Urteil des LSG Bayern vom 23.02.2006

LSG Bayern: getrennt leben, wiedereinsetzung in den vorigen stand, geburt, eheähnliche gemeinschaft, gesetzliche frist, einkünfte, eltern, eugh, minderung, lebensgemeinschaft

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.02.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 6 EG 12/01
Bayerisches Landessozialgericht L 9 EG 31/04
I. Die Berufung der Klägerinn gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1973 geborene Klägerin studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität R ... Von Oktober 1999 bis
September 2000 bezog sie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von DM 1.030,00
monatlich, hälftig als Zuschuss, hälftig als unverzinsliches Darlehen. 2000 brachte die Klägerin ihre Tochter E. zur
Welt, woraufhin sie von der Universität R. beurlaubt wurde. Die Klägerin bezog von ihrer Krankenkasse
Mutterschaftsgeld als Einmalbetrag.
Mit Datum vom 28.03.2001 beantragte die Klägerin Bundeserziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate ihrer
Tochter und gab hierbei an, dass sie bis 24.03.2001 alleinerziehend gewesen und der Lebensunterhalt alleine vom
Kindergeld und von Unterstützungsleistungen ihrer Eltern finanziert worden sei. Ab dem 24.03.2001 lebte die Klägerin
in eheähnlicher Gemeinschaft mit dem Vater des Kindes zusammen. Auf Anforderung der Beklagten übermittelte die
Klägerin ein förmliches Antragsformular nebst Einkommensfragebogen, mit welchem diese Angaben nochmals
bestätigt wurden und teilte mit Datum vom 09.04.2001 weiter mit, dass die Einkünfte ihres Lebensgefährten aus
selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt im Jahr 2000 bei 159.843,69 DM brutto gelegen hatten.
Mit Bescheid vom 20.04.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Bundeserziehungsgeld ab, da das maßgebliche
Einkommen unter Berücksichtigung der Einnahmen des Partners die maßgebliche Einkommensgrenze übersteige.
Aus dem internen Berechnungsblatt ergibt sich, dass die Beklagte für den 1. bis 6. Lebensmonat des Kindes das
Bruttoeinkommen des Partners abzüglich einer Pauschale von 27 % im Ergebnis mit DM 116.685,39 angesetzt hatte.
Am 25.05.2001 legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten - den Vater des gemeinsamen Kindes, damaligen
Lebenspartner und jetzigen Ehemann der Klägerin - Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die
Klägerin bis zur Begründung der eheähnlichen Gemeinschaft mit ihrem Partner alleinerziehend und ohne eigene
Einkünfte gewesen sei. Soweit die Beklagte auch für diese Zeit das Einkommen des Ehegatten heranziehe, sei dies
rechtswidrig. Es dürfe insofern keinen Unterschied machen, ob die Klägerin den Antrag vor dem 24.03.2001 oder - wie
geschehen - fünf Tage später gestellt habe. Soweit die entsprechende gesetzliche Regelung für die Beurteilung der
maßgeblichen Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstelle, müsse dies so ausgelegt werden, dass dies
nur hinsichtlich einer Antragstellung für künftige Leistungen gelte. Bei einer Antragstellung vor dem 24.03.2001 hätte
sich die Änderung durch Begründung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch erst ab diesem Zeitpunkt
ausgewirkt. Es entspreche der Intention des Gesetzgebers, nicht leistungsfähigen Antragstellern die monatliche
Unterstützung entsprechend den jeweils konkret zur Verfügung stehenden Geldmitteln zukommen zu lassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2001 wies die Beklagte den zulässigen Widerspruch als unbegründet zurück.
Nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG, § 6 Abs.1 und 2 i.V.m. § 5 Abs.2) sei das voraussichtliche
Einkommen des Berechtigten und seines Partners im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend. Der Anspruch
auf Erziehungsgeld entfalle, wenn - wie bei der Klägerin - das zu berücksichtigende Einkommen 100.000,00 DM
übersteige. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung sei für die Beurteilung des Familienstandes auf den
Zeitpunkt der Antragstellung, bei der Klägerin somit auf den 28.03.2001, abzustellen.
