Urteil des LSG Bayern vom 13.04.2007
LSG Bayern: vergleich, arglistige täuschung, drohung, ausführung, motivirrtum, auflage, anfechtung, ergänzung, rechtshängigkeit, öffentlich
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.04.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 8 AS 273/05
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 66/07
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 7 AS 255/06 durch den in der mündlichen Verhandlung am
23.02.2007 geschlossenen Vergleich beendet ist. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit der Anfechtung eines gerichtlichen Vergleiches streitig.
Die Beklagte bewilligte dem 1957 geborenen Kläger und seiner 1953 geborenen Ehefrau Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Alg II - für die Zeit vom 17.02. bis
31.08.2005. Mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 15.02.2005 hob sie die Bewilligung ab 01.04.2005 auf,
nachdem der Kläger im April eine Steuererstattung von 6.059,97 EUR erhalten hatte. Den Widerspruchsbescheid wies
sie mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005 zurück. Die hiergegen erhobene Klage S 8 AS 273/05 hat das
Sozialgericht Regensburg (SG) mit Urteil vom 31.08.2006 abgewiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren L 7 AS
255/06 schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 23.02.2007 folgenden Vergleich: 1. Die Beklagte
hebt den Bescheid vom 15.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 insoweit auf, als die
Leistungen der Ehefrau des Klägers bewilligt wurden. 2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass damit der
Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist.
Mit dem am 26.02.2007 eingegangenen Schreiben hat der Kläger mitgeteilt, er könne einem Vergleich nicht
zustimmen. Ohne abgesprochene Modalitäten wäre er quasi ein Freibrief für die Beklagte, zum anderen blieben doch
zu viele Punkte seiner Eingabe unbeantwortet. Nach Rückfragen bei Behörden sei ihm bestätigt worden, dass diese
mit einem "Einkommen", das eigentlich nur im Sozialbereich "Einkommen" sein solle, nichts anfangen können.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 31.08.2006 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 15.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 vollständig aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Dem Senat ist eine Entscheidung über den vom Kläger in der Verhandlung am 13.04.2007 gestellten Antrag wegen
fehlender Rechtshängigkeit verwehrt. Denn der die Aufhebung des Bescheides vom 15.06.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 betreffende Rechtsstreit ist durch den in der mündlichen Verhandlung am
23.02.2007 geschlossenen Vergleich beendet worden. Gemäß § 101 Abs.1 SGG können die Beteiligten, um den
geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, zur Niederschrift des Gerichts einen Vergleich
schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Einen solchen Vergleich haben die Beteiligten
am 23.02.2007 geschlossen. Ein solcher Vergleich hat eine Doppelnatur in dem Sinne, dass er einerseits als
öffentlich rechtlicher Vertrag die gegenseitigen Ansprüche regelt und andererseits als Prozessvertrag den Rechtsstreit
beendet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, Rdnrn.3 bis 10 zu § 101).
Der Vergleich vom 23.02.2007 ist wirksam zustande gekommen und hat den gesamten Streitgegenstand umfasst und
erledigt. Er wurde wirksam protokolliert, den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt. Dies wird vom Kläger
auch nicht bestritten.
Der Vergleich ist auch nicht wirksam angefochten worden. Ein Anfechtungsgrund ist nicht gegeben. Der Kläger selbst
behauptet nicht, dass er zum Abschluss dieses Vergleichs durch eine arglistige Täuschung oder durch Drohung im
Sinne des § 123 Abs.1 BGB veranlasst worden ist. Weiterhin wird vom Kläger auch nicht behauptet und ist auch
sonst nicht ersichtlich, dass er im Sinne des § 119 Abs.1 BGB bei Abschluss des Vergleichs über dessen Inhalt im
Irrtum gewesen sei oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht habe abgeben wollen. Vielmehr ist die Sach-
und Rechtslage in dem erforderlichen Umfang besprochen worden mit dem Ergebnis, dass sich die Beteiligten darüber
einig waren, dass nur die Bewilligung der dem Kläger ab 01.04.2005 zustehenden Leistungen aufgehoben wird, nicht
jedoch die Bewilligung der Leistungen seiner Ehefrau.
Offensichtlich meint der Kläger, die sich aus dem Vergleich ergebenden Rechtsfolgen seien für ihn jedenfalls nicht
klar genug ersichtlich. Dieser Umstand stellt jedoch keinen Anfechtungsgrund dar, vielmehr handelt es sich allenfalls
um einen unbeachtlichen Motivirrtum der Gestalt, dass der Kläger nunmehr eine andere Formulierung wünscht (vgl.
Leitherer, a.a.O., Rdnr.13). Im Übrigen sind die sich aus dem Vergleich ergebenden Rechtsfolgen eindeutig. Die
Beklagte hatte in dem Bescheid vom 30.03.2005 und dem Änderungsbescheid vom 02.06.2005 sowohl die dem
Kläger als auch die seiner Ehefrau zustehenden Ansprüche klar und eindeutig geregelt, so dass der Kläger bereits vor
Ausführung dieses Vergleiches die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen nachvollziehen konnte.
Somit war lediglich festzustellen, dass durch den Vergleich vom 23.02.2007 der Rechtsstreit erledigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.