Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 23.05.2001

LSG Berlin und Brandenburg: chile, witwenrente, aufenthalt im ausland, ausreise, hessen, gesundheitszustand, behörde, anfang, anfechtungsklage, alter

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 23.05.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 9 RA 4898/98
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 6 RA 173/99
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Einstellung der Zahlung ihrer Witwenrente nach Chile.
Die Klägerin - geboren 1901 und deutsche Staatsangehörige - ist die Witwe des 1945 verstorbenen S H (Versicherter),
der Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung ausschließlich in Königsberg (Ostpreußen) zurückgelegt
hatte. Aus diesen Beitragszeiten sowie kriegsbedingten Ersatzzeiten gewährte ihr die Landesversicherungsanstalt
(LVA) Groß-Hessen (später LVA Hessen) als Träger der Angestelltenversicherung mit ihrem Bescheid vom 13. Januar
1948 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Juli 1952 ab 1. Juni 1947 eine Witwenrente, die später von der Beklagten
weitergezahlt wurde.
In der Bundesrepublik Deutschland war die Klägerin zuletzt in G gemeldet, wo sie mit ihrer 1935 geborenen Tochter
und ihrem 1937 geborenen Sohn in einem Haus wohnte, das nach wie vor ihrem Sohn gehört. Am 8. September 1997
zeigte ihr Sohn dem Einwohnermeldeamt der Stadtverwaltung G an, dass er und die Klägerin einen Tag später aus
dem bisher bewohnten Haus ausziehen würden, und meldete sich und die Klägerin entsprechend ab. Der Beklagten
teilte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 8. September 1997 mit, dass sie am 9. September 1997 in Begleitung
ihrer Tochter nach Chile reisen und künftig dort in deren Haushalt leben werde; sie bitte, ihre Rentenbezüge künftig frei
von Abzügen nach Chile zu schicken, wobei ihre Rentenbeträge gemeinsam mit denen ihrer Tochter vierteljährlich
überwiesen werden könnten. Am 9. September 1997 flog die Klägerin dann in Begleitung ihrer Tochter und ihrem Sohn
nach Chile, wo sie einen Tag später mit einem 12 Monate lang gültigen „Visum Temporario“ einreiste. Seither hält sie
sich tatsächlich in Chile auf und lebt - bei weiterhin genehmigtem Aufenthalt - in einem ihrer Tochter gehörenden
Appartement, das auch ihren Kindern als Wohnung dient.
Nach Erhalt der Mitteilung vom 8. September 1997 informierte die Beklagte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 28.
Oktober 1997 - Formular 5.6010 - darüber, dass die Witwenrente bei einer Verlegung des gewöhnlichen (dauernden)
Aufenthalts nach Chile nicht weitergezahlt werden könne; denn die insoweit maßgeblichen Bestimmungen erlaubten
seit dem 1. Januar 1992 eine Auslandszahlung nur noch aus im heutigen Bundesgebiet einschließlich des
Beitrittsgebiets zurückgelegten sog. Bundesgebietszeiten, an denen es im Falle der Klägerin fehle.
Mit ihrem - der Klägerin am 17. Dezember 1997 über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in S förmlich
zugestellten - Bescheid vom 4. November 1997 hob die Beklagte sodann „den Bescheid vom 13. Januar 1948“ nach §
48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) „für die Zukunft (ab 12/97)“ auf und führte
aus: Es sei eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil die Klägerin seit dem 9. September 1997 ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in Chile habe. Dorthin seien die ausschließlich außerhalb des heutigen Bundesgebiets
zurückgelegten Zeiten nicht zahlbar.
Gegen diesen Bescheid, der bei ihr per Post bereits am 25. November 1997 eingegangen sei, erhob die Klägerin
Widerspruch. Zur Begründung machte sie unter gleichzeitiger Bezugnahme auf ein von ihr nach Erhalt des
Mitteilungsschreibens vom 28. Oktober 1997 an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 18. November 1997
zunächst geltend: Sie, ihre Tochter und ihr Sohn hätten sich vor ihrer Umsiedlung umfassend bei der Beklagten
erkundigt, ob ihre Renten ungekürzt nach Chile gezahlt werden würden. Dies habe die Beklagte insbesondere für die
ihr zustehenden Renten mit der Begründung bejaht, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt erst nach Rentenbeginn
ins Ausland verlegen würde. Ohne diese Auskunft hätte sie ihre Häuslichkeit in Deutschland nicht verlassen, um bei
ihrer Tochter zu leben. Wenn die Beklagte ihr jetzt die Witwenrente verweigere, sei sie aus finanziellen Gründen
gezwungen, nach Deutschland zurückzukehren. Ihre Hoffnung, den Lebensabend bei ihrer Tochter verbringen zu
dürfen, werde hierdurch zunichte gemacht. Im Übrigen gebe sie zu bedenken, dass der Versicherte seine
Beitragszeiten ausschließlich im Deutschen Reich zurückgelegt habe. Für diese Zeiten müsse die Bundesrepublik
Deutschland, die insofern Rechtsnachfolgerin sei, heute einstehen. Hinzu komme, dass die Bundesrepublik
Deutschland ihren Witwenrentenstatus anerkannt habe, der somit unter Grundrechtsschutz stehe.
