Urteil des LSG Bayern vom 10.12.2008

LSG Bayern: eltern, altersgrenze, erwerbsunfähigkeit, rente, haushalt, sozialstaatsprinzip, leistungsklage, subsidiarität, ausbildung, geldleistung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 10.12.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 8 AS 112/07
Bayerisches Landessozialgericht L 16 AS 350/08
Bundessozialgericht B 14 AS 51/09 R
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Kläger sind von der Beklagten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.03.2007 ohne Anrechnung der
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des Klägers zu 2 streitig.
Der 1985 geborene Kläger zu 1, dessen 1961 geborener Vater (Kläger zu 2), der seit 1999 eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit auf Dauer (ab Juli 2005 in Höhe von EUR 615,84) bezieht, und seine 1986 geborene Schwester
leben in einem gemeinsamen Haushalt im Eigenheim des Klägers zu 2. Der Kläger zu 1 bezog bis August 2005
Arbeitslosengeld I, anschließend Arbeitslosengeld II bis Mai 2006 und war von Juni bis September 2006 gegen
Entgelt beschäftigt.
Am 22.09.2006 beantragte er erneut die Gewährung von Arbeitslosengeld II, weil er weder Einkommen erziele noch
über Vermögen verfüge. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 08.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von
EUR 400,64 für den Oktober 2006 und in Höhe von monatlich EUR 175,64 für den Zeitraum von November 2006 bis
März 2007. Dabei setzte sie jeweils eine Regelleistung in Höhe von EUR 276,- sowie einen Zuschlag von EUR 80,-
monatlich fest. Die Kosten der Unterkunft bezifferte sie für den Oktober mit EUR 235,92 und für den Zeitraum von
November 2006 bis März 2007 mit EUR 10,92 (Nebenkosten in Höhe von insgesamt EUR 32,78 geteilt durch drei
Personen). Es erfolgte jeweils ein monatlicher Abzug von EUR 191,28 wegen der Anrechnung des Einkommens des
Klägers zu 2, der mit dem Kläger zu 1 eine Bedarfsgemeinschaft bilde.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wandten sich die Kläger u.a. gegen die Annahme einer
Bedarfsgemeinschaft, weil der Kläger zu 2 gegenüber dem Kläger zu 1 nicht unterhaltspflichtig sei und die Vorschrift
des § 7 Abs.3 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der ab 01.07.2006 geltenden Fassung verfassungswidrig sei. Der Widerspruch
wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger zu 1 bilde mit seinem
Vater, der Kläger zu 2, eine Bedarfsgemeinschaft. Unerheblich sei dabei, dass der Kläger zu 2 auf Dauer
erwerbsunfähig sei; dieser erhalte daher keine Leistungen nach dem SGB II, sondern nach dem 4. Kapitel des SGB
XII (§ 5 Abs.2 Satz 3 SGB II). Die Schwester des Klägers zu 1 gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft, weil sie auf
Grund ihres Einkommens ihren Lebensunterhalt selbst sichere. Die vom Kläger zu 2 bezogene Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich EUR 615,84, die um die Versicherungspauschale von EUR 30,- und um die
Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung von EUR 38,64 monatlich auf EUR 547,20 monatlich zu bereinigen
sei, sei in Höhe von EUR 191,28 auf das Arbeitslosengeld II des Klägers zu 1 anzurechnen. Denn der Bedarf des
Klägers zu 2 betrage EUR 355,92 (EUR 345,- Regelleistung und EUR 10,92 Kosten der Unterkunft), so dass der
übersteigende Betrag als Einkommen beim Kläger zu 1 zu berücksichtigen sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg machten die Kläger die Verfassungswidrigkeit
der Regelung des § 7 Abs.3 Nr. 2 SGB II geltend. Diese Norm verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip, weil der
Kläger zu 1 nach bürgerlichem Recht keinen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater, dem Kläger zu 2, habe.
