Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.04.2001

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 24.04.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 1 SB 93/97
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 5/9 SB 26/00
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 3. März 2000 wird abgewiesen. Kosten sind
nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 an Stelle eines GdB von 40
nach den Maßstäben des Schwerbehindertenge-setzes (SchwbG) zusteht.
Für den am D. geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt (VA) Braunschweig mit Bescheid vom E. einen GdB von
40 fest wegen der Einschränkungen:
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Bandscheibenleiden.
Auf seinen Antrag vom F., der auf die Feststellung eines höheren GdB sowie des Nachteilsausgleichs
&61618;G&61618; (erhebliche Beeinträchtigung der Beweglichkeit im Straßen-verkehr) gerichtet war, holte das VA
den Befundbericht der Ärztin Frau Dr. G. vom 2. April 1996 (mit Arztbriefen des Radiologen Dr. H. vom 29. Januar
1996 und des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 15. Februar 1996) ein und lehnte die Neu-feststellung ab
(Bescheid vom 24. Mai 1996), weil die Voraussetzungen des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch –
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdaten-schutz – (SGB X) nicht vorlägen. Zwar leide der Kläger zusätzlich an
einem Schulter-Arm-Syndrom und umformenden Veränderungen in beiden Vorfüßen, diese führten aber nicht zu einem
höheren GdB. Im Rahmen des auf die ärztliche Bescheinigung der Frau Dr. G. vom 11. Juni 1996 gestützten
Widerspruchs holte das VA den Ent-lassungsbericht der Dres. J. (Orthopädische Klinik der Fachkliniken K.) vom 4.
Januar 1989 sowie Arztbriefe des Orthopäden Dr. L. vom 12. Mai 1989 und des Dr. H. vom 9. Februar 1996 ein.
Aufgrund eines Untersuchungsgutachtens des Dr. M. vom 28. Oktober 1996 hörte das VA den Kläger zu der
beabsichtigten Herab-setzung des GdB auf 20 an. Mit Bescheid vom 9. Dezember 1996 setzte es den GdB auf 20
fest aufgrund folgender Funktionseinschränkungen:
a) Degenerative Wirbelsäulenveränderung, Bandscheibenleiden (verwal-tungsinterne Bewertung: 20),
b) umformende Veränderungen beider Vorfüße (verwaltungsinterne Bewer-tung: 10).
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1997).
Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 3. März 1997 eingegangenen Klage ge-wandt, mit der er auf
Beeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule und der Halswirbel-säule hingewiesen und das Gutachten des Dr. M. als
nicht nachvollziehbar bezeich-net hat.
Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat Befundberichte der Frau Dr. G. und des Internisten und Angiologen Dr. N.
(mit dessen Arztbrief vom 8. September 1997) ein-geholt. Nach deren Auswertung hat der Beklagte ein (in den
Ausführungsbescheid vom 3. März 2000 unter Ablehnung von Nachteilsausgleichen umgesetztes) Teil-Anerkenntnis
abgegeben und ab 1. Januar 1997 einen GdB von 40 sowie eine dau-ernde Einschränkung der körperlichen
Beweglichkeit festgestellt aufgrund der Funk-tionseinschränkungen:
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Bandscheibenleiden, umformende Veränderungen im Bereich beider
Vorfüße.
Das SG hat die Stellungnahme der Chirurgin Frau Dr. O. vom 2. Januar 1998 aus einem von dem Kläger wegen
Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Renten-versicherung geführten Rechtsstreit sowie den ebenfalls dort
erstatteten Befundbe-richt des Orthopäden Dr. P. vom 21. Juli 1998 mit dem Arztbrief des Radiologen Q. vom 3. März
1998 beigezogen und Beweis erhoben durch Gutachten nach Lage der Akten des Orthopäden Dr. R ...
Dem Gutachten folgend hat das SG die auf Zuerkennung eines GdB von 50 gerich-tete Klage abgewiesen (Urteil vom
10. Februar 2000). In den Entscheidungsgründen, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt,
die Voraussetzun-gen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X hätten gegenüber dem Bescheid vom 3. Oktober 1989 nicht über
das durch das Teil-Anerkenntnis des Beklagten sichtbare Maß hin-aus vorgelegen: Weiterhin seien starke Schmerzen
im Bereich der Lendenwirbel-säule mit Ausstrahlung in das rechte, gelegentlich auch in das linke Bein vorhanden, bei
weiterhin unauffälliger Neurologie. Darüber hinaus seien degenerative Verände-rungen sowie
Bewegungseinschränkungen mit wiederkehrenden Nervenwurzelreiz-erscheinungen ohne wesentliche neurologische
Defizite zu attestieren. Im Bereich der Halswirbelsäule seien die Bewegungseinschränkungen geringer. Nervenwurzel-
reizerscheinungen träten kaum auf. Eine wesentliche Verschlimmerung sei jedoch hiermit nach den Kriterien der
Bewertungsgrundlage der "Anhaltspunkte für die ärztli-che Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und
nach dem Schwerbe-hindertengesetz" (AHP) nicht verbunden. Nach den AHP 1983 und 1996 sei der GdB mit 40 für
die allenfalls mittelgradigen Auswirkungen des Wirbelsäulenschadens sehr hoch bewertet. Insoweit bestehe jedoch
eine Bindungswirkung aus dem Bescheid vom 3. Oktober 1989. Das hinzugetretene Schulter-Arm-Syndrom beidseits
sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nach AHP 1996 (143 f) mit einem Teilwert von 10 zutreffend bewertet.