Später führte sie zur Begründung ihres Widerspruchs ergänzend aus: Entgegen der Auffassung der Beklagten habe
sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht nach Chile verlegt. Da sie mit Rücksicht auf ihr Alter und ihren
Gesundheitszustand nicht mehr allein leben könne, habe sie vielmehr nur ihre Kinder begleitet, die sich von
vornherein nicht länger als 15 bis 18 Monate in Chile hätten aufhalten wollen. In G, wo ihr Sohn sein Haus weiterhin
für die Familie vorhalte, habe sie sich seinerzeit nur deshalb abgemeldet, weil das deutsche Melderecht bei einer
Abwesenheit von mehr als sechs Monaten eine Abmeldung verlange. Da sie sich länger als sechs Monate in Chile
habe aufhalten wollen, habe sie seinerzeit auch von der Möglichkeit, für ihren Aufenthalt in Chile nur ein
Besuchervisum zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht. Ein solches Visum hätte nämlich nur für 90 Tage erteilt
und nur für weitere 90 Tage verlängert werden können. Die alternativ denkbare Möglichkeit einer mehrfachen Aus- und
Wiedereinreise sei für sie aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes nicht in Betracht gekommen.
Nachdem die Beklagte der Klägerin unter dem 31. März 1998 mitgeteilt hatte, dass von einer Aufhebung des
Witwenrentenbescheides für die Zeit vor dem 1. Dezember 1997 abgesehen werde, weil nicht mehr feststellbar sei, ob
die Klägerin jemals über die Konsequenzen eines Auslandsverzugs belehrt worden sei, wies sie den Widerspruch mit
ihrem Widerspruchsbescheid vom 7. August 1998 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: „Der
Rentenbewilligungsbescheid vom 13. Januar 1948“ habe für Zeiten ab 1. Dezember 1997 nach § 48 Abs. 1 Satz 1
SGB X aufgehoben werden müssen, weil die Klägerin mit ihrer Ausreise aus Deutschland ihren gewöhnlichen
Aufenthalt nach Chile verlegt habe und keine ins Ausland zahlbaren Beitragszeiten vorhanden seien. Dass sie ihren
gewöhnlichen Aufenthalt nach Chile verlegt habe, ergebe sich vor allem aus ihrem Schreiben vom 8. September 1997,
in dem sie mitgeteilt habe, dass sie in Begleitung ihrer Tochter nach Chile reisen und künftig dort in deren Haushalt
leben werde. Eine vergleichbare Erklärung habe ihre Tochter zu ihrer eigenen Rentenakte eingereicht. Dort befinde
sich im Übrigen auch ein Schreiben der Tochter vom 14. Mai 1995, mit dem die Tochter ihre Absicht zur
Auswanderung dargelegt und nachgefragt habe, welche Auswirkungen die Auswanderung auf ihre Rentenzahlung
hätte. Diese Anfrage sei am 29. Juni 1995 dahingehend beantwortet worden, dass die Rente in ihrem Falle -
möglicherweise gekürzt - aus sämtlichen angerechneten Versicherungszeiten weitergezahlt werden würde. Diese
Auskunft habe die Klägerin offensichtlich auf ihren eigenen Fall übertragen. Eine eigene Anfrage der Klägerin sei in
den sie betreffenden Akten nicht enthalten. Dass ihr in einer der Beratungsstellen die Auskunft erteilt worden sein
sollte, ihre Witwenrente, die auf ausschließlich außerhalb des heutigen Bundesgebiets zurückgelegten Beitragszeiten
beruhe, sei bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Chile weiterhin zahlbar, sei unwahrscheinlich.
Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin daran festgehalten, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach
wie vor in Deutschland habe, wohin sie - sobald es ihr Gesundheitszustand zulasse - zurückkehren werde. Zum Beleg
dafür, dass ihr Aufenthalt in Chile von Anfang an zeitlich begrenzt gewesen sei, hat sie diverse Schreiben ihres
Sohnes vorgelegt, mit denen er bei verschiedenen Stellen angezeigt hatte, dass sich sämtliche Bewohner seines
Hauses in G für etwa ein bis zwei Jahre nicht dort aufhalten würden.
