Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010
LSG Berlin und Brandenburg: versorgung, hörgerät, erwerbsfähigkeit, zahnärztliche behandlung, berufliche tätigkeit, wirksame vertretung, krankenkasse, medizinische rehabilitation, behinderung
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 25.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 32 R 5964/06 Berlin
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 31 R 37/10
Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2009 wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Klage der Bescheid der Beklagten vom 03. August 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22. November 2006 aufgehoben wird. Die Beigeladene trägt auch die notwendigen
außer-gerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens. Im Übrigen haben die Beteiligten einander Kosten
nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für ein Hörgerät über den von der beigeladenen Krankenkasse
geleisteten Festbetrag hinaus.
Die 1965 geborene Klägerin ist seit ihrem 20. Lebensjahr schwerhörig; sie leidet an einer progredienten hochgradigen
Innenohrschwerhörigkeit rechts, an einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen
Tinnitus. Die Klägerin ist Diplom-Pflegewirtin und beruflich seit dem 01. Mai 2006 als
Qualitätsmanagementbeauftragte der AWO I-Geriatriezentrum N gGmH tätig. Nach einer von dem Arbeitgeber
übersandten Stellenbeschreibung hat die Klägerin u. a. die Aufgabe, Arbeitsgruppen zu organisieren und Fortbildungen
durchzuführen.
Am 09. Juni 2006 verordnete der die Klägerin behandelnde Arzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. Dr. T aufgrund
der Diagnose einer beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, die bisherige Hörhilfe sei zu alt.
Für den 12. Juli 2006 findet sich im EDV System der Beigeladenen u. a. folgender - von ihr später mit Schriftsatz vom
28. Mai 2009 als "Genehmigung" bezeichneter - Eintrag:
"Hilfsmittel 12.07.2006 132003 Hörgerät li. Versorgungspauschale, bewilligt".
An anderer Stelle ist dort ausgeführt, dass Lieferant Herr AM. S, D H Studio, B sei, und dass nach Preisprüfung am
12. Juli 2006 der Versorgungspauschale von 655,00 EUR zugestimmt worden sei, als "endgültiger Status" ist notiert:
"bewilligt". Die Summe setzt sich ausweislich des Kostenvoranschlages des Hörgeräteakustikers S vom 27.
September 2006 zusammen aus 421,00 EUR für den Festbetrag, 35,- EUR für eine Otoplastik und 209,00 EUR für
eine Reparaturpauschale abzüglich einer Zuzahlung nach § 60 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Höhe von
10,00 EUR. Die Beigeladene äußerte sich im Erörterungstermin vom 29. September 2010 dahin, dass ihr bewilligender
Vermerk vom 12. Juli 2006 nur aufgrund der durch den Hörgeräteakustiker zu erbringenden Versorgungsanzeige hin
erfolgt sein könne. Weitere Einzelheiten konnten diesbezüglich nicht festgestellt werden. Irgendeine Äußerung der
Beigeladenen gegenüber der Klägerin erfolgte nicht.
Mit Eingang am 25. Juli 2006 wandte sich die Klägerin an die Beklagte als Rentenversicherungsträger und begehrte
die Übernahme von Kosten für ein hochwertiges Hörgerät. Zur Begründung führte sie aus, seit neun Jahren im
Qualitätsmanagement in der Alten- und Krankenpflege zu arbeiten. Ein Schwerpunkt ihrer Aufgaben sei die
Moderation von Arbeitsgruppen, in denen bis zu zehn Personen unterschiedliche Standpunkte, manchmal auch sehr
lautstarke, austauschten. Darüber hinaus führe sie im Rahmen der Personalentwicklung häufig Schulungen und
Seminare durch, hier seien bis zu 25 Personen anwesend. Hierfür benötige sie ein hochwertiges Hörgerät. Beigefügt
waren die bereits genannte Stellenbeschreibung und eine Bestätigung ihres Arbeitgebers über die bei ihm ausgeübte
Tätigkeit.
Die Beklagte befragte die beratende Ärztin Dr. W, die am 31. Juli 2006 mitteilte, dass wegen besonderer beruflicher
Anforderungen kein über die Basisversorgung hinausgehendes höherwertiges Hörgerät erforderlich sei. Mit Bescheid
vom 03. August 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben daraufhin ab.
Denn die Voraussetzungen des § 10 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)
lägen nicht vor. Ein höherwertiges Hörgeräte wegen besonderer beruflicher Anforderungen sei nicht erforderlich.
Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch, mit dem sie ausführte, dass sich das von ihr begehrte digitale Gerät
automatisch an den Geräuschpegel anpasse, was für ihre berufliche Tätigkeit eine Grundvoraussetzung sei. Ohne
eine angemessene Hörgeräteversorgung könne sie die Fortbildung der Mitarbeiter, die Moderation von Qualitätszirkeln
und die Leitung von Arbeitsgruppen nicht mehr ausüben. Beigefügt war ein bestätigendes Schreiben ihres
Arbeitgebers vom 12. September 2006. Dieser führte aus, dass auch die Befragung von Pflegeheimbewohnern zu den
Aufgaben der Klägerin gehöre, die aufgrund ihrer Erkrankungen häufig schlecht zu verstehen seien, auch hierfür sei
ein gutes Sprachverständnis zwingend notwendig. Mehr als 50 % der Arbeitszeit der Klägerin entfielen auf die
Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen und die Moderation von Arbeitsgruppen und Qualitätszirkeln. Die hierzu
erneut gehörte Beratende Ärztin Dr. W teilte mit Stellungnahme vom 28. September 2006 mit, dass keine erhöhte
Anforderung an das Gehör vorliege und die Krankenkasse für den Behinderungsausgleich zuständig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin daraufhin zurück.