Denn der Kläger zu 2 sei nicht leistungsfähig und es bestehe keine gesteigerte Unterhaltspflicht des Klägers zu 2
gegenüber seinem volljährigen Sohn, der bereits seine Ausbildung abgeschlossen habe. Soweit der Kläger zu 1
tatsächlich durch seinen Vater unterstützt werden müsse, weil der Staat keine Leistungen erbringe, handle es sich um
unbeachtliche freigebige Zuwendungen Dritter. Dem Staat sei es verwehrt, Bedürftige zur Deckung ihres regelmäßigen
Bedarfs auf freigebige Zuwendungen zu verweisen. Weigerten sich die Eltern, dem volljährigen Kind neben der
Wohnung Geld zu geben, könne dieses Kind nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten, weil es weder die Eltern auf
Unterhalt verklagen noch staatliche Hilfe in Anspruch nehmen könne. Ferner verstoße die Regelung in § 7 Abs. 3 Nr.
2, § 9 Abs.2 Satz 2 SGB II gegen Art. 3 Abs.1 GG, weil die Grenze des 25. Lebensjahres eine willkürliche
Altersgrenze sei und weder durch eine Verpflichtung der Eltern noch durch eine soziale Üblichkeit gerechtfertigt sei.
Auch sei diese Regelung nicht zur Missbrauchsbekämpfung erforderlich gewesen. Schließlich sei durch diese
Vorschrift auch das Eigentumsrecht des Elternteils, bei dem das Kind wohne, verletzt. Der andere Elternteil, bei dem
das Kind nicht wohne, werde nicht herangezogen. Auch erfolge diese Belastung unabhängig von den sonstigen
Verpflichtungen des Elternteils. Dies bedeute einen schweren und unzumutbaren Eingriff in das Eigentum des
betroffenen Elternteils; der alleinerziehende Elternteil sei damit auch in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.
Im Übrigen würde dies im allgemeinen zu einer strukturellen Schlechterstellung der Frauen, bei denen üblicherweise
die Kinder wohnen würden, gegenüber den Männern führen, so dass ferner Art. 3 Abs.2 GG (Grundgesetz) verletzt
wäre.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2008, die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 08.11.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2007 zu verurteilen, "dem
Kläger zu 1 Arbeitslosengeld II ab Oktober 2006 ohne Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 zu
bewilligen".
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 10. Juli 2008 ab. Die Klage sei zum einen mangels bestimmten
Klageantrags unzulässig. Es liege keine Feststellungsklage, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage gemäß § 54 Abs.1 Satz 1, Abs.4 SGG vor. Auch wenn es den Klägern vordergründig darum gehe,
nicht als Bedarfsgemeinschaft angesehen zu werden, werde letztlich bezweckt, höhere Leistungen für den Kläger zu 1
zu erzielen. Ein bestimmter Klageantrag im Sinn des § 92 Satz 1 SGG, der bei Leistungsklagen, die auf eine
Geldleistung gerichtet seien, einen bezifferten Betrag enthalten müsse, sei nicht gestellt worden, obwohl der
Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung auf diese Problematik hingewiesen habe. Soweit der Klageantrag auch die
Zeit ab April 2007 erfasse, sei die Klage unzulässig, weil insoweit kein abgeschlossenes Vorverfahren als
Klagevoraussetzung vorliege (§ 78 Abs.1, Abs.3 SGG). Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.11.2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2007 beziehe sich nur auf den Zeitraum von Oktober 2006 bis März
2007.