Das Sozialgericht hat den Schriftsätzen der Klägerin den Antrag entnommen, die Beklagte unter Aufhebung der
entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, die Witwenrente nach dem Versicherten ab Dezember 1997
weiterzuzahlen, hilfsweise die Witwenrente nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland rückwirkend ab
Dezember 1997 weiterzuzahlen. Durch Urteil vom 28. Juni 1999 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt: Die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrages zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe nach den §§
110 Abs. 2, 113 Abs. 1 Nr. 1, 271 Satz 1 und 254 d Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI)
seit Dezember 1997 keinen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente mehr, weil diese Rente ausschließlich auf
Reichsgebiets-Beitragszeiten fuße, die nicht zu den ins Ausland zahlbaren Beitragszeiten gehörten, und sie sich
gewöhnlich in Chile aufhalte. Letzteres ergebe sich bei einer Gesamtschau aller Umstände daraus, dass sie sich seit
September 1997 tatsächlich in Chile befinde und sie dort - wie ihre ersten an die Beklagte gerichteten Schreiben
belegten - zumindest bis zum Beginn des Widerspruchsverfahrens ihren Lebensabend habe verbringen wollen. Dass
sie diesen Entschluss im Laufe des Widerspruchsverfahrens wieder aufgegeben habe, führe zu keinem anderen
Ergebnis. Auch die im Klageverfahren vorgelegten Schreiben ihres Sohnes änderten an ihrem gewöhnlichen
Aufenthalt in Chile nichts. Sie könnten lediglich als Nachweis dafür dienen, dass sich ihr Sohn bei den von ihm
angeschriebenen Stellen für eine von vornherein befristete Zeit habe abmelden wollen; die Schreiben seien jedoch
nicht geeignet, die eigenen Bekundungen der Klägerin vor und unmittelbar nach ihrer Einreise in Chile in Frage zu
stellen. Hinsichtlich des Hilfsantrages sei die Klage unzulässig, weil die Klägerin insoweit die Weiterzahlung der Rente
unter der Bedingung eines zukünftigen Ereignisses (nämlich der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland)
verlange. Dies widerspreche dem Grundsatz der Bestimmtheit und Rechtsklarheit. Zudem liege eine aktuelle
Beschwer insoweit nicht vor, weil es der Klägerin zuzumuten sei, den Eintritt des - den geltend gemachten Anspruch
erst auslösenden - künftigen Ereignisses abzuwarten.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung trägt die Klägerin vor: Sie habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu
keiner Zeit nach Chile verlegt. Vielmehr habe sie sich nur deshalb dorthin begeben, weil sie in dem Haus in G nicht
mehr allein hätte leben können und sie einen Heimplatz, den sie damals selbstverständlich nur per Telefon gesucht
habe, nicht gefunden habe. Von Anfang an habe sie jedoch nach G zurückkehren wollen, wo das Haus ihres Sohnes
noch immer so existiere, wie sie es verlassen habe. Lediglich ihre Tochter habe ihre Möbel nach Chile verbracht. Für
sie selbst seien seinerzeit nur Wäsche, Kleidung und einige persönliche Dinge miteingepackt worden. Ihre Tochter
führe ihr eigenes Leben. Sie habe sie im September 1997 nur deshalb nach Chile begleitet, um ihr die Reise zu
erleichtern. Ihr Sohn habe sich seinerzeit für einen anfänglich auf 15 bis 18 Monate begrenzten Aufenthalt nach Chile
begeben, um sich dort während der Zeit seines Vorruhestandes mit vergangenen Kulturen zu beschäftigen. Da allein
ihr Gesundheitszustand eine Rückkehr nach Deutschland bisher unmöglich gemacht habe, habe auch ihr Sohn seinen
Aufenthalt in Chile verlängern müssen. Er habe zwischenzeitlich sogar von dort aus seine eigene Rente beantragen
müssen, wobei er zahlreiche Unterlagen nicht habe vorlegen können. Sie seien in G verblieben, weil er bei seiner
Abreise nicht habe damit rechnen können, nicht rechtzeitig vor Rentenantragstellung wieder in Deutschland zu sein.
Ohne die damalige Zusicherung der Beklagten, dass auch die Witwenrente nach Chile gezahlt werden würde, hätte sie
Deutschland nie verlassen. Die Vorschriften, die der Zahlung von ausschließlich außerhalb des heutigen
Bundesgebietes zurückgelegten Beitragszeiten ins Ausland entgegenstünden, halte sie für verfassungswidrig. Sie
verstießen gegen das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerte Gebot des
Vertrauensschutzes, soweit mit ihnen das frühere Rentnerprivileg abgeschafft worden sei, gemäß dem ein schon
bestehender Rentenanspruch bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland in vollem Umfang
„mitgenommen“ werden konnte. Darüber hinaus diskriminierten sie die von ihnen betroffenen Versicherten, die ihre
Beiträge ebenso wie die seinerzeit auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik ansässigen Beitragszahler zu den
Rentenversicherungsträgern des Deutschen Reichs entrichtet hätten. Da das Vermögen des Deutschen Reichs nach
Art. 134 f. GG auf die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bundesländer übergegangen sei, müssten die im
Deutschen Reich erworbenen Rentenansprüche und -anwartschaften auch heute noch in jeder Hinsicht
gleichbehandelt werden.