Am 23.08.2001 erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Regensburg mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung der maßgeblichen Bescheide zur Zahlung von Er- ziehungsgeld ab der Geburt des
Kindes bis zur Begründung der eheähnlichen Partnerschaft am 24.03.2001 zu verpflichten.
In einem am 24.03.2003 durchgeführten Erörterungstermin erteil- ten die Beteiligten ihre Zustimmung zur
Entscheidung ohne münd- liche Verhandlung gemäß § 124 Abs.2 SGG. Mit Urteil vom 16.12.2003 wies das
Sozialgericht die Klage ab. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG sei bei der Prüfung der
Einkommensgrenzen für die Gewährung von Erziehungsgeld in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes von den
Verhältnissen auszugehen, die zum Zeitpunkt der Antrag- stellung vorliegen. Nachdem die Klägerin am 28.03.2001
bereits mit ihrem Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt habe, seien die Einkommensgrenzen für
Verheiratete heranzuziehen. Das gemeinsame Einkommen habe im Jahr 2000 (Geburtsjahr) die maßgeblichen
Einkommensgrenzen überschritten, so dass die Beklagte zu Recht Erziehungsgeld abgelehnt habe.
Am 11.03.2004 legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten gegen das am 26.02.2004 zugestellte Urteil Berufung
ein. Die Berufung wird, wie schon der Widerspruch und die Klage, auf eine fehlerhafte Auslegung der §§ 4 Abs.2 Satz
2 und 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG durch die Beklagte bzw. das Sozialgericht gestützt. Bei einer Antragstellung für
zurückliegende Zeiträume sei nach der Wertung des Gesetzes auf die tatsächlichen Verhältnisse im
Bewilligungszeitraum abzustellen. Der Gesamtzusammenhang der Regelungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes
(BerzGG) zeige, dass § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG, wonach die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung
maßgeblich sind, lediglich auf die Bewilligung von Erziehungsgeld für die Zukunft zugeschnitten sei. Die
Zugrundelegung der Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung sei daher lediglich der Ausgangspunkt
einer Prognoseentscheidung, welche für die hier beantragte rückwirkende Gewährung gerade keine taugliche
Ausgangsposition darstelle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei eine rückwirkende Gewährung
von Erziehungsgeld bei nachträglichem Eintritt einer Anspruchsvoraussetzung nicht möglich. Gleiches müsse für den
hier vorliegenden, umgekehrten Fall gelten. Es stelle eine eindeutige, vom Gesetz nicht gewollte Benachteili- gung
dar, wenn bei der rückwirkenden Antragstellung verlangt werde, dass sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen sowohl
wäh- rend des in Betracht kommenden Leistungszeitraumes als auch im Zeitpunkt der nachträglichen Antragstellung
vorliegen. Diese Wertung ergäbe sich auch aus der gesetzgeberischen Entwicklung des § 5 Abs.2
Bundeserziehungsgeldgesetz. Während in der ur- sprünglichen Fassung Erziehungsgeld einkommensabhängig erst ab
dem 7. Lebensmonat des Kindes gewährt und auf die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt abgestellt worden sei, habe
der Gesetzgeber für Geburten ab dem 01.07.1993 eine doppelte Antragstellung für das erste und zweite Lebensjahr
eingeführt und in § 5 Abs.2 Satz 3 nunmehr auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt. Erst
danach sei in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung ein neuer § 5 Abs.2 Satz 1 eingefügt worden, der nunmehr
erstmals auch den Anspruch für die ersten sechs Lebensmonate einkommensabhängig gestaltet habe. Daraus ergebe
sich eindeutig, dass der jetzige § 5 Abs.2 Satz 4 in keinerlei Bezug zum später eingeführten Satz 1
(Bundeserziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate) stehe und sich alleine auf den unmittelbar
vorherstehenden § 5 Abs.2 Satz 3, also auf Familienstand und Kinderzahl beziehe.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.12.2003 und den Bescheid vom 20.04.2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 24.07.2001 aufzuheben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin rückwirkend ab Geburt
ihres Kindes E. 2000 bis zur Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Kindsvater am 24.03.2001
Erziehungsgeld zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt nach wie vor die Auffassung, dass sich die zu Grunde zu legenden Einkommensgrenzen nach
dem familiären Status der Eltern im Zeitpunkt der Antragstellung richten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist statthaft, da in Anbetracht
des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen ab 24.03.2001 Erziehungs- geld für jedenfalls knapp fünf Monate
(maximal DM 3.000,00) im Streit steht.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Regensburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 20.04.2001 in
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001 zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf
Bundeserziehungsgeld für ihre 2000 geborene Tochter E. zu. Maßgeblich für den Anspruch ist auf Grund der Geburt
im Jahr 2000 das BErzGG in der ab dem 01.01.1994 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 31.01.1994
(BGBl.I S.181), zuletzt geändert durch die 6. Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 21.09.1997 (BGBl.I S.2390).
