Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.10.2010
LSG Berlin und Brandenburg: aufenthalt im ausland, witwenrente, soziale sicherheit, versicherungsträger, avg, verlegung des wohnsitzes, kanada, freiwillige versicherung, europäisches recht
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 28.10.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 17 R 1890/07
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 22 R 331/10
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2010 geändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die weitere Gewährung von Witwenrente ab dem 01. Januar 2002.
Die 1903 geborene Klägerin ist die Witwe des 1903 geborenen und 1934 verstorbenen H G (Versicherter), mit dem sie
seit dem 05. März 1927 verheiratet war. Der Versicherte, der in der ehemaligen Provinz O des Staates P abhängig
beschäftigt war, entrichtete deswegen Beiträge zur Invalidenversicherung und zuletzt zur Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Auf ihren Antrag gewährte die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte der Klägerin mit Bescheid vom 06. März
1934 ab 01. Februar 1934 Witwenrente.
Nach ihrer Flucht im Januar 1945 aus O und der nachfolgenden Internierung in D wurde die Klägerin am 01.
September 1947 nach Deutschland abgeschoben, wo sie in H ihren Wohnsitz nahm. Auf ihren Antrag im November
1947 verfügte die Landesversicherungsanstalt Hessen die Anweisung der Auszahlung der Witwenrente ab 01.
September 1947. Nachfolgend wurde diese Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden
ebenfalls Beklagte genannt) weitergezahlt. Mit Bescheid vom 20. Dezember 1974 berechnete die Beklagte die Rente,
die unter Anerkennung des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit als Altersruhegeld gelte, ab 01. Januar
1973 neu.
Ab 01. März 1961 bezog die Klägerin außerdem eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (Bescheid der Beklagten vom
03. April 1963), die seit 01. Juli 1968 als Altersruhegeld gezahlt wurde (Bescheid der Beklagten vom 08. April 1968).
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1974 berechnete die Beklagte die Rente, die unter Anerkennung des Anspruchs auf
Rente wegen Berufsunfähigkeit als Altersruhegeld gelte, ab 01. Januar 1973 neu.
Nachdem die Klägerin im März 1963 mitgeteilt hatte, dass sie sich ab 15. April 1963 zu einem vorübergehenden
Aufenthalt bei ihren Kindern in Kaufhalten werde, stellte die Beklagte die beiden Renten zunächst zu Ende April 1963
ein. Jeweils unter dem 13. Juni 1963 gab sie der Klägerin bekannt, dass die Voraussetzungen für die Weiterzahlung
der Rente für die Dauer des Auslandsaufenthaltes gegeben seien, und zahlte die Renten in unveränderter Höhe weiter.
Im August 1964 kehrte die Klägerin nach Hessen zurück, worauf die Beklagte mit Ablauf des September 1964 erneut
die beiden Renten einstellte und gleichzeitig verfügte, dass vom Tage des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland
bzw. in das Land Berlin die Renten in der für den Inlandsaufenthalt maßgebenden Höhe gezahlt werden (Schreiben
vom 21. August 1964 und vom 12. September 1964). Die Rentenhöhen blieben wiederum unverändert.
Im August 1998 teilte die Klägerin mit, dass sie am 15. September 1998 ihren Wohnsitz von K nach K zu ihrer
Tochter verlegen werde, und bat um Überweisung ihrer Renten nach K. Die Beklagte stellte daraufhin mit Ablauf des
Monats September 1998 die Zahlung der Renten ein. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin an, ihr
verstorbener Ehemann sei seit 1920 beim Ostpreußenwerk zunächst in Fund ab 1929 in E angestellt gewesen.
Mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 verfügte die Beklagte: "Ihr Antrag auf Zahlung einer Rente wird abgelehnt, weil
keine Bundesgebiets-Beitragszeiten vorliegen (§ 113 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -)."
Zur weiteren Begründung ist ausgeführt, dass wegen des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes eine Rentenzahlung nur
bei Zurücklegung solcher Beitragszeiten in Betracht komme.
Mit weiterem Bescheid vom 05. Oktober 1998 hob die Beklagte den Bescheid vom 20. Dezember 1974 über die
Gewährung der Altersrente nach § 25 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) gemäß § 48 SGB X mit Wirkung
vom 01. November 1998 auf. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 SGB X lägen vor, weil aufgrund des
gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes der Anspruch auf eine Rentenzahlung nicht mehr gegeben sei. Eine
Rentenzahlung in das Ausland käme nur in Betracht, wenn Bundesgebiets- Beitragszeiten zurückgelegt worden wären
(§ 113 SGB VI). Der Rente lägen ausschließlich Beitragszeiten außerhalb des heutigen Bundesgebietes zugrunde.
Gegen beide Bescheide legte die Klägerin durch ihren Rentenberater und Rechtsbeistand als Bevollmächtigten am 02.
November 1998 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 30. Dezember 1998 hob die Beklagte den Rentenbescheid vom
20. Dezember 1974 mit Wirkung ab 01. Oktober 1998 auf.
Den nicht weiter begründeten Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. Oktober 1998 wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1999 zurück.
Nachdem sich die Klägerin bereits im Mai 1999 mit der Bitte an die Beklagte gewandt hatte, ihr wegen des Vorliegens
einer unbilligen Härte wenigstens eine ihrer Renten zu zahlen, und sich deren Tochter im August 1999 nach dem
Ergebnis deren Bitte erkundigt hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 19. August 1999 mit, dass nach Eingang
des Staatsangehörigkeitsnachweises geprüft werde, ob ggf. weiterhin ein Anspruch auf Kindererziehungsleistung
bestehe. Eine Rentenzahlung aufgrund Beitragszeiten, welche ausschließlich außerhalb des heutigen Bundesgebietes
entrichtet worden seien, könne nach Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland nicht gewährt werden. Mit Bescheiden
vom 05. Januar 2000 und 10. Januar 2000 bewilligte die Beklagte ab 01. Oktober 1998 eine Leistung für
Kindererziehung für zwei Kinder nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz. Daraufhin erklärte der Bevollmächtigte
der Klägerin den Widerspruch für erledigt.
Im Juli 2006 beantragten die jetzigen Prozessbevollmächtigten Überprüfung und Neufeststellung der "mit Bescheid
vom 02. Oktober 1998 mit Wirkung ab 01. Oktober 1998 entzogenen" Witwenrente. Es sei zwar unstreitig, dass seit
den 1992 geltenden Vorschriften eine Rente, die ausschließlich auf Reichsgebiets- oder FRG-Zeiten beruhe, nicht
mehr ins Ausland gezahlt werden könne. Soweit von den Auslandszahlungsvorschriften jedoch Personen betroffen
seien, die in den früheren Reichsgebieten Beiträge an die deutsche Rentenversicherung entrichtet hätten, führe dies
zu einer entschädigungslosen Enteignung und stelle mithin einen Eingriff in Eigentum dar.