Die Klägerin, deren Tochter sich mit einer Beiziehung und Verwertung ihrer Rentenakte im Berufungsverfahren nicht
einverstanden erklärt hat, überreicht zahlreiche Unterlagen zu ihren Bemühungen um einen Heimplatz in Deutschland
seit Ende 1999. Ferner legt sie eine Erklärung des A B vom 15. Oktober 2000 vor, nach der er das Grundstück in G
für die Dauer der Abwesenheit seiner Bewohner pflegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 1999 und den Bescheid vom 4. November 1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 7. August 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze
der Beteiligten, sowie die die Witwenrente der Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, mit der die Klägerin nur noch das Ziel verfolgt, für die Zeit ab Dezember 1997 eine
Weiterzahlung der Witwenrente nach Chile zu erreichen, ist unbegründet. Das nur unter diesem Blickwinkel
angegriffene Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis zutreffend.
Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung, die sich sinngemäß in dem Klageantrag sowie den
Entscheidungsgründen niedergeschlagen hat, ist richtige Klageart hier allerdings die isolierte Anfechtungsklage im
Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Altern. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Denn die Klägerin kann sich, um ihr
bereits genanntes Ziel zu erreichen, in prozessualer Hinsicht darauf beschränken, nur gegen den sie hier allein
beschwerenden Bescheid vom 4. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 1998
vorzugehen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte nämlich - unter Hinweis darauf, dass die Klägerin ihren
gewöhnlichen Aufenthalt nach Chile verlegt habe, den „Rentenbewilligungsbescheid vom 13. Januar 1948“ (gemeint ist
der Rentenbewilligungsbescheid vom 13. Januar 1948 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Juli 1952) für Zeiten ab
1. Dezember 1997 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben und der Klägerin damit eine ihr zuvor durch einen
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zuerkannte Rechtsposition entzogen. Sollte sich dieser Bescheid, mit dem die
Beklagte bei sachdienlicher Auslegung das durch den Rentenbewilligungsbescheid verbürgte Rentenstammrecht
unangetastet gelassen und lediglich die hieraus resultierenden monatlichen Zahlungsansprüche für die Zeit ab 1.
Dezember 1997 vernichtet hat, als rechtswidrig erweisen, müsste er aufgrund der von der Klägerin erhobenen
Anfechtungsklage durch das Gericht wieder aufgehoben werden. Dies hätte zur Folge, dass die durch ihn beseitigten
Verfügungssätze des Rentenbewilligungsbescheides vom 13. Januar 1948 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Juli
1952 wiederaufleben würden und die Klägerin dadurch die Rechtsposition wiedererlangen würde, die ihr vor Erlass des
sie belastenden Bescheides zuerkannt gewesen ist. Einer Verbindung der Anfechtungsklage mit einer Leistungsklage,
insbesondere einer allgemeinen Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG, bedarf es bei dieser Konstellation
nicht.
Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ist der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 4. November
1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 1998 indes sowohl in formeller als auch in materieller
Hinsicht nicht zu beanstanden. Hierbei kann in formeller Hinsicht dahinstehen, ob die Beklagte die Klägerin gemäß §
24 Abs. 1 SGB X vor Erlass des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß angehört hat, was hier nur mit dem
Mitteilungsschreiben vom 28. Oktober 1997 geschehen sein könnte. Denn ein eventueller Anhörungsmangel wäre
jedenfalls nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt, ohne dass es darauf ankäme, ob § 41 Abs. 2 SGB X bereits
in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer
Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (BGBl I, 1983) zur Anwendung kommen müsste. Sowohl unter Anwendung der
alten als auch unter Anwendung der neuen Fassung des § 41 Abs. 2 SGB X, die eine Heilung nunmehr sogar bis zur
letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erlaubt, bestehen nämlich keine
Bedenken dagegen, einen Anhörungsmangel dann als geheilt anzusehen, wenn der in einem Widerspruchsverfahren
überprüfte Ausgangsbescheid die Tatsachen enthält, die Gegenstand der Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X sind
(vgl. z.B. BSG SozR 3-4100 § 128 Nr. 5). Gegenstand der Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X sind die für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde für die in Rede stehende
Regelung objektiv ankommt. Entscheidungserheblich sind dabei alle Tatsachen, die zum Ergebnis der
Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, auf die sich die Behörde also stützt, ohne dass es darauf ankommt, ob
die Behörde von der materiell-rechtlich richtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist (vgl. BSG SozR 3-1300 § 31 Nr.
