Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017
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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.10.1971 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt
Hessisches Landessozialgericht L 8 Kr 957/70
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. August 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin beschäftigte in ihrem Handelsunternehmen seit dem 13. Februar 1967 den zwischenzeitlich verstorbenen
Beigeladenen H. W. (W.). Dieser wurde als Beamter im Jahre 1966 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Seit dem 20.
September 1968 ist er gem. § 173 RVO von der Krankenversicherungspflicht und seit dem 24. September 1968 von
der Versicherungspflicht zur Arbeiterrentenversicherung befreit. Später wurde er wieder als Beamter reaktiviert.
Im Rahmen einer nach § 318 a RVO bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung hat die Beklagte die
Versicherungspflicht des W. in der Krankenversicherung, der Arbeiterrentenversicherung und der
Arbeitslosenversicherung festgestellt und für die Zeit vom 13. Februar 1967 bis 31. August 1968 für diese
Versicherungszweige Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.128,48 DM von der Klägerin gefordert. Der
hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos.
Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, daß W. hinsichtlich der Versicherungsfreiheit einem aktiven Beamten
gleichzusetzen sei; denn es sei nicht einzusehen, warum ein Ruhestandsbeamter insoweit anders behandelt werden
solle, als bei ihm die Versicherungsfreiheit erst durch Antragstellung eintrete.
Die Beklagte trug demgegenüber vor, daß W. mangels eines entsprechenden Antrages für die Zeit vom 13. Februar
1967 bis 31. August 1968 nicht versicherungsfrei geworden sei.
Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit hat sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen und Klageabweisung
beantragt, die übrigen Beigeladenen (Landesversicherungsanstalt Hessen und H. W.) haben keine Anträge gestellt.
Durch Urteil vom 31. August 1970 hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen mit der Begründung, als
Ruhestandsbeamter sei der beigeladene W. nicht automatisch versicherungsfrei gewesen, sondern hätte sich nur
durch einen entsprechenden Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen können. Dies sei erst nach dem 31.
August 1968 geschehen. Die Rechtslage sei bei den Ruhestandsbeamten grundsätzlich anders als bei den aktiven
Beamten. Die Beklagte sei durch die Krankenversicherungsbeiträge auch nicht ungerechtfertigt bereichert, weil sie ein
Versicherungsrisiko übernommen habe.
Gegen dieses am 23. September 1970 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Oktober 1970 beim Hess.
Landessozialgericht eingelegte Berufung. Die Klägerin trägt vor, durch die geforderten Beiträge sei die Beklagte
ungerechtfertigt bereichert, da sie wegen des bei W. bestehenden anderweitigen ausreichenden sozialen Schutzes für
den Fall der Krankheit kein Versicherungsrisiko übernommen habe. Hierdurch würde der Beklagten ein Sondervorteil
außerhalb ihres Risikobereiches eingeräumt. W. sei auch während seiner Beschäftigung bei der Klägerin freiwilliges
Mitglied der Bundesbahn Betriebskrankenkasse gewesen. Diese habe in einer Auskunft die Versicherungspflicht des
W. bei der Beklagten verneint.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. August 1970 sowie die Bescheide der
Beklagten vom 15. Oktober 1968 und vom 6. Februar 1969 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß der beigeladene W. nach eindeutigen gesetzlichen Vorschriften während des streitigen
Zeitraums versicherungspflichtig gewesen sei und die Beitragsforderung zu Recht bestehe.
Die Beigeladene Bundesanstalt für Arbeit hat sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen. Die beigeladene
LVA Hessen trägt vor, daß die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und
Arbeitslosenversicherung bei Vorliegen der Voraussetzungen kraft Gesetzes eintrete und nicht in das Ermessen des
Versicherten oder seines Arbeitgebers gestellt sei. Durch die Entrichtung der geforderten Beiträge könnten auch
Leistungsverpflichtungen der einzelnen Versicherungsträger entstehen.