Mit Bescheid vom 20. November 2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 02. Oktober 1998 ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. März 2007 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 13. März 2007 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie hat sich außerdem den gerichtlichen Hinweis an die Beklagte zu Eigen gemacht und bezweifelt, dass mit
Bescheid vom 02. Oktober 1998 der Bescheid über die Bewilligung der Witwenrente aufgehoben worden sei. Im
Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwischenzeitlich entschieden habe,
dass die Auslandszahlungsvorschriften gegen höherrangiges europäisches Recht verstießen. Diese Rechtsprechung
müsse bei einer verfassungskonformen Auslegung der Auslandszahlungsvorschriften berücksichtigt werden. Die
Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, der Bescheid vom 02. Oktober 1998 regele eindeutig die Nichtzahlung der
Witwenrente in das Ausland. Außerdem habe der Witwenrentenbescheid nur einen Rentenanspruch für einen
Inlandsaufenthalt gewährt. Da wegen Nichtzahlung der Witwenrente keinerlei Anlass einer Neubestimmung der
Rentenhöhe bestanden habe, sei es nicht zwingend gewesen, das Rentenstammrecht bei Inlandsaufenthalt
anzutasten. Letztendlich komme es darauf aber nicht an, denn mit Bescheid vom 19. August 1999 sei der
Witwenrentenbescheid aufgehoben worden, denn dieser Bescheid habe über einen Überprüfungsantrag der Klägerin
entschieden. Nach Ziffer 4 des Schlussprotokolls zu Art. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und K über soziale Sicherheit würden für Berechtigte in K uneingeschränkt die innerstaatlichen
deutschen Auslandsrentenvorschriften gelten.
Mit Urteil vom 19. März 2010 hat das Sozialgericht – im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung –
den Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 02. Oktober 1998 aufzuheben und der Klägerin Witwenrente ab dem
01. Januar 2002 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen
Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 02. Oktober 1998 und auf Zahlung der ihr mit Bescheid vom 06. März
1934 gewährten Witwenrente ab dem 01. Januar 2002 aus § 44 Abs. 1 SGB X. Mit dem bestandskräftigen Bescheid
vom 02. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 habe die Beklagte den Antrag
der Klägerin auf Zahlung der Rente nach K, deren Auszahlung bereits zuvor eingestellt worden sei, abgelehnt. Hierin
erschöpfe sich der Regelungsgehalt dieses Bescheides. Insbesondere könne weder aus dem Verfügungssatz noch
aus dem nachfolgend zur Begründung Angeführten aus der maßgeblichen Perspektive des verobjektivierten
Empfängerhorizontes mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass die Beklagte den Erklärungswillen
gehabt habe, hiermit (auch) den Bescheid vom 06. März 1934 (in der Fassung des Bescheides vom 21. August 1964)
im Hinblick auf die Rentenhöhe gemäß § 48 SGB X teilweise aufzuheben (Hinweis auf Bundessozialgericht – BSG - ,
Urteil vom 29. Juli 1997 – 4 RA 65/95). Insbesondere werde nicht mit hinreichender Deutlichkeit Bezug genommen auf
die zuvor genannten Witwenrentenbescheide bzw. die dort geregelte Höhe der Witwenrente und/oder hinreichend
deutlich gemacht, dass (erst) hiermit ein Entzug der gewährten Witwenrente der Höhe nach erfolgen solle. Etwas
anderes ergebe sich auch nicht in Zusammenschau mit den im eigenen Rentenverfahren ergangenen Bescheiden vom
05. Oktober 1998 und 30. Dezember 1998. Vielmehr zeige die dort getroffene ausdrückliche Regelung bezüglich der
Aufhebung des Altersruhegeldbescheides nach § 48 SGB X, dass die Beklagte, sofern sie eine solche Regelung habe
treffen mögen, dies auch entsprechend deutlich zum Ausdruck bringe. Sofern die Klägerin den Bescheid vom 02.
Oktober 1998 tatsächlich so verstanden haben sollte, dass hiermit die Witwenrente "entzogen" bzw. "aufgehoben"
worden sei, führe dies nicht dazu, dass dem Bescheid vom 02. Oktober 1998 nunmehr ein – aus der maßgeblichen
Perspektive des verobjektivierten Empfängerhorizontes nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbarer –
Erklärungswille auf Aufhebung des Witwenrentenbescheides im Hinblick auf die Rentenhöhe zukomme. Bei Erlass
des Bescheides vom 02. Oktober 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 sei das Recht
unrichtig angewandt worden, denn die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Zahlung der
Witwenrente gehabt, der aus dem Witwenrentenbescheid vom 06. März 1934 folge. Die gewährte Witwenrente habe
nicht unter der auflösenden Bedingung eines Auslandsverzugs der Klägerin gestanden. Dies könne insbesondere nicht
dem Bescheid vom 21. August 1964 entnommen werden. Dieser Witwenrentenbescheid sei auch nicht nachfolgend
aufgehoben worden. So sei, anders als die Beklagte meine, auch mit dem Schreiben vom 19. August 1999 eine
solche Regelung nicht getroffen worden. Vielmehr sei mit diesem Schreiben lediglich ein rechtlicher Hinweis in dem zu
diesem Zeitpunkt noch laufenden Widerspruchsverfahren gegen die ausschließlich ihr Altersruhegeld betreffenden
Aufhebungsbescheide vom 05. Oktober 1998 und 30. Dezember 1998 erfolgt. Es bedürfe in den Fällen der
vorliegenden Art auch grundsätzlich einer abändernden Regelung im Sinne von § 48 SGB X, unabhängig davon, ob
dies nach den §§ 110 Abs. 2, 113 ff. SGB VI zu einer Verringerung der persönlichen Entgeltpunkte oder, wie
vorliegend, dazu führe, dass mangels weiterer zu berücksichtigender Zeiten, zu denen Reichsgebietszeiten für eine
abhängige Beschäftigung (§ 271 SGB VI) nicht gehörten, keine persönlichen Entgeltpunkte bei der Ermittlung der
Höhe der Witwenrente zu berücksichtigen seien. Die genannten Regelungen stellten auch kein so genanntes
selbstvollziehendes Gesetz dar, das bei einem Auslandsverzug automatisch zu einer entsprechenden Herabsetzung
der zu berücksichtigenden Entgeltpunkte führen würde. Wegen § 44 Abs. 4 SGB X habe die Klägerin jedoch einen
entsprechenden Zahlungsanspruch nicht bereits seit dem 01. Oktober 1998, sondern erst seit dem 01. Januar 2002.