13). Diese Tatsachen müssen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet werden, dass er sie als solche erkennen
und sich zu ihnen - ggf. nach ergänzender Nachfrage bei der Behörde - sachgerecht äußern kann. Diesen
Anforderungen wird der Bescheid vom 4. November 1997 gerecht. Er ist zwar nur knapp begründet, enthält jedoch alle
für wesentlich erachteten Gesichtspunkte. Denn die Beklagte hat mit ihm nicht nur die getroffene Regelung
wiedergegeben, sondern auch die von ihr für maßgeblich gehaltene Rechtsgrundlage bezeichnet. Zudem hat sie
dargelegt, dass die für ihre Entscheidung erforderliche Änderung der Verhältnisse hier deshalb eingetreten sei, weil die
Klägerin seit dem 9. September 1997 ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Chile verlegt habe, wohin die ausschließlich
außerhalb des heutigen Bundesgebiets zurückgelegten Zeiten nicht zahlbar seien.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angefochtene Bescheid auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Wie die
Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist maßgebliche Rechtsgrundlage für ihn § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist -
im Wege einer gebundenen Entscheidung - ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in
den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung
eintritt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Denn es geht hier - wie bereits dargelegt - um die
(teilweise) Aufhebung des Bescheides vom 13. Januar 1948 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Juli 1952, mit
dem die LVA Groß-Hessen (später LVA Hessen) als damals zuständiger Träger der Angestelltenversicherung der
Klägerin die später von der Beklagten weitergewährte Witwenrente bewilligt hatte. Bezogen auf diesen Bescheid ist
eine wesentliche Änderung der Sachlage dadurch eingetreten, dass die Klägerin im Laufe des Monats September
1997 ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Chile verlegt hat. Diese Verlegung hat zur Folge, dass monatliche
Rentenzahlungsansprüche nach dem materiellen Recht in ihrem Fall nicht mehr entstehen können.
Nach § 110 Abs. 2 SGB VI, das im hiesigen Zusammenhang gemäß § 300 Abs. 1 und 3 SGB VI auf den Fall der
Klägerin Anwendung findet, erhalten Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben,
Rentenleistungen nur nach Maßgabe der dem § 110 Abs. 2 SGB VI nachfolgenden Vorschriften. Nach diesen
Bestimmungen, die - ebenso wie § 110 Abs. 2 SGB VI - seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1992 in den hier
einschlägigen Passagen unverändert geblieben sind, ist vorgesehen, dass die die Rentenhöhe bestimmenden
persönlichen Entgeltpunkte - abgesehen von hier nicht interessierenden Besonderheiten - grundsätzlich nur noch aus
Bundesgebiets-Beitragszeiten ermittelt werden dürfen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), ohne die zusätzliche
Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht zu berücksichtigen sind. Hierbei
sind nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB VI unter Bundesgebiets-Beitragszeiten die Beitragszeiten zu verstehen, für die
Beiträge nach Bundesrecht nach dem 8. Mai 1945 gezahlt worden sind, und die diesen im Fünften Kapitel
gleichgestellten Beitragszeiten. Zu diesen gleichgestellten Beitragszeiten gehören wiederum - neben Beitragszeiten im
Beitrittsgebiet, Beitragszeiten im Saarland sowie Berliner Beitragszeiten - im hier maßgeblichen Zusammenhang nach
§ 271 SGB VI nur Zeiten, für die nach den vor dem 9. Mai 1945 geltenden Reichsversicherungsgesetzen Beiträge im
Inland gezahlt worden sind. Der Begriff Inland bezieht sich hierbei auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik
Deutschland. Beitragszeiten, die (vor dem 9. Mai 1945) zwar im jeweiligen Geltungsbereich der
Reichsversicherungsgesetze, aber außerhalb des Gebiets der heutigen Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt
worden sind (sog. Reichsgebiets-Beitragszeiten, vgl. § 254 d Abs. 1 SGB VI) sind keine Bundesgebiets-
Beitragszeiten. Unter der Voraussetzung, dass der Berechtigte Deutscher ist, er vor dem 19. Mai 1950 geboren ist
und er seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 19. Mai 1990 im Ausland genommen hat, sind für sie - ebenso wie im
Übrigen für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) - gemäß § 272 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI
Entgeltpunkte nur bis zur Höhe der Entgeltpunkte für Bundesgebiets-Beitragszeiten zu berücksichtigen. Dies hat zur
Folge, dass Entgeltpunkte für Reichsgebiets-Beitragszeiten überhaupt keine Anrechnung finden können, wenn
Bundesgebiets-Beitragszeiten nicht vorhanden sind. Letzteres ist hier der Fall. Denn die Witwenrente der Klägerin
beruht neben kriegsbedingten Ersatzzeiten allein auf vor dem 9. Mai 1945 in Königsberg (Ostpreußen) zurückgelegten
Reichsgebiets-Beitragszeiten. Ebenso wie die Ersatzzeiten dürfen sie nach den dargestellten Vorschriften an die
Klägerin nicht mehr gezahlt werden. Die Klägerin hat nämlich - wie noch zu zeigen sein wird - ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im September 1997 nach Chile verlegt.