Ein Hilfsmittel sei nur dann als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 33 Abs. 8 Nr. 4
Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) anzusehen, wenn es
ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich
vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Die Versorgung mit Hörhilfen gehöre grundsätzlich nicht zu den Leistungen
der Deutschen Rentenversicherung im Sinne dieser Vorschrift. Eine Leistungsgewährung seitens der Deutschen
Rentenversicherung Bund käme nur in Betracht, wenn die Hörhilfe - ggf. auch eine besondere Ausstattung - als
höherwertige Hörgeräteversorgung über die Basisversorgung hinaus erforderlich sei, um den speziellen beruflichen
Anforderungen gerecht zu werden. Dies sei nach ärztlicher Prüfung jedoch zu verneinen, weil die besondere
Ausstattung im Falle der Klägerin nicht ausschließlich der Ausübung eines Berufes diene, der spezielle Anforderungen
an das Hörvermögen stelle.
Im Abschlussbericht des Hörgeräteakustikers S vom 28. September 2006 ist ausgeführt, dass der Klägerin zwei
geeignete zuzahlungsfreie Versorgungsvorschläge unterbreitet worden seien. Vorgenommen worden sei eine
Versorgung des linken Ohres mit dem Gerät Savia 211 dSZ m. EasyPhone. Den Empfang des Hörgerätes bestätigte
die Klägerin am 23. Oktober 2006. Mit Datum vom selben Tag stellte der Hörgeräteakustiker Sder Klägerin für das
Gerät abzüglich der "Krankenkassen-Anteile" einen verbleibenden Endbetrag von 1.956,90 EUR in Rechnung. Die
Beigeladene bezahlte den von ihr bewilligten Betrag im November 2006.
Im Klageverfahren gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten hat das Sozialgericht Berlin durch Beschluss
vom 30. Juli 2007 die Krankenkasse der Klägerin, die T K, zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat ein
Gutachten des Dr. S für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 22. Februar 2008
beigebracht, der ausführte, dass die Notwendigkeit einer Hörhilfenversorgung außer Frage stehe. Aus dem
tonaudiometrischen Hörschwellenverlauf lasse sich gut ableiten, dass eine mehrkanalig signalbearbeitende Hörhilfe
gewählt werde, um die es sich bei der letztlich zur Anpassung gekommenen Savia 211 dSZ der Firma Phonak
handele. Entsprechend könne die beantragte Versorgung begründet werden. Technisch sei das Produkt
festbetragsfähig. Die Krankenkasse habe mit der Vergütung in Festbetragshöhe ihr Leistungssoll erfüllt. Der
Nachweis, dass Hörhilfen bezogen auf den Ausgleich einer "konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht
ausreichten", sei praktisch nicht zu erbringen, da die Ermittlung des Sprachverständnisses im Freifeld wie im
Störschall eine subjektive Testmethode und daher von der Compliance des zu versorgenden Patienten und
subjektiven Störgrößen abhängig sei. Die im Falle der Klägerin erfolgte vergleichende Hörhilfen-Testung sei nicht als
ausreichend aussagekräftig anzusehen, um zu belegen, dass keine geeignete Hörhilfe zum Festbetrag erhältlich
gewesen sei. Daher könne nicht erkannt werden, wie eine festbetragsübersteigende Hörhilfenvergütung begründet
werden könnte.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes ein Gutachten des Hörgeräteakustikers W, H GmbH, vom 03.
Dezember 2008 eingeholt, der ausführte, dass die Klägerin nur mit der erfolgten Premiumversorgung in der Lage sei,
ihr Arbeitsumfeld zu bewältigen. Die Anforderungen des akustischen Umfeldes seien für die Klägerin als Referentin
von Qualitätsmanagementsystemen sehr hoch. Mit dem Hörsystem Savia 211 dAZ habe sich in der Diskrimination im
Freifeld bei 65 dB (normale Lautstärke bei der Umgangssprache) ergeben, dass 95 % der Einsilber verstanden worden
seien, die Normmessung bei 65 dB Freifeld und 60 dB Störgeräusch habe ein Verständnis von 70 % von Einsilbern
ergeben. Die im Vergleich hierzu getestete Basisversorgung mit dem Basisgerät Go Compact habe bei 65 dB Freifeld
ebenfalls 95 % Einsilber-Verständnis ergeben, die Normmessung bei 65 dB Freifeld und 60 dB Störgeräusch habe
jedoch lediglich ein Verständnis von Einsilbern von 25 % ergeben. Im Störgeräusch sei die Verständigung gegenüber
der Premiumversorgung daher um 45 % herabgesunken. Zu beachten sei im Falle der Klägerin insbesondere, dass es
sich lediglich um eine monaurale (einseitige) Anpassung auf dem linken Ohr handele, da das rechte Ohr wegen eines
zu hohen und asymmetrischen Hörverlustes gegenüber dem linken Ohr nicht versorgbar sei. Somit sei die Klägerin,
was das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch betreffe, gegenüber einer binauralen (beidseitigen)
Versorgung sehr im Nachteil, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr träfen und Nutzschall und Störschall sehr
schwer voneinander getrennt werden könnten. Bei der Untersuchung und Analyse habe sich die Hörgeräteversorgung
mit dem Premium-Hörsystem Savia 211 dAZ damit sowohl rein messtechnisch als auch praxisbezogen im Hinblick
auf die anspruchsvolle Tätigkeit der Klägerin im Beruf als einzig mögliche Lösung herausgestellt. Bei Nichtnutzung
des speziellen Hörgerätes sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich gefährdet, die erhebliche Gefährdung der
Erwerbsfähigkeit könne durch Inanspruchnahme des höherwertigen Hörgerätes abgewendet werden.