Gegen das ihr am 24. März 2010 per Fax bekannt gegebene und am 26. März 2010 zugestellte Urteil richtet sich die
am 20. April 2010 eingelegte Berufung der Beklagten.
Sie ist der Ansicht, dass die Ablehnung des Antrages auf Zahlung einer Rente ins Ausland den Anforderungen an
einen wirksamen Aufhebungsbescheid genüge. Es sei daraus unzweifelhaft zu erkennen, dass eine Zahlung nicht
möglich sei. Weder die Benutzung des Begriffes Aufhebung noch die Benennung des aufzuhebenden Bescheides
seien nötig, da auf das objektive Verständnis eines durchschnittlichen Empfängers abzustellen sei. Die Nichtzahlung
sei verlautbart worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2010 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten () bzw. (), die Gegenstand der
Beratung und Entscheidung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dazu ihr Einverständnis erklärt
(§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat auf die Klage zu Unrecht den Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 02. Oktober
1998 aufzuheben und der Klägerin Witwenrente ab dem 01. Januar 2002 zu gewähren. Der Bescheid vom 20.
November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 ist rechtmäßig, denn der Bescheid
vom 02. Oktober 1998 ist nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen. Mit diesem Bescheid verfügte die
Beklagte vielmehr zutreffend, dass unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide Witwenrente
nicht mehr und damit auch nicht für die Zeit ab 01. Januar 2002 zu gewähren ist. Wegen der Verlegung des
gewöhnlichen Aufenthalts nach Kanada sind bei der Witwenrente keine rentenrechtlichen Zeiten mehr anrechenbar,
aus denen persönliche Entgeltpunkte resultieren. Diese Rechtslage ist nicht verfassungswidrig.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das
Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und
soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Danach erweist sich der Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März
2007 als rechtmäßig, da der Bescheid vom 02. Oktober 1998 nicht zurückzunehmen ist, denn bei Erlass dieses
Bescheides wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen.
Der Bescheid vom 02. Oktober 1998 findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X: Soweit in den
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Diese Voraussetzungen lagen vor, denn wegen der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin nach
Kanada am 15. September 1998 sind rentenrechtliche Zeiten, aus den persönliche Entgeltpunkte ermittelt werden, bei
der Witwenrente nicht mehr anrechenbar.
Dies folgt aus § 110 Abs. 2, § 113 Abs. 1 SGB VI in den zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Fassungen des
Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1991, 1606) und des Gesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1996, 1078).
Diese Vorschriften sehen vor: Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten diese
Leistungen, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes
bestimmen (§ 110 Abs. 2 SGB VI).
Nach den allgemeinen Regelungen galt bzw. gilt für die Witwenrente der Klägerin Folgendes: Besteht am 01. Januar
1992 Anspruch auf eine Rente, werden dafür persönliche Entgeltpunkte ermittelt (Umwertung), indem der
Monatsbetrag der zu leistenden anpassungsfähigen Rente (einschließlich des Erhöhungsbetrages in eine
Halbwaisenrente) durch den aktuellen Rentenwert und den für die Rente zu diesem Zeitpunkt maßgebenden
Rentenartfaktor geteilt wird (§ 307 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn 1. die unter
Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der
aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI). Die
persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, indem die Summe aller
Entgeltpunkte für unter anderem 1. Beitragszeiten, 2. beitragsfreie Zeiten, 3. Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten
mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und u. a. bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs. 1 SGB VI).
Davon abweichend bestimmt § 113 Abs. 1 SGB VI jedoch, dass die persönlichen Entgeltpunkte von Berechtigten (mit
gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland) ermittelt werden, u. a. aus 1. Entgeltpunkten für Bundesgebiets-Beitragszeiten,
2. dem Leistungszuschlag für Bundesgebiets-Beitragszeiten. Bundesgebiets-Beitragszeiten sind nach dieser
Vorschrift Beitragszeiten, für die Beiträge nach Bundesrecht nach dem 08. Mai 1945 gezahlt worden sind, und die
diesen im Fünften Kapitel gleichgestellten Beitragszeiten.
Bei diesen den Bundesgebiets-Beitragszeiten im 5. Kapitel gleichgestellten Beitragszeiten handelt es sich um die in §
247 Abs. 1 und 2 SGB VI vom 01. Januar 1984 bis 31. Dezember 1991, vom 01. Juli 1978 bis 31. Dezember 1982
und vom 01. Oktober 1974 bis 31. Dezember 1983 wegen dort genannter Tatbestände zurückgelegten Beitragszeiten.
Diese Bundesgebiets-Beitragszeiten sind somit von den Beitragszeiten nach § 247 Abs. 3 SGB VI abzugrenzen, für
die nach den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt
worden sind und die nach den allgemeinen Regelungen grundsätzlich (wegen Besonderheiten für Zeiten vor dem 01.
Januar 1924: § 247 Abs. 3 Satz 2 SGB VI) nach dem Grundsatz des § 228 SGB VI, wonach die Vorschriften dieses
Abschnitts (§§ 228 bis 299 SGB VI) die Vorschriften der vorangegangenen Kapitel (Erstes bis Viertes Kapitel) für
Sachverhalte ergänzen, die von dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Vorschriften der vorangegangenen Kapitel (am
01. Januar 1992) an nicht mehr oder nur noch übergangsweise eintreten können, bei der Ermittlung der persönlichen
Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. § 254 d Abs. 1 2. Alternative SGB VI definiert Reichsgebiets-Beitragszeiten
als Zeiten im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Die bis 1934 entrichteten Beiträge sind keine Bundesgebiets-Beitragszeiten, denn sie wurden nicht nach Bundesrecht
gezahlt.
Die bis 1934 entrichteten Beiträge gelten auch nicht nach § 271 SGB VI in der maßgebenden Fassung des Gesetzes
vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1991, 1606) als Bundesgebiets-Beitragszeiten.
Nach dieser Vorschrift (im Neunten Unterabschnitt – Leistungen an Berechtigte im Ausland und Auszahlung – des
Fünften Kapitels) sind Bundesgebiets-Beitragszeiten auch Zeiten, für die nach den vor dem 09. Mai 1945 geltenden
Reichsversicherungsgesetzen 1. Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Inland oder 2.
freiwillige Beiträge für die Zeit des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland oder außerhalb des jeweiligen
Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze gezahlt worden sind. Kindererziehungszeiten sind Bundesgebiets-
Beitragszeiten, wenn die Erziehung des Kindes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist.