Nach § 1 Abs.1 BErzGG hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt
im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (1), mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem
Haushalt lebt (2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (4).
Nach § 5 Abs.1 BErzGG beträgt das Bundeserziehungsgeld monatlich DM 600,00. In den ersten sechs
Lebensmonaten des Kindes entfällt das Erziehungsgeld, wenn das Einkommen nach § 6 bei Verheirateten, die von
ihrem Ehepartner nicht dauernd getrennt leben, 100.000,00 Deutsche Mark und bei anderen Berechtigten 75.000,00
DM übersteigt, § 5 Abs.2 Satz 1 BErzGG. Vom Beginn des 7. Lebensmonats an wird das Erziehungsgeld gemindert,
wenn das Einkommen nach § 6 bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 29.400,00
DM und bei anderen Berechtigten 23.700,00 DM übersteigt. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der
Antragstellung, § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG. Leben die Eltern in einer eheähnlichen Gemeinschaft, gilt die
Einkommensgrenze für Verheiratete, die nicht dauernd getrennt leben, § 5 Abs.2 Satz 5 BErzGG. Als Einkommen gilt
hierbei die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im
Sinne des § 2 Abs.1 und 2 EStG abzüglich pauschaler Abzüge nach § 6 Abs.1 BErzGG. Nach § 6 Abs.2 Satz 1 1.
Halbsatz BErzGG ist für die Minderung im 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im
Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend. Nach Abs.3 dieser Vorschrift ist das Einkommen des Berechtigten
und seines Ehepartners zu berücksichtigen, soweit diese nicht dauernd getrennt leben; leben die Eltern in einer
eheähnlichen Gemeinschaft, ist auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen.
Unter diesen Voraussetzungen steht der Klägerin unstreitig kein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld für den 7. bis
12. Lebensmonat ihres Kindes sowie für die Zeit von 24.03. bis 28.04.2001 (Ablauf des 6. Lebensmonats) zu. Ab dem
24.03.2001 hatte die Klägerin bereits mit dem Vater des Kindes und ihrem späteren Ehemann eine eheähnliche
Gemeinschaft begründet. Hieran besteht auf Grund der übereinstimmenden Erklärung der Klägerin und ihres
Bevollmächtigten als Kindeseltern kein Zweifel (vgl. die insoweit klarstellende Regelung des § 6 Abs.3 Satz 2 2.
Halbsatz BErzGG in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ist gemäß § 6 Abs.3
Satz 2 und ab dem 7. Lebensmonat gemäß § 5 Abs.3 BErzGG das Einkommen des Partners in bereinigter Höhe von
116.685,39 DM zu Grunde zu legen, welches einen Anspruch auf Bundeserziehungsgeld ausschließt bzw. auf Null
mindert. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin auch den Klageantrag auf die Gewährung von
Erziehungsgeld für die Zeit von der Geburt bis zum 23.03.2001 beschränkt.
