Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.06.2006
LSG Berlin-Brandenburg: ddr, verordnung, zugehörigkeit, verkehrswesen, eisenbahn, schifffahrt, beförderung, unternehmen, volkswirtschaft, kreis
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
30. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 30 R 1160/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 AAÜG, § 1 Abs 2
ZAVtIVDBest 2
Gesetzliche Rentenversicherung - Zugehörigkeit zur zusätzlichen
Altersversorgung der technischen Intelligenz durch fiktive
Einbeziehung - Erfüllung der betrieblichen Voraussetzung -
Beschäftigung bei der MITROPA AG
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2006
wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeit des am 28.
Februar 2010 verstorbenen Versicherten FB (im Folgenden: Versicherter) vom 1. Februar
1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung
der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben
(AVItech - Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG -) und die in diesem Zeitraum erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1937 geborene Versicherte war von 1954 bis 1960 bei der Volkspolizei-See, der
Kasernierten Volkspolizei-See und der Nationalen Volksarmee-Seestreitkräfte der
ehemaligen DDR Behördenangestellter bzw. NVA-Angestellter. Später war er bei dem
VEB Gasversorgung Berlin bis 1971 beschäftigt. Mit Urkunde der Ingenieurhochschule
Zittau vom 2. Oktober 1970 wurde ihm das Recht verlieren, die Berufsbezeichnung Bau-
Ingenieurökonom zu führen. Ab März 1971 war er anschließend als Bauingenieur bis zum
31. Januar 1974 beim Straßen- und Tiefbauamt Berlin tätig.
Im streitigen Zeitraum vom 1. Februar 1974 bis zum 30. Juni 1990 war der Versicherte
schließlich in der Generaldirektion der Mitropa AG (zuletzt) als Abteilungsleiter Bau- und
Projektierung beschäftigt.
Ausweislich des Handelsregisterauszuges des Amtsgerichts Charlottenburg (HRB ),
nunmehr geführt beim Amtsgericht Frankfurt am Main- Registergericht (HRB ), wurde die
Mitropa (Mitteleuropäische Schlafwagen-Speisewagen-Aktien-Gesellschaft) mit Satzung
vom 2. September 1916 als Aktiengesellschaft gegründet. Als Gegenstand des
Unternehmens wurde zunächst der Erwerb und Betrieb von Schlafwagen, Speisewagen,
Luxuswagen und Luxuszügen eingetragen.
Ausweislich eines Vorlageentwurfes der Mitropa-Direktion vom 28. November 1962für die
Aufsichtsratssitzung am 30. November 1962 der Mitropa AG war die Mitropa AG mit
einem Stammkapital in Höhe von 10.560.030 RM gegründet worden; hiervon hielten die
Deutsche Reichsbahn 6.332.000 RM, die Trans Continental AG Zürich 4.224.000 RM und
im freien Verkehr befanden sich Aktien im Wert von 4000 RM. An der TCAG Z wiederum
hielt die D R 80% (1.720.000 Schweizer Franken) und die M20% (430.000 Schweizer
.
Mitropa AG 92% des Aktienkapitals.
Zur betrieblichen und rechtlichen Lage der Mitropa AG wurde in dem oben genannten
Entwurf zur Aufsichtsratssitzung vom 28. November 1962 insbesondere folgendes
ausgeführt:
„1. Status der Mitropa
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a) Betriebliche Lage
Die Mitropa ist das zentrale Versorgungsunternehmen des Ministeriums für
Verkehrswesen. Bewirtschaftet werden durch die Mitropa aufgrund ihrer
Aufgabenstellung und unter Beachtung der durch Direktiven festgelegten Abgrenzung zu
den anderen Handelsorganen
Die Beziehungen zu den Verkehrsträgern sind durch Verträge geregelt, die
jedoch hinsichtlich ihres prinzipiellen Inhalts unterschiedlich sind. Die Mitropa gliedert
sich auf in 52 planende und bilanzierende Einheiten. Beschäftigt sind bei der Mitropa
insgesamt 13.600 Mitarbeiter. Die Leitung der Mitropa erfolgt nach dem sozialistischen
Leitungsmethoden….“
Wiederholt wurde erwogen, die Mitropa AG in einen VEB umzuwandeln (vgl. Gudrun
Bechtloff, Diss. 1999, „Die Mitropa AG: ein privatrechtliches Unternehmen des
Schlafwagen- und Speisewagenverkehrs im Spannungsfeld wirtschaftlicher Interessen
und staatliche Einflüsse und Abhängigkeiten von 1916 bis 1990“, Europäischer Verlag
der Wissenschaften, Frankfurt Main 2000, m.w.N.). Eine solche Umwandlung wurde
jedoch niemals vollzogen; stattdessen wurde die Mitropa AG nach offizieller Anweisung
des Ministeriums für Verkehrswesen der ehemaligen DDR vom 18. März 1963 „ab sofort
wie ein volkseigener Betrieb behandelt“.