Unter dem Begriff "im Inland" ist nicht der jeweilige Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, sondern allein
das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zu verstehen. Pflichtbeiträge sind im Inland gezahlt, wenn sie
auf einer Beitragszahlung für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in diesem Gebiet beruhen. Der
Beschäftigungsort oder der Ort der selbständigen Tätigkeit bestimmt mithin die Zuordnung der Pflichtbeiträge.
Pflichtbeiträge, die zwar nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung oder Tätigkeit im Gebiet des
damaligen Deutschen Reichs, aber außerhalb des Gebiets der heutigen Bundesrepublik Deutschland gezahlt wurden,
sind daher keine (fiktiven) Bundesgebiets-Beitragszeiten. Es handelt sich nach der Definition in § 254 d Abs. 1 SGB
VI um Reichsgebiets-Beitragszeiten (Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 65.
Ergänzungslieferung 2010, SGB VI, § 271 Rdnrn. 3 und 4; Löns in Kreikebohm, SGB VI, 3. Auflage 2008, SGB VI, §
271 Rdnr. 3).
Die Voraussetzungen des § 272 Abs. 1 SGB VI in der maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl
I 1991, 1606), wonach zusätzlich Entgeltpunkte aus Reichsgebiets-Beitragszeiten (§ 272 Abs. 3 Satz 1 SGB VI)
ermittelt werden, liegen ebenfalls nicht vor, denn dies betrifft lediglich berechtigte Deutsche, die vor dem 19. Mai 1950
geboren sind und vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben.
Die Klägerin hat nicht vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Kanada genommen.
Nach § 110 Abs. 3 SGB VI sind die Vorschriften dieses Abschnitts, also auch § 110 Abs. 2, § 113 Abs. 1 SGB VI,
allerdings nur anzuwenden, soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist.
Nach über- oder zwischenstaatlichem Recht ist nichts anderes geregelt.
Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit
auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern – VO
1408/71 – ist nicht anwendbar. Nach Art. 2 Abs. 1 VO 1408/71 gilt diese Verordnung für Arbeitnehmer und
Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie
Staatsanghörige eines Mitgliedsstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats
wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Sie gilt ferner nach Art. 2 Abs. 2 VO 1408/71 für
Hinterbliebene von Arbeitnehmern oder Selbständigen, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer
Mitgliedsstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Arbeitnehmer oder
Selbständigen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates sind oder als Staatenlose oder
Flüchtlinge im Gebiet eine Mitgliedsstaates wohnen.
Kanada war und ist kein Mitgliedsstaat der EWG (Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) oder der Europäischen
Gemeinschaft (EG).
Es ist daher ohne Belang, dass der EuGH im Urteil vom 18. Dezember 2007 – C 396/05 und C-419/05, zitiert nach
juris, entschieden hat, dass die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C (Deutschland) Nr. 1 der VO 1408/71, wonach
Art. 10 VO 1408/71 nicht die Rechtsvorschriften berührt, nach denen aus Zeiten, die außerhalb des Gebiets der
Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden, mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42
EG-Vertrag unvereinbar sind, soweit sie es zulassen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren
Beitragszeiten, die in der Zeit von 1937 bis 1945 in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des
Deutschen Reichs zurückgelegt wurden, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland liegen, nur dann
für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz in diesem
Mitgliedsstaat hat.
Maßgebend ist das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über soziale Sicherheit vom
14. November 1985 - DK-SVA - nebst Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und Kanada über soziale Sicherheit -Schlussprotokoll DK-SVA - (BGBl II 1988, 28), in Kraft getreten am 01. April
1988 (BGBl II 1988, 625). Nach Art. 5 DK-SVA gelten, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, die
Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaats, nach denen Ansprüche auf Geldleistungen oder die Zahlung von
Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaats, nach denen Ansprüche auf Geldleistungen oder die Zahlung von
Geldleistungen vom Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates abhängen, nicht für die in Art. 3 Buchstaben
a bis d DK-SVA genannten Personen (also insbesondere für die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates), die sich
gewöhnlich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Dazu bestimmt jedoch Ziffer 4 Buchstabe b
Schlussprotokoll DK-SVA, dass die deutschen Rechtsvorschriften über Geldleistungen aus Versicherungszeiten, die
nicht nach Bundesrecht zurückgelegt sind, nicht berührt werden.
Damit sind bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Kanada die §§ 110 Abs. 2 und § 113 Abs. 1 SGB
VI anwendbar.
Mit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin nach Kanada am 15. September 1998 trat mithin in den
tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung ein, denn wäre ab diesem Zeitpunkt erstmalig über den
Witwenrentenanspruch zu entscheiden gewesen, hätte ein monatlicher Zahlungsanspruch mangels zu
berücksichtigender rentenrechtlicher Zeiten nicht mehr festgesetzt werden dürfen.
Angesichts dessen war die Beklagte berechtigt, unter Änderung des entgegenstehenden Bescheides zu verfügen,
dass kein Zahlungsanspruch mehr besteht.
Mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 erließ die Beklagte den entsprechenden Verwaltungsakt. Indem sie die Regelung
traf, "ihr Antrag auf Zahlung einer Rente wird abgelehnt", bestimmte sie, dass die Witwenrente nicht (mehr) zu zahlen
ist; damit änderte sie zugleich ihren Bescheid vom 21. August 1964 insoweit konkludent ab.
Eine Aufhebung oder Änderung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch
einen konkludenten, hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Eine Verfügung ist hinreichend deutlich, wenn
aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften für einen verständigen, objektiven Empfänger klar erkennbar zum
Ausdruck kommt, dass an dem bisherigen Verwaltungsakt nicht mehr festgehalten wird. Dies gilt insbesondere, wenn
für einen solchen Erklärungsempfänger der Verwaltungsakt unzweifelhaft ist, der Grundlage der bewilligten Leistung
ist und der somit aufgehoben bzw. geändert wird (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000, B 5 RJ 42/99 R, zitiert nach
juris; BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 32/98 R, zitiert nach juris; jeweils in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom
16. Dezember 1997 – 4 RA 56/96, zitiert nach juris, und BSG, Urteil vom 29. April 1997, 4 RA 25/96, zitiert nach
juris). Auch mit der (bloßen) Ablehnung einer Leistung wird noch hinreichend bestimmt geregelt, dass die
vorangegangene Leistungsbewilligung durch den dies verfügenden Verwaltungsakt nicht mehr aufrechterhalten wird
(BSG, Urteil vom 08. Oktober 1998 – B 10 LW 3/97 R, abgedruckt in SozR 3-5868 § 32 Nr. 2). Eine reine
Zahlungseinstellung der bisherigen Leistung, die gegenüber dem Berechtigten nicht bekanntgegeben wird, hat
hingegen nicht die Wirkung, dass ein durch Verwaltungsakt zuerkannter Leistungsanspruch beseitigt wird. Kommt
jedoch eine Verlautbarung des Leistungsträgers gegenüber dem Berechtigten hinzu, auch wenn diese nicht in dem für
Verwaltungsakte üblichen Stil, also insbesondere unter der Bezeichnung Bescheid und mit Rechtsbehelfsbelehrung,
abgefasst ist, aber jedenfalls noch erkennen lässt, dass die Zahlungseinstellung als faktische Gestaltung der
Leistungsbeziehung bestätigt wird, ist dies ausreichend, um daraus als Verfügung zu entnehmen, dass ab
Bekanntgabe dieser Verlautbarung unter Aufhebung oder Änderung des die Leistung bewilligenden Bescheides
nunmehr keine Zahlung mehr erbracht wird (BSG, Urteil vom 18. September 1996 – 5/4 RA 27/94, zitiert nach juris;
vgl. für den umgekehrten Fall der Auszahlung einer Leistung nebst entsprechender Mitteilung: BSG, Urteil vom 29.