Der Klägerin steht aber auch für diese Zeit kein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld zu. Ohne Zweifel hat die
Klägerin in der Zeit bis 23.03.2001 die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 BErzGG erfüllt. Sie hat ihre Tochter alleine
erzogen, bis auf das Kin- dergeld kein eigenes Einkommen erzielt und bei ihren Eltern mietfrei gewohnt. Sie selbst hat
in dieser Zeit auch die Einkommensgrenzen des § 5 Abs.2 Satz 1 BErzGG nicht überschritten. Für die Frage, wessen
Einkommen hierbei zu berücksichtigen ist, ist jedoch nicht der mögliche Bezugszeitraum heranzuziehen, sondern die
Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, § 5 Abs.2 Nr.4 BErzGG. Die Klägerin lebte zum Zeitpunkt der Antrag-
stellung am 28.03.2001 mit dem Vater ihres Kindes und dem jet- zigen Ehemann und Bevollmächtigten in einer
eheähnlichen Ge- meinschaft. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs.2 S. 4 u. 5 BErzGG ist damit ein Anspruch auch für
die Zeit bis 23.03.2001 auf Grund der Berücksichtigung des Einkommens des Partners nicht gegeben.
Es bestehen gegen diese Rechtsfolge keine durchgreifende Be- denken, auch wenn dies für die Klägerin zur Folge
hat, dass rückwirkend eine Berücksichtigung des Einkommens ihres Part- ners stattfindet, obwohl ihr diese Einkünfte
damals tatsäch- lich nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfü- gung standen. Es finden sich entgegen
der klägerischen Auf- fassung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG lediglich für
zukunftsgerichtete Antragstellungen Wir- kung entfalten soll. Eine entsprechende gesetzgeberische Mo- tivlage, die
zu einer abweichenden Auslegung dieser Vorschrift führen könnte, ist nicht ersichtlich.
Der Gesetzgeber hat mit Art.4 Nr.3 des Gesetzes zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms vom
23.06.1993 (BGBl.I S.944) die damalige Vorschrift des § 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG da- hingehend geändert, dass statt
dem Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes nunmehr der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. In der
Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt: "In Bezug auf Familienstand und Kinderzahl werden künftig die
Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung zu Grunde gelegt. Diese Regelung ist einfacher und wirklichkeitsnäher"
(BT-Drs. 12/4401 S.74, zu Nr.3). Diese Änderung erfolgte zu einem Zeitpunkt, in welchem § 4 Abs.2 Satz 3 BErzGG
bereits die Regelung enthielt, wonach Erziehungsgeld auch rückwirkend, höchstens jedoch für sechs Monate vor der
Antragstellung, bewilligt wird. Diese rückwirkende Gewährung war durch Art.4 Nr.4 des Gesetzes zur Änderung des
Bundeserziehungsgeldgegetzes und anderer Vorschriften vom 30.06.1989 (BGBl.I S.1297) mit Wirkung vom
01.07.1989 eingeführt worden. Auf Grund dieser Rückwirkungsmöglichkeit war offensichtlich, dass mit einem
Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung in der ab 27.06.1993 gültigen Fassung des BErzGG für die Beurteilung
der Leistungsvoraussetzungen eines zurückliegenden Zeitraums auch erst später eintretende Änderungen in den
maßgeblichen Verhältnissen wirksam werden können.
Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet § 6 Abs.2 S.1 BErzGG, wonach für die Minderung im 1. bis 12.
Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend ist.
Der Gesetzgeber hat dies mit einer Änderung des § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG durch Art.1 Nr.5 des Dritten Gesetzes
zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000 (BGBl.I S.1426) mit Wirkung vom 01.01.2001 ausdrücklich klargestellt.
Danach sind maßgeblich weiterhin die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, "abgesehen von ausdrücklich
abweichenden Regelungen dieses Gesetzes". Eine solche ausdrücklich abweichende Regelung findet sich in § 6
BErzGG aber lediglich hinsichtlich der Festlegung, welcher Zeitraum für die Feststellung berücksichtigungsfähiger
Einkünfte maßgeblich ist. Für die Frage, wessen Einkommen zu berücksichtigen ist, verbleibt es hingegen - sowohl
nach der ab 01.01.2001 wie auch nach der bis 31.12.2000 geltenden Rechtslage - bei dem Zeitpunkt der
Antragstellung, § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG (so auch Buchner/Bäcker Mutterschutzgesetz,
Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Auflage Rdnr.17 zu § 5 BErzGG). Auch die bereits erwähnte Gesetzesbegründung
zur Einführung dieser Vorschrift stellt ausdrücklich klar, dass in Bezug auf Familienstand und Kinderzahl künftig die
Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung zu Grunde zu legen sind (BT-Drs 12/4401 a.a.O.;
Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Auflage Rdnr.3 zu § 5 BErzGG).