Der Versicherte trat am 1. März 1974 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR)
bei und entrichtete Beiträge für ein Einkommen bis 1200,00 M. Eine positive
Versorgungszusage hatte der Versicherte in der ehemaligen DDR nicht erhalten. Er
bezog seit dem 1. Oktober 2001 eine Altersrente.
Am 22. November 2001 beantragte der Versicherte die Überführung von
Zusatzversorgungsanwartschaften bei der Beklagten.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2002 stellte die Beklagte Zeiten in der zusätzlichen
Altersversorgung der technischen Intelligenz von Oktober 1970 bis Februar 1971 fest
und lehnte die Anerkennung von Zeiten ab dem 1. März 1971 bis zum 30. Juni 1990 ab,
da die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Zeiten nicht vorlegen; es sei keine
Beschäftigung im Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems - volkseigenen
Produktionsbetrieb - ausgeübt worden.
Hiergegen erhob der Versicherte am 12. April 2002 mit der Begründung Widerspruch, die
Regeln seien für ihn unverständlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar2003 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Im Juni 1990 habe der Versicherte als Ingenieur eine seiner Qualifikation
entsprechende Beschäftigung in der Mitropa Generaldirektion ausgeübt. Hierbei habe es
sich jedoch weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) noch
um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt. Eine Versorgungszusage sei auch nicht
erteilt worden.
Am 13. März 2003 hat der Versicherte Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Die M
sei tatsächlich mit Gründung der DDR in die Planwirtschaft integriert worden. In der DDR
sei die Mitropa AG einem volkseigenen Betrieb (VEB) gleichgestellt worden; es handele
sich somit um ein gleichgestelltes Unternehmen.
Der Versicherte hat beantragt,
den Bescheid vom 7. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. Februar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, auch die Zeit vom 1.
Februar 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der
technischen Intelligenz sowie die tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei der Mitropa habe sich nicht um einen Produktionsbetrieb gehandelt. Sie sei der
Wirtschaftsgruppe 52245 (Einzelhandelsbetriebe Lebensmittel/Gaststätten) des
statistischen Betriebs Registers der DDR zugeordnet gewesen.
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Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 19. Juni 2006 die Klage abgewiesen. Der
Versicherte sei nicht im Besitz einer Versorgungszusage und habe auch keinen
Anspruch auf Feststellung der streitigen Zeiten. Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) sei für Zugehörigkeitszeiten i.S. von § 5 AAÜG insbesondere
erforderlich, dass die so genannten betrieblichen Voraussetzungen für eine
Einbeziehung vorlägen. Danach sei der Versicherte nur dann einzubeziehen, wenn er in
einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens oder einen
gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Eine Tätigkeit in einem volkseigenen
Betrieb auf dem Gebiet der Dienstleistung, der Landwirtschaft und anderer Bereiche der
Volkswirtschaft reiche nicht aus. Die Mitropa sei jedoch weder ein volkseigener Betrieb,
noch ein gleichgestellter Betrieb. Sie sei im Rechtsverkehr nicht unter der Bezeichnung
„VEB" und zudem als Dienstleistungsbetrieb für Reisende aufgetreten, in dem sie
Verpflegung und Schlafgelegenheiten in unterschiedlicher Weise zur Verfügung gestellt
habe.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Versicherten am 7. Juli 2006 zugestellte
Urteil hat der Versicherte am 7. August 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg eingelegt. Die Mitropa AG sei zwar kein Produktionsbetrieb, sie sei
aber als „Betrieb der Eisenbahn“ im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2.
Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I S. 467) zu qualifizieren und
danach gleichgestellt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Mitropa AG auch
Dienstleistungen erbracht habe. Ihr habe uneingeschränkt die Bewirtschaftung der
Speise- und Schlafwagen oblegen.