Oktober 1992 – 10 RKg 4/92, abgedruckt in SozR 3-1300 § 50 Nr. 13). Aus dem vom Sozialgericht genannten Urteil
des BSG vom 29. Juli 1997 – 4 RA 65/95, zitiert nach juris, folgt nichts anderes; vielmehr wird darin bestätigt, dass in
der Nichtauszahlung einer Leistung nicht die Aufhebung bzw. Änderung des sie bewilligenden Verwaltungsaktes zu
erblicken ist, wenn "nicht einmal andeutungsweise eine Verfügung" ersichtlich ist, wonach diese Leistung wegfallen
soll.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist aus der Sicht eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers
die Regelung im Bescheid vom 02. Oktober 1998, dass der Antrag auf Zahlung einer Rente abgelehnt wird,
hinreichend klar dahingehend auszulegen, dass die der Klägerin bisher gewährte Witwenrente unter Änderung des
Bescheides vom 21. August 1964 zukünftig nicht mehr weitergezahlt wird. In diesem Sinne hat die Klägerin diesen
Bescheid auch tatsächlich verstanden, denn sie selbst bat im Mai 1999 die Beklagte, ihr wenigstens eine ihrer beiden
Renten zu zahlen. Das gleiche trifft für ihren damaligen Bevollmächtigten wie ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten
zu. Letztere beantragten im Juli 2006 nämlich die Neufeststellung der mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 " mit
Wirkung ab 01.Oktober 1998 entzogenen" Witwenrente. Damit bestehen über den Inhalt des Bescheides vom 02.
Oktober 1998 nicht einmal unterschiedliche Ansichten aus der Sicht eines verständigen, objektiven
Erklärungsempfängers und aus der subjektiven Sicht der Klägerin und deren (Prozess)bevollmächtigten.
Die dem Bescheid vom 02. Oktober 1998 zugrunde liegenden Vorschriften des § 110 Abs. 2 i. V. m. § 113 Abs. 1
SGB VI sind nicht verfassungswidrig.
Insbesondere wird dadurch nicht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG), also das Eigentum, verletzt.
Der Bestandsgarantie dieser Vorschrift unterfallen, soweit es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche und
Anwartschaften handelt, nur diejenigen Rechtspositionen, die gegenüber einem Träger der auf dem Grundgesetz
beruhenden Staatsgewalt begründet wurden. Gegenstand der Eigentumsgarantie sind damit nur die vom Gesetzgeber
der Bundesrepublik Deutschland begründeten Rechte (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 22.
Oktober 1985 – 1 BvL 2/82, abgedruckt in BVerfGE 71, 66; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1980 – 1 BvR
195/77, abgedruckt in BVerfGE 53, 164 = SozR 2200 § 1318 Nr. 5). Den Schutz der Eigentumsgarantie genießen
auch Ansprüche auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (grundlegend BVerfG, Urteil vom
28. Februar 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., abgedruckt in BVerfGE 53, 257). Davon erfasst sind jedoch nicht Ansprüche
von Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Versorgung ihrer Hinterbliebenen (BVerfG, Beschluss
vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318/86 und 1 BvR 1484/86, abgedruckt in BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr.
1). Unabhängig davon unterliegen Ansprüche, die an nach reichsgesetzlichen Vorschriften entrichtete Beiträge
anknüpfen, nicht dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Wie das BVerfG im Beschluss vom 26. Februar 1980 – 1 BvR 195/77 entschieden hat, können die Regelungen (des
Fremdrentengesetzes), soweit sie vormals nach reichsgesetzlichen Vorschriften versicherten Deutschen keine
Ansprüche gegenüber Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland (oder des Landes Berlin) einräumen,
deswegen nicht an Art. 14 GG gemessen werden, weil es sich um Normen handelt, die der Bewältigung
außergewöhnlicher Probleme dienten, die ihren Ursprung in historischen Vorgängen aus der Zeit vor der Entstehung
der Bundesrepublik Deutschland hatten. Das GG hat den Ausgleich der politischen und wirtschaftlichen Lasten, die
aus dem Krieg und dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches herrührten, weitgehend der eigenverantwortlichen
Gestaltung des Gesetzgebers überlassen. Gegenstand der Eigentumsgarantie können daher erst die vom
Gesetzgeber neu begründeten Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland oder deren Rechtsträger sein. Die
im weiteren Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00 u. a. (abgedruckt in 116,96 = SozR 4-5050 § 22
Nr. 5) genannte Erwägung – dort allerdings bezogen auf FRG-Zeiten außerhalb der Geltung der ehemaligen
Reichsversicherungsgesetze - , dass es an den insoweit begründeten Rechten am Erfordernis der an einen
Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung fehlt, trifft auch für die
Reichsgebiets-Beitragszeiten zu. Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere
Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren rentenversicherungsrechtliche Anwartschaften den
Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, liegt ebenfalls nicht vor.
Diese Vorschrift verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Das Gleichheitsgebot ist erst dann verletzt,
wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne hinreichend
gewichtigen Grund anders behandelt.
