
05.01.2007 aufzuheben und die Streitsache zur Verhandlung und Entscheidung an das
Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 09.04.2008 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass
der Senat zu prüfen haben werde, ob ein sogenanntes Nichturteil vorliegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen
Entschädigungsakten des Klägers sowie der Verfolgten T M, A M1, E M2, K M3 und M
C, geborene M4 Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung des
Senats war.
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Entscheidungsgründe:
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Die gegen das "Urteil" gerichtete Berufung ist zulässig. Allerdings liegt bisher kein
formal ordnungsgemäß zustande gekommenes Urteil des Sozialgerichts vor. Das unter
dem 05.01.2007 datierte Deckblatt sowie der nachfolgende Tatbestand und die
Entscheidungsgründe stellen ein sogenanntes Nichturteil oder Scheinurteil dar. Denn
die Gerichtsakte enthält an keiner Stelle einen Urteilstenor. Die Beteiligten haben in der
mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass auch ihnen kein
Entscheidungstenor zugegangen ist. Mithin fehlt es an einer gerichtlichen Entscheidung,
die durch Zustellung an die Beteiligten hätte wirksam werden können. Die gänzlich
fehlende Entscheidungsformel kann auch nicht durch Auslegung anhand der in der Akte
vorhandenen Entscheidungsgründe ermittelt werden. Abgesehen davon, dass lediglich
eine existente Entscheidungsformel anhand des Tatbestandes oder anhand der
Entscheidungsgründe ihren Inhalt nach ausgelegt werden kann, nicht aber eine nicht
existente Entscheidungsformel, lässt sich vor allem nicht feststellen, ob überhaupt ein
Urteil ergangen ist, d. h., ob der Kammervorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ein
Urteil mit einer bestimmten Urteilsformel beschlossen haben. Insofern kommt in
Betracht, dass die in der Gerichtsakte enthaltenen Urteilsbestandteile lediglich einen
Urteilsentwurf darstellen, über den die Kammer jedoch nicht Beschluss gefasst hat.
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Gleichwohl ist gegen ein solches Nichturteil die Einlegung des bei wirksamer
Absetzung der Entscheidung statthaften Rechtsmittel, hier also der Berufung, zulässig,
um den äußeren Schein einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung zu beseitigen (vgl.
BGH, Urteil vom 03.11.1994 - LwZ B 5/94; NJW 1995 404 OLG Rostock, Urteil vom
24.03.2004 - 6 U 124/02 -).
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Auf die Berufung des Klägers ist das nicht wirksam gewordene Nichturteil aufzuheben
und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zur Fortführung des noch nicht
abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens sowie zur Verhandlung und
Entscheidung in der Streitsache zurückzuverweisen (OLG Rostock, a. a. O.; BGH, NJW
1995, 404). Es handelt sich dabei nicht um eine gemäß § 159 SGG im Ermessen des
Berufungsgerichts stehende Zurückverweisung sondern um die zwingend gebotene
Klarstellung, dass es an dem erstinstanzlichen Urteil fehlt und deshalb
zurückzuverweisen ist (Meyer-Ladewig, SGG 8. Auflage 2005, § 125 Rz. 5c mit Hinweis
auf BGH NJW 1995, 404). Deshalb kommt die fortführung des berufungsverfahrens auch
nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass nach Berufungseinlegung zunächst
rechtsirrig umfangreiche Sachermittlungen durchgeführt worden sind.
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Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem Urteil des
Sozialgerichts vorbehalten.
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Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), besteht nicht.
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Das Urteil ist aufgrund Rechtsmittelverzichts der Beteiligten rechtskräftig.
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