Mit Urteil vom 30. November 2009 hat das Sozialgericht die gegen die Beklagte gerichtete Klage abgewiesen, jedoch
die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät Savia 211 in Höhe von 1.956,90
EUR gemäß der Rechnung vom 23. Oktober 2006 zu erstatten. Die Beigeladene sei als erstangegangener Träger im
Sinne des § 14 SGB IX zu verurteilen. Anspruchsgrundlage sei, nachdem die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf
Versorgung mit einem digitalen Hörgerät zu Unrecht abgelehnt habe, § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Das Erfordernis mit
einer Versorgung durch eine höherwertige Hörhilfe aufgrund des konkreten Berufsbildes der Klägerin folge aus den
Feststellungen des Gutachters W. Der Erstattungsanspruch umfasse nach seiner Zwecksetzung wegen des
Versagens des Sachleistungsprinzips den Ausgleich der konkret entstandenen Kosten.
Gegen dieses ihr am 30. Dezember 2009 zugegangene Urteil richtet sich die am 14. Januar 2010 eingegangene
Berufung der Beigeladenen. Die Beigeladene trägt vor, dass der Festbetrag/Vertragspreis gemäß § 36 SGB V die
Obergrenze des Leistungsanspruches des Versicherten darstelle. Entstehe dem Versicherten eine Eigenbeteiligung
und wende er sich diesbezüglich an seine Krankenkasse, werde geprüft, ob ihm eine aufzahlungsfreie Versorgung mit
ausreichendem Hörerfolg angeboten worden sei oder nicht. Sei dies geschehen, müsse der Versicherte die
Mehrkosten selbst tragen, wenn nicht, gehe die Krankenkasse gegen den Akustiker vor, um diesen zur Einhaltung
seiner vertraglichen Verpflichtung zu bewegen. Eine Erstattung von Kosten über die Festbeträge hinaus sei aber nicht
möglich. Im Übrigen habe die Klägerin einen Antrag bei ihr als Krankenkasse gar nicht gestellt. Die Zweiwochenfrist
zur Klärung der Zuständigkeit beginne analog § 130 BGB mit dem Eingang des vollständigen Antrages bei dem
Rehabilitationsträger. Unter Antrag in diesem Sinne sei das Vorliegen der Unterlagen zu verstehen, die eine
Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten. Die Klägerin habe bei ihr aber keine Unterlagen eingereicht, aus denen
sich ergebe, dass sie berufsbedingt ein höherwertigeres Hörgerät und damit die Übernahme von Mehrkosten begehre.
Die bei ihr am 12. Juli 2006 eingegangene Versorgungsanzeige des Leistungserbringers sei kein Antrag der Klägerin
gewesen. Aus den Abrechnungsunterlagen des Hörgeräteakustikers gehe nicht hervor, dass von der Klägerin
berufsbedingt ein höherwertigeres Hörgerät begehrt worden sei. Mitgeteilt worden sei insoweit lediglich, dass zwei
geeignete aufzahlungsfreie Versorgungsvorschläge unterbreitet worden seien. Das Sozialgericht Nürnberg habe hierzu
entschieden (Urteil vom 12. Mai 2010, Az.: S 18 R 1208/09 veröffentlicht in juris.de), dass in einem derartigen
Übersenden einer Versorgungsanzeige kein Antrag auf Mehrkosten liege. Sie habe daher keinen Anlass gesehen,
diese Unterlagen nach § 14 SGB IX an die Berufungsbeklagte weiterzuleiten. Damit sei erstangegangener
Rehabilitationsträger nicht sie, sondern die Beklagte. Eine Weiterleitung des Antrages durch die Beklagte sei nicht
erfolgt, da sich die Beklagte für den berufsbedingten Mehrbedarf für zuständig gehalten, diesen aber nicht
festzustellen vermocht habe. Den berufsbedingten Bedarf der Klägerin sehe sie als Krankenversicherungsträger
aufgrund des vom Gericht eingeholten Gutachtens allerdings als gegeben an.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2009 aufzuheben und die Klage im Hinblick auf sie als
Beigeladene abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, sie halte die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 2009 (Az.: B 3
KR 20/08 R, juris.de) auch im vorliegenden Fall für relevant. Danach hätten zum Ausgleich einer Hörbehinderung die
Krankenkassen für die Versorgung mit Hörgeräten aufzukommen, die nach dem Stand der Medizintechnik die
bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubten und die gegenüber anderen Hörhilfen erhebliche
Gebrauchsvorteile im Alltagsleben böten.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03. August 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22. November 2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät
Savia 211 in Höhe von 1.956,90 EUR zu erstatten.
Die Klägerin trägt vor, dass ein Antrag nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch formlos gestellt werden könne.
Aufgrund der Versorgungsanzeige durch den Hörgeräteakustiker habe die Beigeladene als Rehabilitationsträgerin alle
Möglichkeiten gehabt, ihre Zuständigkeit zu prüfen. In vergleichbaren Fällen tue dies die Beigeladene auch und
informiere dann mit einem "Beratungsblatt" zur Hörgeräteversorgung und weise auf das Problem von Mehrkosten hin.
Dies sei vorliegend allerdings nicht erfolgt. Die Beigeladene habe die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers
jedoch auch bereits am 12. Juli 2006 als Antrag begriffen, denn anders wäre der Vermerk in ihren Unterlagen:
"Hilfsmittel 12.7.2006 132003 Hörgerät links. Versorgungspauschale, bewilligt" nicht zu verstehen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes am 30. September 2010 einen Erörterungstermin durchgeführt,
insoweit wird auf die Niederschrift zum Termin Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich in dem Erörterungstermin mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der
Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakten der Beklagten
und der Beigeladenen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte mit Zustimmung der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Beigeladene als
erstangegangenen Rehabilitationsträger verurteilt, der Klägerin den über den bereits geleisteten Festbetrag hinaus
angefallenen Betrag für das von ihr selbst beschaffte Hörgerät Savia 211 dSZ mit EasyPhone in Höhe von 1.956,90
EUR zu erstatten.