An der Anwendbarkeit der vorgenannten Bestimmungen auf den Fall der Klägerin bestehen auch unter
Berücksichtigung zwischenstaatlichen Rechts keine Zweifel. Nach § 110 Abs. 3 SGB VI sind die Vorschriften der §§
110 ff. SGB VI zwar nur heranzuziehen, soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes
bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung besteht jedoch nicht. Denn nach Nr. 4 b des Schlussprotokolls zu dem
hier allein in Betracht zu ziehenden Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Chile
über Rentenversicherung vom 5. März 1993 (DCSVA) bleiben die deutschen Rechtsvorschriften über Leistungen aus
Versicherungszeiten, die nicht im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sind, trotz der in Art. 5
DCSVA grundsätzlich angeordneten Gebietsgleichstellung unberührt.
Wie die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben, hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt
im September 1997 nach Chile verlegt. Dies ergibt sich unter Heranziehung des § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten
Buches des Sozialgesetzbuches, der insbesondere im Zusammenhang mit den Auslandszahlbestimmungen der §§
110 ff. SGB VI Anwendung findet. Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter
Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend
verweilt. Ob jemand nicht nur vorübergehend an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet verweilt, ist
jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei kommt es in erster Linie auf
die objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnisse an. Maßgeblich ist insoweit, wo der Betroffene faktisch und
dauerhaft den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat, der vorrangig durch seine persönlichen, familiären,
beruflichen und wirtschaftlichen Bindungen gekennzeichnet ist. Hierbei ist von einer Dauerhaftigkeit auszugehen,
wenn und solange der Aufenthalt nicht von vornherein an einen genau bestimmten - einer engen zeitlichen
Begrenzung unterliegenden - Zweck gekoppelt ist, sondern zukunftsoffen ausgestaltet ist. Ein Domizilwille, der mit
den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt, ist unbeachtlich (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 3-1200 § 30
Nr. 5, BSG SozR 3-6710 Art. 1 Nr. 1, BSG SGb 1998, 406).
Die Anwendung der vorgenannten Grundsätze ergibt, dass sich die Klägerin seit Mitte September 1997 gewöhnlich in
Chile aufhält. Denn sie befindet sich seit dem 10. September 1997 bis heute durchgängig in Chile, wohin sie zum
selben Zeitpunkt den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse verlegt hat. Sie lebt dort nämlich zusammen mit ihrem
Sohn und ihrer Tochter in einer Wohnung, die der Tochter gehört und von dieser mit eigenen Möbeln ausgestattet
worden ist. Ferner kann die Klägerin das Land aus gesundheitlichen Gründen sowie ohne fremde Hilfe nicht wieder
verlassen. Dies war bereits bei der Ausreise aus Deutschland abzusehen, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt
schon fast 96 Jahre alt war. Sie befand sich damit schon damals in einem Alter, in dem nach der allgemeinen
Lebenserfahrung nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass eine Rückkehr jederzeit problemlos möglich sein
würde. Zudem hat sie sich in Deutschland vor ihrer Ausreise abgemeldet und ist in Chile mit einem bereits für 12
Monate gültigen „Visum Temporario“ eingereist. Seit dieser Zeit ist ihr Aufenthalt in Chile in ausländerrechtlicher
Hinsicht genehmigt. Ihr Aufenthalt in Chile mag dadurch ausgelöst worden sein, dass sich ihre Tochter und ihr Sohn
für einen längeren Zeitraum in Chile aufhalten wollten, und sie nicht allein in Deutschland zurückbleiben konnte. Sie
selbst hat ihre Ausreise jedoch von Anfang an als Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthaltes nach Chile gewertet,
was sich aus ihren an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 8. September und 18. November 1997 sowie ihrem
Widerspruchsschreiben vom 21. Dezember 1997 ergibt. Denn abgesehen davon, dass sie ihren Aufenthalt in Chile in
diesen Schreiben sogar als gewöhnlichen Aufenthalt bezeichnet hat, hat sie im Übrigen dargelegt, dass sie künftig in
Chile im Haushalt ihrer Tochter leben werde, es sich bei ihrem „Umzug“ um eine „Übersiedlung“ handele und die
Beklagte mit ihrer Leistungsverweigerung ihre Hoffnung, ihren Lebensabend bei ihrer Tochter verbringen zu dürfen,
zunichte mache. An diesen - im Hinblick auf ihr Alter und ihren Gesundheitszustand realistischen - Äußerungen muss
sie sich festhalten lassen. Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass sich diese Äußerungen auf einen Lebensabend
allein bei ihrer Tochter bezogen haben, für die vor allem im Widerspruchs- und im Berufungsverfahren betont worden
ist, dass sie ein von ihrem Bruder unabhängiges eigenständiges Leben führe. Dies legt die Vermutung nahe, dass
(jedenfalls anfänglich) nur der Sohn der Klägerin in sein bis heute in G vorgehaltenes Haus zurückkehren wollte,
zumal er sich nach seinen Angaben nur deshalb nach Chile begeben hat, um sich dort für etwa 15 bis 18 Monate mit
vergangenen Kulturen zu beschäftigen. Ob die Klägerin möglicherweise heute wieder nach Deutschland zurückkehren
möchte, ist unerheblich, weil dieser Wille im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen steht. Da diese
Verhältnisse nur den Schluss zulassen, dass sie sich seit dem 10. September 1997 gewöhnlich in Chile aufhält, kann
ferner dahinstehen, ob sich - wie die Beklagte gemeint hat - aus der Rentenakte ihrer Tochter weitere gegen einen
gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in Deutschland sprechende Indizien entnehmen lassen. Davon abgesehen, ist
eine Klärung dieses Punktes hier ohnehin nicht möglich, weil sich die Tochter der Klägerin mit der Beiziehung und
Verwertung ihrer Rentenakte im Berufungsverfahren nicht einverstanden erklärt hat. Damit kann zugleich nicht geklärt
werden, ob sich in dieser Akte für die Klägerin sprechende Gesichtspunkte finden lassen. Einen eventuellen Nachteil
hieraus hat die Klägerin zu tragen.