Die Beigeladene LVA Hessen beantragt, Zurückweisung der Berufung.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die an sich statthafte und in rechter Form und Frist eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Dem angefochtenen Urteil ist in vollem Umfang zu folgen; es hat mit zutreffender Begründung festgestellt, daß der
beigeladene W. während des streitigen Zeitraums vom 13. Februar 1967 bis 31. August 1968 der Versicherungspflicht
in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag und demzufolge die Beitragsforderung der Beklagten
zu Recht besteht.
Als Ruhestandsbeamter war der beigeladene W. in der Krankenversicherung nicht schon nach § 169 RVO
automatisch versicherungsfrei, weil diese Vorschrift ausdrücklich nur für die aktiven Beamten gilt. Die
Versicherungsfreiheit der Ruhestandsbeamten richtet sich nach § 173 RVO. Hiernach bedarf es eines Antrages, der
während des streitigen Zeitraumes nicht gestellt worden war. Gleiches gilt für die Arbeiterrentenversicherung. Dort
bestimmt § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO, daß lediglich die aktiven Beamten versicherungsfrei sind. Die Befreiung der
Ruhestandsbeamten von der Versicherungspflicht richtet sich nach § 1230 RVO, wonach ebenfalls ein Antrag
erforderlich ist. Die Krankenversicherungspflicht zieht nach § 56 AVAVG die Versicherungspflicht in der
Arbeitslosenversicherung nach sich. Die Befreiungsvorschrift des § 57 AVAVG kommt hier nicht zum Zuge, weil sie
nur für Empfänger von öffentlich-rechtliche Bezügen gilt, die wegen des Bestehens einer Erwerbsunfähigkeit gewährt
werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt (BSG vom 15. Oktober
1967, 7 Rar 30/66, SozR. § 57 AVAVG Bl. Ba 3 Nr. 3) fallen Ruhestandsbeamte, die wegen dauernder
Dienstunfähigkeit vorzeitig pensioniert worden sind, regelmäßig nicht unter diese Vorschrift, weil die Dienstunfähigkeit
mit der Erwerbsunfähigkeit nicht identisch ist. Im vorliegenden Falle bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür, daß der beigeladene W. wegen Erwerbsunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden ist. Einer
solchen Annahme steht schon entgegen, daß er bei der Klägerin eine geregelten Beschäftigung nachging.
Durch die geforderten Beiträge werden die beteiligten Versicherungsträger auch nicht ungerechtfertigt bereichert; denn
sie müssen für diese Beiträge ein Versicherungsrisiko übernehmen. Die Beklagte hatte dem beigeladenen W.
Krankenversicherungsschutz in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Dem steht nicht entgegen, daß W. anderweitig
gegen Krankheit ausreichend versorgt war, weil die durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
entstandene Mitgliedschaft (§ 306 RVO) und damit gleichzeitig die Anspruchsberechtigung auf Kassenleistungen nur
dann erlischt, wenn der Versicherte Mitglied einer anderen Krankenkasse im Sinne des § 225 RVO oder einer
Ersatzkasse wird (§ 312 Abs. 1 RVO). Diese Voraussetzungen waren während des streitigen Zeitraumes ersichtlich
nicht erfüllt, denn die freiwillige Mitgliedschaft bei der Bundesbahn-Betriebskrankenkasse ist kraft Gesetzes (§ 312
Abs. 1 RVO) durch die aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin entstandene Mitgliedschaft
erloschen.
Der beigeladene W. hätte gegenüber der Beklagten für den Fall der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld nach
§ 183 RVO gehabt. Schließlich hätte noch die Möglichkeit bestehen können, im Krankheitsfalle außer der Beklagten
die übrigen Träger des Krankenversicherungsschutzes mit allen sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen in
Anspruch zu nehmen. Unter diesen Umständen ist die Beklagte durch die Krankenversicherungsbeiträge nicht
ungerechtfertigt bereichert.
Aus den Beiträgen zur Arbeiterrentenversicherung hätte ein Rentenanspruch entstehen können, so daß auch hier
keine ungerechtfertigte Bereicherung vorliegt. Als Gegenleistung für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sah
das Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) die Gewährung von Arbeitslosengeld
bzw. Arbeitslosenhilfe im Falle der Arbeitslosigkeit vor.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.