Urteil des LSG Bayern vom 09.03.2010
LSG Bayern: kostenpflichtiges verfahren, erlass, vollstreckungskosten, beitragsschuld, nebenkosten, versicherungsträger, verwaltungsakt, versicherter, meinung, unfallversicherung
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 09.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 8 U 149/06
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 328/09 B
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts Augsburg im Verfahren S 8 U 149/06. Der
Beschwerdeführer war vom 01.01.1975 bis 04.10.1984 als Inhaber einer Einzelfirma Mitglied der Südwestlichen Bau-
Berufsgenossenschaft, die zum 01.05.2005 mit anderen Bau-Berufsgenossenschaften zur BG-Bau,
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, fusionierte. Aus der Zeit seiner Mitgliedschaft schuldet der
Beschwerdeführer Beiträge in Höhe von 24.446,56 EUR zuzüglich Vollstreckungskosten in Höhe von 298,36 EUR
sowie Säumniszuschläge von 36.533,48 EUR. Am 19.05.2004 beantragte er die Niederschlagung der
Gesamtforderung von 61.278,40 EUR. Er sei inzwischen Altersrentner und sei nicht in der Lage, Zahlungen auf die
Schuld zu leisten. Mit Bescheid vom 03.06.2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 26.07.2004 lehnte die
Beklagte (hier Beschwerdegegnerin) den Erlass der Beitragsrückstände einschließlich Nebenkosten und
Säumniszuschläge ab. Der Erlass sei nur zulässig, wenn die Einziehung der Forderung nach Lage des Einzelfalls
unbillig wäre. Dies sei nicht der Fall, weil eine Verrechnung mit der Rentenleistung der Landesversicherungsanstalt
stattfinde. Danach ergebe sich unter Beachtung der Freigrenzen ein verrechnungsfähiger Betrag von monatlich 100,00
EUR. Mit seiner hiergegen am 11.08.2004 zum Sozialgericht Augsburg gerichteten Klage verfolgte der
Beschwerdeführer die Aufhebung der vorstehenden Bescheide und den Erlass der gesamten Forderung in Höhe von
61.278,40 EUR. Mit am 26.03.2009 eingegangenem Schreiben nahm der Beschwerdeführer die Klage zurück. Am
03.06.2009 wies das Sozialgericht darauf hin, es handle sich um ein Verfahren, für das Kosten nach dem
Gerichtskostengesetz (GKG) anfielen. Es erwäge, den Streitwert auf 61.278,40 EUR festzusetzen. Der
Beschwerdeführer wandte ein, der Streitwert sei nicht nach der Gesamtforderung zu berechnen. Die Verzugszinsen
und Nebenkosten dürften nicht mit einbezogen werden. Mit Beschluss vom 28.07.2009 setzte das Sozialgericht den
Streitwert auf 61.278,40 EUR fest. Die Klage habe den Erlass der Beitragsschuld zum Ziel gehabt und damit die
Kosten und Säumniszuschläge mit umfasst. Die Kostenfestsetzung beruhe auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG)
i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 05.08.2009 Beschwerde. Der Streitwert richte sich
nach § 197 a SGG i.V.m. § 3 Abs. 1 GKG. Danach sei ausschließlich die Hauptforderung maßgebend, denn bei
Erlass der Beitragsschuld hätten sich auch die Vollstreckungskosten und Säumniszuschläge erledigt. Die
Beschwerdegegnerin wandte ein, keineswegs würden nach Erlass der Hauptforderung die Nebenforderungen
untergehen. Der Erlassantrag des Beschwerdeführers habe sich auf die gesamte Forderung bezogen. Der Streitwert
sei demnach richtig angesetzt. Der Beschwerdeführer erklärte am 04.09.2009, er stelle sich die Frage, ob nicht § 183
SGG einschlägig sei und das Verfahren insgesamt kostenfrei wäre. Die Gebührenerhebung richte sich im Übrigen nur
nach der Hauptsacheforderung. Die Beschwerdegegnerin erwiderte, der Beschwerdeführer gehöre in der streitigen
Beitragsangelegenheit nicht zum privilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Der Streitwert sei nach §§ 52 ff. GKG
festzusetzen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung sei der Zeitpunkt des die Instanz einleitenden Antrags.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2009 abzuändern und den
Streitwert auf 24.446,56 EUR herabzusetzen. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird im Übrigen gemäß § 136 Abs. SGG auf den Inhalt der beigezogenen Klage- und
Beschwerdeakten Bezug genommen. II. Die nach § 68 Abs. 1 GKG eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig,
aber unbegründet. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs.
2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Danach ist in Verfahren, in dem der Kläger nicht zum kostenprivilegierten
Personenkreis des § 183 SGG gehört gemäß § 197 a SGG das Gerichtskostengesetz anzuwenden. Nach § 63 Abs. 2
Satz 1 wird der Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss festgesetzt, sobald eine Entscheidung über
den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich, wie hier durch Klagerücknahme, das Verfahren anderweitig erledigt.
Für die Höhe der Streitwertfestsetzung ist § 52 Abs. 1 bis 3 GKG maßgebend. Danach ist der Streitwert nach der sich
aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der
Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe
maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Das wirtschaftliche Interesse des mit dem Rechtsstreit verfolgten Erlasses entspricht
dem in den angefochtenen Bescheiden und in der Klageschrift genannten Betrag von 61.278,40 EUR. Genau diesen
Betrag nannte der Beschwerdeführer in seinem Klageantrag. Die Klage war gerichtet auf Erlass der gesamten
Forderung, also einschließlich Vollstreckungskosten und Versäumniszuschläge. Ein Verhältnis von Hauptforderung zu
Nebenforderung besteht daher nicht. Für Nebenforderungen schreibt § 43 GKG, der im Gesamtbereich des GKG
Geltung hat, also auch im sozialgerichtlichen Verfahren, vor, dass - wie hier von Bedeutung - Zinsen oder Kosten als
Nebenforderung, die außer dem Hauptanspruch betroffen sind, bei der Wertberechnung nicht zu berücksichtigen sind.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind u.a. Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen, die ohne den Hauptanspruch
betroffen sind, bei der Wertberechnung maßgebend, soweit sie den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigen.
Daraus ergibt sich, dass § 43 GKG von einem Verhältnis zwischen Hauptforderung und Nebenforderung ausgeht.
Beim Erlassantrag gemäß § 76 des 4. Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) besteht jedoch kein Verhältnis mehr
zwischen Haupt- und Nebenforderung. Vielmehr richtet sich der Antrag auf Erlass auf die gesamte vom
Versicherungsträger geltend gemachte Forderung. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers bestünden die
Nebenforderungen auch dann fort, wenn die Hauptforderungen erlassen oder gestundet würden. Der Senat stimmt
daher der Wertberechnung des Sozialgerichts zu und weist die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss vom
28.07.2009 zurück. Obwohl diese Frage bei der Streitwertfestsetzung nicht mehr zur Entscheidung ansteht, sieht sich
der Senat veranlasst, auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 05.03.2008 - B 2 U 353/07
B) hinzuweisen. Danach handelt es sich um ein kostenpflichtiges Verfahren gemäß § 197 a SGG, wenn der Kläger
keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegen die Beklagte geltend
macht, sondern wenn er sich vielmehr gegen die Erhebung von Beiträgen durch die Beklagte von ihm als Unternehmer
wendet. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG). Diese
Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).