Das Vorbringen der Klägerin, sie hätte sich nicht nach Chile begeben, wenn sie nicht durch die Beklagte fehlerhaft
dahingehend beraten worden wäre, dass auch ihre Witwenrente ungekürzt dorthin ausgezahlt werden würde, führt zu
keinem anderen Ergebnis. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann hierauf schon deshalb nicht gestützt
werden, weil die Frage, wo jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nur anhand der tatsächlichen Verhältnisse
beantwortet werden kann. Die fiktive Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht möglich, so dass die
Klägerin, die ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich nach Chile verlegt hat, nicht so behandelt werden kann, als hielte sie
sich noch gewöhnlich in Deutschland auf. Ihr Vorbringen, für dessen Richtigkeit sie im Übrigen Beweise nicht
vorgelegt hat, könnte allenfalls zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, was hier keiner
Entscheidung bedarf; für die monatlichen Rentenzahlungsansprüche hat es keine Bedeutung. Dass die Beklagte der
Klägerin eine schriftliche Zusage erteilt haben könnte, wonach die Witwenrente ungekürzt nach Chile gezahlt werden
würde, macht die Klägerin selbst nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstoßen die sich in ihrem Fall zu ihren Lasten auswirkenden Bestimmungen
der §§ 110 ff. SGB VI, die der Zahlbarmachung der Reichsgebiets-Beitragszeiten nach Chile entgegenstehen, auch
nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere lassen sich - was die Klägerin aus Sicht des Senats der Sache nach
rügt - eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des
Art. 3 Abs. 1 GG und ein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gebot des
Vertrauensschutzes nicht feststellen. Hierbei liegt eine Verletzung der Eigentumsgarantie schon deshalb nicht vor,
weil die Klägerin um die Zahlung einer Witwenrente streitet. Grundsätzlich können zwar zu den von Art. 14 Abs. 1 GG
geschützten Rechtspositionen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen aus der
gesetzlichen Rentenversicherung gehören. Sie genießen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte
Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet
sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und seiner Existenzsicherung dienen. Die
Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen unterfallen dem Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG jedoch nicht,
weil sie schon dem Versicherten nicht als Rechtsposition privatnützig zugeordnet sind. Vielmehr handelt es sich um
eine bloße Aussicht auf die Leistung, die mit der Auflösung der Ehe oder dem Vorversterben des Partners entfällt.
Zudem beruhen Hinterbliebenenrenten nicht auf einer dem einzelnen Versicherten individuell zurechenbaren Leistung,
die eine Zuordnung der zugrunde liegenden gesetzlichen Ansprüche zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie
rechtfertigen könnte. Die Hinterbliebenenrenten sind vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistungen, weil sie ohne
eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt werden.
Der Gedanke des sozialen Ausgleichs wird dadurch betont, dass die Vorsorge für die eigenen Angehörigen bei der
individuellen Beitragsbemessung des Versicherten unberücksichtigt bleibt. Vielmehr trägt jeder Versicherte über
seinen Beitrag zugleich auch zur Versorgung aller Hinterbliebenen von Versicherten bei. Auch wer keine
unterhaltsberechtigten Angehörigen hat, zahlt gleiche Beiträge (vgl. hierzu insgesamt BVerfGE 97, 271).