Nach dem Ableben des am 28. Februar 2010 verstorbenen Versicherten führt seine
Ehefrau den Rechtsstreit in Sonderrechtsnachfolge als Klägerin fort.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Berlin vom 19. Juni 2006 aufzuheben, den Bescheid
der Beklagten vom 7. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.
Februar 2003 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten des
verstorbenen Versicherten vom 1. Februar 1974bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der
Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten
(Versicherungsnummer: ) sowie die in Kopie beigezogenen Registerakten des
Amtsgerichts Frankfurt am Main (HRB ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht mit Urteil
vom 19. Juni 2006 die Klage abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom
7. Februar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2003 ist
rechtmäßig.
Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten hat keinen mit der
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von
Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech im streitgegenständlichen Zeitraum sowie auf
Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 3 S. 1 in
Verbindung mit Abs. 1 und 2 AAÜG).
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen (Ansprüche
oder Anwartschaften), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im
Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.
August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften
deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem
Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach § 1
Abs. 2 AAÜG als nicht eingetreten.
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Gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August
1950 (VOAVItech - GBl. der DDR S. 844) wurde für die Angehörigen der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben über den Rahmen
der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt. Nach § 1
der auf Grundlage von § 5 VOAVItech erlassenen Zweiten Durchführungsbestimmung
zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (2. DB - GBl. der
DDR S. 487) gehörten zum Kreis der Versorgungsberechtigten insbesondere Ingenieure.
Den volkseigenen Produktionsbetrieben wurden nach § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellt
wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien;
Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und
Bauschulen; Bergakademien und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der
Eisenbahn, Schifffahrt sowie das Post- und Fernmeldewesens; Maschinen- Ausleih-
Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie);
Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltung und Ministerien. Zum Kreis der
Versorgungsberechtigten gehörte ferner, wer aufgrund eines Einzelvertrages Anspruch
auf eine Altersversorgung hatte (§ 1 Abs. 3 der 2. DB).
Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Der verstorbene Versicherte war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht
Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum
1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, ist nicht durch eine
positive Statusentscheidung der Beklagten, einen nach Art. 19 Satz 1 des
Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt oder durch
einzelvertragliche Einbeziehung erfolgt.
Der verstorbene Versicherte hatte nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht
und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus
bundesrechtlicher Sicht auch keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven
Versorgungszusage unter Einbeziehung der streitigen Zeiträumen im Sinne des früher
zuständigen 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vorgenommenen
(verfassungskonformen) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG, denn die vom BSG normierten
Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der 4. Senat des BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die fiktive
Einbeziehung in die AVItech aufgrund der verfassungskonformen Auslegung des AAÜG
an drei Voraussetzungen zu knüpfen ist (BSG, a.a.O., m.w.N.).
In seiner Entscheidung vom 29. Juli 2004 (Aktenzeichen: B 4 RA 4/04 R, u.a. in SozR 4-
8570 § 1 Nr. 4, m.w.N.) hat er hierzu folgendes ausgeführt:
„Bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen waren und auch nicht
nachfolgend auf Grund originären Bundesrechts (Art 17 EV) einbezogen wurden, ist
allerdings auf Grund einer vom Senat vorgenommenen erweiternden
verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob die
Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach
der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer
Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S 12 f; BSG SozR 3-
8570 § 1 Nr. 3 S 20; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 4 S 26 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 5 S 32;
BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S 39; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 S. 59 f; BSG SozR 3-8570 §
1 Nr. 8 S 73). Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage hängt
von der Ausgestaltung der zu Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen Regelungen
der Versorgungssysteme ab.
Im Blick auf die AVItech ergeben sich diese Regelungen aus der Verordnung über
die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und
ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. S 844) und der
dazu ergangenen 2. DB. Ein derartiger - fiktiver - bundesrechtlicher Anspruch auf
Erteilung einer Zusage hängt gemäß § 1 der VO-AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 der 2. DB von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 §
1 Nr. 2 S 14, Nr. 5 S 33, Nr. 6 S 40 f, Nr. 7 S 60, Nr. 8 S 74), nämlich von
Dabei kommt es für die Anwendbarkeit des AAÜG (§ 1 Abs. 1 AAÜG) nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit
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ständigen Rechtsprechung des Senats auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit
Blick auf die am 1. August 1991 gegebene bundesrechtliche Rechtslage an.“
Zumindest an dem Fehlen der letzten (betrieblichen) Voraussetzung scheitert eine
Einbeziehung des verstorbenen Versicherten. Denn er war weder in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem der in § 1 Abs. 2 der
2. DB aufgeführten gleichgestellten Betrieben beschäftigt.
Zum einen scheitert eine Einbeziehung schon daran, dass es sich bei der Mitropa um
eine Aktiengesellschaft und nicht um einen volkseigenen Betrieb (VEB) gehandelt hat.