Zunächst einmal ist die Beigeladene erstangegangene Trägerin im Sinne des § 14 SGB IX. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1
und 2 SGB IX stellt ein Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei
Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung
zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag
unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet,
so stellt nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest, wobei
er diesen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen unter Beachtung der
besonderen persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen
hat (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, Az.: B 5 R 5/07 R, zitiert nach juris.de).
Die Beigeladene ist vorliegend aufgrund der bei ihr jedenfalls in der Zeit bis 12. Juli 2006 eingegangenen
Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers S erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne dieser Vorschrift.
Dass eine derartige Versorgungsanzeige bei der Beigeladenen eingegangen ist, steht fest aufgrund der
entsprechenden Bestätigung der Beigeladenen im Termin vom 30. September 2010. Bei dieser Versorgungsanzeige
des Hörgeräteakustikers handelt es sich jedenfalls auch um einen Antrag der Klägerin an die Beigeladene. Nach Sinn
und Zweck des § 16 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB I) sind als Antrag alle Begehren um
Leistungen zu verstehen (Seewald in Kasseler Kommentar, § 16 Rdnr. 3). Ein Antrag ist jede einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung des öffentlichen Rechts, mit welcher der Antragsteller dem Antragsgegner
gegenüber zum Ausdruck bringt, eine Sozialleistung in Anspruch nehmen zu wollen (Hauck/Noftz, SGB I, K § 16
Rdnr. 5, m. w. N.). Mit der Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers ist die Beigeladene unmissverständlich
davon unterrichtet worden, dass die Klägerin eine Versorgung mit einem Hörgerät wünscht. Dies folgt bereits aus dem
Wortlaut der Anzeige, wie er sich aus der Anlage 3 zum "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen",
geschlossen zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem Verband der Angestellten-
Krankenkassen e. V. und dem Arbeiter-Ersatzkassenverband e. V., ergibt. Danach wird mit der Versorgungsanzeige
mitgeteilt, dass ein bestimmter Versicherter eine Hörgeräteversorgung begehrt, weiter wird um "Bewilligung" der
Versorgung gebeten. Dies erfüllt alle Voraussetzungen eines Antrages. Schließlich ist diese Versorgungsanzeige des
Hörgeräteakustikers von der Beigeladenen auch tatsächlich als Antrag aufgefasst worden. Denn die Beigeladene hat
auf die Anzeige hin letztlich mit der Zahlung des Festbetrages eine Leistung erbracht, die antragsabhängig war.
Unschädlich ist, dass der Antrag bei der Beigeladenen nicht von der Klägerin persönlich gestellt worden ist, da nach
allgemeinen Vertretungsregelungen (§§ 164 ff. BGB) auch eine Antragstellung durch den Hörgeräteakustiker als
Vertreter des Versicherten möglich ist. Soweit § 16 Abs. 1 S. 2 SGB I den Kreis der Stellen, die Anträge auf
Sozialleistungen entgegennehmen können, erweitert, ohne Leistungserbringer zu nennen, folgt hieraus nichts
Gegenteiliges. Denn die Regelung betrifft nur die Zuständigkeit für die Entgegennahme von Anträgen. Wird ein Antrag
von einer anderen als der hier genannten Stellen entgegengenommen, entfaltet er erst dann Rechtswirkungen, wenn er
beim zuständigen Leistungsträger oder einer der in Satz 2 genannten Stellen eingegangen ist (Hauck/Noftz, a. a. O.,
Rdnr. 9). Die Möglichkeit einer Vertretung nach allgemeinen Regeln wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Die
Voraussetzungen des § 164 BGB für eine wirksame Vertretung lagen vor: Die Klägerin hatte dem Hörgeräteakustiker
Vertretungsmacht erteilt, sich zwecks der Hörgeräteversorgung an die Beigeladene zu wenden, was dieser im
Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht und ausdrücklich für die Klägerin auch tat.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen kommt es nicht darauf an, ob dieser Antrag "vollständig" war und ob die
Beigeladene diesem Antrag entnehmen konnte, dass eine über den Festbetrag hinausgehende Versorgung begehrt
war. Zunächst einmal hängt die Wirksamkeit eines Antrages bereits grundsätzlich nicht davon ab, dass er vollständig
gestellt worden ist, es muss lediglich das Begehren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden sein
(Seewald in Kasseler Kommentar, § 16 SGB I Rdnr. 4, BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, Az.: B 13 RJ 58/03 R,
zitiert nach juris.de). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass vorliegend nicht mehr aufklärbar war, ob sich aus
der Versorgungsanzeige bereits ergab, dass mögliche Mehrkosten über den Festbetrag hinaus anfallen würden. Denn
im Zweifel will der behinderte Mensch die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung – bei Hörgeräten also eine
zuzahlungsfreie, seinen Bedürfnissen entsprechende Versorgung - in Anspruch nehmen, so dass der gestellte Antrag
ohne Rücksicht auf seinen Wortlaut umfassend, d. h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden
Leistungen zu prüfen ist (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, a. a. O.; BSG, Urteil vom 28. August 2008, Az. B 8/9b
SO 18/07 R). Ein Antrag ist daher regelmäßig vom Versicherungsträger so auszulegen, dass das Begehren des
Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt, die Behörde hat alle aufgrund des Sachverhalts zu seinen
Gunsten in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten zu erwägen und notfalls auf eine Klärung des
Verfahrensgegenstandes durch den Antragsteller hinzuwirken (Seewald, Kasseler Kommentar, § 16 SGB I Rdnr. 9 m.
w. N.). Ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten ist deshalb jedenfalls auch auf
Leistungen zur Teilhabe im Sinne der §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet (BSG, Urteil vom 21. August 2008, Az. B 13 R
33/07 R, zitiert nach juris.de). Der entgegenstehenden Auffassung des von der Beigeladenen zitierten SG Nürnberg (a.