Zum anderen sei die Klage auch nicht begründet. Das Sozialstaatsprinzip sei wegen des großen
Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht verletzt. Es sei nicht verfassungsrechtlich vorgegeben, dass der
Gesetzgeber bei der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung im Sinn des SGB II an die bürgerlich-rechtlichen
Unterhaltsregelungen anknüpfen müsse. Auch sei durch die Anrechnung des Einkommens des Klägers zu 2 weder
dessen Existenzminimum noch das Existenzminimum des Klägers zu 1 verletzt. Hinsichtlich der geltend gemachten
Freiheitsgrundrechte seien die Eingriffe gerechtfertigt und verhältnismäßig. Der Kläger zu 1 sei verpflichtet, Wege aus
der Arbeitslosigkeit und zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts zu suchen und zu finden (§ 2 SGB II);
dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Fürsorgeleistungen, wie er insbesondere in Art. 6
Abs.2 GG zum Ausdruck komme. Auch die Finanzierbarkeit dieser Leistungen durch die steuerzahlenden Bürger sei
begrenzt. Schließlich verstoße die Altersgrenze mit 25 Jahren, die der Lebenswirklichkeit entspreche und dem weiten
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterliege, nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Nach Ansicht deren Prozessbevollmächtigter sei die Klage nicht
unzulässig gewesen. Es habe sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs.4 SGG gegen die
unterbliebene "Mehrbewilligung" gehandelt. Ein bezifferter Klageantrag sei nicht erforderlich gewesen, weil der
Klageantrag, dem Kläger zu 1 Arbeitslosengeld II ohne Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 zu
bewilligen, auszulegen sei. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe hervor, dass dem Kläger zu 1 ein Einkommen
seines Vaters in Höhe von monatlich EUR 191,28 monatlich angerechnet werde, so dass sich das mit der Klage
angestrebte Ziel eines um diesen Anrechnungsbetrag erhöhten Arbeitslosengeldes II ergebe. Ergänzend wird in der
Sache darauf hingewiesen, dass die dem Kläger zu 2 nach der Anrechnung verbleibende Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit nur zur Bestreitung des sozial-rechtlichen Existenzminimums genüge und daher sozialstaatswidrig
sei. Es gebe weder unterhaltsrechtliche noch sonstige Grundsätze, die zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern
eine besondere Einstandsgemeinschaft nahe legten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2008 und unter Abänderung des
Bescheides vom 08.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2007 zu verurteilen, höheres
Arbeitslosengeld II für den Kläger zu 1 ohne Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 in Höhe von
monatlich EUR 191,28 für den Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007, insgesamt EUR 1.147,68 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht sei die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 nicht verfassungswidrig. Zwar sei der
Staat auf Grund des Sozialstaatsprinzips verpflichtet, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein
seiner Bürger zu schaffen. Es gelte aber der Grundsatz der Subsidiarität, der vom Gesetzgeber auch in der Bildung
der Bedarfsgemeinschaft konkretisiert sei. Art. 6 Abs.2 GG begründe das Recht wie die Pflicht der Eltern, ihren
Kindern Pflege und Erziehung zukommen zu lassen und damit ihnen auch Unterhalt zu gewähren. § 7 Abs.3 Nrn. 2
und 4 SGB II knüpfe an die familiäre Verantwortlichkeit und die Eltern-Kind-Beziehung an und mache die Leistungen
zur Existenzsicherung von der Leistungsfähigkeit dieser Gemeinschaft abhängig. Dabei werde nicht an die
Unterhaltspflichten nach dem BGB angeknüpft. Auch die Altersgrenze von 25 Jahren sei nicht willkürlich. Die
besondere Stellung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, sei
besonders zu würdigen (s. § 3 Abs.2 SGB II). Die Anhebung des Lebensalters durch das Gesetz vom 24.03.2006 sei
daher entsprechend dem System des SGB II erfolgt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten
beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann den anhängigen Rechtsstreit durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
entscheiden, weil der Berufung eine mündliche Verhandlung des Sozialgerichts Regensburg, an der der Kläger zu 1
sowie seine Prozessbevollmächtigte teilnahmen und so ausreichend Gelegenheit hatten sich zu äußern, vorausging,
der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153
Abs. 4 Satz 1 SGG). Auf die Anhörungsmitteilung des Senats hin haben die Kläger ihr Einverständnis hierzu erklärt.
Die von den Klägern form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 SGG zulässig. Sie
hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Berufung des Klägers zu 2 ist bereits aus prozessualen Gründen und die
Berufung des Klägers zu 1 aus materiell-rechtlichen Gründen als unbegründet zurückzuweisen.
1. Der Kläger zu 2 bildet zwar mit seinem Sohn, den Kläger zu 1, trotz des Bezugs einer Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit auf Dauer eine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB (die Zugehörigkeit zu einer
Bedarfsgemeinschaft ist von der eigenen Leistungsberechtigung nach dem SGB II unabhängig: s. etwa Spellbrink in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 57). Weil er selbst nicht erwerbsfähig im Sinn des § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.
2, § 8 Abs.1 SGB II ist, kann er keine Leistungen nach dem SGB II - auch kein Sozialgeld (§ 28 SGB II) - erhalten.