Die arthrosenbedingte Veränderung im Bereich der Großze-hengrundgelenke beider Vorfüße, die den Abrollvorgang
beeinträchtige, sei nach den AHP 1996, 153 einer Versteifung in günstiger Stellung gleichzustellen und mit einem
Wert von 10 zu bedenken. Weitere Gesundheitsstörungen mit einem GdB um min-destens 10 hätten sich nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen lassen. Ausgehend von dem Teilwert von 40 für die Beeinträchtigung
der Wirbelsäule könne ein GdB von 50 nicht festgestellt werden, weil die übrigen, jeweils mit einem Wert von 10 zu
bedenkenden leichteren Störungen nach den Maßstäben der AHP nicht ins Gewicht fielen und das Gesamtbild der
Behinderung den Kläger nicht mit denjenigen Behinderten vergleichbar mache, bei denen die Schwerbehindertenei-
genschaft nach den AHP bestehe.
Gegen das am 24. Februar 2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 7. März 2000 eingegangenen
Berufung. Diese stützt er darauf, die – vom SG zu ge-ring bewerteten – Beeinträchtigungen ergäben sich für
unterschiedliche Lebensbe-reiche. Demgemäß müssten sich auch Teilwerte von 10 auf den GdB erhöhend aus-
wirken.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich dem Sinne nach,
1. das Urteil des SG Braunschweig vom 10. Februar 2000 aufzuheben und den Ausführungsbescheid vom 3. März
2000 zu ändern,
2. den Beklagten zu verpflichten, einen GdB von 50 ab Februar 1996 festzu-stellen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 3. März 2000 abzuweisen ...
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für richtig.
Der Senat hat Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 21. Juli 2000 und des Orthopäden T. vom
17. Oktober 2000 eingeholt und Beweis erhoben durch Untersuchungsgutachten des Orthopäden und Rheumatologen
Dr. U. vom 19. Februar 2001.
Neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge haben die den Kläger betreffenden Schwerbehinderten-Akten des VA
Braunschweig (Az.: 46-4081 0) sowie die Akte des SG Braunschweig S 5 RJ 320/96 vorgelegen und sind Gegenstand
der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit Zustimmung der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzel-richter ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil entschieden, §§ 124 Abs 2, 155 Abse 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die nach § 143 SGG zulässige Berufung und die Klage gegen den nach § 96 SGG erstinstanzlich in das Verfahren
einzubeziehenden Bescheid vom 3. März 2000 sind nicht begründet. Der Senat entscheidet nicht mehr über den
Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1997. Dieser ist gemäß § 39 Abs 2 SGB X erledigt. Zutreffend und nicht
ergänzungsbedürftig hat das SG die Voraussetzungen des § 48 SGB X sowie die Bewertungsmaßstäbe der §§ 3, 4
SchwbG in Verbindung mit den rechtsnorm-ähnlichen AHP dargestellt und die Behinderung des Klägers nach dem ihm
vorlie-genden medizinischen Befundbild eingestuft. Dem ist nichts hinzuzufügen, § 153 Abs 2 SGG.
Zweitinstanzlich hat sich eine Verschlechterung des Behindertenstatus nicht erge-ben. Überzeugend aufgrund der
eigenen Befunderhebung sowie vergleichender Würdigung der zuvor festgestellten Befunde hat der Sachverständige
Dr. V. folgende Beeinträchtigungen des Klägers festgestellt: 1. degeneratives Wirbelsäulensyndrom: unteres
degeneratives Halswirbelsäulensyndrom ohne neurologische Störungen mit geringer Funktionsbeeinträchtigung;
LWS/BWS-Skoliose; degeneratives Lumbal-syndrom bei Status nach Bandscheibenoperation mit rezidivierender
pseudoradikulä-rer Lumboischialgie; 2. rückläufige Bursitis calcarea bei Rotatorenmanschettendege-neration
geringgradig ausgeprägt beidseits (Sehnenverschleiß der Schultergelenke) und 3. Hallux rigidus beidseits (Spreizfuß
mit Großzehengrundgelenksverschleißer-krankung). Diese Beeinträchtigungen haben bei der Antragstellung vom 16.
Februar 1996 bereits vorgelegen. Eine relevante zwischenzeitliche Verschlechterung, die ei-ne Steigerung des GdB
auf 50 oder mehr rechtfertigt, hat der Sachverständige im Ergebnis nachvollziehbar verneint. Insbesondere kommt der
Wert von 40 für das Wirbelsäulenleiden nur aus einer von dem Sachverständigen angenommenen recht-lichen
Bindung an den Bescheid vom 3. Oktober 1989 zustande. Es kann dahin ste-hen, ob dies zutrifft, obwohl eine
rechtliche Bindung nur an die im Gesamt-GdB ma-nifestierte Behinderung besteht. Jedenfalls ist ein höherer GdB als
40 nicht festzu-stellen. Die gegenüber dem Bescheid vom 3. Oktober 1989 neu aufgetretene Ver-schleißerkrankung
mit Verkalkungen im Schultergürtelbereich beider Schultergelenke sowie die an beiden Füßen hinzu gekommene
mittelgradige Großzehengrundge-lenksarthrose sind mit einem Wert von nicht mehr als 10 zu bedenken, die den Be-
hindertenstatus nach den schon vom SG zutreffend genannten Bewertungsmaßstä-ben der AHP nicht verändern.
Nach den Befunderhebungen des Sachverständigen hat zwar Dr. M. den Gesundheitszustand des Klägers zu positiv
beurteilt. Diese Be-wertung hat der Beklagte indes durch den Ausführungsbescheid vom 3. März 2000 bereits von
sich aus korrigiert. Eine Korrektur darüber hinaus ist nach dem überzeu-genden Gutachten des Sachverständigen Dr.
U. medizinisch nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG.