Urteil des LSG Bayern vom 18.09.2006
LSG Bayern: operation, familie, bayern, vertretung, lähmung, belastung, eingriff, nachbehandlung, nachricht, behinderter
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 18.09.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 11 SB 155/06
Bayerisches Landessozialgericht L 15 B 622/06 SB PKH
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 21.07.2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom
02.06.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
In dem dem Beschwerdeverfahren wegen Gewährung von Prozesskostenhilfe zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt
der Beschwerdeführer die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des
Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX); konkret: Feststellung eines
Grades der Behinderung (GdB) von 70.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz vom
01.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrum Bayern Familie und Soziales vom 09.02.2006 ist
der GdB mit 30 bewertet worden. Als Funktionsstörungen hat der Beklagte berücksichtigt: 1. Gesichtsnervenlähmung
rechts (Facialisparese), Schluckstörungen (Einzel-GdB 20). 2. Seelische Störung (Einzel-GdB 20). 3.
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen (Einzel-GdB 10).
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg mit Beschluss vom 02.06.2006 - S 11
SB 155/06 - die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Im Hinblick auf die Amtsermittlungspflicht des
Gerichts gemäß §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß §
73a SGG i.V.m. § 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erforderlich.
Weiterhin hat das Sozialgericht Regensburg mit Nachricht vom 21.07.2006 unter anderem an die Übersendung einer
Vollmacht erinnert.
Mit Klagebegründung vom 25.08.2006 (gleichzeitig zu werten als Beschwerdebegründung) haben die Bevollmächtigten
des Klägers hervorgehoben, dass dem Kläger im Rahmen einer Krebserkrankung insgesamt elf Tumore im
Gesichtsbereich entfernt werden mussten. Im Rahmen der Nachbehandlung seien drei weitere Operationen nötig
gewesen; zudem habe sich der Kläger auch noch Bestrahlungen unterziehen müssen. - Im Rahmen der Operation
seien auch die Lymphdrüsen im Kopfbereich operativ vom Rest des Lymphsystems abgetrennt worden. Zudem sei
bei der Operation das Haut- und Nervengewebe im Hals- und Schulterbereich extrem beansprucht worden, so dass es
infolge davon zu einer Einschränkung der Beweglichkeit des Kopfes gekommen sei. Die Auswirkungen eines
sekundären HWS-Syndroms würden damit vorliegen. Insbesondere Kopfbewegungen nach rechts seien nur unter
Schmerzen möglich; eine Lähmung der Gesichtsnerven sei eingetreten. Als Folge davon träten auch
Schluckbeschwerden auf. - Die durchgeführten Bestrahlungen der Schleimhäute und Stimmbänder hätten zur Folge,
dass der Kläger nur noch leise und unter ständiger Austrocknung des Mund- und Rachenraumes zu sprechen
vermöge. Auch das rechte Auge sei in Mitleidenschaft gezogen worden (ständiges Tränen nach Operation besonders
bei Auftreten eines Luftzuges). Durch die enorme physische und psychische Belastung, ausgelöst durch die
Krebserkrankung, den erforderlichen massiven Eingriff samt anschließenden Bestrahlungen und den ungewissen
weiteren Verlauf seien zudem noch seelische Störungen aufgereten. - Zusammenfassend: In der Zusammenschau mit
weiteren Funktionsstörungen (z.B. Verdauungsproblemen) ergäbe sich ein GdB von mindestens 70.
Der Beschwerdeführer stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 02.06.2006
aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg zu gewähren.
Der Beschwerdegegner hat sich bislang nicht geäußert.
Das Sozialgericht Regensburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die erstinstanzlichen Akten samt der
Behindertenakte des Beschwerdeführers vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig (§§ 73a, 172 ff. SGG i.V.m. § 127 Abs.2 Satz 2 ZPO).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Mangels Vollmachtsvorlage ist die Klage gemäß § 73 Abs.2 SGG bislang
unzulässig. Sollte diese in Berücksichtigung der Erinnerung des Sozialgerichts Regensburg vom 21.07.2006 noch
eingehen bzw. zwischenzeitlich bereits eingegangen sein, ist eine Beiordnung gemäß § 121 Abs.1 ZPO dennoch nicht
erforderlich, weil in sozialgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz eine Vertretung durch Anwälte nicht
vorgeschrieben ist.
Weiterhin ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs.2 ZPO in Angelegenheiten nach §§ 2 und 69
SGB IX hier nicht erforderlich. Denn der Ausgang des Verfahrens hängt regelmäßig von dem Ergebnis der
Sachverhaltsermittlung im Sinne von §§ 103 ff. SGG ab. Insoweit bedarf es keiner anwaltschaftlichen Vertretung
gleichsam als Mittler zwischen einem gegebenfalls noch zu hörenden ärztlichen Sachverständigen und dem
Beschwerdeführer.
Auch der Beschluss des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 18.12.2001 - 1 BvR 331/01 - stützt das
Beschwerdebegehren nicht. In dem dortigen Verfahren ist entscheidungserheblich gewesen, dass die
Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeiten des dortigen Beschwerdeführers im Hinblick auf dessen Leiden und
Beeinträchtigungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet nicht ausreichend gewürdigt worden sind. Vergleichbar
schwerwiegende Funktionsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet sind hier jedoch nicht aktenkundig oder
vorgetragen. Weder die körperlichen noch die psychischen Folgen der durchgeführten multiplen krebsbedingten
Operationen samt anschließender Behandlungsmßnahmen haben zur Folge, dass der Beschwerdeführer
anwaltschaftlicher Hilfe bedarf, um das Ausmaß der bei ihm vorliegenden Funktionsstörungen darzulegen und zu
beschreiben.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist daher zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§ 177, 183 SGG).