a. O.) kann angesichts dieser anders lautenden ständigen Rechtsprechung des BSG nicht gefolgt werden, diese
widerspräche den genannten allgemeinen Grundsätzen. Selbst wenn der Beigeladenen nicht bekannt geworden sein
sollte, dass eine über den Festbetrag hinausreichende Leistung begehrt war, kann dies der Klägerin unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht mehr entgegengehalten werden, insoweit hätte die Beigeladene auf eine
Klärung hinwirken müssen. Eine Aufspaltung des Antrages in einen Antrag auf Übernahme des Festbetrages und
einen Antrag auf Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten kam aus den genannten Gründen zur Auslegung
von Anträgen nicht in Betracht. Dies widerspräche auch dem bei verständiger Würdigung zu verstehenden Begehren
der Klägerin ebenso wie der Zielsetzung des § 14 Abs. 1 SGB IX, wonach für eine Versorgung des Versicherten nur
ein einziger Rehabilitationsträger zuständig sein soll.
Weiter kam es nicht darauf an, dass das Datum des Eingangs des Antrages bei der Beigeladenen nicht mehr
feststellbar ist. Denn jedenfalls steht aufgrund des durch die Beigeladene überreichten Auszuges der bei ihr
gespeicherten Daten fest, dass ihr am 12. Juli 2006 die Versorgungsanzeige vorgelegen hat, da sie hier die
Bewilligung einer Versorgungspauschale für sich notiert hat.
Unerheblich war auch, ob die Beigeladene mit der Bewilligung des Festbetrages ihre Leistungspflicht gegenüber der
Klägerin vollständig erfüllt hat. Dahingestellt bleiben kann ferner, ob in der im November 2006 erfolgten Zahlung des
Festbetrages ein Bescheid der Beigeladenen im Hinblick auf den Restbetrag zu sehen ist. Denn die formelle
Zuständigkeit des erstangegangenen Träger ändert sich nicht dadurch, dass dieser das Verwaltungsverfahren durch
Erlass eines – und sei es auch bindenden - Verwaltungsaktes abschließt (BSG, Urteil vom 21. August 2008, a. a. O.).
Allerdings hatte aufgrund der Zuständigkeit der Beigeladenen als erstangegangener Trägerin vorliegend die Beklagte
die Entscheidungsbefugnis über die Gewährung von Rehabilitationsleistungen verloren. Denn aus der Zuständigkeit
eines Trägers im Sinne von § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX folgt, dass gleichzeitig alle anderen Träger die
Entscheidungsbefugnis über die Gewährung von Rehabilitationsleistungen verlieren, so dass evtl. ergangene
Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig und aufzuheben sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009,
a. a. O., Rdnr. 16), weshalb vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 03. August 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22. November 2006 aufzuheben war.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 15 Abs. 1 SGB IX. Diese
Vorschrift normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbst beschaffte Teilhabeleistungen (BSG,
Urteil vom 20. Oktober 2009, a. a. O.). Nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX besteht eine Erstattungspflicht u. a. dann,
wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Voraussetzungen dieser
Anspruchsgrundlage sind erfüllt. Zunächst einmal erfolgte eine Ablehnung der beantragten Leistung, dies geschah mit
Bescheid der Beklagten vom 03. August 2006. Die Klägerin hat sich das beantragte Hörgerät erst am 23. Oktober
2006 selbst beschafft, so dass unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Sachleistungsgewährung keine
Bedenken bestehen, das Sachleistungsprinzip wurde gewahrt. Unschädlich war die vorausgegangene
Auswahlentscheidung, die nicht endgültig bindet und die Voraussetzung für den Leistungsantrag war (BSG, Urteil vom
17. Dezember 2008, a. a. O., Rdnr. 12). Unerheblich war weiter, dass die Beklagte, wie bereits ausgeführt, aufgrund
der Regelung des § 14 SGB IX als nicht-erstangegangener Träger für den Erlass des Bescheides sachlich nicht
zuständig war. Soweit § 15 SGB IX eine Leistungsablehnung als Anspruchsvoraussetzung fordert, ist nach dem
Zweck des § 14 SGB IX auch ein Bescheid des unzuständigen Trägers ausreichend. Dies gilt umso mehr, als auch
im Bereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches eine unzureichende Beratung, die zu Nachteilen für einen
Berechtigten geführt hat, einer anderen Behörde zuzurechnen ist, wenn diese vom Gesetzgeber "arbeitsteilig" in das
Verfahren eingeschaltet ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 1985, Az.: 10 RKg 18/84, zitiert nach juris.de, m. w. N. und
BSG, Urteil vom 09. Februar 1994, Az.: 11 RAr 49/93, zitiert nach juris.de, m. w. N.). Eine derartige arbeitsteilige
Einschaltung eines anderen Versicherungsträgers ist durch § 14 SGB IX dahingehend erfolgt, dass mit dieser
Vorschrift ein genau festgelegtes Zusammenspiel von erstangegangenem und ggf. zweitangegangenem Träger
geschaffen worden ist, welches sich zugunsten des Versicherten auswirken soll. Es würde der Zielsetzung des § 14
SGB IX widersprechen, dem Versicherten die Nichteinhaltung des Sachleistungsprinzips entgegenzuhalten, wenn die
Versicherungsträger ihre Zuständigkeitsprüfung nach § 14 SGB IX fehlerhaft vorgenommen haben. Die Klägerin hatte
auch einen Anspruch auf die Leistung als Sachleistung in Form eines Anspruches auf Übernahme der den Festbetrag
übersteigenden Kosten. Dieser bestand allerdings nicht als Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf
der Grundlage des § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX, da dieser – nachrangige - Anspruch nur solche Hilfsmittel umfasst, die
zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung erforderlich sind und nicht – wie Hörhilfen –
generell für alle beruflichen Tätigkeiten benötigt werden (BSG, Urteil vom 21. August 2008, a. a ... O.). Hieraus folgt
entgegen der Annahme der Beklagten jedoch nicht, dass sie deshalb als Rentenversicherungsträger derartige
Hilfsmittel grundsätzlich nicht zu erbringen hätte bzw. nur in den kaum relevanten Fällen, in denen ausschließlich die
Berufsausübung ein Hilfsmittel erforderlich macht, wofür von ihr im Erörterungstermin beispielhaft der Klavierstimmer
genannt wurde. Denn deren Gewährung kommt daneben auch dann, wenn sie aus beruflichen Gründen erforderlich
sind, als Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Betracht.