Hierbei ist es unerheblich und führt nicht zu einer anderen Beurteilung, dass an der
Mitropa AG die Deutsche Reichsbahn direkt oder indirekt über die Aktienmehrheit
verfügte. Dahinstehen kann zudem, ob aufgrund offizieller Anweisung des Ministeriums
für Verkehrswesen der ehemaligen DDR vom 18. März 1963 die Mitropa AG wie ein
volkseigener Betrieb behandelt wurde. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil des 4.
Senats des BSG vom 9. April 2002 (B 4 RA 3/02 R, u.a. in SozR 3-8570 § 1 Nr.7) zur
insofern vergleichbaren Interflug GmbH. Auch bei der Interflug GmbH konnte der Staat
aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Konstellation (Gesellschafter waren zuletzt das
Ministerium für Verkehrswesen, das Deutsche Reisebüro und der VEB-Deutrans) die
Geschicke des Unternehmens im Wesentlichen bestimmen und die Interflug GmbH war
im Wirtschaftsrecht der DDR weitgehend einem VEB gleichgestellt. Wie der 4. Senat des
BSG in dieser Entscheidung bereits ausgeführt hat, ist entscheidend, dass - aus welchen
Gründen auch immer - nicht die gesellschaftsrechtliche Rechtsform des VEB gewählt
wurde.
Wie die Klägerin selbst einräumt, ist die Mitropa AG zum anderen nicht als volkseigener
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens zu qualifizieren. Die Mitropa AG
war weder ein Industriebetrieb noch ein Baubetrieb. Sie übte keine betriebliche Tätigkeit
aus, die auf die Massenproduktion von Bauwerken oder Gütern gerichtet war (vgl. hierzu
Urteil des 4. Senat des BSG vom 23. August 2007, B 4 S 3/06 R, u. a. in SozR 4-8570 § 1
Nr. 16, m. w. N.), sondern erbrachte im weitesten Sinne Dienstleistungen im
Gastronomiebereich.
Andere Betriebe als die der Industrie oder des Bauwesens können nur einbezogen
werden, wenn sie gleichgestellt sind. Auch dies ist bei der Mitropa AG nicht der Fall.
Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 18. Juni
2003 (B 4 RA 1/03 R, u. a. in Die Beiträge Beilage 2004, 21 bis 25, m.w.N.) bereits
folgendes ausgeführt, was im Ergebnis auch auf die Mitropa AG zutrifft:
„Der Kläger hat den im streitgegenständlichen Zeitraum keine entgeltliche
Beschäftigung ausgeübt, die in ihrer Art nach Form Zusatzversorgungssystem der
AVItech erfasst war. Denn er war weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der
Industrie oder des Bauwesens noch in einem der in § 1 Abs. 2 der 2. DB aufgeführten
gleichgestellten Betriebe beschäftigt, sondern in einem Parteibetrieb, der
dementsprechend auch nicht als "VEB" firmierte (§ 31 Abs. 3 KombinatsVO). Dieser
Betrieb - "I. Graphischer Großbetrieb L." - war vielmehr, wie der Kläger selbst vorträgt,
der Vereinigung organisationseigener Betriebe (VOB) der Zentralen Druckerei, Einkaufs-
und Revisionsgesellschaft der SED (Zentrag) unterstellt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es - wie bereits ausgeführt - hier
unerheblich, wie die DDR und ihre Staatsorgane die Versorgungsordnungen ausgelegt
haben, oder wie deren Verwaltungspraxis war. Somit ist es für die Beurteilung auch ohne
Bedeutung, welche Stellung ein Parteibetrieb in dem "Gesamtgefüge des
Staatsapparates DDR" hatte (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3). Nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats können Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech
(fiktiv) nur dann nach § 5 AAÜG festgestellt werden, wenn Tätigkeiten bzw.