Ein solcher hinreichender Grund dafür, dass eine Witwenrente aus Bundesgebiets-Beitragszeiten ins Ausland gewährt
bzw. gezahlt wird, aber eine Witwenrente aus Reichsgebiets-Beitragszeiten nicht, liegt vor. Es handelt sich dabei um
die bereits genannten Gesichtspunkte, dass einerseits dem Gesetzgeber zur Bereinigung der beim Zusammenbruch
des Deutschen Reiches vorhandenen Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand und zur Beseitigung sonstiger
Kriegsfolgelasten eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1980
– 1 BvR 195/77; Beschluss vom 07. Oktober 1980 – 1 BvR 785/76, abgedruckt in SozR 2200 § 1317 Nr. 8; BSG,
Beschluss vom 13. Juni 1989 – 1 BA 63/89, zitiert nach juris) und dass andererseits Beitragszeiten, für die keine
Beiträge an einen Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland gezahlt wurden, aufgrund dessen
bereits qualitativ andere Beitragszeiten als solche sind, für die Beiträge an diesen Rentenversicherungsträger gezahlt
wurden.
Schließlich wird auch nicht die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem rechtsstaatlichen
Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt.
Dies folgt daraus, dass die Klägerin zwar zunächst – wie die nachfolgend dargestellte Rechtsentwicklung deutlich
macht - darauf vertrauen konnte, bei Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland ihre Witwenrente weiterhin
zu erhalten. Dieses Vertrauen wurde jedoch zum Ablauf des 18. Mai 1990, für einen kleinen Kreis von Berechtigten,
zu dem die Klägerin nicht gehört, zum Ablauf des 31. Dezember 1990, in nicht verfassungswidriger Weise beseitigt.
§ 113 Abs. 1 SGB VI geht auf Art. 23 § 4 Satz 1 Gesetz zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer
Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen
Demokratischen Republik vom 25. Juni 1990 (BGBl II 1990, 518) – Staatsvertragsgesetz – zurück, wonach
berechtigte Deutsche, die nach dem 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben, die
Rente erhalten, die sich ohne die nach dem Fremdrentenrecht berücksichtigten und ohne die nach den
Reichsversicherungsgesetzen außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zurückgelegten Versicherungszeiten
ergibt. Aus Vertrauensschutzgründen galt dies nach Art. 23 § 4 Satz 2 Staatsvertragsgesetz nicht für Bezieher von
Renten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes bis zum 18. Mai 1990 genommen
haben und bis zum 31. Dezember 1990 ins Ausland verlegen. Für letztgenannten Personenkreis war das bisherige
Recht daher vorübergehend weiter anzuwenden, also insbesondere § 98 Abs. 1 AVG und § 1319 Abs. 1
Reichsversicherungsordnung (RVO).
Nach diesen (wörtlich identischen) Vorschriften erhielt ein berechtigter Deutscher die Rente für die außerhalb des
Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Beitragszeiten und für die
nach dem Fremdrentengesetz gleichgestellten Beitragszeiten in demselben Umfang wie für die im Geltungsbereich
dieses Gesetzes zurückgelegten Beitragszeiten, wenn mindestens 60 Beitragsmonate im Geltungsbereich dieses
Gesetzes zurückgelegt waren oder diese Beitragsmonate überwogen.
An diese Rechtslage knüpft § 272 SGB VI an, soweit er aus Vertrauensschutzgründen bestimmt, dass persönliche
Entgeltpunkte von berechtigten Deutschen, die vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland
genommen haben, Entgeltpunkte auch für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI)
und für Reichsgebiets-Beitragszeiten (§ 272 Abs. 3 Satz 1 SGB VI), begrenzt auf die Höhe der Entgeltpunkte für
Bundesgebiets-Beitragszeiten (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) erhält.
Demgegenüber war das im vor dem In-Kraft-Treten des SGB VI am 01. Januar 1992 vorgesehene so genannte
Rentnerprivileg nach § 98 Abs. 2 AVG und § 1319 Abs. 2 RVO bereits durch Art. 23 § 4 Staatsvertragsgesetz
beseitigt worden (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, a.a.O., SGB VI, § 272 Rdnr. 2).
Diese (wörtlich identischen) Vorschriften sahen vor: Ein berechtigter Deutscher erhält die Rente für die außerhalb des
Geltungsbereiches dieses Gesetzes nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Beitragszeiten und für
die nach dem Fremdrentengesetz gleichgestellten Beitragszeiten in vollem Umfang, wenn auf die Rente bereits für die
Zeit, in der der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch im Geltungsbereich dieses Gesetzes gehabt hat, ein
Anspruch bestanden hat. Ein deutscher Hinterbliebener eines Versicherten, der bis zu seinem Tod die Rente nach §
98 Abs. 2 Satz 1 AVG bzw. § 1319 Abs. 2 Satz 1 RVO bezogen hat, erhält bei der Hinterbliebenenrente die
Beitragszeiten in demselben Umfang wie der verstorbene Versicherte angerechnet.
Diese Regelungen des AVG und der RVO galten seit dem 01. Juni 1979 aufgrund Art 2 Nr. 32, Art 3 Nr. 8, Art 20 Abs.
2 Nr. 2 des Gesetzes vom 01. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1205). Die bisherigen Regelungen wurden mit Wirkung
zu diesem Zeitpunkt durch dieses Gesetz ersetzt.
Die bis dahin seit dem In-Kraft-Treten des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes – FANG – vom
25. Februar 1960 (BGBl I 1960, 93) am 01. Januar 1959 (Art. 7 § 3 Abs. 1 Satz 1 FANG) maßgebende Rechtslage
sah folgendes vor:
Soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt, ruht auch die Rente eines Deutschen im Sinne
des Art. 116 Abs. 1 des GG oder eines früheren deutschen Staatsangehörigen im Sinne des Art. 116 Abs. 2 Satz 1
GG, solange er sich außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält (§ 96 AVG, § 1317 RVO).
Soweit die Rente auf die im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegten Versicherungsjahre entfällt, wird sie
auch für Zeiten des Aufenthalts im Ausland gezahlt (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AVG, § 1318 Abs. 1 Satz 1 RVO).
Für Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland wird die Rente insoweit gezahlt, als sie nicht auf Zeiten einer
Beschäftigung nach § 16 des Fremdrentengesetzes und aufgrund dieser Beschäftigung anrechenbare Ersatz- und
Ausfallzeiten entfällt. Voraussetzung hierfür ist, dass a) der Versicherte die anzurechnenden Beitragszeiten
überwiegend im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt hat oder b) die Rente von einem Versicherungsträger,
der die Versicherung im Geltungsbereich dieses Gesetzes durchführt, für Zeiten, in denen sich der Berechtigte in
diesem Gebiet gewöhnlich aufgehalten hat, festgestellt ist oder festgestellt wird; hat der Versicherte aufgrund dieser
Vorschrift bis zu seinem Tod Rente bezogen, so gelten die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die
Hinterbliebenenrente als erfüllt (§ 98 Abs. 2 AVG, § 1319 Abs. 2 RVO). Sind mindestens 60 Beitragsmonate im
Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt, ohne dass die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 2 erfüllt sind, so ist
für Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland Abs. 2 Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass
Beitragszeiten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in dem Umfang berücksichtigt werden, in dem
Beitragszeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt sind (§ 98 Abs. 3 AVG, § 1319 Abs. 3 RVO).