Grundlage sind hierfür die §§ 9 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, Gesetzliche
Rentenversicherung (SGB VI), §§ 26 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, 31 SGB IX. Gemäß § 9 Abs. 2 in Verbindung
mit Abs. 1 SGB VI kann die Rentenversicherung u. a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbringen, für die §
15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI weiter auf die §§ 26 bis 31 SGB IX verweist. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX werden
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen, zu denen die Klägerin aufgrund ihrer
Schwerhörigkeit gehört, erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu
lindern. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere auch
Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Persönliche Voraussetzung
für Leistungen zur Teilhabe ist gemäß § 10 Abs.1 SGB IX zunächst, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten
wegen Krankheit oder Behinderung erheblich gefährdet ist und dass bei erheblicher Gefährdung eine Minderung durch
die Leistungsgewährung abgewendet werden kann bzw. bei geminderter Erwerbsfähigkeit, dass diese durch die
Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden
kann. Die Klägerin benötigt das von ihr beschaffte Hörgerät der Marke Savia 211 dSZ, da nur so die aus ihrer
Schwerhörigkeit resultierende Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit zu überwinden ist. Offen bleiben kann vorliegend,
ob unter dem Begriff der im Gesetz nicht definierten Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit des Versicherten zu verstehen ist,
seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können (BSG, Urteil vom 05. Februar 2009,
Az. B 13 R 27/08 R, SozR 4-3250 § 28 Nr. 3, zitiert nach juris.de, m. w. N.) oder ob hierfür maßgeblich ist, ob der
Versicherte unabhängig von den Besonderheiten des innegehaltenen Arbeitsplatzes den typischen Anforderungen des
ausgeübten Berufes noch nachkommen kann (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, Az. B 5 R 44/08 R, BSGE 104,
294, zitiert nach juris.de, m. w. N.). Denn die Anforderungen, die an die Klägerin an ihrem konkreten Arbeitsplatz als
Qualitätsmanagementbeauftragte der AWO I-Geriatriezentrum N gGmH gestellt werden, entsprechen den typischen
Anforderungen dieses Berufes. Dies steht für das Gericht, da allgemeine Quellen (wie etwa das Grundwerk
ausbildungs- und berufskundlicher Informationen oder BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit) hierüber noch keine
Auskunft geben, fest aufgrund der entsprechenden im Verwaltungsverfahren beigebrachten Stellenbeschreibung des
Arbeitgebers für die Tätigkeit der Klägerin, da es sich bei diesem um einen großen bundesweit tätigen Träger handelt
und die Beschreibung ersichtlich nicht auf Besonderheiten des konkreten Arbeitsplatzes abstellt. Danach gehören die
Durchführung von Fortbildungen und die Organisation von Arbeitsgruppen, also die Dozententätigkeit zu den typischen
Anforderungen dieses Berufes. Nach den Angaben des Arbeitgebers der Klägerin vom 12. September 2006, wonach
mehr als 50 % der Arbeitszeit der Klägerin auf die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen und die Moderation von
Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln entfallen, hat dieser Teil der Tätigkeit sogar prägenden Charakter.
Diesen Anforderungen kann die Klägerin aufgrund ihrer Schwerhörigkeit nicht gerecht werden; das Hörgerät ist
geeignet, diesen Zustand wesentlich zu bessern. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichtes aus dem Gutachten des
erstinstanzlich gehörten Gutachters und Hörgeräteakustikers W vom 03. Dezember 2008, der mit nachvollziehbarer
Begründung ausgeführt hat, dass bei Nichtbenutzung des von der Klägerin gewählten Hörgerätes deren
Leistungsvermögen gemindert wäre. Das Gericht schließt sich diesen gutachterlichen Feststellungen insgesamt an.
Das in ihm gefundene Ergebnis ist überzeugend begründet, Einwendungen gegen die Richtigkeit der in ihm
getroffenen Feststellungen sind nicht erhoben worden. Begründet hat der Gutachter die Notwendigkeit der Versorgung
mit dem gewählten Gerät mit den besonderen beruflichen Anforderungen aufgrund der Dozententätigkeit der Klägerin
einerseits, bei der sie aufgrund von üblicherweise vorhandenen erheblichen Störgeräuschen einem besonderen
akustischen Umfeld ausgesetzt ist, welches sich etwa von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheidet, und
zum anderen mit der medizinischen Besonderheit, dass die Klägerin nur auf einem Ohr versorgt werden kann,
wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen
Versorgung sehr im Nachteil ist, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen und so Nutzschall und Störschall
nur sehr schwer voneinander getrennt werden können. Dies lässt die Notwendigkeit der Versorgung aufgrund der
besonderen beruflichen Anforderungen bei ihrer regelmäßigen Vortragstätigkeit gegenüber größeren Gruppen und der
Leitung von Arbeitsgruppen nachvollziehbar erscheinen. Insbesondere gehen die vorliegend relevanten besonderen
beruflichen Anforderungen über übliche Probleme von Hörgeschädigten bei Mehr-Personen-Gesprächen deutlich
hinaus.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI sind ebenfalls erfüllt, wie der
Kontoübersicht in der Verwaltungsakte der Beklagten zu entnehmen ist und auch nicht bestritten wird.
