Urteil des LSG Bayern vom 28.01.2009
LSG Bayern: lebensversicherung, freibetrag, leistungsanspruch, versicherer, verwertung, kündigung, legislative, verfügung, rechtsschutz, anfang
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 28.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 15 AS 910/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 44/09 B ER
Die Beschwerde gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Dezember 2008 werden
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Im Einzelnen geht es um das Problem, inwieweit der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) über Vermögen verfügt,
das einem Leistungsanspruch entgegen steht.
Der allein stehende Bf. bezog seit Anfang 2006 Leistungen von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.).
Zuletzt waren ihm mit Bescheid vom 08.01.2008 Leistungen für den Zeitraum Februar bis einschließlich Juli 2008
bewilligt worden. Nachdem die Bg. die Vermögensverhältnisse des Bf. erneut geprüft hatte, versagte sie ihm
Leistungen ab August 2008 und hob die Leistungsbewilligung für Juli 2008 auf. Inzwischen ist vor dem Sozialgericht
Regensburg diesbezüglich ein Klageverfahren anhängig, das die Fortzahlung der Leistungen ohne
Vermögensanrechnung zum Ziel hat.
Am 11.11.2008 hat der Bf. beim Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, der auf vorläufige
Leistungsfortzahlung gerichtet ist. Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 09.12.2008 abgelehnt. Es hat
dies damit begründet, das verwertbare Vermögen übersteige die maßgebenden Freibeträge. Somit dürften keine
Leistungen gewährt werden. Mit weiterem Beschluss vom 09.12.2008 hat das Sozialgericht einen Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH) mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.
Gegen beide Beschlüsse des Sozialgerichts hat der Bf. Beschwerde erhoben. Er macht geltend, seine
Lebensversicherung sei von vornherein als Vermögen unverwertbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen
Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die Beschwerden sind zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag des Bf., auch über den Monat Juli 2008 hinaus vorläufig Leistungen zu gewähren, zu
Recht abgelehnt. Der Senat vermag sich bereits nicht von einer besonderen Eilbedürftigkeit des
Rechtsschutzbegehrens im Sinn eines Anordnungsgrundes zu überzeugen.
Schon auf den ersten Blick bestehen erhebliche Bedenken, ob das Rechtsschutzbegehren des Bf. so dringlich ist,
dass gerichtliche Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigt erscheinen könnten. Denn es fällt auf,
dass sich der Bf. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für seine Prozesshandlungen relativ viel Zeit
genommen hat. Der Zeitraum von etwa 20 Tagen ab der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids bis zur
Antragstellung beim Sozialgericht ist zwar vergleichsweise lang, lässt aber für sich allein noch keine ernsthaften
Zweifel an der Eilbedürftigkeit zu. Bezieht man indes die Beschwerdeeinlegung mit in die Erwägungen ein, kommt
man nicht umhin, eine hinreichend dringende Notlage ernsthaft in Frage zu stellen. Der Beschluss des Sozialgerichts
ist dem Bf. am 17.12.2008 zugestellt worden. Erst am 19.01.2009 war der Eingang der Beschwerde beim
Sozialgericht zu verzeichnen. Damit ist die einmonatige Beschwerdefrist zwar gerade noch gewahrt. Ein derart langes
Zuwarten wäre jedoch, bestünde tatsächlich höchste Eilbedürftigkeit, nicht nachvollziehbar. Das gilt umso mehr, als
die Beschwerde nur kurz begründet worden ist.
Dieser auf dem Prozessverhalten basierende Eindruck des Senats wird bestätigt durch die momentane finanzielle
Situation des Bf ... Wie sich aus seinem PKH-Antrag ergibt, stehen ihm gegenwärtig "flüssige" Guthaben in Höhe von
fast 4.300 EUR zur Verfügung. Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit dieses Guthaben im Rahmen von § 12
SGB II Schutz genießt. Jedenfalls führt es dazu, dass eine vorläufige gerichtliche Maßnahme vor der Entscheidung in
der Hauptsache nicht geboten ist. Daran ändert nichts, dass der Bf. momentan offenbar nicht krankenversichert ist.
Der Senat verneint auch einen Anordnungsanspruch. Die Schutzvorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II sieht
für bestimmte Altersvorsorgebeträge lediglich einen zusätzlichen Freibetrag vor, der auf diese Vermögensposition
vorab anzuwenden ist. Vor diesem Hintergrund kann der Argumentation des Bf., die Lebensversicherung sei von
vornherein und insgesamt wegen des vereinbarten Verwertungsausschlusses (§ 168
Abs. 3 VVG) nicht verwertbar, nicht gefolgt werden. Einerseits trifft es schon nicht zu, dass die Verwertbarkeit
überhaupt zur Gänze ausgeschlossen ist. Das gilt im vorliegenden Fall im Besonderen, da der
Verwertungsausschluss zwischen dem Versicherer und dem Bf. nicht für die Lebensversicherung insgesamt, sondern
nur für einen dem Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II entsprechenden Teilbetrag vereinbart wurde. Damit
bringen die Parteien des Versicherungsvertrags zum Ausdruck, dass die Lebensversicherung hinsichtlich ihrer
Verwertung teilbar ist. Aber auch wenn der Verwertungsausschluss insgesamt vereinbart worden wäre, würde das
nicht zur vollständigen Unverwertbarkeit der Versicherung führen. Denn in Fällen wie hier käme eine außerordentliche
Kündigung wegen Störung der Geschäftsgrundlage oder aus wichtigem Grund in Betracht (vgl. Ortmann in:
Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2008, § 168 VVG RdNr. 30).
Überdies hat der Gesetzgeber durch die besondere Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II klar zum Ausdruck
gebracht, dass der Verwertungsausschluss nur zu einem zusätzlichen Freibetrag führen kann. Diese legislative
Entscheidung darf nicht durch Annahme der vollständigen Unverwertbarkeit unterlaufen werden.
So errechnet sich ein Gesamtvermögen, das die einschlägigen Freibeträge erheblich überschreitet und einen
Leistungsanspruch ausschließt. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Beschluss des Sozialgerichts
verwiesen. Dass der Bf. mittlerweile das 51. Lebensjahr vollendet hat, ändert am Gesamtergebnis nichts.
Da das Rechtsschutzbegehren aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im
prozesskostenhilferechtlichen Sinn hat, ist die Entscheidung des Sozialgerichts, PKH für das Antragsverfahren
abzulehnen, richtig. Auch wenn die "hinreichende Aussicht auf Erfolg" im Sinn von § 114 ZPO nach einem anderen
Maßstab zu beurteilen ist als das Ergebnis in der Sache, so mangelt es trotzdem daran. Denn das Ergebnis der
rechtlichen Prüfung ist eindeutig.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).