Urteil des LSG Bayern vom 30.03.2007
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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 1 AS 227/06
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 273/06
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.09.2006 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die
Zeit von Januar bis September 2005 und die Erstattung von 2.916,60 EUR sowie die Höhe der Leistung für die Zeit
vom 01.10.2005 bis 31.03.2006 streitig.
Der 1978 geborene Kläger beantragte am 07.10.2004 Alg II und gab an, eine 80 qm große, drei Räume umfassende
und seit 1993 bezugsfertige Wohnung von seinem Vater, der unter derselben Adresse wohnt, zu einer Miete von
300,00 EUR zuzüglich 50,00 EUR Nebenkostenpauschale angemietet zu haben. Er legte einen Einheitsmietvertrag
vor, wonach er die Wohnung ab 01.04.2003 zu einer Gesamtmiete von 350,00 EUR anmiete. Der Mietvertrag selbst
ist nicht datiert. Vom Sachbearbeiter ist handschriftlich vermerkt, dass der Mietvertrag "ganz neu" sei.
Dem Kläger wurde sodann Alg II ab 01.01.2005 unter Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von
350,00 EUR bewilligt. Ab 01.07.2005 wurden KdU nur noch in Höhe von 272,20 EUR übernommen.
Mit seinem Weiterbewilligungsantrag vom 27.09.2005 legte der Kläger auf Aufforderung hin Kontoauszüge aus dem
Zeitraum 29.06. bis 06.10.2005 vor. Mit Änderungsbescheid vom 11.10.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom
01.10.2005 bis 31.03.2006 nur noch monatlich 263,68 EUR und gab als Änderungsgrund an, nach Durchsicht der
Kontoauszüge habe man festgestellt, dass keine Abbuchungen für die Miete vom Konto getätigt worden seien; er
solle schriftlich mitteilen, auf welchem Weg die Miete bezahlt werde.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf ein von ihm vorgelegtes "Mietbuch", das unter dem
Datum des 15. eines jeweiligen Monats für die Zeit ab Januar bis Oktober 2005 den Erhalt von jeweils 350,00 EUR
bestätigt.
Die Beklagte erließ Änderungsbescheide vom 11.11.2005, mit denen sie die Leistung für die Zeit vom 01.01. bis
31.03.2005 in Höhe von monatlich 345,00 EUR, für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2005 in Höhe von monatlich 278,31
bzw. 263,68 EUR bzw. 265,38 EUR bzw. 305,50 EUR bzw. 314,83 EUR bewilligte und entgegenstehende Bescheide
insoweit aufhob. Mit weiterem Bescheid vom 11.11.2005 wurde für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.03.2006 die
Leistung weiterhin in Höhe von monatlich 263,68 EUR bewilligt. Es sei nicht plausibel, dass der Kläger tatsächlich
Mietzahlungen geleistet habe. Somit würden Zahlungen für die KdU rückwirkend zum 01.01.2005 eingestellt.
Mit dem Bescheid vom 15.11.2005 hob die Beklagte die Bewilligungsbescheide für die Monate Januar bis September
2005 teilweise auf und forderte die Erstattung von 2.916,60 EUR; die Summe setzt sich zusammen aus sechsmal
350,00 EUR und dreimal 272,20 EUR. Die Bescheide beruhten auf unterlassenen Angaben; er sei auf seine
Mitwirkungs- und Meldepflichten hinreichend hingewiesen worden. Auch hätte er erkennen müssen, dass die Leistung
in der zuerkannten Höhe nicht zugestanden habe.
Gegen die Bescheide vom 11. und 15.112005 legte der Kläger Widerspruch ein und legte eine von seinem Vater
unterschriebene Bestätigung vor, wonach er - der Kläger - monatlich 350,00 EUR Miete in bar bezahlt habe. Er fügte
die Bestätigung eines Unternehmerverbandes vom 16.12.2005 bei, wonach nach eingehender Überprüfung der
Steuerunterlagen für das Jahr 2004 Mieteinkünfte von 350,00 EUR monatlich festgestellt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.11.2005
als unbegründet. Zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 wies sie den Widerspruch gegen den
Bescheid vom 15.11.2005 zurück. Auf dem Konto des Klägers ließen sich keine Abhebungen der monatlichen Miete
von 350,00 EUR ab Januar 2005 ersehen, weshalb davon auszugehen sei, dass mit dem Vater ein fingiertes
Mietverhältnis abgeschlossen worden sei, um Leistungen zu den Kosten für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Nach
Überzeugung der Widerspruchsstelle sei tatsächlich keine Mietzahlung erfolgt. Diesbezüglich habe der Kläger im
Leistungsantrag falsche Angaben gemacht.
Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) die Klagen S 1 AS 227/06 und S 1 AS 228/06 erhoben. Er
hat Anlagen zu den Steuererklärungen über die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die
Jahre 2003 und 2004 vorgelegt, wonach 2003 Einnahmen für die Vermietung des Erdgeschosses von 5.215,90 EUR
und für weitere Geschosse von 4.908,00 EUR angegeben worden sind.
Mit Urteil vom 11.09.2006 hat das SG die Klagen abgewiesen. Nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II würden Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Der Gesetzgeber habe durch die
Ausweitung der Leistung für Unterkunft/Heizung über den Bereich der bisherigen Sozialhilfeempfänger hinaus eine
Möglichkeit für einen ausgeweiteten Missbrauch geschaffen. Für die Anerkennung von tatsächlichen Mietzahlungen
seien die Kriterien für eine steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages unter Angehörigen heranzuziehen.
Vorraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages nach Maßgabe des sogenannten
Fremdvergleichs sei, dass die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien wie das Überlassen einer konkret bestimmten
Mietsache und die Höhe der zu entrichtenden Miete stets klar und eindeutig vereinbart seien sowie entsprechend dem
Vereinbarten durchgeführt würden (Urteil BFH 20.10.1997 IX R 38/97). Die regelmäßige Zahlung der geschuldeten
Vergütung müsse wie unter Fremden durchgeführt worden sein (Urteil BFH vom 19.06.1991, Az. IX R 306/87).
Zutreffend habe die Beklagte die tatsächliche Mietzahlung in Zweifel gezogen. Barzahlungen von Miete entsprächen
heute nicht mehr dem unter Fremden Üblichen. Für die behauptete Barzahlung sei aus den Kontoauszügen kein
entsprechender zeitgerechter Abfluss ersichtlich. Auf die von der Beklagten geäußerten Zweifel an der tatsächlichen
Mietzahlung hin sei dann offensichtlich ein Mietbuch beschafft worden. Der völlig gleichförmige Schriftduktus zu den
Barzahlungsquittungen im vorgelegten Mietbuch lege nahe, dass die gesamten Eintragungen für Januar bis Oktober
2005 zum gleichen Zeitpunkt erfolgt und damit nachträglich (unzutreffend) zum Herstellen des Anscheins einer
tatsächlichen Mietzahlung gefertigt worden seien. Aus den vorgelegten Steuererklärungen für 2003 und 2004 ergebe
sich nichts anderes. Es handle sich um bloße Erklärungen, außerdem zu den nicht maßgeblichen Jahren. Ebenso
wenig sei eine Bestätigung eines privaten Verbandes geeignet, die tatsächliche Abwicklung der Mietzahlungen zu
beweisen. Wegen fehlender Aufwendungen habe die Beklagte zutreffend die Leistungen für Unterkunft/Heizung ab
Oktober 2005 abgelehnt. Für die Zeit von Januar 2005 bis September 2005 sei die Leistungsbewilligung rechtswidrig
und nach § 45 Abs.1 SGB X i.V.m. §§ 330 Abs.2 SGB III, 40 Abs.1 Nr.1 SGB II Maßgabe der Absätze 2 bis 4 des §
45 AGB X für die Vergangenheit zurückzunehmen gewesen. Nach § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X sei die Rücknahme nur
möglich, wenn der Verwaltungsakt auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhe, oder wenn dem Empfänger
der Leistung die Rechtswidrigkeit erkennbar habe sein müssen. Nach dem oben Dargelegten habe eine unrichtige
Angabe bezüglich der Mietzahlungen vorgelegen, so dass die Leistungsbewilligung auch für die zurückliegende Zeit
zurückzunehmen gewesen sei. Die Erstattung beruhe auf § 50 SGB X.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, die Angaben in den Steuererklärungen der Jahre 2003 und 2004
sprächen dafür, dass im Jahre 2005 ebenfalls Einkünfte erzielt worden seien. Im Erdgeschoss des Hauses M.gasse
wohne eine Familie G. , die im Jahre 2004 keine Miete bezahlt habe; die Forderung sei im Insolvenzverfahren
angemeldet worden. Im Obergeschoss wohne der Vater des Klägers mit seiner Frau, im Dachgeschoss wohne der
Kläger, der im Jahre 2003 4.908,00 EUR und im Jahre 2004 4.200,00 EUR, also 12 x 350,00 EUR, gezahlt habe.
Mit Schreiben vom 28.03.2007 hat der Kläger Unterlagen zur Steuererklärung für das Jahr 2005 vorgelegt und
angeführt, der Vater habe auch für dieses Jahr Mieteinnahmen von 4.200,00 EUR aus der Dachgeschosswohnung als
Einkünfte angegeben.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.09.2006 sowie die Bescheide vom 11.11.2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 aufzuheben sowie den Bescheid vom 15.11.2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom
01.10.2005 bis 31.03.2006 höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Es ist nicht nachgewiesen, dass dem Kläger tatsächlich Aufwendungen für die KdU in Höhe von monatlich 350,00
EUR entstanden sind, weshalb ihm eine Erstattung dieser Kosten nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II nicht zusteht.
Deshalb hat die Beklagte auch zu Recht die Bewilligung dieser Leistung für die Zeit von Januar bis September 2005
aufgehoben. Der Senat folgt den Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil und sieht gemäß § 153 Abs.2
SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen sind ebenfalls nicht geeignet, den erforderlichen Nachweis zu
erbringen. Die Angaben von Mieteinkünften in dieser Höhe in der Steuererklärung ist für sich selbst jedenfalls kein
ausreichender Nachweis. Denn diesen Einnahmen in Höhe von 4.200,00 EUR wurden Werbungskosten in Höhe von
insgesamt 16.708,62 EUR gegenübergestellt, so dass die Angabe von Einkünften Voraussetzung dafür ist, dass ein
negatives Einkommen steuerlich geltend gemacht werden kann.
Somit war die Berufung gegen das zutreffende Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. September 2006
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.