Beitragszeiten sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt, wenn sie auf einer Beitragsleistung für eine
Beschäftigung in diesem Gebiet beruhen (§ 102 Abs. 1 Satz 1 AVG, § 1323 Abs. 1 Satz 1 RVO). Demgegenüber sind
Zeiten einer Beschäftigung nach § 16 des Fremdrentengesetzes solche Zeiten, in denen eine nach vollendetem 16.
Lebensjahr vor der Vertreibung in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz genannten ausländischen
Gebieten oder nach dem 08. Mai 1945 in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten verrichtete
Beschäftigung ausgeübt wurde (§ 16 Satz 1 FRG).
Mit dem FANG wurde das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 07. August 1953 (BGBl I 1953, 848) – FAG -,
im Wesentlichen in Kraft getreten am 01. April 1952 (§ 20 Abs. 1 FAG), abgelöst, das Folgendes bestimmte:
In den Rentenversicherungen werden die bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 1
Abs. 2 FAG zurückgelegten oder von ihm zu berücksichtigenden Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) für
Wartezeit und Anwartschaft, für die Rentenberechnung und das Recht auf freiwillige Versicherung wie die in den
Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegen Versicherungszeiten angerechnet (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FAG).
Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegen Versicherungszeiten angerechnet (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FAG).
Als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung definiert § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 FAG den nicht mehr bestehenden,
stillgelegten oder außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger,
wonach als deutsche Versicherungsträger alle Versicherungsträger gelten, die ihren Sitz innerhalb des Gebiets des
Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 haben oder hatten (§ 1 Abs. 7 erste und zweite
Alternative FAG). Ist die Leistung nach Reichsrecht festgestellt worden, so wird sie ohne Rücksicht auf u. a. § 4 Abs.
1 Satz 1 FAG gewährt. Diese Leistung gilt als Leistung im Sinne dieses Gesetzes (§ 4 Abs. 4 Sätze 3 und 4 FAG).
Die Leistungen nach § 1 Abs. 1 FAG ruhen, unbeschadet der Vorschriften des Abschnitts II, solange sich der
Berechtigte freiwillig nicht nur vorübergehend außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin aufhält (§ 1 Abs. 4
Satz 1 FAG). Abschnitt II § 8 Abs. 1 Nr. 2 FAG lautet: Unbeschadet anderweitiger Regelungen durch
zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen oder internationale Übereinkommen auf dem Gebiet der
Sozialversicherung, soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind, haben Personen, die sich im
Gebiet eines auswärtigen Staates aufhalten und in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach Reichsrecht,
Bundesrecht oder dem Recht des Landes Berlin versichert waren, sowie die sich dort aufhaltenden Hinterbliebenen
solcher Versicherten unter entsprechender Anwendung der §§ 2 bis 6 FAG und bei Erfüllung der nachstehenden
Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen gegen den zuständigen Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im
Land Berlin in den Rentenversicherungen a) aus Versicherungszeiten, die im Bundesgebiet oder im Land Berlin
zurückgelegt worden sind; die Versicherungszeiten sind im Bundesgebiet und im Land Berlin zurückgelegt, wenn der
Versicherte seine Beiträge an einen Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin entrichtet hat; b) aus
Versicherungszeiten in den reichsgesetzlichen Rentenversicherungen, die außerhalb des Bundesgebiets und des
Landes Berlin zurückgelegt worden sind, oder aus Versicherungszeiten, die aus einer ausländischen Versicherung auf
die reichsgesetzliche Rentenversicherung übergegangen sind, soweit solche Zeiten nach § 4 FAG bei Berechtigten,
die sich im Bundesgebiet oder im Land Berlin aufhalten, zu berücksichtigen sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch,
dass aa) der Versicherte während der Zugehörigkeit zu den deutschen Rentenversicherungen zuletzt im Bundesgebiet
oder im Land Berlin pflichtversichert oder in diesen Gebieten überwiegend pflicht- oder freiwillig versichert war – Abs.
1 Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend – oder bb) die Versicherungszeiten in einer Leistung berücksichtigt sind oder
werden, die von einem Versicherungsträger mit dem Sitz im Bundesgebiet oder von dem für das Land Berlin
zuständigen Träger der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt worden ist oder wird.
Alle genannten Vorschriften unterscheiden nicht zwischen Reichsgebiets-Zeiten und FRG-Zeiten, soweit es um die
Zahlung einer Rente aus solchen Zeiten ins Ausland geht. Dies ist folgerichtig, denn in beiden Fällen kann der
Rentenversicherungsträger, an den Beiträge entrichtet wurden, nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die
Beiträge aus der Zeit vor dem 08. Mai 1945 sind nämlich nur dann zu einem Versicherungsträger im Bundesgebiet
oder im Land Berlin entrichtet worden, wenn der Versicherungsträger, an den die Beiträge gezahlt worden sind, mit
dem Versicherungsträger identisch ist, der jetzt im Bundesgebiet oder im Land Berlin seinen Sitz hat. Dies trifft weder
für die LVA Ostpreußen noch für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte zu, denn bei letztgenanntem
Versicherungsträger handelt es sich um einen stillgelegten Versicherungsträger nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 FAG,
mit dem die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht identisch ist (BSG, Urteile vom 29. Oktober
1956 – 1 RA 85/55, abgedruckt in SozR FRG § 8 Nr. 2 = BSGE 4, 84, und 1 RA 138/55, abgedruckt in SozR FRG § 1
Nr. 1). Somit begründete erst das FAG Leistungen auf die Ansprüche und Anwartschaften, die solche Personen aus
Beiträgen gegenüber nicht mehr bestehenden, stillgelegten oder außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin
befindlichen Versicherungsträgern erworben hatten. Bisherige Ansprüche gegenüber solchen Versicherungsträgern
waren untergegangen. Mithin bestimmte das FAG auch erstmals, ob und in welchem Umfang aus Beiträgen zu
solchen Versicherungsträgern Leistungen von einem Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin zu
gewähren sind (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1956 – 1 RA 138/55).
Die Klägerin erfüllte nach den o. g. Vorschriften, die vor der Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts nach Kanada
am 15. September 1998 galten, die Voraussetzungen zur Leistung einer Witwenrente aus den nach den
Reichsversicherungsgesetzen entrichteten Beiträgen des Versicherten ausschließlich wegen des sog.
Rentnerprivilegs.