Dies wird auch vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 13.12.2000, B 14 EG 10/99 R). Soweit das
BSG in dieser Entscheidung § 5 Abs.2 Satz 4 BErzGG als "unklar" be- zeichnet, gilt dies ausschließlich für die dort
erörterte Fra- ge, auf welchen Zeitpunkt abzustellen wäre, wenn nach Änderung der Verhältnisse (Geburt eines
zweiten Kindes während des laufenden Bewilligungszeitraums) ein vorher gestellter Antrag zurückgenommen und ein
neuer Antrag gestellt wird. Für die vor- liegende Fallkonstellation erweist sich der insoweit eindeutige Wortlaut des § 5
Abs.2 Satz 4 BerzGG als nicht auslegungsfähig, da von der Klägerin nur ein Antrag gestellt wurde.
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin diese "formaljuristi- sche" Betrachtungsweise mit Sinn und Zweck des
BErzGG für un- vereinbar hält, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Zweck des Bundeserziehungsgeldes ist
neben der Anerkennung der Be- treuung und Erziehungsleistung sowie der Abmilderung von Kon- fliktsituationen zum
Schutz des ungeborenen Lebens nicht zu- letzt auch die Erleichterung der Möglichkeit, zur Förderung der Entwicklung
in den entscheidenden ersten Lebensjahren des Kin- des ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten
(Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Rdnr.2 zu § 1 BErzGG). Diese ur- sprüngliche Zielrichtung des Gesetzes ist auch durch
die Recht- sprechung des EuGH (Urteil von 10.10.1996, C-245/94), wonach das Erziehungsgeld einer Familienleistung
i.S.v. Art.4 Abs.1 Buchstabe h der VO 1408/71 gleichzustellen ist, nicht obsolet geworden. Vielmehr hat der EuGH
klargestellt dass zwar das Er- ziehungsgeld als eine objektiv von der Anzahl und dem Alter der Kinder sowie dem
Einkommen der Eltern abhängige Leistung vor allem dem Ausgleich von Familienlasten dient, aber auch "ggf. dem
Ausgleich der finanziellen Nachteile, die der Verzicht auf ein Vollerwerbseinkommen bedeutet" (EuGH a.a.O., SozR 3-
6050 Art.4 Nr.8 S.32). Auch das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung vom 06.07.2004 zur
Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis von der Erziehungsgeldgewährung
(1 BvR 2515/95) maßgeblich auf diesen Normzweck ab. Soweit das Bundeserziehungsgeld unter diesem
Gesichtspunkt nicht zuletzt auch eine aktuell bedarfsdeckende Leistung darstellt, ist es konsequent, wenn der
Klägerin auf Grund der Antragstellung zu einem Zeitpunkt, in der sie mit dem finanziell abgesicherten Vater des
Kindes in einer nichtehelichen Partnerschaft zusammenlebt, diese Leistung rückwirkend nicht mehr zu Gute kommt.
Man darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt lassen, dass mit der Einbeziehung des Kindesvaters auch
die auf DM 100.000,00 erhöhte Freigrenze zur Anwendung kommt. Dies kann sich in anderen Konstellationen durch-
aus auch zugunsten des Berechtigten auswirken.
Das gefundene Ergebnis steht auch im Einklang mit der Recht- sprechung des BSG zu der bis 26.06.1993 geltenden
Rechtslage (Urteil vom 10.03.1993, 14 b/14 REg 1/91; SozR 3-7833 § 6 Nr.2). In dem dortigen Fall war zu
entscheiden, ob für den Anspruch der Klägerin der Familienstand im - damals gemäß § 5 Abs.2 Satz 3 BErzGG
maßgeblichen - Zeitpunkt des Beginns des 7. Lebensmonats zugrunde zu legen war, obwohl in dem Zeitraum, der zur
Ermittlung des maßgeblichen Einkommen herangezogen wurde (vorletztes Jahr vor der Geburt des Kindes), der
Ehemann der Klägerin noch mit einer anderen Frau verheiratet gewesen war. Das BSG führt hierzu aus, dass zu dem
in diesem Fall alleine maßgeblichen zurückliegenden Einkommen die Einkünfte des Ehegatten auch dann gehören,
wenn die Ehe zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestand und der jetzige Ehegatte noch anderweitig verheiratet war. Für
die familienrechtlichen Verhältnisse komme es nach dem BErzGG allein auf den Beginn des 7. Lebensmonats an.