Auch die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB IX sind erfüllt. Das von der Klägerin gewählte Hörgerät ist
erforderlich im Sinne dieser Vorschrift. Wenn aus beruflichen Gründen ein Hörgerät erforderlich war, welches mit dem
Festbetrag nicht erworben werden konnte, ist auf dieser Grundlage jedenfalls ein Anspruch auf eine diesbezügliche
Ermessensentscheidung gegeben (BSG, Urteil vom 21. August 2008, a. a. O.). Die Klägerin benötigt das von ihr
gewählte Gerät für ihre Berufsausübung, wie bereits ausgeführt wurde. Der Sachverständige W hat festgestellt, dass
die weitere Berufsausübung der Klägerin erheblich gefährdet wäre, wenn ihr das von ihr gewählte Gerät nicht zur
Verfügung stünde, und dass eine anderweitige Versorgung der Klägerin mit einem Basis- oder Komfortgerät, also
einem Festbetragsgerät, nicht in Betracht kommt. Dem schließt sich das Gericht an. Die Ausführungen des Dr. S
vom 22. Februar 2008 bestätigen dies insoweit, als auch er mitteilt, dass sich aus dem tonaudiometrischen
Hörschwellenverlauf gut ableiten lasse, dass eine mehrkanalig signalbearbeitende Hörhilfe gewählt werde, um die es
sich bei der letztlich zur Anpassung gekommenen Savia 211 dSZ der Firma Phonak handele. Der Sachverständige
betont deshalb, dass sowohl rein messtechnisch als auch praxisbezogen im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin die
gewählte Versorgung mit dem Hörsystem Savia 211 dAZ die einzig mögliche Lösung ist. Dies ist nachvollziehbar,
zumal der Sachverständige bei seiner Testung mit Störgeräuschen mit dem von ihm getesteten Basisgerät lediglich
noch ein Verständnis von Einsilbern von 25 % feststellen konnte, was für die beschriebene Tätigkeit der Klägerin
nicht ausreicht.
Soweit § 31 Abs. 1 SGB IX für die Gewährung eines Hilfsmittels weiter voraussetzt, dass dieses erforderlich sein
muss, um u. a. einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung bei der Befriedigung von
Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, steht dies dem Anspruch vorliegend nicht entgegen.
Lediglich für den Bereich der Krankenversicherung gilt, dass die Berufsausübung kein Grundbedürfnis des täglichen
Lebens ist (BSG, Urteil vom 03. November 1999, Az.: B 3 KR 3/99 R, und Urteil vom 17. Dezember 2009, Az. B 3 KR
20/08 R, Rdnr. 17, zitiert jeweils nach juris.de). Begründet wird dies mit einer Leistungspflicht der
Krankenversicherung allein für den Bereich der medizinischen Rehabilitation, woran sich auch durch das Inkrafttreten
des SGB IX nichts geändert hat (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, Az. B 1 KR 36/06 R, zitiert nach juris.de). Diese
Einschränkung gilt nicht für die Leistungspflicht der Rentenversicherung für Teilhabeleistungen, wie § 9 Abs. 1 Nr. 1
SGB VI durch seine Zweckbestimmung im Hinblick auf die dort genannte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit
ausdrücklich bestimmt.
Den Einwänden der Beklagten im Hinblick auf die Notwendigkeit der hochwertigen Versorgung der Klägerin - die
Beigeladene hat hier Einwände ausdrücklich nicht erhoben und sich den Feststellungen des Gutachters
angeschlossen - konnte nicht gefolgt werden. Zum einen ist eine lediglich subsidiäre Leistungsverpflichtung des
Rentenversicherungsträgers im Verhältnis zu den Krankenkassen dem anwendbaren Recht der SGB VI, SGB IX und
SGB V nicht zu entnehmen. Durch das Erfüllen der gegenüber den krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften
engeren Tatbestandsmerkmale der §§ 9 ff. SGB VI ist die originäre Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen
Rentenversicherung begründet. Dies ist im Umkehrschluss auch der besonderen Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2
SGB VI für zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz zu entnehmen, die vom
Rentenversicherungsträger nur dann zu erbringen ist, wenn sie unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung
oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, insbesondere zur Ausübung des bisherigen Berufs, erforderlich ist und
soweit sie nicht als Leistung der Krankenversicherung oder als Hilfe nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches
zu erbringen ist. Eine weitergehende Regelung einer nur subsidiären Zuständigkeit der Rentenversicherung -
namentlich bezüglich einer Versorgung mit Hörgeräten - ist im Gesetz nicht getroffen worden. Im Wege des
Umkehrschlusses ist daher davon auszugehen, dass es über den von § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI erfassten
Teilbereich hinaus bei der sich aus dem eindeutigen Wortlaut der §§ 9 ff. SGB VI i. V. m. § 33 SGB IX ergebenden
Leistungsverpflichtung der Rentenversicherungsträger mit geeigneten Hörgeräten ungeachtet des Leistungsumfanges
der gesetzlichen Krankenversicherung verbleibt (so insgesamt LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15. Dezember
2005, Az.: L 10 R 480/05, zitiert nach juris.de). Erforderlich war auch nicht, dass die streitige Versorgung
ausschließlich aus beruflichen Gründen erforderlich ist. Ein derartiges Erfordernis ist dem Gesetzeswortlaut für
Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht zu entnehmen. Abgesehen davon ist im Falle der Klägerin jedenfalls
ihre Versorgung mit dem höherwertigen Premiumgerät tatsächlich lediglich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit
erforderlich, wie der Begründung des Gutachters W zu entnehmen ist, der in Beantwortung der Frage 4. a nach dem
Ausgleich der Folgeerscheinungen der Behinderung für die Ausübung der konkreten Beschäftigung ausführt, dass die
Klägerin nur mit der erfolgten Versorgung in der Lage ist, ihr Arbeitsumfeld zu bewältigen.
