Urteil des LSG Bayern vom 06.04.2009
LSG Bayern: öffentliche urkunde, briefkasten, wohnung, entschuldigung, strafgesetzbuch, datum, zustellung, ermessensausübung, zivilprozessordnung, spekulation
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 06.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 17 R 4357/07
Bayerisches Landessozialgericht L 2 B 818/08 R
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ihm auferlegtes Ordnungsgeld. Im Hauptsacheverfahren vor dem
Sozialgericht Augsburg (SG) zum Az.: S 17 R 4357/07 begehrt der Beschwerdeführer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung ab 01.01.2004. Er habe seinen Betrieb zum 01.01.2004 aufgegeben. Einkünfte, wie sie sich aus
dem Einkommensteuerbescheid für 2004 ergäben, rührten aus aktivem Einkommen bis 2003 her. Erlöse aus 1997,
2000 bis 2003 habe er rückwirkend zu versteuern gehabt. Die Beklagte wandte ein, für das Jahr 2004 ergebe sich
wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze kein zahlbarer Rentenanspruch. Das SG forderte am 17.01.2008
weitere Nachweise, insbesondere darüber, dass im Einkommensteuerbescheid 2004 Veräußerungsgewinne aus
früheren Jahren berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdeführer legte weitere Unterlagen sowie seine Zustimmung
und die Zustimmung seiner Ehefrau zur Beiziehung der Steuerunterlagen vor. Am 27.06.2008 verfügte das SG die
Ladung der Beteiligten zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29.07.2008. Es ordnete hierzu das
persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers an. Laut Ladungsverfügung wurde der Beschwerdeführer auf Folgen
des Nichterscheinens hingewiesen. Mit Postzustellungsurkunde vom 01.07.2008 wurde ihm die Ladung zugestellt. Der
Zusteller vermerkte, er habe den Adressaten nicht persönlich angetroffen und das Schriftstück in den zur Wohnung
gehörenden Briefkasten eingelegt. Im Termin vom 29.07.2008 erschien der Beschwerdeführer nicht. Das SG legte ihm
150,00 Euro Ordnungsgeld auf. Es führte aus, der Kläger sei trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Entschuldigung
nicht erschienen. Unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse sei Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 Euro
angemessen. Der Beschluss wurde ihm mit Postzustellungsurkunde vom 07.08.2008 zugestellt. Dagegen legte der
Beschwerdeführer am 14.08.2008 Beschwerde ein. Er könne sich gar nicht erklären, wie es zu dem Versäumen des
Termins gekommen sei, da er selbst an einem schnellen Termin interessiert sei. Es müsse wohl so gewesen sein,
dass er und seine Ehefrau am 01.07.2008 in A. gewesen seien. Sie könnten sich beide nicht erinnern, an diesem Tag
einen gelben auffälligen Umschlag im Briefkasten vorgefunden zu haben. Erklärungsversuche, wie Nichteinwurf in den
eigenen, sondern in einen fremden Briefkasten, Diebstahl aus dem Briefkasten, Übersehen, weil der Briefkasten mit
Reklame voll war usw., seien reine Spekulation. Allerdings sei es in der Vergangenheit vorgekommen, dass für ihn
bestimmte Post in den Briefkasten von Nachbarn gelangt sei. Der Beschwerdeführer beantragt, den
Ordnungsgeldbeschluss des SG vom 29.07.2008 aufzuheben. Das SG legte die Beschwerde dem Bayer.
Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
II. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet. Einem
gemäß § 111 Abs. 1 SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) mit der Anordnung des persönlichen
Erscheinens geladenen Kläger, der der Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet, kann
Ordnungsgeld zwischen 5,00 Euro und 1.000,00 Euro auferlegt werden. Im vorliegenden Fall sind die
Voraussetzungen zum Festsetzen von Ordnungsgeld erfüllt. Der Beschwerdeführer wurde ordnungsgemäß zum
Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29.07.2008 geladen. Für die Anordnung des persönlichen Erscheinens
genügt gemäß §§ 111 SGG, 141 Abs. 2 ZPO an sich die formlose Ladung der Partei selbst. War wie hier die Ladung
mit Postzustellungsurkunde verfügt, so genügt gemäß § 175 ZPO das Einlegen der zu übergebenden Schriftstücke in
den zur Wohnung gehörenden Briefkasten, wenn der Empfänger nicht angetroffen wird. Die Postzustellungsurkunde
ist eine öffentliche Urkunde i. S. d. § 418 ZPO. Sie bezeugt die darin festgehaltenen Tatsachen, u. a. das Datum der
Zustellung. Die Richtigkeit der bezeugten Tatsachen kann durch bloßes Bestreiten nicht in Zweifel gezogen werden.
Allein die Vermutung des Beschwerdeführers, die Briefsendung könnte in einen falschen Briefkasten eingelegt worden
sein, reicht nicht aus, um die Angaben in der öffentlichen Urkunde zu widerlegen. Damit ist davon auszugehen, dass
die Ladung zum Termin ordnungsgemäß am 01.07.2008 erfolgte. Ferner steht fest, dass der Beschwerdeführer im
Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.07.2008 nicht erschienen war. Damit sind die Voraussetzungen zur
Auferlegung von Ordnungsgeld erfüllt. Die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen einen nicht erschienenen Beteiligten
ist zwar in das Ermessen des Gerichts gestellt. Eine solche Anordnung hat zu unterbleiben, wenn dem Beteiligten
wegen zu großer Entfernung vom Verhandlungsort eine Teilnahme unzumutbar ist. Solche Gründe liegen nicht vor.
Aus dem Sachverhalt ergibt sich auch, ohne dass das SG hierzu Ausführungen gemacht hätte, dass die Mitwirkung
Aus dem Sachverhalt ergibt sich auch, ohne dass das SG hierzu Ausführungen gemacht hätte, dass die Mitwirkung
des Beschwerdeführers gemäß § 103 2. Halbsatz SGG angezeigt war zur Aufklärung des Sachverhalts. Ebenso geht
aus der Prozessakte hervor, dass eine Entscheidung ohne Mitwirkung des Klägers im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 29.07.2008 nicht ergehen konnte. Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass das SG sein
Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. Auch die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes begegnet keinen Bedenken.
Es bedarf dann keiner Begründung der Ermessensausübung zur Höhe des Ordnungsgeldes, wenn sich dieses im
unteren Bereich des von Art. 6 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorgegebenen Rahmens zwischen
5,00 Euro und 1.000,00 Euro hält. Dies trifft hier zu. Der Beschwerdeführer hat keine Gründe vorgetragen, die zu einer
anderen Entscheidung Veranlassung gäben. Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass der Ordnungsgeldbeschluss
vom 29.07.2008 der Sach- und Rechtslage entsprochen hat. Die Beschwerde dagegen war zurückzuweisen. Dieser
Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).