Beschäftigungen in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des
Bauwesens oder in einem in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannten gleichgestellten Betrieb
ausgeübt worden sind (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Nicht ausreichend sind
Tätigkeiten (oder Beschäftigungen) in irgendeinem volkseigenen Betrieb und demgemäß
auch nicht solche in einem Parteibetrieb (hier der VOB Zentrag).
Dass es sich um eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb
gehandelt haben muss, folgt bereits aus § 1 Abs. 2 der 2. DB; die dort genannten
Betriebe und "Einrichtungen" werden gerade (nur) den volkseigenen
Produktionsbetrieben gleichgestellt. Dass diese Produktionsbetriebe solche der Industrie
oder des Bauwesens sein mussten, entspricht nicht nur ihrer Bedeutung im Rahmen der
Planwirtschaft (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6), sondern auch der historischen
Entwicklung (vgl. hierzu entsprechend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 5): Nach § 1 der 1.
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Entwicklung (vgl. hierzu entsprechend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 5): Nach § 1 der 1.
Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl S 1043), die durch die 2. DB
(a. a. O.) aufgehoben worden ist, war notwendige Voraussetzung für die Einbeziehung in
das Versorgungssystem der AVItech gerade die Beschäftigung in einem
"Produktionsbetrieb". Auch sah § 5 der Verordnung vom 17. August 1950 (a. a. O.) für
den Erlass dieser Durchführungsbestimmung das Einvernehmen des Ministeriums für
Industrie vor. Die Differenzierung zwischen den volkseigenen Produktionsbetrieben und
den anderen volkseigenen Betrieben wurde zwar nicht immer in dieser sprachlichen
Klarheit aufrechterhalten, sondern gelegentlich zur sprachlichen Vereinfachung
ausgesetzt, wie sich auch aus § 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und
Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967 (GBl. II S 121)
ergibt; dort war der Hinweis enthalten, dass im fortlaufenden Text, der sich nur auf
volkseigene Produktionsbetriebe bezieht, der Ausdruck "volkseigener
Produktionsbetrieb" durch die Bezeichnung "Betrieb" ersetzt wird. Jedoch galt nach § 49
Abs. 1 der Verordnung (a. a. O.) diese - unmittelbar - "für die volkseigenen
Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens". Die Verordnung über die
Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und
Vereinigungen volkseigener Betriebe vom 28. März 1973 (GBl. I S 129), die an die Stelle
der Verordnung vom 9. Februar 1967 (a. a. O.) getreten ist, setzte diese Unterscheidung
fort und differenzierte demgemäß grundsätzlich zwischen (u. a.) den volkseigenen
Betrieben in der Industrie, im Bauwesen und im Verkehrswesen, für die sie unmittelbar
galt, und (u. a.) den volkseigenen Betrieben im Handel, auf dem Gebiet der
Dienstleistungen, in der Landwirtschaft und in den anderen Betrieben der
Volkswirtschaft. Insbesondere die KombinatsVO von 1979 stellte den volkseigenen
Kombinaten und Kombinatsbetrieben in der Industrie und in dem Bauwesen die
volkseigenen Kombinate und Kombinatsbetriebe in den anderen Bereichen der
Volkswirtschaft gegenüber (§ 41 a. a. O.). § 1 Abs. 2 der 2. DB enthielt somit lediglich
eine Klarstellung, dass der volkseigene Betrieb ein "volkseigener Produktionsbetrieb"
(der Industrie oder des Bauwesens) ist.
Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind
nicht ersichtlich. Der EV hat nur die Übernahme damals bestehender
Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das
Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (EV Nr. 9, § 22
Rentenangleichungsgesetz der DDR vom 28. Juni 1990 - GBl I S 495, vgl. BSG SozR 3-
8570 § 1 Nr. 8 m. w. N.). Die Vorschriften sind in sich verfassungsgemäß. Der
Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene
Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen.