Dem Gutachten des Dr. S vom MDK vom 22. Februar 2008, auf welches die Beklagte sich beruft, ist ebenfalls nichts
zu ihren Gunsten zu entnehmen. Die von Dr. S für die Ablehnung der Versorgung gegebenen Begründungen sind
sämtlich unerheblich. Zunächst einmal geht Dr. S davon aus, dass der Nachweis der objektiven Notwendigkeit einer
Hörhilfe ohnehin nicht erbracht werden könne, weil hier lediglich subjektive Testmethoden zur Verfügung stünden, die
auch von der Compliance des zu versorgenden Patienten abhängig seien. Unklar ist, was er hieraus schließen will.
Die Schwierigkeit, die tatsächliche Notwendigkeit einer bestimmten Versorgung festzustellen, kann nicht zum
grundsätzlichen Ausschluss derselben führen. Im konkreten Fall sind diesbezügliche Verdachtsmomente jedenfalls
nicht geäußert worden. Weiter kritisiert Dr. S, dass die Möglichkeiten einer anderen Versorgung durch den
anpassenden Hörgeräteakustiker S nicht ausreichend getestet worden seien. Zum einen ist dies jedoch nicht
feststellbar. Nach § 3 Nr. 1 des bereits genannten Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen erhält der
Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote mit analogen oder digitalen Hörgeräten
bestimmter Produktgruppen. Dies ist vorliegend ausweislich des Abschlussberichtes des Hörgeräteakustikers S vom
28. September 2006 unter Angabe der Hilfsmittel-Positionsnummern der zuzahlungsfreien Versorgungsvorschläge
auch erfolgt. Zum anderen kommt es hierauf jedoch bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht an. Fehlerhafte
Beratungen seitens eines Leistungserbringers oder eines Sozialversicherungsträgers vermögen nicht berechtigte
Ansprüche von Versicherten auszuschließen. § 14 des genannten Vertrages sieht dementsprechend bei einem
Pflichtverstoß auch lediglich Maßnahmen gegen den Leistungserbringer vor, während der sich aus dem Gesetz
ergebende Anspruch der Klägerin hierdurch nicht berührt wird. Es kommt im Ergebnis daher nicht darauf an, welche
Testungen erfolgt sind, sondern allein darauf, ob auf das letztlich beschaffte Geräte ein Anspruch bestand.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Beigeladene auch zur Leistung verurteilt, obwohl nach den §§ 9 Abs. 2 SGB und
13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI hinsichtlich der Art und Weise der Sachleistungserbringung Ermessen auszuüben gewesen
wäre. Das Ermessen war vorliegend jedoch auf die Erstattung des vollen Betrages für das von der Klägerin beschaffte
Gerät auf Null reduziert. Dies folgt vorliegend bereits aus den Feststellungen des vom Gericht erstinstanzlich
befragten Sachverständigen W, der zu dem Ergebnis kam, dass das beschaffte Gerät Savia 211 dAZ die einzig
mögliche Lösung im Hinblick auf den bei der Klägerin bestehenden Bedarf war. Einwände sind gegen diese
Feststellung nicht erhoben worden. Insbesondere haben weder die Beklagte noch die Beigeladene dargelegt, welche
günstigeren Geräte hier in Betracht gekommen sein sollten. Dahingestellt bleiben kann daher, ob die Verpflichtung zur
Übernahme der vollen Kosten trotz der Beratung der Klägerin durch den Hörgeräteakustiker schon daraus folgt, dass
die Beklagte die Klägerin vor ihrer Ablehnung des geltend gemachten Anspruches durch Bescheid nicht beraten hat.
Denn die Kosten einer aufwendigeren, über das Notwendige hinausgehenden Versorgung sind auch dann zu
übernehmen, wenn dem Versicherten durch eine im Verwaltungsverfahren zu Unrecht erfolgte Ablehnung seines
Anspruches durch den Rentenversicherungsträger die erforderliche sachgerechte Beratung, wie er seine Belastung
möglichst gering halten kann, vorenthalten worden ist (BSG, Urteil vom 21. August 2008, a. a. O., Rdnr. 26).
Offen bleiben für den vorliegend allein streitgegenständlichen Anspruch der Klägerin gegen den erstangegangenen
Träger konnte nach allem, ob unter Zugrundelegung der vom BSG in seinem Urteil vom 17. Dezember 2009
niedergelegten Grundsätze (Az.: B 3 KR 20/08 R, zitiert nach juris.de) die Beigeladene auch in der Sache über den
gewährten Festbetrag hinaus aufgrund der krankenversicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1
SGB V leistungspflichtig gewesen wäre. Die Ausführungen des Urteils beschränken sich zwar auf die Gruppe der
Schwersthörgeschädigten mit einem beidseitigen Hörverlust von nahezu 100 %, zu der die Klägerin aufgrund ihres
links noch bestehenden nur mittelgradig eingeschränkten Hörvermögens nicht gehören dürfte. Dies schließt allerdings
nicht aus, dass sich die Festbetragsregelung auch für die Gruppe, der die Klägerin aufgrund der bei ihr bestehenden
Einschränkungen zuzurechnen ist, als unzureichend für eine ausreichende Versorgung im Sinne dieser
Rechtsprechung erweist. Da der Anspruch der Klägerin aus den dargelegten Gründen bereits aufgrund der
rentenversicherungsrechtlichen Grundlagen gegeben war, kam es hierauf im Ergebnis für den vorliegenden
Rechtsstreit allerdings nicht mehr an.
Nach alledem war die Berufung der Beigeladenen daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG zuzulassen. Denn eine eindeutige Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts zur Reichweite des Anspruchs auf medizinische Rehabilitation durch die Hörgeräten nach §§ 9
ff SGB VI sieht der Senat nicht.