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht gegeben. Dieser
Rechtssatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu
behandeln, wobei davon auszugehen ist, dass die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von
Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen übereinstimmen. Sache des
Gesetzgebers ist es zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend
ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt
erst vor, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die
vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, der Gesetzgeber es also
versäumt hat, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu
berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten
Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Ohne Bedeutung ist es, ob der Gesetzgeber im Einzelfall jeweils die
zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerfGE 71, 255, 271). Dabei wird dem
Gesetzgeber bei gewährender Staatstätigkeit, insbesondere auch bei der Regelung der Kriegs- und Kriegsfolgelasten,
ein sehr weites Gestaltungsermessen eingeräumt (vgl. BVerfGE 27, 253, 283). In diesem Rahmen kann vom Senat
ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht festgestellt werden. Die Zahlbarmachung von Reichsgebiets-Beitragszeiten
an im Inland lebende Deutsche beruht auf dem sachlich einleutenden Gedanken der Integration. Dieser Gedanke
kommt nicht mehr zum Tragen, wenn sich der Berechtigte ins Ausland begibt, wo er der besonderen, an die
Einwohnereigenschaft anknüpfenden Fürsorgepflicht seines Heimatstaates nicht mehr unterliegt (vgl. BVerfG SozR
2200 § 1318 Nr. 5, BSG SozR 2200 § 1318 Nr. 9).
Des Weiteren liegt auch ein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gebot des
Vertrauensschutzes nicht vor. Denn die hier in Rede stehenden Vorschriften schließen - sieht man von der im Fall der
Klägerin nicht relevanten Altersregelung in § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ab - lediglich an die bereits in Art. 23 § 4 des
Gesetzes zu dem Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juni 1990
(WWSUG) getroffenen Bestimmungen an. Diese Bestimmungen erweisen sich im Lichte von Art. 20 Abs. 3 GG als
unproblematisch. Mit ihnen ist zwar in Abweichung zum bisherigen Recht geregelt worden, dass ein Export einer auf
Reichsgebiets-Beitragszeiten (ebenso wie einer auf Beitragszeiten nach dem FRG) beruhenden Rente nur noch für
Personen in Betracht kommt, die bis zum 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt haben (vgl.
Art. 23 § 4 Satz 1 WWSUG). Ein Eingriff in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände im
Sinne einer echten (retroaktiven) Rückwirkung ist damit jedoch nicht verbunden, zumal für Bezieher von Renten die
Fortgeltung des bisherigen Auslandsrentenrechts angeordnet worden ist, soweit sie bis zum 18. Mai 1990 ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des WWSUG genommen und bis zum 31. Dezember 1990 ins Ausland
verlegt hatten (vgl. Art. 23 § 4 Satz 2 WWSUG). Gegen die Anknüpfung an den Tag der Unterzeichnung des
Staatsvertrages vom 18. Mai 1990 bestehen hierbei keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Gesetzgeber ist es
durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage
einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Es ist nur zu prüfen, ob der
Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat (BVerfGE 87, 1, 43).
Diesen Vorgaben genügt die vorgenommene Wahl des Stichtages. Denn es kann nicht als sachwidrig angesehen
werden, wenn der Gesetzgeber im Rahmen des ihm bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen eingeräumten weiten
Gestaltungsspielraums mehr als 45 Jahre nach Kriegsende auf die seither eingetretenen politischen, rechtlichen und
tatsächlichen Veränderungen reagiert.
Mit Rücksicht auf die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes nach Chile im Laufe des Monats September 1997 war
die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die Bewilligung der Witwenrente insoweit aufzuheben, als
die aus dem Rentenstammrecht resultierenden monatlichen Zahlungsansprüche für die Zukunft zu beseitigen waren.
Die Aufhebung mit dem 1. Dezember 1997 wirksam werden zu lassen, ist hierbei nicht zu beanstanden. Der
Bewilligungsbescheid darf nach dem im Rentenrecht maßgeblichen Monatsprinzip zwar erst nach Ablauf des
Kalendermonats aufgehoben werden, in dem der auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützte Bescheid bekannt gegeben
wird. Hier ist der Aufhebungsbescheid vom 4. November 1997 der Klägerin jedoch nach ihren eigenen Angaben im
Widerspruchsverfahren, an deren Richtigkeit der Senat keinen Zweifel hegt, bereits am 25. November 1997
tatsächlich zugegangen, so dass gegen die zum Ersten des Folgemonats erklärte Bescheidaufhebung keine
Bedenken bestehen. Dass der Bescheid der Klägerin über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in S förmlich
erst am 17. Dezember 1997 zugestellt worden ist, ändert hieran schon deshalb nichts, weil der Bescheid nach § 37
Abs. 1 SGB X lediglich bekannt gegeben werden musste.
Ein Fristversäumnis im Sinne des § 48 Abs. 4 SGB X liegt nicht vor. Die Beklagte hat auf die durch die Verlegung
des gewöhnlichen Aufenthaltes nach Chile eingetretene wesentliche Änderung der Sachlage binnen kürzester Zeit
reagiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben ist.