Es liegen nämlich keine Versicherungszeiten vor, die im Bundesgebiet oder im Land Berlin zurückgelegt wurden. Der
Klägerin wurde auch keine Auslandsrente gewährt, bei denen Versicherungszeiten in den reichsgesetzlichen
Rentenversicherungen von einem Versicherungsträger mit Sitz im Bundesgebiet oder von dem für das Land Berlin
zuständigen Träger der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt wurden. Die Klägerin befand sich zwar bereits
früher einmal in Kanada, während die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 1964 eine Regelung über die Zahlung
ihrer Witwenrente traf. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine Verfügung, die eine Auslandsrente zum
Gegenstand hatte. Dies folgt sowohl aus dem Inhalt des Schreibens vom 21. August 1964, wonach die Witwenrente in
der für den Inlandsaufenthalt maßgebenden Höhe gezahlt wird, als auch aus der Tatsache, dass sich die Klägerin
lediglich vorübergehend in Kanada aufhielt. Ein nichtgewöhnlicher Aufenthalt im Ausland stand der Weitergewährung
bzw. Weiterzahlung der Witwenrente nach allen in Betracht kommenden Vorschriften (§ 1 Abs. 4 Satz 1 FAG, § 98
Abs. 1 AVG, § 1319 Abs. 1 RVO jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 25. Februar 1960, § 94 AVG, § 1315 RVO
jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 01. Dezember 1981) als so genannte Inlandsrente nie entgegen.
Bei der Klägerin lagen allerdings die Voraussetzungen vor, um in den Genuss des sog. Rentnerprivilegs nach § 98
Abs. 2 AVG und § 1319 Abs. 2 RVO in der Fassung des Gesetzes vom 01. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1205), §
98 Abs. 2 Buchstabe b AVG, § 1319 Abs. 2 Buchstabe b RVO in der Fassung des Gesetzes vom 25. Februar 1960
(BGBl I 1960, 93) und nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, bb FAG zu kommen. Erforderlich war, dass vor der
Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland für den Berechtigten die Rente festgesetzt war oder wurde bzw.
ein Anspruch auf diese Rente bestand (zur insoweit zum 01. Juni 1979 eingetretenen Modifizierung des sog.
Rentnerprivilegs: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band IV, 70. Nachtrag – September 1988, S. 719 n,
die vorliegend nicht wesentlich ist, da die Witwenrente der Klägerin ohnehin schon festgesetzt war; BSG, Beschluss
vom 13.06.1989 – 1 BA 63/89, zitiert nach juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 02. August 1989 – 1 RA 101/88,
abgedruckt in SozR 2200 § 1321 Nr. 17), denn Hinterbliebene konnten ein eigenständiges Rentnerprivileg besitzen
(vgl. Brackmann, a. a. O., S. 719 n, m. w. N.), das neben dem vom Versicherten abgeleiteten diesem eingeräumten
Rentnerprivileg existierte (zu den Voraussetzungen: BSG, Urteil vom 27. November 1979 – 5 RKn 29/77, abgedruckt
in SozR 2200 § 1319 Nr. 3).
In dieses Rentnerprivileg wurde zum Ablauf des 18. Mai 1990 mit dessen Abschaffung eingegriffen. Dies geschah
jedoch nicht in verfassungswidriger Weise.
Aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen auch bei der
sog. unechten – retrospektiven - Rückwirkung (BVerfG, Entscheidung vom 31. Mai 1960 - 2 BvL 4/59, abgedruckt in
BVerfGE 11, 139), d.h. für Normen, die zwar unmittelbar nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte für die Zukunft einwirken, damit aber zugleich die gegenwärtige Rechtsposition nachträglich berühren.
Für den Bürger bedeutet Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz (BVerfG, Entscheidung vom 19. Dezember
1961 - 2 BvL 6/59, abgedruckt in BVerfGE 13, 261; BVerfG, Entscheidung vom 14. November 1961 - 2 BvR 345/60,
abgedruckt in BVerfGE 13, 215). Dennoch bildet eine Vertrauensverletzung allein keine ausreichende Basis für die
Feststellung einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Der Staatsbürger kann sich auf Vertrauensschutz als
Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten
gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Hierfür
ist einerseits das Ausmaß des Vertrauensschadens, andererseits die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für
das Wohl der Allgemeinheit maßgeblich. Sie sind gegeneinander abzuwägen (BVerfG, Entscheidung vom 11. Oktober
1962 - 1 BvL 22/57, abgedruckt in BVerfGE 14, 288 = SozR Nr. 9 zu Art 14 GG). Dem Umstand, dass "ein
Fremdkörper aus dem Sozialversicherungssystem entfernt" wird, kommt dabei eine nicht unwesentliche Bedeutung zu
(BVerfG, Entscheidung vom 11. Oktober 1962 - 1 BvL 22/57; BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 - 2 BvL 1/65,
abgedruckt in BVerfGE 22, 241). Der Senat erachtet diese Bezeichnungsweise zwar als unpassend, folgt aber der
zugrunde liegenden Rechtsauffassung.
Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung wurde zwar das Vertrauen in die bisherige Rechtslage, die Witwenrente der
Klägerin auch ins Ausland gezahlt zu erhalten, mit der Beseitigung des sog. Rentnerprivilegs zum 18. Mai 1990
insoweit berührt, als bei einer zukünftigen Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland Reichsgebiets-
Beitragszeiten nicht mehr zu berücksichtigen waren. Es wurde damit eine dem Grundsatz des Auslandsrentenrechts
widersprechende begünstigende Sonderregelung abgeschafft. Wegen dieses Charakters als Sonderreglung konnte
aber der Vertrauensschutz der Berechtigten wie der Klägerin ohnehin nicht so stark ausgeprägt sein, dass mit dem
unveränderten Bestand gerechnet werden durfte. Wenn sich der Gesetzgeber mithin entschließt, einen solchen
"Fremdkörper zu beseitigen" und damit die gegenwärtigen Beitragszahler zu entlasten, weil es nach der Verlegung des
gewöhnlichen Aufenthalts an jeglichem Bezug der Witwenrente der Klägerin zum Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland fehlt, so ist dies nicht unverhältnismäßig, zumal sich die Klägerin seit dem 18. Mai 1990 (bis zum 15.
September 1998) darauf einstellen konnte. Mithin scheidet eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art.
2 Abs. 1 GG i. V. m. dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) aus (vgl. auch BSG, Urteil
vom 18. Juli 1996 – 4 RA 108/94, abgedruckt in SozR 3-2600 § 300 Nr. 7, in dem verfassungsrechtliche Fragen aber
nicht erörtert werden).
Die Berufung hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.