Der Kläger zu 2 unterfiele somit bei Bedürftigkeit dem Leistungssystem des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch -
Sozialhilfe - (SGB XII). Seine Klage war somit mangels Beschwer bereits unzulässig (s. BSG, Urteil vom 29.03.2007,
Az. B 7b AS 2/06 R).
Der Kläger zu 1 hat verfahrensrechtlich zu Recht Leistungen nur an sich selbst geltend gemacht, weil die Beklagte
nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 08.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
02.02.2007 nicht über Ansprüche des Klägers zu 2 eine Verfügung (§ 31 SGB X) getroffen hat.
2. Die Klage des Klägers zu 1 war hinsichtlich des im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraums von Oktober 2006
bis März 2007 zulässig. Sie war - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts - nicht mangels bestimmten Klageantrags
unzulässig.
Nach § 92 Abs.1 Satz 3 SGG soll die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Auf Grund der Dispositionsmaxime
des Klägers ist es Sache der Beteiligten, mit ihrem Antrag den Gegen- stand des Verfahrens zu bestimmen mit der
Folge, dass das Gericht nur über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne allerdings an die Fassung
des Antrags gebunden zu sein (§ 123 SGG). Notwendig ist daher, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
klar wird, welches Ziel mit der Klage verfolgt wird (BSG, SozR 4-1500 § 92 Nr. 2). Bei einer auf eine Geldleistung
gerichtete Klage muss der geforderte Geldbetrag nicht zwingend exakt beziffert werden (BSGE 60, 87, 90).
Aus dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger, "dem Kläger zu 1
Arbeitslosengeld II ab Oktober 2006 ohne Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 zu bewilligen", ergibt
sich unter Berücksichtigung des gesamten Klagevortrags sowie des Inhalts des angefochtenen Bescheides eindeutig,
dass sie mit der Klage das Ziel der Zahlung eines höheren Arbeitslosengeldes II ohne Anrechnung des Einkommens
des Klägers zu 2 in Höhe von monatlich EUR 191,28 für die Zeit ab Oktober 2006 verfolgte.
Im übrigen wäre es dem Sozialgericht verwehrt gewesen, die Klage mangels bestimmten Klageantrags als unzulässig
zu verwerfen. Auch wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, so entfällt die (dann
geringere) Hinweispflicht des Gerichts nach § 106 Abs. 1 SGG, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken,
nicht. Sofern es sich nicht um umstrittene und schwierige Rechtsfragen handelt, muss der Vorsitzende zur
Klarstellung der Anträge auffordern und ggf. Formulierungshilfe leisten (s. etwa Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 106 Rdnr. 5 a). Den Beteiligten ist grundsätzlich der richtige Weg zu
weisen, wie sie ihr Ziel am besten und zweckmäßigsten erreichen können (Leitherer a.a.O. § 106 Rdnr. 4 m.w.N.).
Das Sozialgericht hat zu Recht als richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (sog. unechte
Leistungsklage nach § 54 Abs.1 und 4 SGG) angenommen, weil die Beklagte die volle (ungekürzte) Zahlung des
Arbeitslosengeldes II abgelehnt hat und der Kläger zu 1 einen Anspruch auf Zahlung eines höheren
Arbeitslosengeldes II geltend gemacht hat (s. näher hierzu etwa Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. § 54
Rdnr. 38).
3. Der Kläger zu 1 hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung des Einkommens des
Klägers zu 2 in Höhe von EUR 191,28 monatlich für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.03.2007.
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs.1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem
nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von
anderen, insbesondere von Angehörigen erhält. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil
in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem
eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder
des Elternteils zu berücksichtigen (§ 9 Abs.2 Satz 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung). Ist in einer
Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach Satz 3 dieser
Vorschrift jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als
hilfebedürftig.
Die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 folgt aus seiner Mitgliedschaft in der Bedarfsgemeinschaft
mit dem Kläger zu 1.
Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs.3 Nr. 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung auch der im
Haushalt lebende - nicht erwerbsfähige - Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und nach Nr. 4 dieser Vorschrift die dem Haushalt angehörenden unverheirateten
Kinder der in Nr. 2 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die
Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz vom 24.3.2006 die ursprüngliche Altersgrenze von 18 Jahren als
Austrittsgrenze aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre angehoben, um bewusst keinen Anreiz mehr
zum Auszug aus dem elterlichen Haushalt und zur Gründung eines eigenen Hausstandes zu schaffen (BT-Drucks
16/688 S. 13; vgl. hierzu die flankierenden Regelungen des § 22 Abs.2 a, § 20 Abs.2 SGB II). Die vom Gesetzgeber
getroffene Wertentscheidung, nach der wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stehende, unverheiratete Kindern bis
zur Vollendung des 25. Lebensjahres ihre Kosten des Lebensunterhalts nicht auf Kosten der Allgemeinheit
sicherstellen können und sollen, ist nicht zu beanstanden. Dem familiären Netz der Verbundenheit und Betreuung
sowie Sorge gebührt gegenüber der Ausweitung von Bedarfsgemeinschaften der Vorrang.
Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 7 SGB II bilden die Kläger zu 1 und 2 eine Bedarfsgemeinschaft, die
mit bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten nicht zur Deckung gebracht werden kann (so etwa Spellbrink, NZS 2007,
121, 123)). Nur die Eltern beziehungsweise der Elternteil haften für die Bedarfsunterdeckung der Bedarfsgemeinschaft
als Individuum mit; dagegen haften die Kinder nicht umgekehrt für ihre Eltern.
Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit vorgenannter Vorschriften über
die Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft. Der Gesetzgeber ist im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums
berechtigt, typisierende Regelungen zu schaffen, wo das Eintreten Dritter aufgrund rechtlicher oder moralischer
Verpflichtung typischerweise erwartet werden kann. In aller Regel kommen leibliche Eltern ihrer Verantwortung für die
mit ihnen zusammen lebenden bis zu 25 Jahre alten unverheirateten Kindern nach, auch wenn sich ein Elternteil in
seinen eigenen Bedürfnissen einschränken muss (vgl. auch zur Einstandsgemeinschaft mit einem Stiefelternteil:
Urteil des BSG vom 13.11.2008, Az. B 14 AS 2/08 R). Eine Bedarfsdeckung durch die leiblichen Eltern darf in diesen
Fällen unwiderlediglich vermutet werden. An dieses tradierte, von der Verfassung geschützte (Art. 6 Abs.2 GG)
Familienbild, nach dem leibliche Eltern ihre bei ihnen wohnenden Kinder in Notsituationen unterstützen, durfte der
Gesetzgeber anknüpfen.
Der Kläger zu 1 ist daher durch die Neuregelung des SGB II-ÄndG vom 24.3.2006 BGBl. I 538 nicht in seinem durch
Art. 2 Abs.1 i.V.m. Artikel 3 Abs.1 GG und mit dem Rechtsstaatsprinzip garantierten Teilhaberecht verletzt. Denn der
Gesetzgeber ist im Rahmen seiner weiten Gestaltungsfreiheit grundsätzlich befugt, in das jeweils vorgefundene
Leistungsgefüge ordnend einzugreifen. Die Neuregelung verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz, weil
keine Ungleichbehandlung der erwerbsfähigen Kinder bis 25 Jahren besteht und für die Bestimmung der Altersgrenze
mit 25 Jahren hinreichende sachliche Gründe bestehen. Nach der sozialen Wirklichkeit leben nämlich viele
unverheiratete Kinder bis zu 25 Jahren - insbesondere bis zum Abschluss ihrer Ausbildung - zusammen mit ihren
Eltern in einem gemeinsamen Haushalt, um Kosten einer eigenen Haushaltsführung etc. zu vermeiden und
Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft zu erfahren. Die Festsetzung einer Altersgrenze von 25 Jahren ist
daher weder objektiv eindeutig unangemessen noch ist der Kläger zu 1 dadurch im Übermaß betroffen. Schließlich
liegt auch kein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip vor, weil dieses nur die Pflicht des Staates begründet, für eine
gerechte Sozialordnung zu sorgen (BVerfGE 35, 202,235 f.; 27, 253,283). Die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt
vornehmlich der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers; dieser Gestaltungsspielraum wurde hier nicht
überschritten.
Der Senat gelangte auch nicht zur Überzeugung, dass durch die Einsatzgemeinschaft verfassungsrechtlich
geschützte Rechte des Klägers zu 2 verletzt sind.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.
Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.