Das Gesetz fordere nicht, dass diese Verhältnisse bereits in dem für die Ermittlung der Höhe des anzurechnenden
Einkommens maßgebenden Zeitraum vorgelegen haben. Für den maßgebenden Familienstand sei § 6 BerzGG ohne
Bedeutung. Es habe den Eheleuten nach der damaligen Gesetzeslage (§ 6 Abs.4 BerzGG) frei gestanden,
Erziehungsgeld wahlweise auch nach Maßgabe des aktuellen Einkommens zu beantragen (BSG a.a.O.).
Auch wenn diese Wahlmöglichkeit nach der hier maßgeblichen Ge- setzesfassung nicht mehr besteht, weil nunmehr
nach § 6 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz BErzGG für die Minderung im 1. bis 12. Le- bensmonat des Kindes grundsätzlich
das voraussichtliche Ein- kommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes heranzuziehen ist, bleibt die Wertung
dieselbe. Denn vorliegend hatte die Klägerin die Freiheit, den für die Ermittlung des Familienstandes nunmehr
maßgeblichen (flexiblen) Zeitpunkt der Antragstellung innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Grenzen (Rückwirkung
für maximal 6 Monate) selbst zu bestimmen. Es war der Klägerin insoweit unbenommen, einen Antrag auf
Erziehungsgeld bereits vor dem 24.03.2001 zu stellen. Die der Entscheidung des BSG zugrundeliegende Aussage gilt
hierbei unverändert: Es ist nicht zu beanstanden, wenn unterschiedliche Zeitpunkte für die Feststellung des
maßgeblichen Familienstandes einerseits und die Ermittlung des Einkommens andererseits herangezogen werden,
auch wenn dies zur Folge hat, dass sich die Frage, wessen Einkommen zu berücksichtigen ist, nicht nach dem im
Einkommenszeitraum bestehenden sondern dem aktuellen Familienstand richtet.
Angesichts der bestehenden Wahlfreiheit hinsichtlich des An- tragszeitpunktes führt die Argumentation der Klägerin,
dass - hätte sie den Antrag fünf Tage früher gestellt - Erziehungsgeld bewilligt worden wäre, auch unter dem
Gesichtspunkt der Fristversäumnis zu keinem abweichenden Ergebnis. Das Gesetz stellt für die Beurteilung der
familiären Verhältnisse ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab. Mit dieser Regelung wird keine Frist
statuiert, sondern der für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt festgelegt; es handelt es
sich damit - anders als z.B. bei der Sechsmonatsfrist des § 4 Abs.2 Satz 3 BerzGG - nicht um eine gesetzliche Frist,
bei deren Versäumung der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte. Es ist insofern un-
erheblich, ob die "verspätete" Antragstellung von der Klägerin verschuldet war oder nicht. Auch das Institut des
sozialrecht- lichen Herstellungsanspruchs kann der Klägerin vorliegend nicht zur Leistung verhelfen. Der Beklagte hat
insofern keine Bera- tungs- oder Auskunftspflicht verletzt. Die Klägerin hat vor dem 28.03.2001 kein diesbezügliches
Ersuchen an den Beklagten ge- stellt. Mangels entsprechender Verwaltungskontakte bestand auch keine
Hinweispflicht des Beklagten.
Damit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass das Einkommen des Partners und jetzigen Ehemanns der Klägerin bei
der Prüfung ih- res Anspruchs auf Bundeserziehungsgeld zu berücksichtigen ist. Dass diese Berücksichtigung auch
bei Partnern einer eheähnli- chen Gemeinschaft verfassungsgemäß ist, hat das Bundessozialge- richt bereits mit
Urteil vom 15.10.1996 (14 REg 1/96) festge- stellt. Die Bescheide des Beklagten wie auch das Urteil des So-
zialgerichts sind damit rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil
eine ent- scheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht
es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.