Art 3 GG gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich Ungleichheiten
ergeben könnten, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und
Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigungen der damals Einbezogenen hat der
Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im EV angesichts der
historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 190 f = SozR 3-
8570 § 7 Nr. 1). Der Bundesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang
DDR-Willkür ausgeschaltet (vgl. zur Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG: BSG SozR
3-8570 § 1 Nr. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31. Dezember 1991 in
das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten, aus der DDR
stammenden Versorgungsrechts war er nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten
Rechtsbereich ab 1. Januar 1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im Wesentlichen
genügenden Gesetz, dem SGB VI, unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2).“
Nach diesen Regelungen und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG war
die Mitropa AG kein Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Auch hier ist zunächst zu
erwähnen, dass die Mitropa AG eben kein VEB gewesen ist und es bundesrechtlich nicht
auf die „wirtschaftliche“, sondern allein auf die versorgungsrechtliche Gleichstellung
ankommt (BSG, B 4 RA 3/02 R, a.a.O.). Versorgungsrechtlich kann jedoch eine
Gleichstellung nicht erfolgen, weil es sich bei der Mitropa AG nicht um ein „Institut und
Betrieb der Eisenbahn und Schifffahrt“ im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB handelte.
Schon nach der in der ehemaligen DDR gültigen Definition (vgl. Ökonomisches Lexikon,
DDR, 3. Aufl., Verlag Die Wirtschaft Berlin, 1977) sind als Eisenbahnen nur
„schienengebundene, durch Maschinenkraft bewegte Verkehrsmittel auf eigenem
Bahnkörper zur Beförderung von Personen und/oder Gütern“ zu qualifizieren.
Voraussetzung für die Einbeziehung in diesen Kreis ist daher zumindest, dass in dem
Bereich des Verkehrswesens die Beförderung von Gütern und Personen dem Betrieb das
Gepräge gab (so schon der 16. Senat des Landessozialgerichts Berlin- Brandenburg,
Beschluss vom 31. Juli 2006, L 16 R 39/06, zit. nach juris). Dies ist bei der Mitropa AG
jedoch schon deshalb nicht der Fall gewesen, weil sie als Dienstleistung nicht die
Beförderung von Personen, sondern deren Versorgung insbesondere in der Form
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Beförderung von Personen, sondern deren Versorgung insbesondere in der Form
gastronomischer Betreuung erbrachte. Die Mitropa AG war „zentral geleiteter Betrieb im
Verkehrswesen der DDR für die Versorgung und Betreuung der Reisenden an
Schwerpunkten des internationalen Verkehrs und des Binnenfernverkehrs mit
Handelswaren, gastronomischen und Beherbergungsleistungen sowie damit
verbundenen Dienstleistungen“ (Ökonomisches Lexikon, a.a.O., MITROPA).
Darüber hinaus geschah dies auch nur zum Teil in Speise-, Liege- und Schlafwagen oder
auf Schiffen während einer Beförderung. Daneben betrieb die Mitropa AG im erheblichen
Umfang Bahnhofsgaststätten sowie Kioske, Läden und Imbissstuben,
Autobahnraststätten und schließlich Flughafenrestaurants und -hotels, ohne dass sich
feststellen ließe, dass die Tätigkeit des Unternehmens überwiegend im Bereich des
Schienenverkehrs oder der Schifffahrt stattgefunden hätte, so dass dieser Bereich dem
Unternehmen das Gepräge gab. Dass sämtliche wirtschaftlichen Organisationseinheiten,
die im weitesten Sinne mit Eisenbahn und Schifffahrt zu tun hatten, von der
Gleichstellungsregelung des § 1 Abs. 2 der 2. DB erfasst würden, ist nach objektiven
Auslegungskriterien des Bundesrechts unter Berücksichtigung der DDR-Vorschriften als
faktische Anknüpfungspunkte jedoch nicht ersichtlich.
In diesem Zusammenhang hat die Beklagte zudem bereits zu Recht darauf hingewiesen,
dass die Mitropa AG im statistischen Betriebsregister unter den Konsumgüter-
Einzelhandels-Betrieben (Schlüsselziffer 5 224 0) und dort unter den
Einzelhandelsbetrieben Lebensmittel/Gaststätten (Schlüsselziffer 5 224 3;
Einzelhandelsbetriebe Gaststätten) geführt wurde. Mit dem eigentlichen
Beförderungsauftrag der Eisenbahn hatte die Mitropa AG nichts zu tun. Folgerichtig
haben die Mitglieder der Direktion der Mitropa AG in dem Entwurf zur
Aufsichtsratssitzung vom 28 November 1962 sie auch selbst als „Handelsorgan“ und
nicht als „Eisenbahnbetrieb“ bezeichnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2
SGG nicht vorliegen.
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